Sind Arbeiter- und Kapitalistenklasse
verschwunden? Aus dem PDS-onlineDiskussionsforum
(Programmdiskussion)
A: Die These von
Professor Werner Müller, FH Mainz: Hallo Herr
Buchenberg, ... Sie haben allerdings Recht mit der Feststellung, dass
ich mich weniger mit Ihren inhaltlichen Thesen auseinander setzen wollte,
als vielmehr meine Gegenthese zu entwickeln. ... Ob Marx Elend weiter
verstanden hat als Armut, ob Armut bei ihm nur am Eigentum oder Besitz von
Produktionsmitteln festgemacht wurde halte ich für eine rückwärts
gerichtete Diskussion, denn Marx hat seine Theorie vor dem Hintergrund des
Frühkapitalismus der ersten Hälfte des 19. Jahrhundertsentwickelt und sie
kann nur schwer aus diesem historischen Kontext herausgelöst
werden. Insofern hat meine These vom Untergang von Bourgeoisie und
Proletariat sehr wohl mit Marx zu tun, denn die Existenz dieser beiden
Klassen waren die Prämisse seiner Theorie. Statt dessen möchte ich zur
vorwärts gerichteten Diskussion auffordern, d.h. wie ist die heute
anzutreffende Gesellschaftsformation unter den heutigen
Produktionsverhältnissen zu definieren. Ich habe dabei keine fertigen
Rezepte vorzustellen; ich will aber die richtigen Fragen formulieren! Bei
der Beantwortung dieser Fragen kann uns das Marx'sche Werk ein paar
methodische Hilfestellung geben; die heutigen Fragen beantworten kann es
aber nicht. Deshalb sollte die Linke heute ihre Kraft nicht mit
marxistischer Bibelforschung vergeuden. Ich halte Marx neben Adam Smith
und David Ricardo für einen wichtigen Klassiker der Ökonomie, aber so wie
Smith oder Ricardo heute nur noch wenige Grunderkenntnisse liefern können,
so hilft auch Marx nur noch eingeschränkt bei der Lösung aktueller Fragen
weiter. Seine historische Analyse der Geschichte als Geschichte von
Klassenkämpfen statt als Geschichte von Herrscherhäusern halte ich dagegen
auch heute noch für bedeutender. Der Anspruch der Wissenschaftlichkeit
bei Marx führt aber genau zu dem Widerspruch, dass die Klassiker zunehmend
durch neue Erkenntnisse verdrängt werden müssen. Dies hat nichts mit
Geringschätzung im Sinne von alten Hüten zu tun. Meine These vom
Untergang von Bourgeoisie und Proletariat habe ich mit der
volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der BRD begründet. Danach ist er
Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt von ca. 52 % in 1970 (ohne
DDR) auf ca. 35 % in 2000 gesunken. Der Anteil der Landwirtschaft
reduzierte sich von ca. 3,5 auf unter 1 %. Die Lücke wurde von dem
Dienstleistungssektor geschlossen. Die Beschäftigtenzahl war nur als
Ergänzung im Sinne eines zweiten Indikators gemeint. Wenn wir aber heute
wegen dieser Zahlen nicht mehr von einer Industriegesellschaft, sondern
von einer Dienstleistungsgesellschaft sprechen, wo ist dann noch die
Existenzberechtigung für die herrschende und die beherrschte Klasse der
Industriegesellschaft? Die Klassengegensätze der postindustriellen
Gesellschaft halte ich für komplexer als die der Industriegesellschaft,
denn wenn früher nur von den Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit
ausgegangen werden durfte, dann gibt es heute mindestens noch den
zusätzlichen Produktionsfaktor "Wissen". Ich meine, dass auch das
knappe Gut der natürlichen Ressourcen (in der Agrargesellschaft kannte man
den Produktionsfaktor "Boden") heute ebenfalls als eigener
Produktionsfaktor zu definieren ist. Ich meine weiter, dass das
rechtliche Eigentum an Produktionsfaktoren nicht zur Abgrenzung von
Klassen geeignet ist, denn Eigentum und Verfügungsmacht kann auseinander
fallen. Das Eigentum an einer Aktiengesellschaft haben die Aktionäre,
die Verfügungsmacht über die von ihr genutzten Produktionsmitteln haben
Vorstand und Aufsichtsrat. Auf all diese Frage kann uns Marx keine
Antwort geben, denn er kannte sie nicht. Ich stimme Ihnen zu, Herr
Buchenberg, dass dies eine neue Diskussion wäre. Zeigen Sie mir aus Ihrer
Sicht die Probleme meiner Aussagen auf, und ich werde daraus einen
Standpunkt formulieren. Mein Einwand, nicht die Theorie der Verelendung
bei Marx, sondern die Verelendung der Marx'schen Theorie durch fehlende
Erneuerung zu diskutieren, wäre aber trotzdem noch aktuell. Prof. Dr.
Werner Müller PS: Das Wort "Mitglied" neben meinem Beitrag bezieht sich
auf das Diskussionsforum, nicht auf die PDS
B: Meine
Gegenthesen: Hallo Herr Professor während Sie weiter
einer Diskussion über meine Thesen zur „Verelendungstheorie“ ausweichen,
scheue ich nicht die Diskussion Ihrer These vom „Untergang von Bourgeoisie
und Proletariat“. 1. Als Beleg für Ihre These führen Sie das
Anwachsen des Dienstleistungssektors in unserer Volkswirtschaft
an. Das Anwachsen des (unproduktiven) Dienstleistungssektors und
das Zurücktreten des (produktiven) Industriesektors ist allerdings kein
Anzeichen für das Verschwinden von Ausbeutung (Mehrwertproduktion),
sondern im Gegenteil ein Symptom der erfolgreichen kapitalistischen
Ausbeutung und der Steigerung der Produktivität, die für die gleiche (oder
sogar gestiegene) Menge von Produkten weniger Arbeit nötig
macht: „Denn was heißt wachsende Produktivkraft der Arbeit anderes,
als dass weniger unmittelbare Arbeit erheischt ist, um ein größeres
Produkt zu schaffen....“ K. Marx, Grundrisse, S. 715. „Ökonomie
der Arbeit durch Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit bezweckt in der
kapitalistischen Produktion ... durchaus nicht Verkürzung des Arbeitstags.
Sie bezweckt nur Verkürzung der für Produktion eines bestimmten
Warenquantums notwendigen Arbeitszeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, S.
339. Gesteigerte Produktivität muss sich kapitalistisch auf zwei Weisen
äußeren: Einmal durch wachsende Arbeitslosigkeit, zum anderen durch
Anwachsen der unproduktiven Bevölkerungsschichten: „Im selben
Verhältnis daher, wie sich die kapitalistische Produktion entwickelt,
entwickelt sich die Möglichkeit einer relativ überzähligen
Arbeiterbevölkerung, nicht weil die Produktivkraft der gesellschaftlichen
Arbeit abnimmt, sondern weil sie zunimmt ...“ K. Marx, Kapital III. S.
232. Unsere mehr als 4 Millionen Arbeitslose sind Produkte des
Kapitalismus ebenso wie Computer oder Autos. Neben der Arbeitslosigkeit
produziert der Kapitalismus aber auch immer mehr unproduktive
Beschäftigung und die Zahl der produktiven Arbeiter geht
zurück: „Endlich erlaubt die außerordentlich erhöhte Produktivkraft
in den Sphären der großen Industrie, begleitet, wie sie ist, von intensiv
und extensiv gesteigerter Ausbeutung der Arbeitskraft in allen übrigen
Produktionssphären, einen stets größeren Teil der Arbeiterklasse
unproduktiv zu verwenden, und so namentlich die alten Haussklaven, unter
dem Namen der ‚dienenden Klasse‘, wie Bediente, Mägde, Lakaien usw. stets
massenhafter zu reproduzieren.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, S. 469.
Marx zitierte die Statistik von 1861, als die Zahl dieser unproduktiven
Lohnarbeiter ebenso groß war wie die der produktiven Arbeiterklasse. Sie,
Herr Professor Müller, nennen solche Arbeit vornehm
„Dienstleistungsbranche“. Insofern sich hinter diesem
unwissenschaftlichen Begriff
auch „Dienstleistungen für Betriebe“ (b2b) verbergen, so sind das
in der Regel Kleinbetriebe mit durchschnittlich nicht einmal 4
Beschäftigten pro Betrieb: „Der neue unternehmensnahe
Dienstleistungssektor ist mittlerweile auf 250.000 Unternehmen
angewachsen; nahezu eine Million Menschen haben dort ihren
Arbeitsplatz.“ (Lit.dok. 99/2000-2, b-973.) Hinter einem Großteil
dieser „Unternehmer“ versteckt sich Scheinselbständigkeit oder latente
Arbeitslosigkeit, also Lohnarbeiterelend. 2. Zu Ihrer These:
Verschwinden der „herrschenden Klasse“.
Was vom Anwachsen der unproduktiven
Lohnarbeiterschichten bei wachsender Ausbeutung und Produktivität gilt,
gilt erst recht für das Anwachsen der Zahl der Kapitalisten: „Mit der
Akkumulation des Kapitals wächst daher auch mehr oder minder die Anzahl
der Kapitalisten.“ K. Marx, Kapital I, S. 653. Mit der Masse des
Mehrwerts und der Anzahl der Kapitalisten wächst aber auch die Zahl der
kapitalistischen Klientel in Stiftungen, Vereinigungen, Museen, Kunst- und
Bildungskreisen. Die Zahl der aktiven Kapitalisten wird zwar durch
die kapitalistische Konkurrenz immer wieder dezimiert, aber auch dieser
Prozess vermehrt dann wieder die Zahl der kapitalistischen Rentiers und
der ausgehaltenen Klientel des Kapitals. Sie, Herr Professor, scheinen
so fixiert auf den Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital, dass Sie unter
Kapitalisten nur die industriellen Kapitalisten verstehen. Auch das
hat nichts mit Marx zu tun. Überspitzt ausgedrückt kann man sagen, dass
der erste Band des „Kapitals“ von den industriellen Kapitalisten handelt,
der zweite Band von den Handelskapitalisten und der dritte Band neben den
Geldkapitalisten und Grundbesitzern von allen Kapitalisten. Alle zusammen
machen die herrschende Klasse aus. In einem weiteren Sinn gehören alle
Leute zur herrschenden Klasse, die von fremder Arbeit leben, die sich
Mehrwert aneignen (können), auch ohne Besitz an Produktionsmitteln zu
haben. So zählte Marx zu „alle(n) Fraktionen der herrschenden
Klassen“ z.B. „Grundeigentümer und Kapitalisten, Börsenwölfe und
Krämer, Protektionisten und Freihändler, Regierung und Opposition, Pfaffen
und Freigeister, junge Huren und alte Nonnen....“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, S. 302. (Mit „jungen Huren“ meinte Marx hier die Mätressen der
Reichen). Nicht alle diese Leute brauchen Besitz an
Produktionsmitteln, was aber alle brauchen, sind mindestens gute
Beziehungen zu den Verteilern der Mehrwert-Beute, den
Produktionsmittelbesitzern. Wir kennen heute z.B. einen langjährigen
Regierungschef, dessen Verhältnis zu seinen Kapitalistenfreunden so eng
ist, dass er sich ihnen mehr verpflichtet fühlt als dem gesamten
Volk. Sie haben darin recht, dass das rechtliche Eigentum an
Produktionsmitteln und die Verfügungsgewalt über diese Produktionsmitteln
auseinander fallen kann. Ein trauriges Beispiel dafür hat uns dafür das
Sowjetsystem geboten, wo eine enorme Ausbeutung organisiert wurde von
einer Gesellschaftsklasse, die rechtlich nicht Eigentümer der
Produktionsmittel war, ein anderes Beispiel dafür sind die
Aktiengesellschaften. Offenbar kennen Sie aber Marx nicht im Original,
sondern nur den Sowjetmarxismus, wenn Sie schreiben: „Auf alle diese
Fragen kann uns Marx keine Antwort geben, denn er kannte sie
nicht.“ Marx schrieb über die Trennung von Verfügungsgewalt über
und Eigentum an Produktionsmitteln in den Aktiengesellschaften in
eindeutigeren Worten als Sie es tun: „Bildung von
Aktiengesellschaften. Hierdurch: ... 2. Das Kapital, das an sich auf
gesellschaftlicher Produktionsweise beruht ... erhält hier direkt die Form
von Gesellschaftskapital (Kapital direkt assoziierter Individuen) im
Gegensatz zum Privatkapital, und seine Unternehmungen treten auf als
Gesellschaftsunternehmungen im Gegensatz zu Privatunternehmungen. Es ist
die Aufhebung des Kapitals als Privateigentum innerhalb der Grenzen der
kapitalistischen Produktionsweise selbst. 3. Verwandlung des wirklich
fungierenden Kapitalisten in einen bloßen Manager, Verwalter fremden
Kapitals, und der Kapitaleigentümer in bloße Eigentümer, bloße
Geldkapitalisten. Selbst wenn die Dividenden, die sie beziehen, den
Zins und Unternehmergewinn, d.h. den Totalprofit einschließen... so wird
dieser Totalprofit nur noch bezogen in der Form des Zinses, d.h. als bloße
Vergütung des Kapitaleigentums, das nun ganz so von der Funktion im
wirklichen Reproduktionsprozess getrennt wird wie diese Funktion, in der
Person des Managers, vom Kapitaleigentum.“ K. Marx, Kapital III. S.
452. Der Wirklichkeit nach sind diese Aktien-Kapitalisten nur noch
Geldbesitzer, keine Besitzer von Produktionsmitteln mehr. Die
Aktiengesellschaften sind also für Marx Durchgangspunkte zum Kommunismus:
„Eine der letzten Formen der bürgerlichen Gesellschaft:
Aktiengesellschaften.“ Marx, Grundrisse, S. 28. Und: „vom
Aktienkapital als der vollendetsten Form des Kapitals (zum Kommunismus
überschlagend)“ Marx, Grundrisse, S. XI. Näher erläutert hat Marx
das im 3. Band des Kapital: „In den Aktiengesellschaften die Funktion
getrennt vom Kapitaleigentum, also auch die Arbeit gänzlich getrennt vom
Eigentum an den Produktionsmitteln und an der Mehrarbeit. Es ist dies
Resultat der höchsten Entwicklung der kapitalistischen Produktion ein
notwendiger Durchgangspunkt zur Rückverwandlung des Kapitals in Eigentum
der Produzenten, aber nicht mehr als das Privateigentum vereinzelter
Produzenten, sondern als das Eigentum ihrer als assoziierter, als
unmittelbares Gesellschaftseigentum. Es ist andererseits Durchgangspunkt
zur Verwandlung aller mit dem Kapitaleigentum bisher noch verknüpften
Funktionen im Reproduktionsprozess in bloße Funktionen des assoziierten
Produzenten, in gesellschaftliche Funktionen.“ K. Marx, Kapital III.
S. 453. Herr Professor, Sie bemerken richtig, dass die Kapitalisten als
herrschende Klasse unsichtbar geworden sind. Wo einzelne Kapitalisten wie
ein Bill Gates noch etwas bewegen, werden sie teils als Supermänner
bestaunt, teils als Vertreter eines überholten, patriarchalischen
Kapitalismus attackiert. Sie folgern fälschlich daraus, die
Kapitalistenklasse sei verschwunden. Tagtäglich bekommen wir aber mit den
Aktienkursen, Steuerquoten und Standortfragen eingeschärft, dass unser
Wohl und Wehe von den Profiten der kapitalistischen Investoren und den
Launen der kapitalistischen Spekulanten abhängt. Das Kapital ist zum
Gespenst geworden: es lenkt und entscheidet alles, aber niemand sieht wo
und wie. Aus dem kapitalistischen Unternehmer ist ein Geldkapitalist
geworden, der seine Unternehmen aus dem Verborgenen heraus
steuert. 3. Zu Ihrer These vom
Verschwinden des Proletariats, an dessen Stelle der „Produktionsfaktor
Wissen“ trete: Es ist ein alte und schlechte Tradition
des bürokratischen
Sozialismus unter die Arbeiterklasse (das Proletariat) nur oder vor allem
die industriellen Handarbeiter zu rechnen. Mit Marx hat diese Vorstellung
wenig zu tun. Abgesehen davon, dass das „Das Kapital“ von Marx ein Produkt
hervorragender Kopfarbeit war (verbunden mit mühseliger Handarbeit, denn
es musste ja niedergeschrieben und gedruckt werden), betonte gerade Marx,
dass jeder menschliche Produktionsprozess sich durch den „Faktor Wissen“,
wie Sie es nennen, von sonstiger Produktion in der Natur
unterscheidet: „Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des
Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen
manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten
Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in
seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des
Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben
schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden
war.“ Kapital I.:193. Jeder menschliche Arbeitsprozess vereint
Kopfarbeit mit Handarbeit. Anders lässt sich gar nicht produzieren:
„Wie im Natursystem Kopf und Hand zusammengehören, vereint der
Arbeitsprozess Kopfarbeit und Handarbeit. ... Das Produkt verwandelt sich
überhaupt aus einem unmittelbaren Produkt eines individuellen Produzenten
in ein gesellschaftliches, in das gemeinsame Produkt eines
Gesamtarbeiters, d. h. eines kombinierten Arbeitspersonals, dessen Glieder
der Handhabung des Arbeitsgegenstandes näher oder ferner stehen. Mit dem
kooperativen Charakter des Arbeitsprozesses selbst erweitert sich daher
notwendig der Begriff der produktiven Arbeit und ihres Trägers, des
produktiven Arbeiters. Um produktiv zu arbeiten, ist es nun nicht mehr
nötig, selbst Hand anzulegen; es genügt Organ des Gesamtarbeiters zu sein,
irgendeine seiner Unterfunktionen zu vollziehen.“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, S. 531. Für Marx war ein produktiver Arbeiter kein Mensch mit
kleinem Gehirn und schwieligen Fäusten: „Steht es frei, ein Beispiel
außerhalb der Sphäre der materiellen Produktion zu wählen, so ist ein
Schulmeister produktiver Arbeiter, wenn er nicht nur Kinderköpfe
bearbeitet, sondern sich selbst abarbeitet zur Bereicherung des
Unternehmers. Dass letzterer sein Kapital in einer Lehrfabrik angelegt
hat, statt in einer Wurstfabrik, ändert nichts an dem Verhältnis. ...
Produktiver Arbeiter zu sein, ist daher kein Glück, sondern ein Pech.“
An anderer Stelle: „Ferguson sagt bereits: ‚Und das Denken selbst kann
in diesem Zeitalter der Arbeitsteilungen zu einem besonderen Gewerbe
werden.‘“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, S. 384, Anm. 71. Ingenieure
rechnete Marx selbstverständlich zum Proletariat: „... so befindet
sich bei jeder größeren Fabrik ein den eigentlichen Fabrikarbeitern
aggregiertes Personal, Ingenieur, Schreiner, Mechaniker, Schlosser usw.
Ihr Lohn bildet Teil des variablen Kapitals, und der Wert ihrer Arbeit
verteilt sich auf das Produkt.“ K. Marx, Kapital 2.: 176. Und an
anderer Stelle: „... Neben diese Hauptklassen tritt ein numerisch
unbedeutendes Personal, das mit der Kontrolle der gesamten Maschinerie und
ihrer beständigen Reparatur beschäftigt ist, wie Ingenieure, Mechaniker,
Schreiner usw. Es ist eine höhere, teils wissenschaftlich gebildete, teils
handwerksmäßige Arbeiterklasse, außerhalb des Kreises der Fabrikarbeiter
und ihnen nur aggregiert. .. Es ist charakteristisch für die Absicht des
statistischen Betrugs, die auch sonst noch im Detail nachweisbar wäre,
wenn die englische Fabrikgesetzgebung die zuletzt im Text erwähnten
Arbeiter ausdrücklich als Nicht-Fabrikarbeiter von ihrem Wirkungskreis
ausschließt....“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, S. 442 und Anm. 181.
Heutzutage ist dieser „wissenschaftlich gebildete Teil der
Arbeiterklasse“ sehr angewachsen und ist nicht mehr „zahlenmäßig
unbedeutend“ wie zu Marxens Zeiten. Das ändert das Aussehen des
Lohnarbeiters, macht ihn aber nicht verschwinden, wie Sie
behaupten. Immer mehr intellektuelle Arbeit wird in die Produktion
materieller Güter und in die Produktion von Dienstleistungen integriert.
Gleichzeitig steigt auch der Bildungsstand aller anderen Arbeiter. In den
entwickelten Ländern des Jahres 2001 gibt es kaum noch Wissen und
Kenntnisse außerhalb der Lohnarbeit. Alle staunenswerten Leistungen der
Wissenschaft und Technik werden heute von Lohnarbeitern geschaffen. Das
Proletariat ist als besonderes Milieu verschwunden, weil die Lohnarbeit
allgemein wurde und jetzt alle nützlichen Tätigkeiten der Gesellschaft
umfasst. Ebenso verschwindet ein besonderer Grasbüschel und verschwindet
auch nicht, wenn er zu einer Grasfläche auswächst. Dieses
„Verschwinden“ des Proletariats als besonderes Milieu durch
Verallgemeinerung der Lohnarbeit ist ebenso wie das „Verschwinden“ der
Kapitalisten als aktive Unternehmer ein Meilenstein bei der Abschaffung
aller Klassen und der Schaffung einer Gesellschaft „worin die freie
Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller
ist.“ (Kommunistisches Manifest, MEW 4: 482) Gruß Wal
Buchenberg, 16.03. 2001
3. Antwort von Professor
Müller:
Sehr geehrter Herr Buchenberg,
zunächst kann ich mich nicht erinnern, Sie zu einer
"gesamtgesellschaftlichen Darstellung" (was das auch immer sein mag)
aufgefordert zu haben. Ich habe vielmehr dazu aufgefordert, statt der
Reproduktion Marx’scher Erkenntnisse von 1867 theoretische Fundamente für
die Politik von heute auf einer Analyse der heutigen ökonomischen
Verhältnisse aufzubauen. Marx baut seine Analyse auf den Erkenntnissen von
Adam Smith (1723-1790) auf (vergl. K. Marx, Das Kapital 2, S. 362 ff.).
Dies belegt Marx - trotz der Kritik an Smith - in seiner Abhandlung zu
David Ricardo (1772-1823) und dessen Kritik an Smith. Smith gilt als
Begründer der Volkswirtschaftslehre. Die Prämisse Ihrer Graphik
(Marx-Forum), d.h. die Zerlegung des Preises einer Ware in konstantes und
variables Kapital sowie Mehrwert, ist inzwischen 225 Jahre alt. (vergl. A.
Smith, An inquiry into the nature and causes of the wealth of nations, die
Quellenangabe von Marx - London 1848 - bezieht sich auf eine spätere
Ausgabe, das Original ist aus dem Jahre 1776; seinerzeit ohne konstantes
Kapital, weil Smith die Agrargesellschaft analysierte). Auch Ricardos
Ansatz als Erweiterung der Smith’schen Aussagen ist immerhin schon 165
Jahre alt. Der von Marx zitierte Aufsatz (An Essay on the Distribution of
Wealth) stammt von 1836. Darauf kann man heute keine Analyse der jetzigen
ökonomischen Verhältnisse mehr aufbauen. Auch ein Alchemist aus dem Jahre
1776 wäre heute nicht in der Lage, die Experimente der Chemiker des Jahres
2001 zu verstehen.
Die Marx’sche Definition von Konsumtions- und
Produktionsmitteln anhand der Form einer Ware (vergl. K. Marx, Das Kapital
2 S. 394) ist heute nicht mehr sinnvoll. Ein PC kann bspw. als
Produktionsmittel im Betrieb eingesetzt werden, oder in privaten
Haushalten als Konsumtionsmittel. Die VWL geht heute von ökonomischen
Kreisläufen aus, wobei es gegenläufigen Güter- und Geldkreisläufe gibt. Es
wird zwischen dem Inlandsprodukt (= Güterentstehung) und dem Sozialprodukt
unterschieden. Das Sozialprodukt hat eine Verteilungsseite (Einkommen +
Investitionen) und eine Verwendungsseite (Konsum + Ersparnis). Ihre
Graphik verdeutlicht sicher den - schwer verständlichen - Marx’schen
Gedankengang; in die heute verwendeten Begriffe kann ich sie aber nicht
einordnen. So wird es nach Ihrem Berechnungsweg auch kaum möglich sein,
eine aktuelle Entwicklung anhand statistischen Datenmaterials empirisch zu
belegen. Die Zahlen aus Ihrer Graphik stammten aus keiner Statistik. Ich
kann dagegen mit aktuellen Daten argumentieren.
Meine Forderung nach einer aktuellen Analyse (d.h.
nicht auf der Basis von Theorien der Jahre 1776, 1836 oder 1867) muss ich
deshalb aufrecht erhalten. Sie lässt sich aber sicher nicht im Rahmen
dieses Forums erfüllen.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Werner Müller (aus: PDS-Forum,
Verelendungstheorie, Marx oder Murks?)
Hallo Herr Professor,
Sie bemängeln, dass „die Zerlegung des Preises einer
Ware in konstantes und variables Kapital sowie Mehrwert ... inzwischen 225
Jahre alt“ ist. Ganz davon abgesehen, dass Marx nirgends den Warenpreis,
sondern immer den Warenwert in diese Kategorien zerlegt (als
Wirtschaftswissenschaftler müssen Sie aber den Unterscheid von Preis und
Wert nicht kennen), ist der Satz des Pythagoras inzwischen rund 2500 Jahre
alt, und ich habe noch nie von einem Mathematiker gehört, dass er an dem
Alter dieses Satzes etwas zu bemängeln findet. Ganz im Gegenteil,
Mathematiker sind in der Regel gerade stolz darauf, dass ihre Wissenschaft
eine so lange Tradition hat. Die Wirtschaftswissenschaftler scheinen
dagegen ihre Bedeutung darin zu suchen, dass sie alle fünf Jahre das Rad
neu erfinden wollen.
Ihre Liebe zu statistischem Datenmaterial komme ich
gerne entgegen und Ihre „Forderung nach einer aktuellen Analyse“ unserer
Gesellschaft ist nicht schwer zu erfüllen:
1. Soziale Klassen der BRD:
a) Rund 10 %
unserer Bevölkerung gehören zu vorkapitalistische Klassen, die
Produktionsmittelbesitzer sind und von eigener Arbeit leben. Marx hat aus
den kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten richtig prognostiziert, dass diese
Klassen, die zu seiner Zeit in Deutschland die große Mehrheit der
Bevölkerung stellten, zahlenmäßig immer geringer würden. (kleine Bauern,
kleine Selbständige u.
Gewerbetreibende - mitgezählt sind mitarbeitende Angehörige).
b) Rund 90 % unserer Bevölkerung zählen zu
kapitalistischen Klassen: Produktionsmittelbesitzer (Kapitalisten und
Grundbesitzer), die von fremder Arbeit leben ( = rund 2 %), und
Lohnarbeiter ohne Produktionsmittel ( = rund 88 %).
2. Einkommensverteilung: Die
Produktionsmittelverteilung bestimmt laut Marx auch über die
Einkommensverteilung. (Klar ist, da vorkapitalistische und kapitalistische
Klassen hier unter einem und demselben Aspekt betrachtet werden, dass sie
sich dann in der Verteilung überschneiden.) Wir haben in der BRD: a)
arme Deutsche: 16 Millionen (meist Lohnabhängige, aber auch
einzelarbeitende kleine Selbständige. Nicht gezählt von der Statistik sind
hier Mitbürger ohne deutschen Pass, sogenannte „Ausländer“).
b) ihr Auskommen haben 62 Millionen Deutsche.
Als Lohnarbeiter sind sie jedoch in Arbeit und Leben fremdem Willen
unterworfen und sind ständig von Arbeitslosigkeit bedroht. Ihr Schicksal
hängt ganz ab vom Zustand ihrer Arbeitskraft und von den Profitinteressen
des Kapitals. Als einzelarbeitende Selbständige (Rechtsanwälte und kleine
Gewerbetreibende) sind sie vom Ruin bedroht.
c) sorglos lebende Deutsche: 1 Million (mit mehr
als 130.000 DM Familieneinkommen im Jahr). Dazu gehören u.a.
hochqualifizierte Lohnarbeiter, die teilweise auch Kapitalfunktionen
übernommen haben. Auch ihr Schicksal hängt vom Verkauf ihrer Arbeitskraft
ab. Auch sie sind von Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg bedroht. Die
andere Hälfte dieser Kategorie sind gut verdienende Einzelarbeiter (Ärzte)
etc.
d) Kapitalisten und Grundbesitzer „mit einem gut
bemessenen Einkommen und mit großem Vermögen“: 1,1 Millionen, die
erfolgreich fremde Arbeitskraft ausbeuten.
(Alle Angaben nach dem „Armuts- und Reichtumsbericht“
des Bundesarbeitsministeriums.)
3. “Arbeitsgesellschaft“ und
„Konsumgesellschaft“:
Aus der Akkumulationstheorie von K. Marx ergibt sich,
dass beschleunigte Investitionen in den Produktionsmittelsektor auf Kosten
des allgemeinen Konsums gehen muss. Eine Gesellschaft dieses
Akkumulationstyps war Deutschland bis in die 60er Jahre. Das allein
verstehen Sie, Herr Professor, unter „Kapitalismus“.
Wenn dagegen vermehrt im Konsumtionsmittelsektor
akkumuliert wird, dann führt das nach Marx notwendig zu einer Ausweitung
des Luxuskonsums sowohl in Luxusdienstleistungen wie in Luxusgütern.
Eine Gesellschaft dieses Akkumulationstyps sind die
USA: „Die Konsumtion macht fast 70 % des BSP in den USA aus.“ Das bringt
zwangsläufig Luxuskonsum mit sich: „Familien mit einem Einkommen von mehr
als 50.000 Dollar im Jahr geben fast die Hälfte aller Konsumausgaben aus.“
(Beide Angaben aus dem „Economist“, 17. 10. 1998, S. 55).
Nach Ihrer Meinung, Herr Professor, ist deshalb der
Kapitalismus in den USA abgeschafft.
Tatsache ist dagegen, dass es eine größere Anzahl von
Lohnarbeitern gibt als früher, die Ihren privaten Frieden mit dem Kapital
geschlossen haben. Das ist alles.
Gruß Wal Buchenberg
(Posting im
PDS-Forum vom 07.04.2001) Sehr geehrter Herr Buchenberg, Sie
unterscheiden im Ihrer letzten Antwort an mich zwischen kapitalistischen
und vorkapitalistischen Klassen, wobei die Lohnarbeiter zu den
kapitalistischen Klassen gehörten. Hierzu möchte ich anmerken, dass es
auch im Feudalismus und sogar im Altertum schon Lohnarbeit gab. Ich halte
Ihre Einteilung deshalb für etwas ungenau. Wir haben aber inzwischen
deutliche Signale von Leser dieses Forums erhalten, unsere Debatte zu
beenden. Bei anderen verflacht der Ton. Ich glaube auch, dass die
wichtigsten Argumente ausgetauscht sind. Eine gemeinsame Position zwischen
uns gibt es nicht und war wohl auch kaum zu erwarten. Wir können diese
unterschiedlichen Positionen nur feststellen. Lassen Sie mich deshalb die
wichtigsten Punkte kurz - aus meiner Sicht - zusammenfassen: Ich halte
die ökonomische Analyse von Marx aus dem Jahre 1867 (soweit er sich auf
Adam Smith beruft stammt sie sogar von 1776) für die Beantwortung
aktueller Fragen nicht mehr für ausreichend. Sie halten dagegen die
ökonomischen Verhältnisse des 19. Jahrhunderts weiterhin in ihrem
wesentlichen Teil auch im 21. Jahrhundert für unverändert fortbestehend.
Ich glaube, auf der Grundlage der heutigen ökonomischen Verhältnissen
neu entstehende Klassen und Klassengegensätze erkennen zu können, die nach
den von Marx im Kommunistischen Manifest beschriebenen Mechanismen die
seinerzeit von ihm beschriebenen Klassen ablösen. Sie halten meine
Wahrnehmung für falsch und gehen vom Fortbestand der alten Klassen aus.
Sie wollen Marx restaurieren, ich will ihn modernisieren. Ich sehe
mich nicht in der Lage, für alle Zeit feststehende Analysen zu
präsentieren. Deshalb halte ich auch den Erklärungsansatz von Herrn Hesse
für eine mögliche Interpretation. Ob sie aber dem Herrn Professor gefällt
ist in einer pluralistischen Gesellschaft ebenso unwichtig wie die Frage,
ob eine Meinung dem Herrn Buchenberg oder anderen gefällt. Wichtig ist
vielmehr, ob sie geäussert wird. In der Folge meiner Analyse (bzw.
Prämissen) fordere ich die Anpassung der Marx’schen Analyse an die
heutigen Verhältnisse. Sie fordern dagegen die unverfälschte Übernahme der
Positionen von Marx. Wir beide sind wohl der Meinung, dass die PDS in
ihrem neuen Programm auf die gesellschaftlichen Klassengegensätze eingehen
sollte; wir können uns aber nicht darauf einigen auf welche! Mit
freundlichen Grüßen Prof. Dr. Werner Müller
(Antwort im PDS-Forum vom 07.04.2001) Hallo Herr
Professor,
auf alle Fragen, die Sie in dieser Diskussion
aufwarfen, hatte ich Ihnen eine passende Antwort von dem Karl Marx
zitiert, von dem Sie behaupten, er könne keine Antwort auf aktuelle
Probleme geben. Nicht anders geht es mit der von Ihnen angesprochenen
„Lohnarbeit ohne Kapitalismus“: „In Zeiten der Auflösung vorbürgerlicher
Verhältnisse kommen sporadisch freie Arbeiter vor, deren Dienstleistung
gekauft wird, nicht zum Zweck der Konsumtion, sondern der Produktion; aber
erstens auf großer Stufenleiter selbst nur zur Produktion von
unmittelbaren Gebrauchswerten; nicht von Werten; und zweitens, wenn der
Adelige z.B. den freien Arbeiter zuzieht zu seinen Leibeigenen, auch Teil
seines Produkts wieder verkauft, und der freie Arbeiter ihm so Wert
schaffte, so findet dieser Austausch nur für den Überfluss statt und
geschieht nur im Interesse des Überflusses, der Luxuskonsumtion; ist also
im Grunde genommen nur ein verkleideter Ankauf fremder Arbeit für
unmittelbaren Konsum oder als Gebrauchswert. Übrigens, wo diese freien
Arbeiter sich vermehren, und dies Verhältnis zunimmt, ist die alte
Produktionsweise - Gemeinde - patriarchalische - feudale etc. in der
Auflösung begriffen und bereiten sich die Elemente für die wirkliche
Lohnarbeit vor. Diese freien Knechte können aber auch auftauchen, wie z.B.
in Polen etc. und wieder verschwinden; ohne dass sich die Produktionsweise
änderte.“ K. Marx, Grundrisse, S. 373.
Sie wiederholen immer wieder, mit Marx könne man keine
Antworten auf aktuelle Fragen geben, aber mit den Gründen, die Sie
anführen, decken Sie nur Ihre eigene Unkenntnis der Marx`schen Theorien
auf:
1) Zur sogenannten „Verelendungstheorie“ wollten oder
konnten Sie sich nicht äußern.
2) Sie behaupteten, die Existenz von Bourgeoisie und
Proletariat sei „die Prämisse seiner Theorie“. Marx schrieb dagegen über
die Voraussetzung seiner Theorie: „Wir müssen bei den voraussetzungslosen
Deutschen damit anfangen, dass wir die erste Voraussetzung aller
menschlichen Existenz ... konstatieren, nämlich die Voraussetzung, dass
die Menschen imstande sein müssen zu leben ... Zum Leben gehört vor Allem
Essen und Trinken, Wohnung, Kleidung und noch einiges Andere.“ (Deutsche
Ideologie, MEW 3:45). Auch Ihre „Dienstleister“ oder ihr
„Produktionsfaktor Wissen“, Herr Professor, müssen erst Essen und Trinken
bekommen, bevor sie für andere Dienste anbieten können. Die Existenz von
Klassen ist aber keine Prämisse von Marx gewesen, sondern allenfalls eine
Schlussfolgerung.
3) Sie meinten, Marx habe den „Preis“ einer Ware und
nicht ihren Wert in „konstantes und variables Kapital sowie Mehrwert“
geteilt.
4) Sie meinten Marx habe die Unterscheidung von
Konsumtions- und Produktionsmitteln anhand der „Form einer Ware“
getroffen, obwohl er diese Unterscheidung allein vom Zweck dieser Waren
abhängig machte: „Das Gesamtprodukt, also auch die Gesamtproduktion, der
Gesellschaft zerfällt in zwei große Abteilungen: I.
Produktionsmittel, Waren, welche eine Form besitzen, worin sie in
die produktive Konsumtion eingehen müssen oder wenigstens eingehen
können. II. Konsumtionsmittel, Waren, welche eine Form besitzen, worin
sie in die individuelle Konsumtion der Kapitalisten. und Arbeiterklasse
eingehen.“ (K. Marx, Kapital 2. 394)
Im übrigen betonte er, dass „eine Anzahl Produkte von I
als Produktionsmittel in beiden Abteilungen dienen können.“ (K. Marx,
Kapital 2.: 492) und dass es sowieso ein Leichtes sei, die Identität von
Konsumtion und Produktion aufzuzeigen: „Die Produktion ist unmittelbar
auch Konsumtion. Doppelte Konsumtion, subjektive und objektive... Die
Konsumtion ist unmittelbar auch Produktion, wie in der Natur die
Konsumtion der Elemente und der chemischen Stoffe Produktion der Pflanze
ist...“ (K. Marx Grundrisse, S. 11 f).
In all diesen angeschnittenen Fragen zeigten Sie, Herr
Professor, nur ihre Unkenntnis der Marx`schen Theorien. Insofern haben sie
völlig Recht: Auf ihre Vorstellungen von Marx „kann man heute keine
Analyse der jetzigen ökonomischen Verhältnisse mehr aufbauen.“
Sie sagen, ich wolle „Marx restaurieren“. Da gebe ich
Ihnen völlig Recht. Die originalen Theorien von Marx haben dringend
eine Restauration nötig. Denn über den originalen Gedanken von Marx liegt
der geistige Abfall von Tausenden Leuten wie Sie, die wenig von Karl Marx
im Original gelesen haben, von dem Gelesenen wenig verstanden haben, aber
meinen, Karl Marx modernisieren oder „verbessern“ zu können.
Gruß
Wal Buchenberg, |