Kapitalistische Arbeitsorganisation
Lohnarbeit
ist einerseits kombinierte, kooperative Arbeit, deren sinnvolles
Zusammenwirken organisiert werden muss, andererseits ist Lohnarbeit auch
Zwangsarbeit, die dem Willen und Profitinteresse der Kapitalisten
unterworfen ist.
„Die Arbeit der Oberaufsicht und Leitung
entspringt notwendig überall, wo der unmittelbare Produktionsprozess die
Gestalt eines gesellschaftlich kombinierten Prozesses hat und nicht als
vereinzelte Arbeit der selbständigen Produzenten auftritt. Sie ist aber
doppelter Natur.
Einerseits in allen Arbeiten, worin viele Individuen
kooperieren, stellt sich notwendig der Zusammenhang und die Einheit des
Prozesses in einem kommandierenden Willen dar, und in Funktionen, die
nicht die Teilarbeiten, sondern die Gesamttätigkeit der Werkstatt
betreffen, wie bei einem Dirigent eines Orchesters.
Es ist dies
eine produktive Arbeit, die verrichtet werden muss in jeder kombinierten
Produktionsweise.
Andererseits ... entspringt diese Arbeit der
Oberaufsicht notwendig in allen Produktionsweisen, die auf dem Gegensatz
zwischen dem Arbeiter als dem unmittelbaren Produzenten und dem Eigentümer
der Produktionsmittel beruhen.
Je größer dieser Gegensatz, desto größer
ist die Rolle, die diese Arbeit der Oberaufsicht spielt. Sie
erreicht daher ihr Maximum im Sklavensystem. Sie ist aber auch in der
kapitalistischen Produktionsweise unentbehrlich, da hier der
Produktionsprozess zugleich Konsumtionsprozess der Arbeitskraft durch den
Kapitalisten ist.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 397.
1. Traditionelle
kapitalistische Arbeitsorganisation beruht teils auf Befehl und Gehorsam,
noch mehr aber auf dem stummen Zwang des technisch vorgeschriebenen
Arbeitsablaufs:
„Die neuen Fabriken von Volkswagen
und Opel ... sind hocheffizient. Ihre Arbeitsorganisation, eng angelehnt
an japanische Vorbilder, bietet wenig Chancen für selbstorganisierte,
qualifizierte Arbeit.“ LitDok. 1998/99 a-1098. Stroink, Klaus:
Gruppenarbeit in der Bauwirtschaft. Die Kolonne. WSI-Mitteilungen. Jg. 46, H.2, 1993, S. 110-118.
LitDok. 1993/94 a-2198.
„Die
Reorganisation von bürokratischen und tayloristischen
Unternehmensorganisationen ist voll im Gange... Im Mittelpunkt ... stehen
Prozesse strategischer Dezentralisierung und Re-Zentralisierung ....“
LitDokAB 01/02-1, a-244.
„Durch eine Entscheidungsdezentralisierung
(steigen) die Anreize der Mitarbeiter ..., sich entscheidungsrelevantes
Wissen anzueignen.“ LitDokAB 01/02-1, a-258.
„Insbesondere angesichts
zunehmend gefragter Teamarbeit bedarf es eines verstärkten Förderns von
Fortbildung und Umschulung der Beschäftigten.“ LitDokAB 01/02-1,
a-301.
Fertigung allgemein: „Bei den
Arbeitsbedingungen werden die Zumutbargrenzen nach unten verschoben. Eine
Renaissance des fordistischen Fließbandes und der taktgebundenen Fertigung
ist zu beobachten. An der Gruppenarbeit wird zwar festgehalten, aber nur
im Rahmen einer reduzierten Selbstorganisation. Gruppensprecher fungieren
als Quasi-Vorarbeiter mit Kontroll- und Anweisungsbefugnis.“ Lit.dok.
99/2000-2, b-445.
Bauwirtschaft: „Hatte die Branche bisher
überwiegend in der Produktion auf den qualifizierten Facharbeiter und die
flache Hierarchie auf der Baustelle gesetzt, so deutet der massive Einsatz
von Arbeitskräften ausländischer Subunternehmer an, dass dieses Modell
künftig durch eines ersetzt werden könnte, das billige Arbeiter mit einem
erhöhten Personaleinsatz für Anweisung, Überwachung und Kontrolle
kombiniert.“ LitDok. 1998/99 b-748.
2. Moderne kapitalistische
Arbeitsorganisation erwartet jedoch, dass die Lohnarbeiter möglichst ohne
direkte Kontrolle und Antreiberei wie Unternehmer handeln.
„Es gibt
auf der Unternehmerseite eine verstärkte Tendenz zur
gruppenbezogenen und problemlösungsorientierten
Arbeit.“ Lit.dok. 99/2000-2, b-425.
„Die Einführung neuer
Technologien und neuer Formen der Arbeitsorganisation ... verändert bzw.
erhöht die Anforderungen an die Kompetenzen der Beschäftigten. ... Neben
die bislang geforderten Kompetenzen - dies waren vor allem fachliche
Qualifikationen und Erfahrungswerte - treten .... erhöhte Anforderungen an
die Bereitschaft und Fähigkeit, selbstorganisiert zu lernen und
selbstinitiativ unternehmensrelevante Zielorientierungen zu verfolgen.“
Lit.dok. 99/2000-1, a-174.
2.1. Die „Unteroffiziere“ der
Produktion verlieren an Bedeutung:
„Ein deutlicher Rückgang der
Beschäftigungsmöglichkeiten für die erste Überwachungsebene
Meister/Vorarbeiter ist unabhängig ... von den Einflüssen des Gütermarktes
zu verzeichnen.“ Lit.dok. 99/2000-1, a-170.
„Die mittleren Positionen in der
industriellen Produktion und in den produktionsnahen Bereichen waren
bislang traditionelle Aufstiegspositionen für Fachkräfte mit einem dualen
Ausbildungsabschluss. Die .... technologische Entwicklung sowie der
betriebliche Strukturwandel tragen dazu bei, dass die Zahl dieser
Positionen abnimmt und dass auf die Positionen in der mittleren
Qualifikationsebene Absolventen der Fachhochschulen drängen....
Industriemeister hingegen können eigentlich nur in ihrem eigenen Betrieb
aufsteigen, da die Meisterpositionen sehr selten öffentlich ausgeschrieben
werden.“ Lit.dok. 99/2000-1, a-889.
„Von derzeitigen Veränderungen in
den Unternehmen ist im Produktionsbereich die Ebene der betrieblichen
Führungskräfte an der Schnittstelle zwischen ‚oben’ und ‚unten’, die in
deutschen Industriebetrieben weitgehend durch die Gruppe der Meister
repräsentiert wird, am stärksten betroffen.“ Lit.dok. 99/2000-1,
a-766.
„Mit der Einführung von Gruppenarbeit werden an Meister
neue Aufgaben und Funktionen herangetragen. Gefragt sind mehr Fach-,
Sozial- und betriebswirtschaftliche Kompetenz... Es zeigt sich, dass die
Umsetzung der neuen Meisterrolle auch nach durchschnittlich vier Jahren
Erfahrung mit Gruppenarbeit nicht in befriedigendem Maß stattgefunden hat
und zu einer großen Unzufriedenheit beiträgt.“ Lit.dok. 99/2000-2,
b-1011.
2.2 Muster moderner kapitalistischer Arbeitsorganisation
ist einerseits die traditionelle Werkstattfertigung der Facharbeiter, andererseits die
Angestelltentätigkeit, die den Kapitalisten des 19. Jahrhunderts, der
gleichzeitig Kapitaleigentümer und Manager/Unternehmer war, zunehmend in
der Wirtschaftsleitung ersetzte und verdrängte:
Werkstattfertigung: „Vielmehr wird die Arbeitsorganisation in der Fertigung des
Maschinenbaus auch Ende der 90er Jahre von den traditionellen
Fertigungsorganisationsformen der Werkstattfertigung und der
Werkbankfertigung dominiert, wobei sich die Werkstatt bislang immer noch
als die effizienteste Form der Bewältigung von nicht-standardisierten
Prozessen erweist." LitDokAB 2000, a-829.
Auch die Filmindustrie
produziert in Werkstattfertigung: Als Prototyp für projektbezogene
Arbeit kann die amerikanische Filmindustrie gelten, weil „Karrieren in
dieser Industrie sich kaum noch auf unternehmensinterne Arbeitsmärkte
stützen können, in erheblichem Maße die Grenzen einzelner Organisationen
überschreiten und im Kern projektbasiert sind. Eine derartige Entwicklung
der Arbeitsorganisation (sollte) indikativ für die Entwicklung in anderen
Branchen sein....“ LitDok. 1998/99 a-1153.
Zielvereinbarungen &
ergebnisorientierte Arbeitsorganisation: „Bei einer
ergebnisorientierten Arbeitsorganisation zählt nicht mehr die Dauer der
täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit, sondern es kommt auf den Termin
der zu erbringenden Leistung sowie deren vereinbarte Qualität an.“
Lit.dok. 99/2000-1, a-591.
Gruppenarbeit: „Seit Anfang der
90er Jahre wird Gruppenarbeit im großen Stil auch in den
Produktionsbereichen der deutschen Automobilindustrie eingeführt.“ LitDok.
1998/99 a-1095.
Just-in-time-Management: „Die gemeinsame
Grundtendenz .... ist der Ersatz von Materialpuffern durch menschliche
Puffer.“ LitDok. 1998/99 a-1099.
„Das Leitbild des ‚flexiblen
Arbeitnehmers“ gewinnt an Bedeutung. Die damit verbundenen Qualifikationen
wie Selbständigkeit, Lernfähigkeit, Teamfähigkeit etc. ...“ Lit.dok.
99/2000-1, a-168.
„Die Bedeutung der Arbeitsplätze, die sehr
hohe formale Qualifikationsvoraussetzungen haben, mithin der Arbeitsplätze
für Hochschulabsolventen, nimmt dagegen in traditionell organisierten
Betrieben zu und ab in Betrieben, die auf neuere Entwicklungen im Bereich
der Personalpolitik setzen.“ Lit.dok. 99/2000-1, a-170.
2.3. In
dem Maße, wie die Kapitalisten und ihre Manager immer mehr aus dem
kollektiven Arbeitsprozess verdrängt werden, wollen sie durch
bürokratische Informationssysteme und Controlling ihre Macht
zurückgewinnen. Damit werden sie zunehmend zum Hindernis und Störfaktor
des Arbeitsablaufs.
Für CAD-Konstrukteure z.B. macht ihre
„unternehmerische“ Arbeit sowie ihre bürokratische Arbeit (=
Informationsweitergabe an das Controlling) 2/3 ihrer Arbeitszeit aus, die
eigentlich „produktive“ Tätigkeit nur 1/3 ihrer Arbeitszeit:
„Die
Daten zeigen, dass eine Veränderung der Konstruktionstätigkeit in Richtung
Informationsmanagement stattfindet und dies bei allen beteiligten
Mitarbeitern eine größere Flexibilität verlangt. Die Abstimmungs-,
Koordinations- und Dokumentationsaktivitäten reduzieren die reine
CAD-Arbeit auf durchschnittlich 33%.“ Lit.dok. 99/2000-2, b-295.
(Abstimmungs- und Koordinationstätigkeiten sind notwendige
Tätigkeiten innerhalb jeder kooperativen Arbeit, die
„Dokumentationsaktivität“ ist meist tote Arbeit für die Kontrolle durch
das Kapital).
„Rund ein Drittel der Beschäftigten in deutschen
Unternehmen hat innerlich gekündigt.“ Lit.dok. 99/2000-2,
b-415.
„Mit steigender Betriebsgröße fällt die Zufriedenheit
hinsichtlich beinah aller erfragten Aspekte der Berufstätigkeit
(Aufstiegsmöglichkeiten, Betriebsklima, Art und Inhalt der Tätigkeit,
Arbeitsbelastung, Möglichkeiten die eigenen Fähigkeiten anzuwenden) zum
Teil beträchtlich.... Mit der Arbeitszufriedenheit sinkt ... in den
Großbetrieben auch die Arbeitsmotivation und damit die Arbeitseffizienz.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, versuchen Großbetriebe.... die
Produktivität durch den Abbau der Arbeitsteilung zu fördern.“ LitDok.
1998/99 a-1472.
Soweit nicht anders angegeben stammen Daten und
Zitate aus: Literaturdokumentation zur Arbeitsmarkt und Berufsforschung,
Hrsg. von der Bundesanstalt für Arbeit, div. Jhrg.
www.marx-forum.de
Arbeitswelt-Trends
3. Die Kapitalisten selber bereiten
Verhältnisse vor, wo die Arbeitenden selber über ihre Arbeit und damit
über sich bestimmen.
„Als Fanatiker der Verwertung des Werts zwingt
der Kapitalist rücksichtslos die Menschheit zur Produktion um der
Produktion willen, daher zu einer Entwicklung der gesellschaftlichen
Produktivkräfte und zur Schöpfung von materiellen Produktionsbedingungen,
welche allein die reale Basis einer höheren Gesellschaftsform bilden
können, deren Grundprinzip die volle und freie Entwicklung des Individuums
ist.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, S. 618.
„Die große geschichtliche
Seite des Kapitals ist diese Mehrarbeit, überflüssige Arbeit vom
Standpunkt des bloßen Gebrauchswerts, der bloßen Subsistenz aus, zu
schaffen, und seine historische Bestimmung ist erfüllt, sobald einerseits
die Bedürfnisse soweit entwickelt sind, dass die Mehrarbeit über
das Notwendige hinaus selbst allgemeines Bedürfnis ist, aus den
individuellen Bedürfnissen selbst hervorgeht, - andererseits die
allgemeine Aufmerksamkeit durch die strenge Disziplin des Kapitals,
wodurch die sich folgenden Geschlechter durchgegangen sind, entwickelt ist
als allgemeine Besitz des neuen Geschlechts, - endlich durch die
Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit, die das Kapital in seiner
unbeschränkten Bereicherungssucht und den Bedingungen, worin es sie allein
realisieren kann, beständig voranpeitscht, soweit gediehen ist, dass der
Besitz und die Erhaltung des allgemeinen Reichtums einerseits nur eine
geringere Arbeitszeit für die ganze Gesellschaft erfordert und die
arbeitende Gesellschaft sich wissenschaftlich zu dem Prozess ihrer
fortschreitenden Reproduktion, ihrer Reproduktion in stets größerer Fülle
verhält.“ K. Marx, Grundrisse, 231.
„Die Entwicklung der
Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit ist die historische Aufgabe
und Berechtigung des Kapitals. Eben damit schafft es unbewusst die
materiellen Bedingungen einer höheren Produktionsform.“ K. Marx, Kapital III.,
269.
„Der Widerspruch zwischen der
allgemeinen gesellschaftlichen Macht, zu der sich das Kapital gestaltet,
und der Privatmacht der einzelnen Kapitalisten über diese
gesellschaftlichen Produktionsbedingungen entwickelt sich immer
schreiender und schließt die Auflösung dieses Verhältnisses ein, indem sie
zugleich die Herausarbeitung der Produktionsbedingungen zu allgemeinen,
gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Produktionsbedingungen
einschließt.“ K. Marx, Kapital III., 274.
„Die universelle Tendenz des Kapitals erscheint hier,
die es von allen früheren Produktionsstufen unterscheidet. Obgleich seiner
Natur nach selbst borniert, strebt es nach universeller Entwicklung der
Produktivkräfte und wird so die Voraussetzung neuer Produktionsweise, die
gegründet ist nicht auf die Entwicklung der Produktivkräfte, um einen
bestimmten Zustand zu reproduzieren und höchstens auszuweiten, sondern wo
die - freie, ungehemmte, progressive, und universelle Entwicklung der
Produktivkräfte selbst die Voraussetzung der Gesellschaft und daher ihrer
Reproduktion bildet... Diese Tendenz - die das Kapital hat, aber die
zugleich ihm selbst als einer bornierten Produktionsform widerspricht und
es daher zu seiner Auflösung treibt - unterscheidet das Kapital von allen
früheren Produktionsweisen.“ K. Marx, Grundrisse, 438.
„Es ist eine
der zivilisatorischen Seiten des Kapitals, dass es diese Mehrarbeit in
einer Weise und unter Bedingungen erzwingt, die der Entwicklung der
Produktivkräfte, der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Schöpfung der
Elemente für eine höhere Neubildung vorteilhafter sind als unter den
früheren Formen der Sklaverei, Leibeigenschaft usw. Es führt so
einerseits eine Stufe herbei, wo der Zwang und die Monopolisierung der
gesellschaftlichen Entwicklung (einschließlich ihrer materiellen und
intellektuellen Vorteile) durch einen Teil der Gesellschaft auf Kosten des
anderen wegfällt; andererseits schafft sie die materiellen Mittel und
den Keim zu Verhältnisses, die in einer höheren Form der Gesellschaft
erlauben, diese Mehrarbeit zu verbinden mit einer größeren Beschränkung
der materiellen Arbeit überhaupt gewidmeten Zeit.“ K. Marx, Kapital III.
MEW 25, 827.
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