Kapital 3.: 627 - 652
Sechster Abschnitt
Verwandlung von Surplusprofit in Grundrente
37. Kapitel
Einleitendes
„Die Analyse des Grundeigentums in seinen verschiedenen geschichtlichen Formen liegt jenseits der Grenzen dieses Werks. Wir beschäftigen uns nur mit ihm, soweit ein Teil des vom Kapital erzeugten Mehrwerts dem Grundeigentümer anheimfällt.
Wir unterstellen also, dass die Agrikultur ... von der kapitalistischen Produktionsweise beherrscht, d.h. dass die Landwirtschaft von Kapitalisten betrieben wird, die sich von den übrigen Kapitalisten zunächst nur durch das Element unterscheiden, worin ihr Kapital und die von diesem Kapital in Bewegung gesetzte Lohnarbeit angelegt ist. Für uns produziert der Pächter Weizen usw. wie der Fabrikant Garn oder Maschinen.
Die Unterstellung, dass die kapitalistische Produktionsweise sich der Landwirtschaft bemächtigt hat, schließt ein, dass sie alle Sphären der Produktion und der bürgerlichen Gesellschaft beherrscht, dass also auch ihre Bedingungen, wie freie Konkurrenz der Kapitale, Übertragbarkeit derselben von einer Produktionssphäre in die andere, gleiche Höhe des Durchschnittsprofits usw. in ihrer ganzen Reife vorhanden sind.“ K. Marx, Kapital 3. : 627.
„Für unsere Entwicklung ist es also ein ganz gleichgültiger Einwurf, wenn erinnert wird, dass auch andere Formen des Grundeigentums und des Ackerbaus existiert haben oder noch existieren. Es kann dies nur die Ökonomen treffen, welche die kapitalistische Form des Grundeigentums nicht als historische, sondern als ewige Kategorien behandeln.“ K. Marx, Kapital 3. : 628.
„Für uns ist die Betrachtung der modernen Form des Grundeigentums nötig, weil es überhaupt gilt, die bestimmten Produktions- und Verkehrsverhältnisse zu betrachten, die aus der Anlage des Kapitals in der Landwirtschaft entspringen. Ohne das wäre die Analyse desselben nicht vollständig. Wir beschränken uns also ausschließlich auf die Kapitalanlage im eigentlichen Ackerbau, d.h. in der Produktion des Hauptpflanzenstoffs, wovon eine Bevölkerung lebt. Wir können sagen Weizen, weil dieser das Hauptnahrungsmittel der modernen, kapitalistisch entwickelten Völker ist. (Oder, statt Ackerbau, Bergwerke, weil die Gesetze dieselben.)“ K. Marx, Kapital 3. : 628.
„Von dem Grundeigentum, soweit es nicht sich auf den zur Weizenproduktion bestimmten Boden bezieht, werden wir daher nicht ausdrücklich sprechen, sondern hie und da nur der Illustration halber darauf zurückkommen.“ K. Marx, Kapital 3. : 628.
„Der Vollständigkeit wegen ist zu bemerken, dass hier unter Grund und Boden auch Wasser etc. verstanden wird, soweit es einen Eigentümer hat, als Zubehör von Grund und Boden sich darstellt.“ K. Marx, Kapital 3. : 628.
„Das Grundeigentum setzt das Monopol gewisser Personen voraus, über bestimmte Proportionen des Erdkörpers als ausschließliche Sphären ihres Privatwillens mit Ausschluss aller anderen zu verfügen.
Dies vorausgesetzt, handelt es sich darum, den ökonomischen Wert, d.h. die Verwertung dieses Monopols auf Basis der kapitalistischen Produktion zu entwickeln.“ K. Marx, Kapital 3. : 628f.
„Im Abschnitt über die ursprüngliche Akkumulation (Buch I, Kapitel 24) hat man gesehen, wie diese Produktionsweise voraussetzt einerseits die Loslösung der unmittelbaren Produzenten aus der Stellung eines bloßen Zubehörs des Bodens (in der Form von Hörigen, Leibeigenen, Sklaven etc.) andererseits die Enteignung der Masse des Volks vom Grund und Boden.
Insofern ist das Monopol des Grundeigentums eine historische Voraussetzung und bleibt fortwährende Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise....“ K. Marx, Kapital 3. : 630.
„Die Form aber, worin die beginnende kapitalistische Produktionsweise das Grundeigentum vorfindet, entspricht ihr nicht. Die ihr entsprechende Form wird erst von ihr selbst geschaffen durch die Unterordnung der Agrikultur unter das Kapital; ... Es ist eines der großen Resultate der kapitalistischen Produktionsweise, dass sie einerseits die Agrikultur aus einem bloß empirischen und mechanisch sich forterbenden Verfahren des unentwickeltsten Teils der Gesellschaft in bewusste und wissenschaftliche Anwendung der Agronomie verwandelt, soweit dies überhaupt innerhalb der mit dem Privateigentum gegebenen Verhältnisse möglich ist; dass sie das Grundeigentum einerseits von Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnissen völlig loslöst, andererseits den Grund und Boden als Arbeitsbedingung gänzlich vom Grundeigentum und Grundeigentümer trennt, für den er weiter nichts vorstellt, als eine bestimmte Geldsteuer, die er vermittelst seines Monopols vom industriellen Kapitalisten, dem Pächter, erhebt: Dass sie so sehr den Zusammenhang loslöst, dass der Grundeigentümer sein ganzes Leben in Konstantinopel zubringen kann, während sein Grundeigentum in Schottland liegt.
Das Grundeigentum erhält so seine rein ökonomische Form, durch Abstreifung aller seiner früheren politischen und sozialen Verbrämungen und Verquickungen...
Die Rationalisierung der Agrikultur einerseits, die diese erst befähigt, gesellschaftlich betrieben zu werden, die Rückführung des Grundeigentums ins Absurde andererseits, dies sind die großen Verdienste der kapitalistischen Produktionsweise. Wie alle ihre anderen historischen Fortschritte, erkaufte sie auch diesen zunächst durch die völlige Verelendung der unmittelbaren Produzenten.“ K. Marx, Kapital 3. : 630f.
„Bevor wir zum Gegenstand selbst übergehen, sind noch einige Vorbemerkungen zur Abwehr von Missverständnissen nötig.
Die Voraussetzung bei der kapitalistischen Produktionsweise ist also diese: die wirklichen Ackerbauer sind Lohnarbeiter, beschäftigt von einem Kapitalisten, dem Pächter, der die Landwirtschaft nur als ... Anlage seines Kapitals in einer besonderen Produktionssphäre betreibt. Dieser Pächterkapitalist zahlt dem Grundeigentümer ... des von ihm ausgebeuteten Bodens, in bestimmten Terminen... eine kontraktlich festgelegte Geldsumme... für die Erlaubnis, sein Kapital in diesem besonderen Produktionsfeld anzuwenden. Diese Geldsumme heißt Grundrente, einerlei ob sie von Ackerboden, Baugrundstücken, Bergwerken, Fischerei, Waldungen usw. gezahlt wird. Sie wird gezahlt für die ganze Zeit, während deren kontraktlich der Grundeigentümer den Boden an den Pächter verliehen, vermietet hat.“ K. Marx, Kapital 3.: 631.
“Die Grundrente ist also hier die Form, worin sich das Grundeigentum ökonomisch ... verwertet.
Wir haben ferner hier alle drei Klassen, welche den Rahmen der modernen Gesellschaft konstituieren, zusammen und einander gegenüber - Lohnarbeiter, industrieller Kapitalist, Grundeigentümer.“ K. Marx, Kapital 3. : 632.
„Kapital kann in der Erde fixiert, ihr einverleibt werden, teils mehr vorübergehend, wie bei Verbesserungen chemischer Natur, Düngung usw., teils mehr permanent, wie bei Abzugkanälen, Bewässerungsanlagen, Nivellierungen, Wirtschaftsgebäuden etc.
Ich habe anderswo das der Erde so einverleibte Kapital Boden- oder Erdkapital genannt. Es fällt unter die Kategorien des fixen Kapitals.“ K. Marx, Kapital 3. : 632.
„Die mehr temporären Kapitalanlagen, die die gewöhnlichen Produktionsprozesse in der Agrikultur mit sich führen, werden alle ohne Ausnahme vom Pächter gemacht. Diese Anlagen ... verbessern den Boden, steigern sein Produkt und verwandeln die Erde aus bloßer Materie in Erde-Kapital.
Ein bebautes Feld ist mehr wert als ein unbebautes von derselben natürlichen Qualität. Auch die mehr permanenten, sich in längerer Zeit abnutzenden ... fixen Kapitale werden zum großen Teil... vom Pächter gemacht.
Sobald aber die kontraktlich festgesetzte Pachtzeit abgelaufen ist ... fallen die dem Boden einverleibten Verbesserungen als untrennbares Zubehör... des Bodens als Eigentum dem Besitzer des Bodens anheim.
Bei dem neuen Pachtkontrakt, den er schließt, fügt der Grundeigentümer den Zins für das der Erde einverleibte Kapital der eigentlichen Grundrente hinzu; ob er den Boden nun an den Pächter vermietet, der die Verbesserungen gemacht hat, oder an einen anderen Pächter. Seine Rente schwillt so auf; oder, wenn er den Boden verkaufen will ..., ist jetzt sein Wert gesteigert. ...
Es ist dies eins der Geheimnisse ... der steigenden Bereicherung der Grundeigentümer, des fortwährenden Anschwellens ihrer Renten und des wachsenden Geldwerts ihrer Ländereien mit dem Fortschritt der ökonomischen Entwicklung.“ K. Marx, Kapital 3. : 632f.
„Es ist dies aber zugleich eins der größten Hindernisse einer rationellen Agrikultur, indem der Pächter alle Verbesserungen und Auslagen vermeidet, deren vollständiger Rückfluss während der Dauer seiner Pachtzeit nicht zu erwarten steht;“ K. Marx, Kapital 3. : 633.
Entstehung und Bewegungen des Bodenpreises: „Die Grundrente kann ... mit dem Zins verwechselt und so ihr spezifischer Charakter verkannt werden. Die Grundrente stellt sich dar in einer bestimmten Geldsumme, die der Grundeigentümer jährlich aus der Verpachtung eines Stücks des Erdballs bezieht.
Wir haben gesehen, wie jede bestimmte Geldeinnahme kapitalisiert werden, d.h. als der Zins eines imaginären Kapitals betrachtet werden kann. Ist z.B. der mittlere Zinsfuß 5 %, so kann also auch eine jährliche Grundrente von 100000 Euro als Zins eines Kapitals von 2 Millionen Euro betrachtet werden.
Es ist die so kapitalisierte Grundrente, die den Kaufpreis oder Wert des Bodens bildet, eine Kategorie, die auf den ersten Blick... irrational ist, da die Erde nicht das Produkt der Arbeit ist, also auch keinen Wert hat.
Andererseits aber verbirgt sich hinter dieser irrationalen Form ein wirkliches Produktionsverhältnis...
Es ist in der Tat der Kaufpreis nicht des Bodens, sondern der Grundrente, die er abwirft, berechnet nach dem gewöhnlichen Zinsfuß.“ K. Marx, Kapital 3. : 636
„Der Bodenpreis ist nichts als die kapitalisierte und daher vorausberechnete Rente.“ K. Marx, Kapital 3. : 816.
„In der Tat ist das für den Ankauf des Bodens, ganz wie das im Ankauf von Staatspapieren verausgabte Geld nur an sich Kapital, wie jede Wertsumme auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise an sich Kapital, potentielles Kapital ist. Was für den Boden gezahlt worden ist, wie für die Staatsfonds, wie für andere gekaufte Waren, ist eine Geldsumme. Diese ist an sich Kapital, weil sie in Kapital verwandelt werden kann. Es hängt ab von dem Gebrauch, den der Verkäufer davon macht, ob das von ihm erhaltene Geld sich wirklich in Kapital verwandelt oder nicht. Für den Käufer kann es nie mehr als solches fungieren, sowenig wie jedes andere Geld, dass er definitiv verausgabt hat. In seiner Berechnung figuriert es für ihn als zinstragendes Kapital, weil er die Einnahme, die er als Rente vom Boden oder als Schuldzins vom Staat erhält, als Zins des Geldes berechnet, das ihm der Ankauf des Titels auf diese Revenue gekostet hat. Als Kapital kann er es nur realisieren durch den Wiederverkauf.“ K. Marx, Kapital 3. : 817f.
„Es folgt daher, dass, die Grundrente als konstante Größe vorausgesetzt, der Bodenpreis steigen oder fallen kann, umgekehrt wie der Zinsfuß steigt oder fällt.
Fiele der gewöhnliche Zinsfuß von 5 auf 4 %, so stellte eine jährliche Grundrente von 100000 Euro die jährliche Verwertung eines Kapitals von 2,5 Millionen statt von 2 Millionen Euro vor, und so wäre der Preis desselben Grundstücks von 2 Millionen Euro auf 2,5 Millionen gestiegen... Umgekehrt im umgekehrten Fall. Es ist dies eine von der Bewegung der Grundrente selbst unabhängige und nur durch den Zinsfuß geregelte Bewegung des Bodenpreises.“ K. Marx, Kapital 3. : 636.
„Da wir aber gesehen haben, dass die Profitrate im Fortschritt der gesellschaftlichen Entwicklung eine Tendenz zum Fallen hat und daher auch der Zinsfuß, soweit er durch die Profitrate geregelt wird; dass ferner, auch abgesehen von der Profitrate, der Zinsfuß eine Tendenz zum Fallen hat, infolge des Wachstums des verleihbaren Geldkapitals, so folgt, dass der Bodenpreis eine Tendenz zum Steigen hat, auch unabhängig von der Bewegung der Grundrente und des Preises der Bodenprodukte, wovon die Rente einen Teil bildet.“ K. Marx, Kapital 3. : 637.
„Da das Grundeigentum in allen alten Ländern für eine besonders vornehme Form des Eigentums gilt und der Ankauf desselben außerdem als besonders sichere Kapitalanlage, so steht der Zinsfuß, zu dem die Grundrente gekauft wird, meist niedriger als bei anderen auf längere Zeit sich erstreckenden Kapitalanlagen, so dass z.B. der Käufer von Grund und Boden nur 4 % auf den Kaufpreis erhält, während er für dasselbe Kapital sonst 5 % erhalten würde, oder, was auf dasselbe hinauskommt, er zahlt mehr Kapital für die Grundrente, als er für dieselbe jährliche Geldeinnahme in anderen Anlagen zahlen würde.“ K. Marx, Kapital 3. : 637.
(Im Folgenden werden falsche Vorstellungen über die Grundrente widerlegt: Verwechslung der Rente mit Zins, Verwechslung von Rente mit Mehrprodukt überhaupt, Verwechslung der Rente mit einer ihrer historisch auftretenden Formen, Verwechslung der Rente mit der Gratisgabe der wachsenden Produktivkraft der Gesellschaft)

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände online verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.
Jedem neuen Abschnitt geht eine Zusammenfassung des vorherigen Abschnitts voran.
Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht.
Hervorhebungen von Marx sind
normal fett gedruckt.
Die Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.
Wo es dem Verständnis dient, habe ich veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenangaben  modernisiert. Alle diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Rückfragen zum Text werde ich möglichst rasch beantworten. Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen.
Wal Buchenberg