Kapital I.: 161-181

In einer warenproduzierenden Gesellschaft erfüllt eine Geldware als allgemeine Verkörperung von Wert oder „allgemeines Äquivalent“ vier verschiedene Funktionen nebeneinander.
1. Als allgemeines Tauschmittel vermittelt Geld die Warenzirkulation. In dieser Eigenschaft ist Geld Zirkulationsmittel.
2. Geld funktioniert als vorgestellter Wert oder Wertmaß  und als Rechengeld in der Preisauszeichnung einer Ware und im Preisvergleich.
3. Geld wird als allgemeine Verkörperung von Wert als Schatz aufgespart und gehortet. Die vielen Geldschätze dienen gleichzeitig als flexible Reservoirs, damit die Warenzirkulation nicht durch Geldmangel ins Stocken gerät. Außerdem ist Schatzbildung notwendig, um Schulden abbezahlen zu können.
4. Geld fungiert als Zahlungsmittel, wenn der Kauf nicht durch Geld vermittelt wird, sondern durch ein Zahlungsversprechen. Auch diese Verhältnisse von Schuldner und Gläubiger entwickeln sich notwendig aus der Warenproduktion. Das Zahlungsmittel Geld beendet dann ein Schuldverhältnis.
5. Als Weltgeld muss eine einzelne Geldware in allen vier Geldfunktionen international anerkannt sein.

Zweiter Abschnitt
Die Verwandlung von Geld in Kapital

4. Kapitel
Verwandlung von Geld in Kapital
1. Die allgemeine Formel des Kapitals

„Die Warenzirkulation ist der Ausgangspunkt des Kapitals. Warenproduktion und entwickelte Warenzirkulation, Handel, bilden die historischen Voraussetzungen, unter denen es entsteht. Welthandel und Weltmarkt eröffnen im 16. Jahrhundert die moderne Lebensgeschichte des Kapitals.“ K. Marx, Kapital I.: 161.

„Geld als Geld und Geld als Kapital unterscheiden sich zunächst nur durch ihre verschiedne Zirkulationsform.“ K. Marx, Kapital I.: 161.

„Die unmittelbare Form der Warenzirkulation ist W – G – W, Verwandlung von Ware in Geld und Rückverwandlung von Geld in Ware, verkaufen, um zu kaufen.
Neben dieser Form finden wir aber eine zweite, spezifisch unterschiedne vor, die Form G – W – G, Verwandlung von Geld in Ware und Rückverwandlung von Ware in Geld, kaufen, um zu verkaufen.
Geld, das in seiner Bewegung diese letztre Zirkulation beschreibt, verwandelt sich in Kapital, wird Kapital und ist schon in seiner Bestimmung nach Kapital.“ K. Marx, Kapital I.: 162.

„Sehen wir uns die Zirkulation G – W – G näher an. Sie durchläuft ... zwei entgegengesetzte Phasen. In der ersten Phase, G – W, Kauf, wird das Geld in Ware verwandelt. In der zweiten Phase, W – G, Verkauf, wird die Ware in Geld rückverwandelt. Die Einheit beider Phasen aber ist die Gesamtbewegung, welche Geld gegen Ware und dieselbe Ware wieder in Geld austauscht. ... Das Resultat, worin der ganze Prozess erlischt, ist Austausch von Geld gegen Geld, G – G. K. Marx, Kapital I.: 162.

„In der ... Form G – W – G gibt der Käufer ... Geld aus, um als Verkäufer Geld einzunehmen. Er wirft beim Kauf der Ware Geld in die Zirkulation, um es ihr wieder zu entziehen durch der Verkauf derselben Ware. Er entlässt das Geld nur mit der hinterlistigen Absicht, seiner wieder habhaft zu werden. Es wird daher nur vorgeschossen.“ K. Marx, Kapital I.: 163.

„Die Wiederholung oder Erneuerung des Verkaufs, um zu kaufen, findet, wie dieser Prozess selbst, Maß und Ziel an einem außer ihm liegenden Endzwecke, der Konsumtion. der Befriedigung bestimmter Bedürfnisse. Im Kauf für den Verkauf dagegen sind Anfang und Ende dasselbe, Geld, Tauschwert, und schon dadurch ist die Bewegung endlos. ... Geld kommt am Ende der Bewegung wieder als ihr Anfang heraus.“ K. Marx, Kapital I.: 166.

„Wenn ich für 10000 Euro 2000 Pfd. Baumwolle kaufe und die 2000 Pfd. Baumwolle wieder für 11000 Euro verkaufe, so habe ich schließlich 10000 Euro gegen 11000 Euro ausgetauscht...“ K. Marx, Kapital I.: 162.

„Eine Geldsumme kann sich von einer andren Geldsumme überhaupt nur durch ihre Größe unterscheiden. Der Prozess G – W – G schuldet seinen Inhalt daher keinem qualitativen Unterschied seiner Extreme, denn sie sind beide Geld, sondern nur ihrer quantitativen Verschiedenheit.
Schließlich wird der Zirkulation mehr Geld entzogen, als anfangs hineingeworfen ward. ... Die vollständige Form dieses Prozesses ist daher G – W – G‘, wo G‘... gleich der ursprünglich vorgeschossenen Geldsumme plus einem Zuwachs. Dieser Zuwachs oder den Überschuss über den ursprünglichen Wert nenne ich - Mehrwert. ...
Der ursprünglich vorgeschossne Wert erhält sich daher nicht nur in der Zirkulation, sondern in ihr verändert er seine Wertgröße, setzt einen Mehrwert zu oder verwertet sich. Und diese Bewegung verwandelt ihn in Kapital.“ K. Marx, Kapital I.: 165.

„Der Wert wird also prozessierender Wert, prozessierendes Geld und als solches Kapital.“ K. Marx, Kapital I.: 170.

 „Die einfache Warenzirkulation - der Verkauf für den Kauf - dient zum Mittel für einen außerhalb der Zirkulation liegenden Endzweck, die Aneignung von Gebrauchswerten, die Befriedigung von Bedürfnissen. Die Zirkulation des Geldes als Kapital ist dagegen Selbstzweck, denn die Verwertung des Werts existiert nur innerhalb dieser stets erneuerten Bewegung. Die Bewegung des Kapitals ist daher maßlos.“ K. Marx, Kapital I.: 167

„Der Gebrauchswert ist also nie als unmittelbarer Zweck des Kapitalisten zu behandeln. Auch nicht der einzelne Gewinn, sondern nur die rastlose Bewegung des Gewinnens.“ K. Marx, Kapital I.: 168.

2. Widersprüche der allgemeinen Formel

„Die Zirkulationsform, worin sich das Geld zum Kapital entpuppt, widerspricht allen früher entwickelten Gesetzen über die Natur der Ware, des Werts, des Geldes und der Zirkulation selbst.“ K. Marx, Kapital I.: 170.

„Sofern ... die Zirkulation der Ware nur einen Formwechsel ... bedingt, bedingt sie, wenn das Phänomen rein vorgeht, Austausch von Äquivalenten (von gleichen Werten). ... Waren können zwar zu Preisen verkauft werden, die von ihren Werten abweichen, aber diese Abweichung erscheint als Verletzung des Gesetzes des Warenaustausches. In seiner reinen Gestalt ist er ein Austausch von Äquivalenten, also kein Mittel, sich an Wert zu bereichern.“ K. Marx, Kapital I.: 173.

„In seiner reinen Form ... bedingt der Zirkulationsprozess der Waren Austausch von Äquivalenten (gleichen Werten). Jedoch gehen die Dinge in der Wirklichkeit nicht rein zu. Unterstellen wir daher Austausch von Nicht-Äquivalenten.“ K. Marx, Kapital I.: 174.

„A verkauft Wein zum Wert von 4000 Euro an B und erwirbt im Austausch Getreide zum Wert von 5000 Euro. A seine 4000 Euro in 5000 Euro verwandelt, mehr Geld aus weniger Geld gemacht und seine Ware in Kapital verwandelt.
Sehen wir näher zu. Vor dem Austausch hatten wir für 4000 Euro Wein in der Hand von A und für 5000 Euro Getreide in der Hand von B, Gesamtwert von 9000 Euro.
Nach dem Austausch haben wir denselben Gesamtwert von 9000 Euro. Der zirkulierende Wert hat sich um kein Atom vergrößert, seine Verteilung zwischen A und B hat sich verändert. Auf der einen Seite erscheint als Mehrwert, was auf der anderen Seite Minderwert ist, auf der einen Seite als Plus, was auf der anderen als Minus. Derselbe Wechsel hätte sich ereignet, wenn A, ohne die verhüllende Form des Austausches, dem B 1000 Euro direkt gestohlen hätte.
Die Summe der zirkulierenden Werte kann offenbar durch keinen Wechsel in ihrer Verteilung vermehrt werden. ... Die Gesamtheit der Kapitalistenklasse eines Landes kann sich nicht selbst übervorteilen.“ K. Marx, Kapital I.: 177.

„Man mag sich also drehen und wenden, wie man will, das Fazit bleibt dasselbe. Werden Äquivalente (gleiche Werte) ausgetauscht, so entsteht kein Mehrwert, und werden Nicht-Äquivalente ausgetauscht, so entsteht auch kein Mehrwert. Die Zirkulation oder der Warentausch schafft keinen Wert.“ K. Marx, Kapital I.: 177-178.

Anm. 37: „Die Kapitalbildung muss möglich sein, auch wenn der Warenpreis gleich dem Warenwert. Sie kann nicht aus der Abweichung der Warenpreise von den Warenwerten erklärt werden...“ K. Marx, Kapital I.: 180.

„Es hat sich gezeigt, dass der Mehrwert nicht aus der Zirkulation entspringen kann. ... Kann aber der Mehrwert anderswoher entspringen als aus der Zirkulation? Die Zirkulation ist die Summe aller Wechselbeziehungen der Warenbesitzer. ...
Kapital kann also nicht aus der Zirkulation entspringen, und es kann ebenso wenig aus der Zirkulation nicht entspringen. Es muss zugleich in ihr und nicht in ihr entspringen.“ K. Marx, Kapital I.: 180.

„Ein doppeltes Resultat hat sich also ergeben:
Die Verwandlung des Geldes in Kapital ist auf Grundlage dem Warentausch innerer Gesetze zu entwickeln, so dass der Austausch von Äquivalenten (gleichen Werten) als Ausgangspunkt gilt. Unser ...  Geldbesitzer muss die Waren zu ihrem Wert kaufen, zu ihrem Wert verkaufen und dennoch am Ende des Prozesse mehr Wert herausziehen, als er hineinwarf. ...  Dies sind die Bedingungen des Problems. Hic Rhodos, hic salta! (Wer den Mehrwert nicht erklären kann, ohne dass beide sich widersprechenden Bedingungen erfüllt sind, kann den Mehrwert nicht erklären!). “ K. Marx, Kapital I.: 180-181.

Zur Methode dieser Online-Lektüre:

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten. Jedes Zitat enthält die Seitenangabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.
Jedem neuen Abschnitt wird eine Zusammenfassung des vorherigen Gedankengangs vorangestellt.
Wo es dem Verständnis dient, wurden Fremdwörter, Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele modernisiert.
Diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Marx sind normal fett gedruckt.

Wal Buchenberg