Kapital 3.350-362

Fünfter Abschnitt
Spaltung des Profits in Zins und Unternehmergewinn. Das zinstragende Kapital
21. Kapitel
Das zinstragende Kapital
„Geld - hier genommen als selbständiger Ausdruck einer Wertsumme ... - kann auf Grundlage der kapitalistischen Produktion in Kapital verwandelt werden und wird durch diese Verwandlung aus einem gegebenen Wert zu einem sich selbst verwertenden, sich vermehrenden Wert. Es produziert Profit, d. h. es befähigt den Kapitalisten, ein bestimmtes Quantum unbezahlter Arbeit, Mehrprodukt und Mehrwert, aus den Arbeitern herauszuziehen und sich anzueignen. Damit erhält es, außer dem Gebrauchswert, den es als Geld besitzt, einen zusätzlichen Gebrauchswert, nämlich den, als Kapital zu fungieren. Sein Gebrauchswert besteht hier eben in dem Profit, den es, in Kapital verwandelt, produziert. In dieser Eigenschaft als mögliches Kapital, als Mittel zur Produktion des Profits, wird es Ware, aber eine ganz besondere Ware. Oder was auf dasselbe herauskommt, Kapital als Kapital wird zu Ware.“ K. Marx, Kapital 3. S. 350f.
a) Der gedoppelte Kreislauf des zinstragenden Kapitals:
„Gesetzt, die jährliche Durchschnittsprofitrate sei 20 %.... Ein Mann also, der 100000 Euro zur Verfügung hat, hält in seiner Hand die Macht, aus 100000 Euro 120000 zu machen oder einen Profit von 20000 Euro zu produzieren. Er hält in seiner Hand ein mögliches Kapital von 100000 Euro.
Überlässt dieser Mann für ein Jahr die 100000 Euro einem anderen, der sie wirklich als Kapital anwendet, so gibt er ihm die Macht, 20000 Euro Profit zu produzieren, einen Mehrwert, der ihm nichts kostet, wofür er kein Äquivalent zahlt.
Wenn dieser Mann dem Eigner der 100000 Euro am Jahresschluss vielleicht 5000 Euro zahlt, d.h. einen Teil des produzierten Profits, so zahlt er damit den Gebrauchswert der 100000 Euro, den Gebrauchswert ihrer Kapitalfunktion, der Funktion, 20000 Euro Profit zu produzieren.
Der Teil des Profits, den er ihm zahlt, heißt Zins, was also nichts ist als ein besonderer Name, eine besondere Rubrik für einen Teil des Profits, den das fungierende Kapital, statt in die eigene Tasche zu stecken, an den Eigner des Kapitals wegzuzahlen hat.“ K. Marx, Kapital 3. S. 351.
„Wenn A, der Eigner der 100000 Euro, sie entweder zu seiner Privatkonsumtion verausgabte oder sie als Schatz bei sich behielte, könnten sie von B, dem fungierenden Kapitalisten, nicht als Kapital verausgabt werden. Er verausgabt nicht sein Kapital, sondern das von A; aber er kann das Kapital von A nicht verausgaben ohne den Willen von A.
In der Tat ist es also A, der ursprünglich die 100000 Euro als Kapital verausgabt, obgleich sich auf diese Verausgabung der 100000 Euro als Kapital seine ganze Funktion als Kapitalist beschränkt.
Soweit diese 100000 Euro in Betracht kommen, fungiert B nur als Kapitalist, weil A ihm die 100000 Euro überlässt und sie daher als Kapital verausgabt.“ K. Marx, Kapital 3. S. 352.
„Betrachten wir zunächst die eigentümliche Zirkulation des zinstragenden Kapitals. Es ist dann in zweiter Instanz zu untersuchen die eigene Art, wie es als Ware verkauft wird, nämlich verliehen statt ein für allemal abgetreten.“ K. Marx, Kapital 3. S. 352.
„Der Ausgangspunkt ist das Geld, das A dem B vorschießt. Es kann dies mit oder ohne Unterpfand geschehen; die erstere Form ist ... die altertümlichere....“ K. Marx, Kapital 3. S. 352.
„In der Hand von B wird das Geld wirklich in Kapital verwandelt, macht die Bewegung G - W - G‘ durch und kehrt dann als G‘ zu A zurück, als G + deltaG, wo deltaG den Zins vorstellt.
Der Vereinfachung halber sehen wir hier einstweilen von dem Fall ab, wo das Kapital auf längere Zeit in der Hand von B bleibt und die Zinsen terminweise gezahlt werden.“ K. Marx, Kapital 3. S. 352.
„Die Bewegung ist also:
handelnde Personen:
 A - B -  X  - B -  A
G - G - W - G’- G’
Kapitalbewegung.
Was hier verdoppelt erscheint, ist
1. die Verausgabung des Geldes als Kapital,
2. sein Rückfluss als realisiertes Kapital, als G‘ oder G + deltaG.“ K. Marx, Kapital 3. S. 353.
 „Die erste Verausgabung, die das Kapital aus der Hand des Verleihers in die dies Anleihers überträgt, ist eine juristische Transaktion ...
Die Rückzahlung... ist eine zweite juristische Transaktion, die Ergänzung der ersten; die eine leitet den wirklichen Prozess ein, die andere ist ein nachträglicher Akt nach demselben.
Ausgangspunkt und Rückkehrpunkt, Weggabe und Rückerstattung des verliehenen Kapitals erscheinen also als willkürliche, durch juristische Transaktionen vermittelte Bewegungen, die vor und nach der wirklichen Bewegung des Kapitals vorgehen und mit ihr selbst nichts zu tun haben.“ K. Marx, Kapital 3. S. 360.
„Damit sein Rückfluss vollständig sei, hat B es daher wieder an A zu übertragen.
Außer der Kapitalsumme aber hat B einen Teil des Profits, den er mit dieser Kapitalsumme gemacht hat, unter dem Namen Zins an A abzugeben, da dieser ihm nur das Geld gegeben hat als Kapital, d.h. als Wert, der sich nicht nur erhält in der Bewegung, sondern seinem Eigner einen Mehrwert schafft. Es bleibt in der Hand von B nur, solange es fungierendes Kapital ist. Und mit seinem Rückfluss - nach der abgemachten Frist - hört es auf, als Kapital zu fungieren.“ K. Marx, Kapital 3. S. 353.
„In jedem Akt des Kaufs und Verkaufs, soweit überhaupt Austauschprozesse stattfinden, wird allerdings das Objekt weggeben. Das Eigentum der verkauften Gegenstandes tritt man immer ab, Aber man gibt nicht den Wert weg.
Beim Verkauf wird die Ware weggeben, aber nicht ihr Wert, der in der Form von Geld oder ... von Schuldschein oder Zahlungstitel zurückgegeben wird.
Beim Kauf wird das Geld weggeben, aber nicht sein Wert, der in der Form der Ware ersetzt wird.
Während des ganzen Reproduktionsprozesses hält der industrielle Kapitalist denselben Wert in seiner Hand (abgesehen vom Mehrwert), nur in verschiedenen Formen. Soweit ... Austausch von Gegenständen stattfindet, findet kein Wertwechsel statt. Derselbe Kapitalist hält immer denselben Wert in der Hand. Soweit aber Mehrwert vom Kapitalisten produziert wird, findet kein Austausch statt; sobald Austausch stattfindet, steckt der Mehrwert bereits in den Waren.“ K. Marx, Kapital 3. S. 357f.
„Nun wird aber das Geld, soweit es als Kapital verliehen wird, eben als diese sich erhaltende und vermehrende Geldsumme ausgeliehen, die nach einer gewissen Periode mit Zusatz zurückkehrt und stets von neuem denselben Prozess durchmachen kann...“ K. Marx, Kapital 3. S. 357.
„Der verleihende Kapitalist gibt sein Kapital weg, überträgt es an den industriellen Kapitalisten, ohne ein Äquivalent zu erhalten...
Dieser erste Stellenwechsel des Geldes drückt ... weder Kauf noch Verkauf aus. Das Eigentum wird nicht abgetreten, weil kein Austausch vorgeht, kein Äquivalent empfangen wird.“  K. Marx, Kapital 3. S. 359.
„Die charakteristische Bewegung des Kapitals überhaupt, die Rückkehr des Geldes zum Kapitalisten, erhält im zinstragenden Kapital eine ganz äußerliche, von der wirklichen Bewegung ... getrennte Gestalt.
A gibt sein Geld weg, nicht als Geld, sondern als Kapital. Es geht hier keine Veränderung mit dem Kapital vor. Es wechselt nur die Hände. Seine wirkliche Verwandlung vollzieht sich erst in der Hand von B. Aber für A ist es Kapital geworden durch die bloße Weggabe an B. Der wirkliche Rückfluss des Kapitals aus dem Produktions- und Zirkulationsprozess findet nur statt für B.
Aber für A findet der Rückfluss statt in der derselben Form wie die Veräußerung. Es geht von der Hand von B wieder in die von A zurück.
Weggeben, Verleihen von Geld für eine gewisse Zeit und Rückempfang desselben mit Zins (Mehrwert) ist die ganze Form der Bewegung, die dem zinstragenden Kapital als solchem zukommt.
Die wirkliche Bewegung des ausgeliehenen Geldes als Kapital ist eine Operation, die jenseits der Transaktionen zwischen Verleihern und Anleihern liegt.“ K. Marx, Kapital 3. S. 360f.
„Die Rückkehr drückt sich daher hier auch nicht aus als Konsequenz und Resultat einer bestimmten Reihe ökonomischer Vorgänge, sondern als Folge einer speziellen juristischen Abmachung zwischen Käufer und Verkäufer. Die Zeit des Rückflusses (von industriellem und von Handelskapital) hängt ab vom Verlauf des Reproduktionsprozesses;
Beim zinstragenden Kapital scheint seine Rückkehr als Kapital von der bloßen Übereinkunft zwischen Verleiher und Anleiher abzuhängen. So dass der Rückfluss des Kapitals mit Bezug auf diese Transaktion nicht mehr als durch den Produktionsprozess bestimmtes Resultat erscheint, sondern so, als ob die Form des Geldes dem ausgeliehenen Kapital nie verlorengegangen wäre (d.h. sich nie in Waren in Gestalt von Produktionsmitteln und Arbeitskraft verwandelt hätte).
Allerdings sind tatsächlich diese Transaktionen durch die wirklichen Rückflüsse bestimmt. Aber dies erscheint nicht in der Transaktion selbst. ...
Wir sehen nur Weggabe und Rückzahlung. Alles, was dazwischen vorgeht, ist ausgelöscht.“ K. Marx, Kapital 3. S. 361f.
„Aber weil das Geld, als Kapital vorgeschossen, die Eigenschaft hat, zu seinem Vorschießer, zu dem, der es als Kapital verausgabt hat, zurückzukehren, ... grade deshalb kann der Geldbesitzer es als Kapital verleihen, als etwas, das die Eigenschaft besitzt, zu seinem Ausgangspunkt zurückzukehren, sich in der Bewegung, die es durchläuft, als Wert zu erhalten und zu vermehren.
Er gibt es als Kapital weg, weil, nachdem es als Kapital verwandt wurde, es zurückfließt zu seinem Ausgangspunkt, also vom Anleiher nach einer gewissen Zeit zurückerstattet werden kann, eben weil es ihm selbst zurückfließt.
Die Verleihung von Geld als Kapital - seine Weggabe unter Bedingungen der Rückerstattung nach gewisser Zeit - hat also zur Voraussetzung, dass das Geld wirklich als Kapital verwandt wird, wirklich zurückfließt zu seinem Ausgangspunkt.
Die wirkliche Kreislaufbewegung des Geldes als Kapital ist also Voraussetzung der juristischen Transaktion...“ K. Marx, Kapital 3. S. 362.
„Beide geben dieselbe Geldsumme als Kapital aus, der Verleiher und der Borger. Aber nur in der Hand des letzteren fungiert sie als Kapital.
Der Profit wird nicht verdoppelt durch das doppelte Dasein derselben Geldsumme als Kapital für zwei Personen. Es kann für beide als Kapital nur fungieren durch Teilung des Profits.
Der dem Verleiher zufallende Teil heißt Zins.“ K. Marx, Kapital 3. S. 366.

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände online verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.
Jedem neuen Abschnitt geht eine Zusammenfassung des vorherigen Abschnitts voran.
Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht.
Hervorhebungen von Marx sind
normal fett gedruckt.
Die Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.
Wo es dem Verständnis dient, habe ich veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenangaben  modernisiert. Alle diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Rückfragen zum Text werde ich möglichst rasch beantworten. Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen.
Wal Buchenberg