Kapital 2.287-295

a)Die Zirkulationszeit macht einerseits zusätzlichen Kapitalvorschuss für einen ununterbrochenen Produktionsprozess nötig und lässt andererseits dieselbe Kapitalgröße zu einem späteren Zeitpunkt unbeschäftigt:
„Nehmen wir das Warenkapital, welches das Produkt einer Arbeitsperiode ist, z.B. von neun Wochen. Sehn wir einstweilen ab sowohl von dem Wertteil des Produkts, der ihm durch den Durchschnittsverschleiß des fixen Kapitals zugesetzt ist, wie von dem während des Produktionsprozesses ihm zugesetzten Mehrwert, so ist der Wert dieses Produkts gleich dem Wert des zu seiner Produktion vorgeschossenen flüssigen Kapitals, d. h. des Arbeitslohns und der in seiner Produktion aufgezehrten Roh- und Hilfsstoffe. Dieser Wert sei = 900000 Euro, so dass die Wochenauslage 100000 Euro beträgt. ...
Die Umlaufszeit dauere 3 Wochen. Die ganze Umschlagsperiode dauert also 12 Wochen.
Nach Verlauf der 9 Wochen ist das vorgeschossene produktive Kapital in Warenkapital verwandelt, aber es haust nun drei Wochen in der Zirkulationsperiode.
Der neue Produktionstermin kann also erst wieder beginnen Anfang der 13. Woche, und die Produktion wäre für drei Wochen stillgesetzt oder für ein Viertel der ganzen Umschlagsperiode.“ K. Marx, Kapital 2.: 260.

„Nehmen wir aber ... an, die Anlage des Geschäfts schließe eine Verkürzung der Stufenleiter der Produktion und daher auch des wöchentlich vorzuschießenden flüssigen Kapitals aus, so kann die Kontinuität der Produktion nur erreicht werden durch ein zuschüssiges flüssiges Kapital, im obigen Fall von 300000 Euro. ...
Während ... das für die erste Arbeitsperiode vorgeschossene Kapital ... sich während 3 Wochen im Zirkulationsprozess aufhält, fungiert ein zuschüssig ausgelegtes Kapital von 300000 Euro, so dass die Kontinuität der Produktion nicht unterbrochen wird.“ K. Marx, Kapital 2.: 262.

„Sehn wir uns nun das freigesetzte, in der Tat suspendierte Kapital näher an, so zeigt sich, dass ein bedeutender Teil desselben stets die Form von Geldkapital besitzen muss. Bleiben wir bei dem Beispiel: Arbeitsperiode 6 Wochen, Zirkulationsperiode 3 Wochen, Auslage per Woche 100000 Euro In der Mitte der zweiten Arbeitsperiode, Ende der 9. Woche, fließen 600000 Euro zurück, von denen nur 300000 Euro während des Rests der Arbeitsperiode anzulegen sind. Ende der zweiten Arbeitsperiode werden also 300000 Euro davon freigesetzt.
In welchem Zustand befinden sich diese 300000 Euro? Wir wollen annehmen, dass 1/3 für Arbeitslohn, 2/3 für Roh- und Hilfsstoffe auszulegen sind. ... Es wird also von den Marktverhältnissen abhängen, ob er (der Kapitalist) diese 200000 Euro sofort wieder ganz oder nur zum Teil in überschüssigen produktiven Vorrat verwandeln oder sie ganz oder teilweise in Erwartung günstigerer Marktverhältnisse als Geldkapital festhalten wird. Andrerseits versteht sich von selbst, dass der in Arbeitslohn auszulegende Teil = 200000 Euro in Geldform festgehalten wird.“ K. Marx, Kapital 2.: 284.

b) Verkürzen sich die Zirkulationszeiten, dann setzt das überflüssiges Kapital frei: „Nehmen wir in unserm Beispiel an, die Zirkulationszeit verkürze sich von 3 Wochen auf 2. Dies sei nicht normal, sondern etwa Folge guter Geschäftszeit... etc.
Das Kapital von 600000 Euro, das während der Arbeitsperiode ausgelegt worden, fließt eine Woche früher als nötig zurück, es ist also für diese Woche freigesetzt...
Da dies nicht nur einen Kapitalisten betrifft, sondern viele und zu verschiedenen Perioden in verschiedenen Geschäftszweigen sich ereignet, so erscheint hiermit mehr verfügbares Geldkapital auf dem Markt...
Man sieht hieraus, wie ein Überfluss von Geldkapital entstehen kann - und zwar ... in dem Sinn, dass für die Betreibung des gesamten gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses (welcher den Zirkulationsprozess einschließt), ein bestimmter Teil des vorgeschossenen Kapitalwerts überflüssig und daher in der Form von Geldkapital ausgeschieden ist;
ein Überfluss, entstanden bei gleichbleibender Stufenleiter des Produktion und gleichbleibenden Preisen durch bloße Kontraktion der Umschlagsperiode.“ K. Marx, Kapital 2.: 285.
c) Verlängern sich die Zirkulationszeiten, dann macht das weiteres Zuschusskapital nötig: „Nehmen wir umgekehrt an, die Zirkulationsperiode verlängere sich, sage von 3 Wochen zu 5.... Bei längerer Dauer dieses Zustandes könnte ... Kontraktion des Produktionsprozesses ... eintreten. Um aber den Prozess auf derselben Stufenleiter fortzuführen, müsste das vorgeschossene Kapital für die ganze Dauer dieser Verlängerung der Zirkulationsperiode ... vermehrt werden. Dies Zusatzkapital kann nur dem Geldmarkt entnommen werden.“ K. Marx, Kapital 2.: 285f.

Rückblick: Faktoren, die die Länge der Umschlagsperiode und damit den Kapitalvorschuss beeinflussen.
„Soweit die größere oder geringere Länge der Umschlagsperiode abhängt von der Arbeitsperiode im eigentlichen Sinn, d.h. der Periode nötig, um das Produkt für den Markt fertig zu machen, beruht sie auf den jedes Mal gegebenen sachlichen Produktionsbedingungen der verschiedenen Kapitalanlagen, die innerhalb der Agrikultur mehr den Charakter von Naturbedingungen der Produktion besitzen, in der Manufaktur und dem größten Teil der extraktiven Industrie mit der gesellschaftlichen Entwicklung des Produktionsprozesses selbst wechseln.“  K. Marx, Kapital 2.: 318.
„Soweit ... die Länge der Umschlagsperiode von der Länge der Zirkulationsperiode abhängt, ist diese zum Teil zwar bedingt durch den beständigen Wechsel in den Marktkonjunkturen, die größere oder geringere Leichtigkeit zu verkaufen und die dieser entspringende Notwendigkeit, das Produkt teilweise auf nähern oder entfernteren Markt zu werfen.
Abgesehen vom Umfang der Nachfrage überhaupt, spielt hier die Bewegung der Preise hier ein Hauptrolle, indem der Verkauf bei fallenden Preisen absichtlich beschränkt wird, während die Produktion vorangeht; umgekehrt bei steigenden Preisen, wo Produktion und Verkauf Schritt halten oder im voraus verkauft werden kann.
Jedoch ist als eigentliche materielle Basis zu betrachten die wirkliche Entfernung des Produktionssitzes vom Absatzmarkt.“ K. Marx, Kapital 2.: 318f.

Wirkung von Preiswechsel (auf den Kapitalvorschuss)
„Wir haben ... unterstellt gleichbleibende Preise, gleichbleibende Stufenleiter der Produktion auf der einen Seite, Kontraktion oder Expansion der Zirkulationszeit auf der andern.
Unterstellen wir jetzt dagegen gleichbleibende Größe der Umschlagsperiode, gleichbleibende Stufenleiter der Produktion, aber auf der andern Seite Preiswechsel, d.h. Fallen oder Steigen im Preis von Rohmaterialien, Hilfsstoffen und Arbeit oder der beiden ersten Elemente.“ K. Marx, Kapital 2.: 287.

1a)Wirkungen eines Preisfalls beim produktiven Kapital: „Gesetzt der Preis von Roh- und Hilfsstoffen, sowie der Arbeitslohn, falle um die Hälfte. Es wären dann in also in unserem Beispiel wöchentlich 50000 Euro statt 100000 Euro und für die neunwöchentliche Umschlagsperiode 450000 Euro statt 900000 Euro vorgeschossenes Kapital nötig. 450000 Euro des vorgeschossenen Kapitalwerts werden ausgeschieden zunächst als Geldkapital, aber der Produktionsprozess auf derselben Stufenleiter und mit derselben Umschlagsperiode und der früheren Teilung derselben werde fortgesetzt. Auch die jährliche Produktmasse bleibt dieselbe, aber ihr Wert ist um die Hälfte gefallen.“ K. Marx, Kapital 2.: 287.
“Der Fall im Wert, bzw. Preis, der Elemente des produktiven Kapitals um die Hälfte hätte zuerst die Wirkung, dass ein um die Hälfte verminderter Kapitalwert für das nach wie vor auf gleicher Stufenleiter fortgeführte Geschäft X vorgeschossen, also auch nur die Hälfte Geld von Seiten des Geschäfts X auf den Markt zu werfen wäre, da das Geschäft X diesen Kapitalwert zunächst in der Form von Geld, d.h. als Geldkapital vorschießt. Die in Zirkulation geworfene Geldmasse hätte abgenommen, weil die Preise der Produktionselemente gefallen wäre. Dies wäre die erste Wirkung.
Zweitens aber: Die Hälfte des ursprünglich vorgeschossenen Kapitalwerts von 900000 Euro = 450000 Euro ... würde ausgeschieden aus dem Kreislauf des Geschäfts X und daher als zuschüssiges Geldkapital auf den Geldmarkt treten...
Die nächste Form, sie als Kapital wirken zu lassen, ist, sie als Geldkapital auf den Geldmarkt zu werfen. Andererseits könnte auch die Stufenleiter der Produktion (abgesehen vom fixen Kapital) verdoppelt werden. Mit demselben vorgeschossenen Kapital von 900000 Euro würde dann ein Produktionsprozess von doppeltem Umfang betrieben.“ K. Marx, Kapital 2.: 288.
1b) Wirkungen eines Preisanstiegs beim produktiven Kapital: „Stiegen andrerseits die Preise der flüssigen Elemente des produktiven Kapitals um die Hälfte, so wären statt ... 900000 Euro vielmehr 1350000 Euro nötig.
450000 Euro zuschüssiges Kapital wäre nötig, um das Geschäft auf derselben Stufenleiter zu betreiben, und dies würde alles in allem, je nach dem Stand des Geldmarktes, einen größeren oder geringeren Druck auf ihn ausüben. Wäre alles auf ihm verfügbare Kapital  schon verlangt, so entstände erhöhte Konkurrenz um verfügbares Kapital (mit steigenden Zinsen). Läge ein Teil desselben brach, so würde er ... in Aktivität gerufen.“ K. Marx, Kapital 2.: 288.
2a) Wirkungen eines Preisfalls beim Warenkapital: „Aber es kann auch ..., bei gegebener Stufenleiter der Produktion, gleichbleibender Umschlagsgeschwindigkeit und gleichbleibenden Preise der Elemente des flüssigen produktiven Kapitals, der Preis der Produkte des Geschäfts X fallen oder steigen.
Fällt der Preis der vom Geschäft X gefertigten Waren, so sinkt der Preis seines Warenkapitals von 600000 Euro... z.B. auf 500000 Euro. Ein Sechstel vom Wert des vorgeschossenen Kapitals fließt also nicht aus dem Zirkulationsprozess zurück (der im Warenkapital steckende Mehrwert bleibt hier außer Frage); es geht demselben verloren. ... Es müssten also 100000 Euro zuschüssiges Geldkapital verausgabt werden, um die Produktion auf derselben Stufenleiter fortzusetzen.“ K. Marx, Kapital 2.: 288f.
2b) Wirkungen eines Preisanstiegs beim Warenkapital: „Umgekehrt: Stiege der Preis der Produkte des Geschäfts X, so der Preis des Warenkapitals von 600000 Euro auf z.B. 700000 Euro. Ein Siebtel seines Preises = 100000 Euro kommt nicht aus dem Produktionsprozess her, ist nicht in ihm vorgeschossen worden, sondern fließt aus dem Zirkulationsprozess her.
Es sind aber nur 600000 Euro nötig, um die produktiven Elemente zu ersetzen; also Freisetzung von 100000 Euro.“ K. Marx, Kapital 2.: 289.
„Steigt ... der Preis des Produkts, so wird ein Kapitalteil, der nicht vorgeschossen war, aus der Zirkulation angeeignet. ... Dieser Gewinn würde dem Kapitalisten ein Zuschusskapital liefern...“ K. Marx, Kapital 2.: 294f.
„Die Untersuchung der Ursachen, warum ... die Preise von Rohmaterial und Arbeit, oder ... die Preise der gelieferten Produkte steigen oder fallen, gehört nicht in den Kreis der bisherigen Untersuchung.“ K. Marx, Kapital 2.: 289.

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände online verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.
Jedem neuen Abschnitt geht eine Zusammenfassung des vorherigen Abschnitts voran.
Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht.
Hervorhebungen von Marx sind
normal fett gedruckt.
Die Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.
Wo es dem Verständnis dient, habe ich veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenangaben  modernisiert. Alle diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Rückfragen zum Text werde ich möglichst rasch beantworten. Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen.
Wal Buchenberg