Kapital 1.:
614-625
„Sosehr die
kapitalistische Aneignungsweise ... den ursprünglichen Gesetzen der
Warenproduktion ins Gesicht zu schlagen scheint, so entspringt sie doch
keineswegs aus der Verletzung, sondern im Gegenteil aus der Anwendung
dieser Gesetze. Ein kurzer Rückblick auf die Reihenfolge der
Bewegungsphasen, deren Schlusspunkt die kapitalistische Akkumulation ist,
stelle dies nochmals klar. Zuerst haben wir gesehen, dass die
ursprüngliche Verwandlung einer Wertsumme in Kapital sich durchaus gemäß
den Gesetzen des Austausches vollzog. Der eine Kontrahent verkauft seine
Arbeitskraft, der andre kauft sie. Der erstere empfängt den Wert seiner
Ware, deren Gebrauchswert - die Arbeit - damit an den zweiten veräußert
ist. Dieser verwandelt nunmehr ihm bereits gehörende Produktionsmittel mit
Hilfe von ihm ebenfalls gehörender Arbeit in eine neues Produkt, das ihm
ebenfalls von Rechts wegen gehört. Der Wert dieses Produkts schließt
ein: erstens den Wert der verbrauchten Produktionsmittel... Der Wert des neuen Produkts
schließt ferner ein: das Äquivalent (Wertgleiches) des Werts der
Arbeitskraft und einen Mehrwert. Und zwar deshalb, weil die für einen
bestimmten Zeitraum, Tag, Woche etc. verkaufte Arbeitskraft weniger Wert
besitzt, als ihr Gebrauch während dieser Zeit schafft.“ K. Marx, Kapital
I.: 610.
„Die ursprüngliche Verwandlung des Geldes in Kapital
vollzieht sich also im genauesten Einklang mit den ökonomischen Gesetzen
der Warenproduktion und mit dem daraus sich ableitenden Eigentumsrecht.
Trotzdem aber hat sie zum Ergebnis: 1. dass das Produkt dem
Kapitalisten gehört und nicht dem Arbeiter; 2. dass der Wert dieses
Produkts außer dem Wert des vorgeschossenen Kapitals einen Mehrwert
einschließt, der dem Arbeiter Arbeit, dem Kapitalisten aber nichts
gekostet hat und der dennoch das rechtmäßige Eigentum des Kapitalisten
wird; 3. dass der Arbeiter seine Arbeitskraft forterhalten hat und sie
aufs neue verkaufen kann, wenn er einen Käufer findet. Die einfache
Reproduktion ist nur die periodische Wiederholung dieser ersten
Operation... Das Gesetz (des Tauschs gleicher Werte) wird also
nicht gebrochen, im Gegenteil, es erhält nur Gelegenheit sich dauernd zu
betätigen. ...
Und dennoch haben wir
gesehen, dass die einfache Reproduktion hinreicht, um dieser ersten
Operation ... einen total veränderten Charakter aufzuprägen.“ K. Marx,
Kapital I.: 610-611.
2. Irrige Auffassung
der Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter seitens der politischen
Ökonomie
1) Kritik der
Ansichten, dass akkumulierter Mehrwert durch Sparsamkeit oder durch
Schatzbildung entstehen könne, sowie der Ansicht, dass Neuinvestitionen
insgesamt sich in variables Kapital verwandelt würden. Oder anders:
Dass jede Kaufkraftvergrößerung produktiv angelegt sei, wie es der
Keynsianismus und linke Sozialdemokraten predigen.
2) Die Frage,
wie die durch den Mehrwert vergrößerten Produktenwerte alle verwertet
werden können, d.h. alle einen Käufer finden können, wird auf den dritten
Abschnitt des Zweiten Bandes des Kapitals
verwiesen. (Anmerkung: Diese Fragestellung hatte Rosa Luxemburg zum
falschen Ausgangspunkt ihrer theoretischen Arbeit „Die Akkumulation des
Kapitals“ gemacht, in der sie nachzuweisen versuchte, dass das
kapitalistische System quasi einen systemimmanenten Fehler enthält, der zu
seinem Zusammenbruch führen muss. Diese mechanistische
Kapitalismuskritik der R. Luxemburg taucht heute in anderer Form wieder
bei Robert Kurz und in der Zeitschrift „Krisis“ auf. Die
Kapitalismusanalyse von Karl Marx zeigt dagegen, dass alle Krisen und Störungen, die im
Kapitalismus notwendig entstehen, nicht durch irgend einen „Fehler“,
sondern allein durch das „Aufschaukeln“ (Hegelianisch gesprochen: durch
den „Umschlag von Quantität in Qualität“) der normalen Gesetzmäßigkeiten
erfolgen, die unter anderen Umständen für das Funktionieren des
Kapitalismus sorgen. Nach Karl Marx wird der Kapitalismus nicht durch
irgendeinen einen „mechanischen Defekt“, sondern nur das bewusste Handeln
der großen Mehrheit beseitigt, was zur Folge hat: Erstens, dass alle
Menschen Arbeiter werden, was Hand- und Kopfarbeit vereint, und zweitens,
dass alle diese Arbeiter gemeinsam die Produktion
leiten.)
3. Teilung des
Mehrwerts in Kapital und Revenue ( = Konsumtionsfonds des
Kapitalisten). Die Abstinenztheorie
„Im vorigen Kapitel
(21. Kapitel: Einfache Reproduktion) betrachteten wir den Mehrwert,
bzw. das Mehrprodukt, nur als individuellen Konsumtionsfonds des
Kapitalisten, in diesem Kapitel (22. Kapitel: Verwandlung von Mehrwert
in Kapital) nur als einen Akkumulationsfonds. Er ist aber weder das
eine noch das andere, sondern beides zugleich. Ein Teil des Mehrwerts
wird vom Kapitalisten als Revenue (Konsumtionsfonds) verzehrt, ein
andrer Teil als Kapital angewandt und akkumuliert. Bei gegebener Masse
des Mehrwerts wird der eine dieser Teile um so größer sein, je kleiner der
andere ist. Alle anderen Umstände als gleichbleibend genommen, bestimmt
das Verhältnis, worin diese Teilung sich vollzieht, die Größe der
Akkumulation. Wer aber diese Teilung vornimmt, das ist der Eigentümer
des Mehrwerts, der Kapitalist. Sie ist also sein Willensakt. Von dem
Teil des von ihm erhobenen Tributs, den er akkumuliert, sagt man, er spare
ihn, weil er ihn nicht aufisst, d. h. weil er seine Funktion als
Kapitalist ausübt, nämlich die Funktion, sich zu bereichern.“ K. Marx,
Kapital I.: 617-618.
„Außerdem macht die
Entwicklung der kapitalistischen Produktion eine fortwährende Steigerung
des in einem industriellen Unternehmen angelegten Kapitals zur
Notwendigkeit, und die Konkurrenz herrscht jedem individuellen
Kapitalisten die immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktionsweise
als äußere Zwangsgesetze auf. Sie zwingt ihn, sein Kapital fortwährend
auszudehnen, um es zu erhalten, und ausdehnen kann er es nur vermittelst
progressiver Akkumulation.“ K. Marx, Kapital I.:
618.
„Damit entwickelt sich
gleichzeitig in der Hochbrust des Kapitalindividuums ein faustischer
Konflikt zwischen Akkumulations- und Genusstrieb.“ K. Marx, Kapital I.:
620.
„Die Akkumulation ist
Eroberung der Welt des gesellschaftlichen Reichtums. Sie dehnt mit der
Masse des ausgebeuteten Menschenmaterials zugleich die direkte und
indirekte Herrschaft des Kapitalisten aus.“ K. Marx, Kapital I.:
619.
„Nur soweit der
Kapitalist personifiziertes Kapital ist, hat er einen historischen Wert
und ... historisches Existenzrecht... Als Fanatiker der Verwertung des
Werts zwingt er rücksichtslos die Menschheit zur Produktion um der
Produktion willen, daher zu einer Entwicklung der gesellschaftlichen
Produktivkräfte und zur Schöpfung von materiellen Produktionsbedingungen,
welche allein die reale Basis einer höheren Gesellschaftsform bilden
können, deren Grundprinzip die volle und freie Entwicklung jedes
Individuums ist.“ K. Marx, Kapital I.: 618.
Diese Kurzfassung
aller drei Kapital-Bände online verzichtet auf die Vertiefung von
Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx'
Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten. Auslassungen im
laufenden Text sind durch drei Punkte ... kenntlich
gemacht. Hervorhebungen von Marx sind normal fett gedruckt. Jeder
einzelne Textabschnitt enthält die Seitenangabe der Marx-Engels-Werke,
Bände 23 - 25. Jedem neuen Abschnitt geht eine Zusammenfassung des
vorherigen Abschnitts voran. Wo es dem Verständnis dient, habe ich
veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch
Zahlenangaben modernisiert.
Alle diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen,
stehen in kursiver Schrift. Rückfragen zum Text werde ich möglichst
rasch beantworten. Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen. Die
bisher veröffentlichten Teile des Kapitals sind im Marx-Forum unter
www.marx-forum.de nachzulesen. Wal
Buchenberg.
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