Hundefleisch und Hammelkopf
Zum 16.
Parteitag der chinesischen KP
(Alle
Zitate aus: China Daily, Freitag, 8.11.2002)
“By the
year 2020, China will become a "well-off society" in an all-around way
when the country's GDP is quadrupled from that of 2000, and its overall
national strength and international competitiveness will increase
markedly, General Secretary of the Communist Party of China Jiang Zemin
told the Party's 16th Congress in Beijing Friday.”
Dass China durch eine weitere
Vervierfachung des Bruttosozialprodukts bis 2020 eine
“Wohlstandsgesellschaft” werden soll, ist ein Ziel, das man nicht gering
schätzen soll. Was hier angestrebt wird, ist eine “nachholende
Entwicklung”. Das Land soll modernisiert werden, bis es mehr oder minder
gleichauf ist mit entwickelten kapitalistischen Ländern – für ein ehemals
armes Land wie China keine kleine Aufgabe. Individuelle, rückständige
Produktionsweisen aufzulösen und die gesellschaftlichen Produktivkräfte zu
entwickeln wäre eigentlich Aufgabe des Kapitalismus und einer Bourgeoisie.
Dass hier Leute, die sich Kommunisten nennen, diese Aufgabe übernehmen,
hat viel damit zu tun, dass der globale Kapitalismus in vielen Regionen
der Welt seine historischen Aufgaben nicht erfüllt. Die
Aufgabenstellung in China ist und war nicht anders als in der Sowjetunion.
Der Fehler der Sowjetmarxisten war ja keineswegs, dass sie versuchten, das
Land wirtschaftlich zu entwickeln. Ihr Fehler war vielmehr, dass sie das
als “Sozialismus” und “Aufbau einer klassenlosen Gesellschaft” ausgaben
und ihr “Modell” anderen Völkern mit Gewalt aufzwangen. Die chinesische KP
ist sowohl bescheidener wie ehrlicher.
“In his report, Jiang
also urged the whole party to implement the "three represents" theory, and
made clear that the Party's door is open to the private entrepreneurs. He
said that it is essential to bring all positive factors into full play and
bring new forces to the "great cause of rejuvenating the Chinese
nation".”
Viel zu lange hat die chinesische
KP den Anspruch erhoben, sie sei die Vertreterin der chinesischen
Arbeiterklasse im Bündnis mit den Bauern. Dieser Anspruch war
hohl. Wenn sie jetzt behauptet, sie sei die Vertreterin des ganzen
chinesischen Volkes unter Einschluss der Kapitalistenklasse, macht es
nichts besser. Jemandes Vertreter ist nur der, der mit einem
widerrufbaren Auftrag ausgestattet ist. Kann jemand zu Recht behaupten, er
sei mein Interessenvertreter oder Treuhänder, ohne mich nach meiner
Meinung zu fragen? Kann jemand zu Recht behaupten, er kenne, ohne mich zu
fragen, meine Interessen und Wünsche? Kann jemand zu Recht behaupten, er
verwirkliche meine Interessen und Wünsche, ob es mir nun passt oder nicht?
(An unsere „Volksvertreter“ sind freilich die gleichen Fragen zu
richten.) Die chinesische Arbeiterklasse und das chinesische Volk
werden von der KP unmündig gehalten. Dagegen gab es schon einmal
berechtigten politischen Protest, und dieser Protest wird wieder stärker
werden, sobald die Expansionskraft der chinesischen Wirtschaft nachlässt.
Wer auf dem Tiger reitet, hat es schwer, abzusteigen, sagt ein
chinesisches Sprichwort. Noch reitet die KP das chinesische
Volk.
“Jiang, who is also
China's president, said: ``All legitimate income, from work or not, should
be protected. It is improper to judge whether people are politically
progressive or backward simply by whether they own property or how much
property they own. But rather, we should judge them mainly by their
political awareness, state of mind and performance, by how they have
acquired and used their property."”
Eigentum soll geschützt werden, ob
es aus eigener Arbeit stammt oder aus der Ausbeutung fremder
Arbeit. Nachdem das Monopol des Staatseigentums in China wie in der
Sowjetunion wirtschaftlich gescheitert war, hatten die Chinesen seit 1978
ein erfolgreicheres gemischt privat-staatliches Eigentumssystem
eingeführt. Seit 1978 war das Eigentum ausländischer Kapitalisten in
chinesischen Joint-Ventures geschützt worden. Schon lange drängen
chinesische Kapitalisten auf Gleichberechtigung mit der ausländischen
Konkurrenz. Weiß einer einen guten Grund, ihnen diese Gleichbehandlung
zu verweigern? Ich nicht.
Kurz: Nur wer sich Illusionen gemacht hat
über den “Sozialismus mit chinesischer Prägung” hat Grund, enttäuscht zu
sein oder hämisch auf die Aufwertung der chinesischen Kapitalisten zu
reagieren. Auch ich hatte solche Illusionen, bis ich die Gelegenheit
bekam, in China zu arbeiten. Das hat mir die Illusionen über den
chinesischen Kommunismus schnell ausgetrieben. Meinen Respekt vor China
und dem chinesischen Volk habe ich dadurch keineswegs verloren – im
Gegenteil! Bisher hing, wie ein chinesisches Sprichwort sagt, ein
Hammelkopf vor dem Laden, in dem Hundefleisch verkauft wurde. Jetzt hängt
ein Hundekopf vor dem China-Laden. Kein Grund mit Steinen nach dem
Ladenbesitzer zu werfen!
Wal Buchenberg, 8.11.2002
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