Kapital I. 461-470
4. Die
Fabrik
Die Manufaktur war ein Organismus von speziell
ausgebildeten menschlichen Einzelgliedern. Dort blieben die Arbeiter im
wesentlichen an eine einzige Tätigkeit gefesselt. Die Maschinerie
ermöglichte es nun, diese Fesselung der Arbeiter an eine einzige
Verrichtung durch ständige Abwechslung der Arbeiten aufzuheben. Einerseits
vereinfacht die Fabrik die Qualifikationen und gleicht sie aneinander an,
andererseits kann fortwährend Personenwechsel stattfinden, ohne dass der
Arbeitsprozess unterbrochen wird, weil die Bewegungen des Arbeitsvorgangs
von der Maschinerie ausgehen, nicht von den Arbeitern. Tatsächlich
übernahmen aber die Kapitalisten die traditionelle Arbeitsteilung der
Manufaktur, was noch größeres Arbeitselend hervorbrachte, das durch die
kasernenmäßige Fabrikdisziplin noch gesteigert wurde. Die Gewöhnung an
diese Fabrikdisziplin ist zwar eine subjektive Voraussetzung des
Sozialismus, aber der Despotismus der Fabrik kann nicht das Modell abgeben
für eine emanzipierte Gesellschaft, die die Arbeitsmittel gemeinschaftlich
anwendet.
5. Kampf zwischen Arbeiter und
Maschine.
In ihren Anfängen griffen die Arbeiter die neuen
Maschinen an, nicht das Lohnverhältnis, in dem die Maschinen verwendet
werden. Die Maschinerie bleibt aber im Kapitalismus eine Konkurrenz für
die Arbeiter, weil verbesserte Maschinen nicht nur mehr Produkte, sondern
auch mehr Arbeitslose produzieren.
6. Die
Kompensationstheorie bezüglich der durch Maschinerie verdrängten Arbeiter
„Eine ganze Reihe
bürgerlicher Ökonomen ... behauptet, dass alle Maschinerie, die Arbeiter verdrängt, stets gleichzeitig und
notwendig ein adäquates Kapital zur Beschäftigung derselben identischen
Arbeiter freisetzt.“ K. Marx, Kapital I.: 461. Dazu ein Beispiel
einer Fabrik mit 100 Arbeitern für 3 Millionen Euro Jahreslohnsumme und
Produktionsanlagen für
ebenfalls 3 Millionen Euro.
Also: 6 Mio. C = 3
Mio. c + 3 Mio. v.
Der Kapitalist kauft
dann eine Maschine, die 1,5 Mio. kostet und die 50 Arbeiter mit einem Lohn
von insgesamt 1,5 Mio. Jahreslohn ersetzt. Sein Kapital bleibt dasselbe,
nur die organische Zusammensetzung seines Kapitals hat sich
geändert.
Also: 6 Mio. C = 4,5
Mio. c + 1,5 Mio.
v. „Ist durch diese Metamorphose irgendein Kapital
‚freigesetzt‘?... Statt der Freisetzung findet hier Bindung von Kapital in
einer Form statt, worin es aufhört, sich gegen Arbeitskraft auszutauschen, d. h. Verwandlung von variablem in
konstantes Kapital. ...
Kostete die neue
eingeführte Maschinerie weniger als
die Summe der von ihr verdrängten Arbeitskraft und Arbeitswerkzeuge, also
z.B. statt 1,5 Mio. nur 1 Mio., so würde ein variables
Kapital von 1 Mio. Euro in
konstantes verwandelt oder gebunden, während ein Kapital von 0,5 Mio.
Euro freigesetzt würde.
Letzteres, denselben
Jahreslohn unterstellt, bildet einen Beschäftigungsfonds für ungefähr 16
Arbeiter, während 50 entlassen sind, ja für viel weniger als 16 Arbeiter,
da die 0,5 Mio. Euro zu ihrer Verwandlung in Kapital wieder zum
Teil in konstantes Kapital verwandelt werden müssen, also auch nur zum
Teil in Arbeitskraft umgesetzt werden können.“ K. Marx, Kapital I.: 462.
„Indes, gesetzt auch, die Anfertigung der neuen Maschine beschäftige
eine größere Anzahl Mechaniker. Soll das eine Kompensation sein für die
aufs Pflaster geworfenen Arbeiter der Fabrik, die die Maschine
kauft? Im besten Fall beschäftigt ihre Anfertigung weniger Arbeiter,
als ihre Anwendung verdrängt.“ K. Marx, Kapital I.: 462. Warum? Im
obigen Beispiel kostete die neue Maschine 1,5 Mio. Euro. Dieser Wert setzt
sich zusammen aus:
„1. dem Wert der zu ihrer
Herstellung erforderlichen Produktionsmittel, 2. dem Arbeitslohn der sie
anfertigenden Mechaniker, 3. dem dem Kapitalisten der
Maschinenfabrik zufallenden Mehrwert.“ K. Marx, Kapital I.: 462.
Egal, wie groß jeweils diese drei Wertbestandteile sind, der
Lohnbestandteil der angeschafften Maschine ist immer kleiner als die
Lohnsumme der Arbeiter, die die Maschine arbeitslos macht. Also sind in
der Herstellung der Maschine weniger Arbeiter beschäftigt als die Maschine
in ihrer Anwendung verdrängt. „Da also die Maschinerie an sich betrachtet die Arbeitszeit verkürzt, während sie kapitalistisch angewandt
den Arbeitstag verlängert, an sich
die Arbeit erleichtert,
kapitalistisch angewandt ihre Intensität steigert, an sich ein Sieg des
Menschen über die Naturkraft ist, kapitalistisch angewandt den Menschen
durch die Naturkraft unterjocht, an sich den Reichtum des Produzenten
vermehrt, kapitalistisch angewandt ihn verarmt usw. erklärt der
bürgerliche Ökonom einfach, das Ansich-betrachten der Maschinerie beweise
haarscharf, dass alle jene handgreiflichen Widersprüche bloßer Schein der
gemeinen Wirklichkeit, aber an sich, also auch in der Theorie gar nicht
vorhanden sind.“ K. Marx, Kapital I.: 465. „Die wirklichen ...
Tatsachen sind diese: Die von der Maschinerie verdrängten Arbeiter werden
aus der Werkstatt hinaus auf den Arbeitsmarkt geworfen und vermehren dort
die Zahl der schon für kapitalistische Ausbeutung verfügbaren
Arbeitskräfte. Im siebenten Abschnitt wird sich zeigen, dass diese
Wirkung der Maschinerie ... den Arbeiter ... als furchtbarste Geißel
trifft. Hier nur dies: Die aus einem Industriezweig hinausgeworfenen
Arbeiter können allerdings in irgendeinem andern Beschäftigung
suchen. Finden sie solche,... so geschieht dies vermittelst eines
neuen, zuschüssigen Kapitals, das nach Anlage drängt, keineswegs aber
vermittelst des schon früher funktionierenden und jetzt in
Maschinerie verwandelten Kapitals.“
K. Marx, Kapital I.: 464.
„Obwohl die
Maschinerie notwendig Arbeiter
verdrängt in den Arbeitszweigen, wo sie eingeführt wird, so kann sie
dennoch eine Zunahme von Beschäftigung in andern Arbeitszweigen
hervorrufen. Diese Wirkung hat aber nichts gemein mit der sogenannten
Kompensationstheorie. ... Die etwa zur Produktion der Arbeitsmittel
selbst, der Maschinerie, Kohle usw. erforderliche Arbeitszunahme
muss kleiner sein als die durch Anwendung der Maschinerie bewirkte
Arbeitsabnahme. Das Maschinenprodukt wäre sonst ebenso teuer oder teurer
als das Handprodukt. Statt aber gleich zu bleiben, wächst tatsächlich
die Gesamtmasse des von einer verminderten Arbeiteranzahl produzierten
Maschinenartikels weit über die Gesamtmasse des verdrängten
Handwerksartikels. Gesetzt, 4 Millionen Ballen Maschinengewebe
würden von weniger Arbeitern produziert als 1 Million Ballen
Handgewebe. In dem vervierfachten Produkt steckt viermal mehr
Rohmaterial. Die Produktion des
Rohmaterials muss also vervierfacht werden. ... Mit der Ausdehnung des
Maschinenbetriebs in einem Industriezweig steigert sich also zunächst die
Produktion in andren Zweigen, die ihm seine Produktionsmittel liefern.
Wieweit dadurch die beschäftigte Arbeitermasse wächst, hängt, ... von der Zusammensetzung der
verwandten Kapitale ab, d. h. vom Verhältnis ihrer konstanten und
variablen Bestandteile. ... Die Anzahl zu Kohlen- und Metallbergwerken
verurteilter Menschen schwoll ungeheuer mit dem Fortschritt des englischen
Maschinenwesens, obgleich ihr Anwachs in den letzten Jahrzehnten
durch Gebrauch neuer Maschinerie für den Bergbau verlangsamt wird.“ K.
Marx, Kapital I.: 466-467.
„Entsprechend der
steigenden Masse von Rohstoffen, Halbfabrikaten, Arbeitsinstrumenten usw.
die der Maschinenbetrieb mit relativ geringer Arbeiterzahl liefert,
sondert sich die Bearbeitung dieser Rohstoffe und Halbfabrikate in
zahllose Unterarten, wächst also die Mannigfaltigkeit der
gesellschaftlichen Produktionszweige.
Der Maschinenbetrieb
treibt die gesellschaftliche Teilung der Arbeit ungleich weiter als die
Manufaktur, weil er die Produktivkraft der von ihm ergriffenen Gewerbe in
ungleich höherem Grad vermehrt.“ K. Marx, Kapital I.: 468. „Das nächste
Resultat der Maschinerie ist, den
Mehrwert und zugleich die
Produktenmasse, worin er sich darstellt, also mit der Substanz, wovon die
Kapitalistenklasse samt Anhang zehrt, diese Gesellschaftsschichten zu
vergrößern. Ihr wachsender Reichtum ... erzeugt mit neuem
Luxusbedürfnis zugleich neue Mittel seiner Befriedigung. Ein größerer Teil
des gesellschaftlichen Produkts verwandelt sich in
Mehrprodukt und ein größerer
Teil des Mehrprodukts wird in verfeinerten und vermannigfachten
Formen reproduziert und verzehrt. In andren Worten: Die Luxusproduktion
wächst. Die Verfeinerung und Vermannigfachung der Produkte entspringt
ebenso aus den neuen weltmarktlichen Beziehungen, welche die große
Industrie schafft. Es werden nicht nur mehr ausländische Genussmittel
gegen das heimische Produkt ausgetauscht, sondern es geht auch eine
größere Masse fremder Rohstoffe, Ingredienzien, Halbfabrikate usw. als
Produktionsmittel in die heimische Industrie ein. Mit diesen
weltmarktlichen Beziehungen steigt die Arbeitsnachfrage in der
Transportindustrie und spaltet sich letztere in zahlreiche neue
Unterarten.“ K. Marx, Kapital I.: 468-469.
„Die Vermehrung von Produktions- und Lebensmitteln bei
relativ abnehmender Arbeiterzahl treibt zur Ausdehnung der Arbeit in
Industriezweigen, deren Produkte, wie Kanäle, Warendocks, Tunnels, Brücken
usw. nur in fernerer Zukunft Früchte tragen. Es bilden sich, entweder
direkt auf der Grundlage der Maschinerie, oder doch der ihr entsprechenden
allgemeinen industriellen Umwälzung, ganz neue Produktionszweige und daher
neue Arbeitsfelder.“ K. Marx, Kapital I.: 469 „Endlich erlaubt die
außerordentlich erhöhte Produktivkraft in den Sphären der großen
Industrie, begleitet, wie sie ist, von intensiv und extensiv gesteigerter
Ausbeutung der Arbeitskraft in allen übrigen Produktionssphären, einen
stets größeren Teil der Arbeiterklasse unproduktiv zu verwenden, und so
namentlich die alten Haussklaven, unter dem Namen der ‚dienenden Klasse‘,
wie Bediente, Mägde, Lakaien usw. stets massenhafter zu reproduzieren.“ K.
Marx, Kapital I.: 469 (Wie K. Marx vorrechnet, waren diese
unproduktiven Teile der Arbeiterklasse laut Statistik 1861 in
England mindestens zahlenmäßig ebenso groß oder sogar größer als die produktive Arbeiterklasse.
- Bei der Berechnung der Größe der Lohnarbeiterklasse oder
modernen Arbeiterklasse hatte K. Marx folgende Bevölkerungsteile
ausgeschlossen: „Die ‘ideologischen‘ Stände, wie Regierung, Pfaffen,
Juristen, Militär usw. ferner alle, deren ausschließliches Geschäft der
Verzehr fremder Arbeit in der Form von Grundrente, Zins usw., aber auch
Arme, Obdachlose, Verbrecher usw.“ Kapital I.:
469-470)
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