Peter Willmitzer

Antifaschistischer Aufstand der Arbeiter Österreichs
12. Februar 1934

Die österreichischen Arbeiter haben 1934 den Weg verlassen, der ihnen mittels der 51 Prozent, also über den Stimmzettel, den Sozialismus versprach. Sie haben den Weg des bewaffneten Aufstands beschritten. Der Aufstand war ein Abwehrkampf gegen den Faschismus und gleichzeitig eine der größten Klassenauseinandersetzungen nach dem Ersten Weltkrieg. Der 12. Feburar 1934 ist in der österreichischen Geschichte ein ähnlich sensibles Datum wie der 30. Januar 1933, als der deutsche Faschismus an die Macht kam.

Das Linzer Programm

Zur Annäherung an die österreichische Sozialdemokratie kann das Linzer Programm von 1926 dienen – ein klassisches Dokument des sogenannten Austromarxismus. Darin heißt es: »Wenn sich aber die Bourgeoisie gegen die gesellschaftliche Umwälzung, die die Aufgabe der Staatsmacht der Arbeiterklasse sein wird, durch planmäßige Unterbindung des Wirtschaftslebens, durch gewaltsame Auflehnung, durch Verschwörung mit ausländischen gegenrevolutionären Mächten widersetzen sollte, dann wäre die Arbeiterklasse gezwungen, den Widerstand der Bourgeoisie mit den Mitteln der Diktatur zu brechen.« Doch letzlich fühlte sich die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs der bürgerlichen Demokratie verpflichtet: »Sie erobert durch die Entscheidung des Allgemeinen Wahlrechts die Staatsmacht«.[i]

Die SDAPÖ, im folgenden SP genannt, war durch die Revolution von 1918 emporgehoben worden. Sie besaß bis 1920 die Regierungsmehrheit. Otto Bauer, ihr hervorragender Theoretiker, war Außenminister. Wenn die Genossen die »Internationale« sangen, taten sie es aus voller Brust: Wir sind die stärkste der Parteien! Denn für die II. Internationale stimmte das. Die Partei zählte 669 000 Mitglieder, ihre Massenorganisationen – vom Arbeitersportklub über die Naturfreunde bis zu den Freidenkern – erreichten 90 Prozent der Klasse. Die Freien Gewerkschaften zählten 770 000 Mitglieder. Die Frage der Einheit wurde in den Debatten mit den Kommunisten damit beantwortet, daß diese ja in »der Partei« verwirklicht sei. Im Lande wählten 41 Prozent rot. Im sprichwörtlichen »Roten Wien« verfügte die sozialdemokratische Gemeinderegierung über eine solide Zweidrittelmehrheit. Die rote Metropole Wien sollte Musterbeispiel sein für den demokratischen Weg zum Sozialismus. In der Partei hieß es: Sowjetunion ja! – aber ohne Bolschewismus, Opfer und Bürgerkrieg.

Die Reaktion war seit 1923 auf dem Vormarsch, die Sozialdemokratie im Land abgemeldet. Sie baute an ihrem »Roten Wien«, einem Stück vermeintlichen Sozialismus, mitten im schwarzen Österreich. Die Eroberung der Macht mit dem Stimmzettel, wie es das Linzer Programm vorsah - hier klappte sie scheinbar.

Das Wohnungsbauprogramm begeisterte die Arbeiter, die in den »Zinskasernen« eingepfercht waren. Bis 1933 entstanden 64 000 Wohnungen für ein Achtel der Wiener Bevölkerung. Die Finanzierung des Programms klang ganz einfach: Die Reichen sollen zahlen! Mit einem Gemeinderatsbeschluß von 1923 wurde die Erhebung progressiver Steuern eingeführt. Getroffen wurden aber die Hauseigentümer, das Kleinbürgertum – das Wort vom »Wohnungsbolschewismus« machte die Runde. Währenddessen zahlte die Großbourgeoisie aus dem Westentaschl’ und das Monopolkapital blieb unbehelligt. Wie diese im Prinzip richtige, aber nicht konsequente Politik dazu beitrug, das Kleinbürgertum an die Seite der Bourgeoisie zu treiben, sollte sich zeigen.

Die Gesundheitsreform räumte mit der hohen Säuglingssterblichkeit ebenso auf wie mit der »Wiener Krankheit« TBC. Mit der Reformschule wurden moderne Lernmethoden eingeführt. Das Straßenbahnnetz war 1924 das größte weltweit. Und die zu 100 Prozent organisierten Straßenbahner standen immer an der Spitze der Klassenkämpfe. Jedoch: Das Rote Wien war sozial – aber nicht sozialistisch. Was sagten also die sozialdemokratischen Arbeiter zu ihren kommunistischen Klassengenossen: »Wir haben die Diktatur des Proletariats im Programm, und wir haben das Rote Wien und den großen bewaffneten Schutzbund! Und was habt’s ihr Kummerln?«

Der Schutzbund

»Kummerln«, das sind die österreichischen Kommunisten, die es mit einer geschickten, wortradikalen, scheinbar übermächtigen Sozialdemokratie zu tun hatten. Sehr verschiedenartige Gruppen hatten sich im Oktober 1918 zur KPÖ zusammengeschlossen. Sie verfügten kaum über marxistische Schulung und Erfahrung. Anders als in Deutschland war der Gründung kein scharfer Kampf innerhalb der Sozialdemokratie vorausgegangen. Während des Krieges gab es keine organisierte Opposition in der Partei. Allein eine kleine Gruppe um Friedrich Adler – dem Sohn des Parteigründers Viktor Adler – muckte gegen den Hurrapatriotismus ihrer Führer auf. Adler erschoß 1916 den Ministerpräsidenten und Kriegstreiber Stürgkh. Als er 1918 aus dem Gefängnis kam, schauten die revolutionären Arbeiter erwartungsvoll auf ihn. Doch er wagte nicht die Spaltung von der SP und machte seinen Frieden mit dem Parteivorstand.

Die Kommunisten waren selbstverständlich auch im Republikanischen Schutzbund organisiert. Diese »Wehr der Republik« war hervorgegangen aus den Arbeiterräten der Revolution 1918. Der Schutzbund, 1923 als Ordnerorganisation der SP gegründet, hatte die versteckten Weltkriegswaffen der Arbeiter übernommen. In seinen Reihen fanden sich die besonders linientreuen Mitglieder, aber auch die kämpferischsten Arbeiter – die Meinungen prallten aufeinander. 1926 wurde das Parteibuch Pflicht und die Kommunisten flogen raus.

Der Schutzbund hatte eine zentrale, dreigeteilte Führung. Militärischer Leiter war der Weltkriegsgeneral Theodor Körner[ii]. Er kritisierte die konservative militärische Organisationsform und plädierte für kleine, wendige Gruppen, die eng mit der Arbeiterbevölkerung verbunden sein sollten. Körner konnte sich aber nicht durchsetzen und verließ 1930 die Führung. Stabschef war Alexander Eifler. Er wie auch der politische Leiter und Oberbefehlshaber Julius Deutsch sahen im Schutzbund die »Armee der Partei« und lehnten zivile Kämpfe ab. Die Einheiten waren zu ihren Hochzeiten 100 000 Mann stark, alleine in der Hauptstadt 17 000 Mann. Alarmkompanien standen immer in Bereitschaft. Die Waffen waren eingemauert, ein Teil lagerte, bewacht durch Arbeiter, im Wiener Arsenal, welches bald Schauplatz einer Provokation werden sollte.

Im Januar 1927 findet im burgenländischen Schattendorf ein Schutzbund-Aufmarsch statt. Angehörige der ortsansässigen Heimwehr, die sich »Frontkämpfer« nennen, schießen aus dem Hinterhalt auf die Versammelten, ein Invalide und ein Kind werden tötlich verwundet. Empört fordern die Arbeiter die Verurteilung der Mörder, in Wien streiken die Fiat- und die Siemensarbeiter. Im März versuchen Einheiten des Bundesheeres, sich Zugang zum Waffenlager des Schutzbundes zu verschaffen. Schutzbündler und Bundesheer stehen sich tagelang gegenüber. Unter Androhung von Streiks können die Waffen vorerst verteidigt werden. Im Mai kommen SP-Führung und christlich-soziale Regierung überein, die Waffen zu übergeben. Die Arbeiter rufen in den Versammlungen: »Mit diesen Gewehren werden sie auf uns schießen!«

Die Feuertaufe

Die erste Bewährungsprobe für das Linzer Programm kommt mit dem 15. Juli 1927. Tags zuvor war der Freispruch für die Schattendorfer Mörder bekanntgeworden. Die Arbeiter im größten Industriebezirk Wiens, in Floridsdorf, beschließen einen Proteststreik, ohne den SP-Vorstand darüber zu informieren. Am Morgen des 15. Juli stehen die Straßenbahnen still. Aus allen Bezirken marschieren wütende Arbeiter zum Ring, der Prachtstraße aus der Kaiserzeit. Vor dem Parlament greift berittene Polizei die Demonstranten an. Unter einem Steinehagel zieht sie sich in den nahegelegenen Justizpalast zurück, woraufhin dieser gestürmt und in Brand gesteckt wird. Nun ergeht der Befehl für das Eingreifen des Schutzbunds. Doch nicht auf Seiten der Arbeiter, sondern zum Schutz der heranrückenden Feuerwehr und des Justizpalastes.

Einige SP-Führer begeben sich zum christsozialen Bundeskanzler Ignaz Seipel, um zu vermitteln. Dieser schert sich aber nicht um die Unterhändler und erteilt den Schußbefehl. Polizisten mit langen Karabinern überfallen die unbewaffneten Arbeiter. Diese holen sich aus den umliegenden Geschäften Stuhlbeine und Latten. Verzweifelt rennen sie zur nahen SP-Zentrale: Gebt uns Waffen! Vergebens. Stunden dauert die Jagd in Wiens Prachtviertel. Am Abend des nächsten Tages werden 1 100 Verletzte gezählt. Es bleiben 90 tote Arbeiter auf dem Pflaster.[iii] Auf das Blutbad folgt ein halbherziger Aufruf der SP-Führung zu einem 24stündigen Generalstreik. Die KPÖ fordert die Bewaffnung des Schutzbunds, was die SP zurückweist – sie wolle keinen Bürgerkrieg. Doch der sollte den Arbeitern nicht erspart bleiben.

Die Heimwehren

Das Bürgertum triumphierte. Nun wurden die Staatsorgane von den letzten Sozialdemokraten gesäubert. Das Ansehen der mächtigen Partei der Arbeiterklasse war beim Kleinbürgertum untergraben, es wendete sich der Reaktion zu. Wie sahen die Vorbereitungen für die faschistische Diktatur aus? Nach dem 15. Juli herrschte ein mehr oder weniger offener Bürgerkrieg. Provokationen der Heimwehren wechselten sich mit Verfassungsänderungen ab. So verlor Wien 1929 den Status des Bundeslands und damit die Steuerhoheit. Das Wohnbauprogramm wurde eingeschränkt – das Rote Wien ging in die Knie. Die »Hahnenschwanzler« – so spottete der Volksmund über die Heimwehrler wegen ihrer gefiederten Hüte – fühlten sich im Oktober 1928 stark genug, in der »roten Vorstadt Wiens«, der industriellen Wiener Neustadt mit 13 000 Mann aufzumarschieren. Bundesheer schützte sie vor den Arbeitern. In den folgenden Wochen häuften sich die Überfälle auf Arbeiterheime. Die KPÖ rief zur Bildung antifaschistischer Komitees auf.

Die Heimwehren wurden zur Bürgerkriegsarmee gerüstet. Entstanden waren sie 1920 aus einer Zusammenfassung der Heimatschutzverbände, die so martialische Namen wie »Ostara«, »Frontkämpfer« oder »Ostmärkische Sturmscharen« trugen. Die Führung bestand aus Resten der feudalen, schwarz-gelben k.u.k.-Aristokratie. Ein enger Kontakt mit den Freikorps in Bayern und dem reaktionären Horthy-Regime in Ungarn wurde gepflegt. Waffen kamen auch aus dem faschistischen Italien Mussolinis. Die Heimwehren rekrutierten vor allem aus den kleinbürgerlichen Schichten: Kleinhändler, Kleinbauern und ruinierte Handwerker.

Nach der Wende von 1927 wurden in den Betrieben der Alpine Montan (AP) »Säuberungen« durchgeführt. Die AP beherrschte die österreichische Schwerindustrie, hinter ihr steckte das deutsche Kapital, vor allem der Stahlverband von Flick. Sozialdemokratische und kommunistische Arbeiter flogen raus, an ihrer Stelle wurden Heimwehrler eingestellt – Bauernburschen aus den Dörfern. Die Direktoren gründeten eine »Unabhängige Gewerkschaft«. Am 10. Mai 1928 antworteten die Arbeiter mit Streiks und Protestkundgebungen in betroffenen Betrieben. Am 25. Mai schlossen die Führer des Metallarbeiter- und des Berg-arbeiterverbands im kärntnerischen Hüttenberg einen Pakt: Er erkannte die Gleichberechtigung der Unternehmergewerkschaften an und das Recht, Heimwehrangehörige einzustellen. Eigene Tarife konnten vereinbart werden. Die Arbeiter streikten ohne Genehmigung des SP-Vorstandes zwei Wochen lang gegen den schändlichen Vertrag. Dann mußten sie aufgeben.

Der Korneuburger Eid

Der Hüttenberger Pakt war ein neuer Markstein auf dem verhängnisvollen Weg der SP. Ihr Zurückweichen ermunterte die – mittlerweile bewaffneten – Kräfte der äußersten Reaktion. Im niederösterreichischen Korneuburg nahe Wien versammelten sich am 18. Mai 1930 die Heimwehren aus dem ganzen Bundesgebiet. Prominente bürgerliche Politiker bildeten einen würdigen Rahmen. Sie waren gekommen, um sich zum Faschismus zu bekennen: »Wir wollen nach der Macht im Staate greifen ..., da wir der Gemeinschaft des deutschen Volkes dienen wollen. Wir verwerfen den westlichen demokratischen Parlamentarismus und den Parteienstaat. Wir wollen an seine Stelle die Selbstverwaltung der Stände setzen. ... Selbstverwaltung der Wirtschaft ... Staat ist Verkörperung des Volksganzen ...«[iv] Bezeichnend sind die ständischen Versatzstücke aus dem Mussolini-Faschismus und die deutschnationale Anlehnung an den Hitlerfaschismus, die die verschiedenen Strömungen in der Heimwehrführung zeigen.

Unter den Verschwörern standen die kommenden Männer: Starhemberg, der die Führung der Heimwehren anstrebt, Fey, der Chef der Wiener Heimwehren, und ein CS-Bauernfunktionär namens Dollfuß. Die Versammlung war der Auftakt zu den folgenden »blutigen Sonntagen« in Arbeitervierteln im ganzen Land. In eine neue CS-Regierung zog nun die Heimwehr ein, Starhemberg wurde Innenminister.[v]

Auch die Faschisten befanden sich im Umbruch. Nach Streitigkeiten in der Führung setzte sich im Oktober 1930 endlich Starhemberg durch, ein monarchistischer Großgrundbesitzer und Teilnehmer am Hitlerputsch 1923. Der »Bundesführer« wird damit der Empfangsberechtigte für die Zuwendungen aus dem Industriellenverband. Auch aus dem faschistischen Italien fließt zunehmend Geld. Mussolini sah wohlwollend die eigenständige Entwicklung des österreichischen Faschismus gegenüber Deutschland.

Der Staatsstreich

Engelbert Dollfuß – ein ehrgeiziger Bauernfunktionär aus dem tiefschwarzen Niederösterreich – bildet im Mai 1932 mit einer Stimme Mehrheit seine erste Regierung. Seine Koalition mit Heimwehren und Landbund stellt nunmehr die 18. christlichsozial geführte Regierung seit 1920. Der österreichische Staat ist pleite. Wegen verzögerter Gehaltszahlung und verärgert, weil Maßnahmen zunehmend ohne Personalvertretung getroffen werden, treten die Eisenbahner am 1. März 1933 in einen allgemeinen Streik. Dollfuß fühlt sich herausgefordert. Er will zeigen, daß er mit der Elite der österreichischen Arbeiterklasse fertig wird. Die widerstandslose Hinnahme Hitlers durch die deutschen Arbeiter ermutigt ihn. Und schließlich: Der Brand des Berliner Reichstags am Vortag ist auch für die österreichischen Faschisten ein Signal. Dollfuß ergreift schärfste Maßnahmen gegen den Streik. Er läßt Bahnhöfe durch Militär besetzen; Gewerkschaftsführer werden verhaftet; mit einem »Straferlaß« werden die Streikführer gemaßregelt.

Zum Eklat kommt es am 4. März bei der Parlamentsdebatte. Dollfuß’ Maßnahmen gehen selbst manchem CS-Abgeordneten zu weit. Verfahrensfragen führen zu Tumulten, die drei Nationalratspräsidenten treten zurück, das Parlament löst sich auf. Eine bessere Situation kann sich Dollfuß nicht wünschen. Nun wartet er noch die Terrorwahlen des 5. März im Deutschen Reich ab. Am 7. März tritt er mitsamt Kabinett zurück und ernennt sich zum Führer einer Notstandsregierung. Er beruft sich dabei auf das »Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz« von 1917, mit dem er auch seine Notverordnungen begründet. Sofort werden alle Versammlungen verboten.

Die Arbeiter fordern den Generalstreik. Was tut die SP-Führung? Sie verhandelt mit Dollfuß. Otto Bauer, der »Linke« in der Führung, beschwichtigt die Arbeiter; man könne der Volkswirtschaft des Landes keine Wunden schlagen. Es folgt die Farce des 15. März: Die Nationalratspräsidenten Karl Renner (SP) und Sepp Straffner (deutschnational) berufen auf Druck der SP-Führung das Parlament ein – auch um die Arbeiter zu beruhigen. Der Schutzbund ist mobilisiert, um einzugreifen, wenn der Nationalrat behindert wird. Arbeiter warten in den Betrieben und Versammlungslokalen gespannt, als um 15 Uhr der Nationalrat zusammentreten soll. Die Abgeordneten müssen vorbei an Polizeikräften, die das Parlamentsgebäude schon umstellt haben, und werden gründlich durchsucht. Die Abgeordneten von CS und Heimwehr bleiben der Sitzung fern. Nach einer Rede von fünf Minuten vertagt der deutschnationale Nationalratspräsident die Sitzung, die Polizei räumt das Parlament. Diese Farce genügte der SP-Führung, um zu verkünden: »Das Parlament hat getagt, die Demokratie ist gerettet!«

Eine so große Mobilisierung wie am 15. März 1933 gelang nie mehr. Die Schutzbündler saßen schon auf ihren Motorrädern und warteten auf ein Signal. Aber es kam nicht. Es war eine neuerliches, demütigendes »Gewehr bei Fuß«-Stehen, wie es den Arbeitern Dutzende Male von ihren Führern befohlen worden war. Österreichs Finanzkapital errichtete mit dem Staatsstreich die offene, terroristische Gewaltherrschaft. Die unmittelbare Folge war ein massiver Sozialabbau, der Lohnindex sank bis Ende 1933 um 20 Punkte. Alle Schutzgesetze waren praktisch außer Kraft. Es herrschte Streik- und Versammlungsverbot. Am 30. März wurde der Schutzbund verboten. Gleichzeitig wurden die Heimwehren als Hilfspolizei in den Staatsapparat integriert. Das Verbot der KPÖ kam am 25. Mai.

Wie waren nun nach dem faschistischen Staatsstreich vom 15. März 1933 die Klassenkräfte angeordnet? Die Bourgeoisie war gespalten in zwei Lager: für und gegen den Anschluß an das Deutsche Reich. Der Sieg des deutschen Faschismus vertiefte die Spaltung noch. Österreich war international ein Knotenpunkt der europäischen imperialistischen Politik. Besondere Interessen hatten Deutschland, Frankreich und Italien, während England lavierte. Dies alles spiegelte sich wider in der Haltung der österreichischen Bourgeoisie.

Austrofaschismus oder Hitlerfaschismus?

Für den Anschluß war etwa ein Drittel der Bourgeoisie. Sie repräsentierte jenen Teil der Schwerindustrie, der sich in den Händen des deutschen Finanzkapitals befand. Hier vor allem die Alpine Montan Gesellschaft. Tonangebend im Elektrokartell war Siemens-Schuckert, über dessen Wiener Zweigniederlassung nach dem Verbot der österreichischen Partei die Korrespondenz mit deutschen Nazistellen lief. Diese NSAPÖ war die politische Organisation der Anschlußbetreiber. Sie galt als Gauorganisation der NSDAP. Nazis, die untertauchen mußten, gingen nach Bayern zur »Österreichischen Legion«, wo sie militärisch ausgebildet wurden und Geld bekamen. Den Nazis gelang es trotz aller Anschläge und Hetze gegen die Dollfuß-Regierung nicht, in die Arbeiterklasse einzudringen. Schutzbündler in Wien-Simmering, die sich gegen einen Nazi-Überfall gewehrt hatten, wurden zu empfindlich hohen Strafen verurteilt. Die Nazikonkurrenz wurde also vor den Arbeitern geschützt!

Der größere Teil der Bourgeoisie war gegen den Anschluß. Es waren die Teile des Finanzkapitals und der verarbeitenden Industrie, die mit dem französischen und englischen Finanzkapital verflochten waren. Ihr Markt war der Donauraum, der Balkan – kurz, die alten k. u. k.-Länder. Was sie einte, war die Furcht vor der Konkurrenz des deutschen Kapitals auf dem Binnenmarkt. Ihr Ziel war die Bildung einer Donauföderation, ja eine Restaurierung der Habsburg-Monarchie. Dazu paßte auch die Unterstützung Dollfuß’ durch Mussolini, der einen faschistischen Dreibund Italien-Ungarn-Österreich anstrebte.

Die Christlich-Soziale Partei (CS) war die Organisation dieses reaktionären Blocks, der Klerus hatte großen Einfluß. Ihre Anhänger kamen aus dem städtischen Kleinbürgertum. Die monarchistischen Großgrundbesitzer und Großbauern setzten hingegen auf die Heimwehren als politische Sammlungsbewegung. Was alle verband, war die Furcht vor der Konkurrenz des deutschen Faschismus. Dollfuß hatte im Mai 1933 als Sammelbecken aller regierungstreuen, antimarxistischen Kräfte die »Vaterländische Front« gegründet. Nach dem Vorbild Nazideutschlands wurden CS und Heimwehren zusammengefaßt. Staatsangestellte und Staatsbetriebe wurden zwangsorganisiert. Der bayerische Dichter Oskar Maria Graf charakterisierte diese Bewegung so: »Geräuschvolle Umzüge und Kundgebungen ... Geschäftsleute, Hausherren, rückgratlose Künstler, ausgehungerte Arbeitslose, jüdische Bourgeois mit Angst vor den Nazis ...«[vi] Der Austrofaschismus betrieb keine soziale Demagogie und auch keine antisemitische Hetze wie der Hitlerfaschismus. Vorbild war das Mittelalter mit seiner Ständeordnung und dem Innungswesen.

Wie verhielt sich die Sozialdemokratie in der Anschlußfrage? Blicken wir zurück. 1919 hatte Otto Bauer als Außenminister davon gesprochen, »Deutsch-Österreich« sei nicht lebensfähig, nicht zuletzt auch deswegen, um eine Revolution nach russischem Muster zu verhindern. »Auf uns selbst gestellt, lebensunfähig, können wir nur in einem größeren Verband die Möglichkeit erlangen, uns allmählich emporzuarbeiten.«[vii] Die Sozialdemokratie war später nicht mehr an einem Anschluß interessiert. Ihre materiellen Interessen waren über die Arbeiterbank verflochten mit dem einheimischen Finanzkapital. Nach dem Machtantritt Hitlers trat sie gegen den Anschluß auf.

Otto Bauer: »Wir haben sie beschworen (die Dollfuß-Regierung), dem erbitterten Kampf gegen die Sozialdemokratie ein Ende zu machen, um es uns zu ermöglichen, uns mit unserer ganzen Kraft gegen die Nationalsozialisten zu wenden ...«[viii] Der Austrofaschismus als das kleinere Übel, als Bündnispartner gar? Hatte also Karl Liebknecht mit seiner Feststellung, der Hauptfeind stehe im eigenen Land, für Österreich unrecht? Die österreichische Bourgeoisie war geschwächt durch die Zerschlagung ihres Herrschaftsgebietes. Sie wußte, daß sie ihre alte Größe nur dann wieder erreichen konnte, wenn sie sich entweder an Hitler oder an Mussolini anlehnte.

Aus der Verflechtung der nationalen mit den internationalen Problemen folgt aber nicht, daß die österreichische Arbeiterklasse ohnmächtig war, ihre Lebensinteressen gegen die eigene Bourgeoisie durchzusetzen. Das werden auch die kommenden Ereignisse zeigen. Alle Maßnahmen zur Unterdrückung und Ausbeutung der österreichischen Arbeiterklasse sind von der österreichischen Bourgeoisie in deren eigenem Profitinteresse durchgeführt worden. Die Zuspitzung der außenpolitischen Gegensätze bedeutete ja auch, daß die Spaltung der eigenen Bourgeoisie sich verschärfte und diese damit schwächte. Es verschärfte sich auch die Konkurrenz unter den beiden Feinden der österreichischen Arbeiter, dem Austrofaschismus und dem Hitlerfaschismus. Das führte zum Verbot der Naziorganisationen im Juni 1933. Damit wollte Dollfuß seine Rolle als Hitlerbezwinger intenational unterstreichen. Hitlers Antwort darauf war die sogenannte 1000-Mark-Sperre. Der Betrag war bei Reisen nach Österreich bei der Deutschen Reichsbank zu hinterlegen. Dem Fremdenverkehr drohte der Ruin, die Gastwirte liefen zu den Nazis über.

Revolutionäre Krise

Die Revolutionierung der österreichischen Arbeiterklasse machte nach dem Staatsstreich große Fortschritte. Am 1. Mai 1933 ließen sich die Arbeiter noch mit den Spaziergangsparolen der SP-Führung abhalten, die anläßlich des Demonstrationsverbotes aufgestellten Stacheldrahtverhaue um die innere Stadt zu überrennen. Die Wende kam im August. Spontane Streiks bei den Alpine Montan Werken waren ein Zeichen dafür, daß die reformistischen Gewerkschaftsführer nicht mehr in der Lage waren, die Arbeiter vom Kampf abzuhalten. Viele Lohnabhängige drängten zum Streik, sie wurden abgewürgt. Otto Bauer begründete nach dem 12. Februar 1934, warum: »Wir wußten, daß die Diktatur jeden Streik gewaltsam zu brechen versuchen wird, daß daher jeder Generalstreik in einen bewaffneten Kampf umschlagen müsse.«[ix]

Auch die SP-Führer sahen also die revolutionäre Krise herankommen. Sie hatten Angst vor ihr, weil sie auch ihre Entmachtung bedeutete. Die Opposition innerhalb der SP verstärkte sich. Die (illegale) KPÖ konnte immer mehr Einfluß auf die sozialdemokratischen Arbeiter gewinnen. Die Gewerkschaftsführer sahen sich im September 1933 gezwungen, eine Konferenz einzuberufen. Auf dieser wurden die »Vier Punkte« als die Bedingungen für den Generalstreik festgelegt: 1. wenn die Bundesregierung die Wiener Gemeindeverwaltung auflöst oder einen Regierungskommissar einsetzt. 2. wenn die Bundesregierung die Sozialdemokratische Partei auflöst oder ihre Tätigkeit verbietet. 3. wenn die Bundesregierung die Gewerkschaften auflöst oder in irgendeiner Weise gleichschaltet. 4. wenn die Bundesregierung eine neue Verfassung auf verfassungswidrigem Wege einführt.

Die Partei übernahm im Oktober 1933 die »Vier Punkte« auf einem Sonderparteitag, der auf Druck der Arbeitermassen einberufen wurde. Wieder hat Otto Bauer in dankenswerter Offenheit im Exil niedergeschrieben, was die ungeduldigen, kampfbereiten Arbeiter auf Parteiversammlungen ihm zuriefen, wenn er, der brillante Redner, nicht mehr zu Wort kam: »Warten wir nicht länger! Wir werden nicht mehr kampffähig sein, wenn einer der vier Fälle eintreten wird! Schlagen wir los, solange wir noch kampffähig sind! Sonst wird es uns so gehen wie den Genossen in Deutschland!«[x]

Stillhalteparolen der SP-Führer

Dollfuß kommen die »Vier Punkte« gelegen, er kennt nun den Casus Belli, die Schmerzschwelle, unterhalb der er die faschistische Diktatur weiter ausbauen kann. Wir wissen heute: Als im Februar 1934 mindestens einer der vier Fälle – also ein Kriegsgrund – eintritt, wird der Generalstreik nicht ausgerufen. Anstatt den bewaffneten Aufstand vorzubereiten, verbreiten die SP-Führer Stillhalteparolen: »Der Schutzbund ist parat!« oder ergehen sich in Wortradikalität: »Wenn d’Heimwehr kommt, verjagen wir’s mit an’ nassen Fetzen!« Und sie »packeln«: Sie signalisieren Bereitschaft, das faschistische Regime zu tolerieren, wenn nur die Heimwehren ausgeschaltet werden. Dollfuß darauf: »Für diese Führer werden sich Österreichs Arbeiter nicht mehr schlagen.« Damit behielt er recht.

An der Jahreswende zu 1934 folgt Provokation auf Provokation. Die Gewalt des Faschismus ist das einzige Recht. Die revolutionäre Stimmung ergreift breite Volksmassen. Die Industriestädte Graz, Bruck a.d. Mur und Linz sind voll rebellischer Arbeiter. Innerhalb der Vaterländischen Front gibt es Streit und Intrigen, die Heimwehrführer verhaften sich gegenseitig. Der eigentliche »starke Mann« ist der k. u. k.-Major Emil Fey, der Heimwehrführer von Wien, Innenminister und Vizekanzler. Am 30. Januar bereitet er einen neuen Staatsstreich vor. Tiroler Heimwehren werden mobilisiert, 8 000 Mann marschieren in Innsbruck ein. Sie fordern: Auflösung der Tiroler SP, Selbstauflösung der CS und Einsetzung eines diktatorischen Regimes. Ebenso marschiert Heimwehr in den folgenden Tagen in anderen Städten ein und fordert das Verbot der SP. Fey läßt Funktionäre des Schutzbunds verhaften, Waffenlager werden ausgehoben.

Während die Arbeiterzeitung, das SP-Organ, am 3. Februar abwiegelt: »Die Lage in Tirol ist noch ungeklärt«, schlägt die KPÖ Alarm: »Generalstreik gegen die Faschisten!« Am 11. Februar, einem Sonntag, erfahren die Leser der Arbeiterzeitung von »Tagen der Entscheidung« – was sie schon längst wissen. Am selben Tag läßt Fey die niederösterreichischen Heimwehren nahe Wien aufmarschieren. Er gibt bekannt: »Wir werden morgen an die Arbeit gehen, und wir werden ganze Arbeit leisten für unser Vaterland, das nur uns Österreichern alleine gehört und das wir uns von niemand nehmen lassen.«[xi] Aus Linz trifft ein Bote beim Parteivorstand ein. Der Brief des oberösterreichischen Landesparteisekretärs und Schutzbundführers Richard Bernaschek hat einen schwerwiegenden Inhalt: »Wir erwarten, daß Du der Wiener Arbeiterschaft und darüber hinaus der gesamten Arbeiterschaft das Zeichen zum Losschlagen gibst. Wir gehen nicht mehr zurück. Den Parteivorstand habe ich von diesem Beschluß nicht verständigt. Wenn die Wiener Arbeiterschaft uns im Stiche läßt, Schmach und Schande über sie....«[xii]

Otto Bauer ruft um zwei Uhr nachts zurück: »Ernst und Otto schwer erkrankt. Unternehmen aufschieben.« Der Telefonverkehr war natürlich überwacht, man wußte nun, eine Provokation würde klappen! Polizei und Heimwehren umstellen das Linzer Arbeiterheim. Beim Eindringen werden sie von Schüssen empfangen. Die Faschisten besinnen sich auf die k.u.k.-Armeetradition, sie »konzentrieren sich nach rückwärts«, sie flüchten erst einmal. Die Arbeiter lassen sich nicht mehr zurückhalten. Alle Bemühungen der sozialdemokratischen Führer waren umsonst: Der Februaraufstand der österreichischen Arbeiter hat begonnen!

Die Kräfte der Konterrevolution und des Aufstands waren keineswegs geheim, sondern allgemein bekannt. Der Befehlshaber aller konterrevolutionären Truppen war Fey, Stellvertreter Starhembergs. Die reguläre Armee, das Bundesheer, war eine Söldnerarmee. Angesichts der Gleichschaltungsbestrebungen Hitlers wurde sie auf 35 000 Mann erweitert. Die sechs Brigaden, davon zwei in Wien, hatten gemäß St. Germain keine Panzer, keine Flugzeuge, keine schwere Artillerie, keine chemischen Kampfstoffe.

Das Bundesheer war aus den Volkswehren von 1918 hervorgegangen. Zu den Gründern gehörte Julius Deutsch. Nach 1927 wurde es von Sozialdemokraten gesäubert. Hitleranhänger drängten danach ins Offizierskorps. Die Hilfsarmee umfaßte Polizei, Gendarmerie und Grenzschutzwache. Die Polizei mit ihren 17 500 Mann verfügte über eine bessere Bewaffnung als das Bundesheer. Nach dem 15. Juli 1927 waren drei Skoda-Panzerwagen angeschafft worden. Polizeiflugzeuge konnten zur Aufklärung eingesetzt werden. Bei der Gendarmerie waren 5 500 Mann, beim Grenzschutz 9 000 Mann. Alle diese Formationen besaßen MG, Karabiner, auch Motorräder. Und alle waren früher mehrheitlich gewerkschaftlich organisiert, also in Händen der SP, der sie nach 1927 entglitten.

Die faschistischen Bürgerkriegsformationen, die Heimwehren, umfaßten 100 000 bis 150 000 Mitglieder, aber nur ein Teil davon war bewaffnet. Ihre Bewaffnung bestand aus Infanteriegewehren, leichten und schweren MG und Feldkanonen. Die Ausbildung erfolgte durch Aktive und Reserveoffiziere des Bundesheeres. Die NSAPÖ hatte vor der Auflösung im Juni 1933, bei der die Waffen nicht beschlagnahmt wurden (!) einige zehntausend bewaffnete Mitglieder. Der Nachschub kam aus Hitlerdeutschland. Eine organisierte Beteiligung von Hitlerfaschisten gegen den Aufstand ist allerdings nicht bekannt, sie blieben in Abwartestellung.

Die bewaffneten Kräfte

Die bewaffneten Kräfte des Aufstands bestanden aus dem Republikanischen Schutzbund, also ausschließlich aus sozialdemokratischen Arbeitern. Im Februar 1934 waren dies

80 000 Mann. Der Schutzbund fungierte nach dem Verbot nurmehr halblegal als Ordnerorganisation. Die Bewaffnung war insgesamt gut: Revolver, Karabiner, MP, MG, Handgranaten. Ihre Ausbildung durch Wehrsport, Kleinkaliberschießen und taktische Geländeübungen hatte insgesamt hohes Niveau, die Disziplin war musterhaft. Die KPÖ spielte nach dem Ausschluß aus dem Schutzbund 1925 keine nennenswerte Rolle als Formation, wirkte aber agitatorisch und organisierend. Die Reserven des Aufstands, also die Arbeitermassen, das Kleinbürgertum und die armen Bauern, sind zahlenmäßig nicht erfaßbar, aber viel größer als die des Faschismus. Und die Arbeiter handeln. Betriebsräte der Wiener Elektrizitätswerke und Gaswerke werden unmittelbar aus Linz informiert. Die Belegschaften treten sofort in den Streik. Die gefürchteten Floridsdorfer Arbeiter streiken bereits, weil Betriebsräte und Vertrauensleute verhaftet worden sind.

Was jetzt zu tun gewesen wäre: Generalstreik! Der Parteivorstand jedoch gibt sofort die Parole aus: »Abwarten!« Und er schickt zwei Mittelsmänner der CS zu Dollfuß, die um Verhandlungen bitten sollen. Der Schutzbund wartet auf den Befehl zur Bewaffnung. Die Arbeiter warten auf den Generalstreik. In Linz wird der Generalstreik spontan auf Initiative der Eisenbahner durchgeführt. In Wien werden bereits alle sozialdemokratischen Einrichtungen besetzt: das Parteihaus, die Vorwärts-Druckerei, das Rote Rathaus. Bürgermeister Karl Seitz läßt sich aus seinem Amtszimmer tragen. Er ist einer der wenigen hohen SP-Funktionäre, die Widerstand leisten. Spätestens jetzt müßten die »Vier Punkte« umgesetzt werden. Bundesheer, Polizei und Heimwehren sind in Alarmzustand. Noch ist die Innenstadt ungedeckt. Mitten drinnen, im ehrwürdigen Stefansdom, sitzt die Regierung (mit Ausnahme Feys!) und feiert das Papstjubiläum! Schutzbündler versammeln sich in den abgesprochenen Lokalen – die Schutzbundführung rührt sich nicht! Die KPÖ gibt die Losung aus: »Bildet Räte – Kämpft für die Diktatur des Proletariats!«

Um 11.46 Uhr gelingt es einer Gruppe entschlossener Arbeiter im Simmeringer E-Werk, den Strom für Wien abzuschalten. Straßenbahnen bleiben stehen, die Straßenbahner schließen sich dem Streik an. Das ist das Zeichen, auf das Schutzbund und Vertrauensleute gewartet haben – auch die Polizei verschwindet blitzartig von der Straße. Die Parteiführung steht vor vollendeten Tatsachen. Aber erst um 14 Uhr wird ausgegeben: »Bewaffnen. Keine Angriffsaktionen. Nur Verteidigung, wo der Schutzbund angegriffen wird!« Weil viele der Schutzbundführer verhaftet und die Reserveführer nicht zur Stelle sind, weiß niemand, wo die gut versteckten Waffenlager sich befinden. Ein Teil der kampfbereiten Arbeiter irrt umher, um an Waffen heranzukommen. So sind zum Teil für zehn Schutzbündler nur drei Gewehre vorhanden.

Am Nachmittag beginnen in den proletarischen Bezirken Wiens die Kämpfe. Die Schutzbündler verschanzen sich in den Gemeindebauten. Es ist unerheblich, wer den ersten Schuß abgab. Es gibt in der sozialdemokratischen Literatur seitenlange Rekonstruktionen, die nur dem Einen dienen: Glaubhaft zu machen, die Führung habe den Kampf nicht gewollt.

Aufstandszentren wie in Wien bilden sich am 12. Februar 1934 auch in Bruck/Mur, Graz, Leoben, Steyr, Linz, Salzburg, Innsbruck sowie in Wiener Neustadt. Und überall geht die Konterrevolution sofort in die Offensive. Weil die Eisenbahner nicht zum Streik gerufen werden, ist sie in ihrer Beweglichkeit auch nicht eingeschränkt. Überall entstehen spontane Streiks, in den Provinzzentren in der Art eines Generalstreiks. Im Linzer Arbeiterheim – von hier kam das Signal zum Aufstand – halten sich 40 Schutzbündler gegen eine Übermacht aus Bundesheer und Heimwehr. Zur Mittagszeit geht die Munition aus, sie müssen sich ergeben. Linz kann sich zwei Tage halten, das Gaswerk und der Güterbahnhof ist von Arbeitern besetzt. Sie können sich über die Donau zurückziehen.

Arbeiterführer Wallisch

In der steirischen Industriestadt Bruck an der Mur wird der Generalstreik lückenlos durchgeführt. Der Schutzbund kann eine Gendarmeriekaserne einschließen. Ein Polizeitrupp, der Streikbrecher der Kabelfabrik schützen soll, wird entwaffnet und in den Direktionsbüros eingesperrt. Faschistische Heimwehren werden in der Schule, in der sie kaserniert sind, belagert. Der Eisenbahnverkehr ist durch Hindernisse stillgelegt. Kurz, Bruck ist in den Händen der Arbeiter.

Hier ist etwas für die Kämpfe in ganz Österreich Einmaliges passiert: Ein sozialdemokratischer Führer stand an der Spitze der kämpfenden Arbeiter. Der Landsparteisekretär und frühere Funktionär der ungarischen Räterepublik Kolomann Wallisch war sofort von Graz nach Bruck gekommen und übernahm die Führung des Schutzbunds. Wallisch war ein beliebter Arbeiterführer, lange Zeit Brucker Parteisekretär. Seine Beliebtheit war ein Grund dafür, daß ihn die Parteiführung »zur Abkühlung« nach Graz holte.

Auf dem Schloßberg hat der Schutzbund eine beherrschende Stellung und kann sich den Tag über halten. In der Nacht zum Dienstag dringt Bundesheer in die Stadt ein. Wallisch muß sich mit etwa 400 Mann ins Gebirge zurückziehen. Der Versuch, mit dem Widerstandszentrum Leoben Verbindung aufzunehmen, es zu verstärken, mißlingt. Am 16. Februar löst sich die Gruppe auf, Wallisch versteckt sich. Seine Flucht ist vorbereitet, er wird aber erkannt und verraten. 5 000 Schilling Kopfgeld waren ausgesetzt – zwei Jahre mußte damals ein Arbeiter dafür schuften. Dollfuß verlängert das Standrecht so lange, bis Wallisch am 19. Februar gefangen wird. Vor dem Standgericht der Galgenchristen hält er eine mutige Rede und wird noch am gleichen Tag gehängt.[xiii]

Bauer und Deutsch flüchten

Die Führer der Sozialdemokratie, Otto Bauer und Julius Deutsch, haben sich inzwischen in einen Gemeindebau im größten Wiener Arbeiterbezirk Favoriten zurückgezogen. Sie sollen so etwas wie eine Kampfleitung sein, doch nicht ein Befehl, nicht ein Flugblatt kommt aus ihrer Zentrale. Der Favoritner Schutzbund verhält sich defensiv, er hat keine Waffen. Das Bundesheer schließt den George-Washington-Hof, in dem sich die sozialdemokratischen Führer verkrochen haben, am zweiten Tag ein. Bauer und Deutsch flüchten nach Brno/Brünn in der Tschechoslowakei. Die Fahnenflucht Bauers wird vom späteren SPÖ-Vorsitzenden und Bundeskanzler Bruno Kreisky mit Unverständnis quittiert. Kreisky äußert die Ansicht, Bauer hätte bleiben müssen, auch wenn ihn dies das Leben gekostet hätte: »Dann wäre er immerhin der große Held der österreichischen Arbeiterbewegung geworden. Er bleibt ein großer Mann, aber das hat so gar nicht zu ihm gepaßt, dieses Weglaufen.«[xiv]

Die Wiener Arbeiter stehen im Kampf. Die Aufständischen können aus ihren Stellungen in den Gemeindebauten, in die sie sich am ersten Tag zurückgezogen haben, teilweise ganze Bezirke wie Floridsdorf und Simmering kontrollieren. Diese Gemeindebauten haben eine architektonische Form, die den Kämpfern entgegenkommt. Ein Durchgang führt ins Innere eines großen Hofes, von dort betritt man erst die Häuser, die »Stiegen«, wie man sagt. Der Karl-Marx-Hof, ein Sinnbild des Roten Wien und mit seinen sechs 30-Meter-Türmen und einer Länge von mehr als einem Kilometer der größte der Wiener Gemeindebauten, ist ein Trauma der Bourgeoisie: Er sei ein Festungsbau mit Wehrgängen und Waffenaufzügen, die Erker seien Schießscharten. Unwahrheiten, die nur der Hetze gegen die Arbeiter dienen. Vielmehr machen das rege politische Leben in ihm und seine Bauform den Hof zu einem »Krisenpunkt der Kämpfe«, wie es im Polizeibericht heißt.

Vier Tage leisten die Schutzbündler den Heimwehren, Bundesheer und Polizei Widerstand. Panzerwagen werden zur Sprengung der Tore eingesetzt und Flugzeuge zur Aufklärung. Über die nahe Eisenbahnlinie werden Truppen herangeführt. Major Fey inspiziert persönlich und gibt Befehl, den Karl-Marx-Hof sturmreif zu schießen. In dem fünfstündigen, christlichsozialen Bombardement gehen Arbeiterwohnungen in Trümmern auf, ein Gebäudeteil stürzt ein. Die rote Burg sollte vor aller Welt sichtbar verwundet werden. Stiege um Stiege, Stockwerk um Stockwerk muß von den Faschisten erkämpft werden. Erst Munitionsmangel zwingt die Schutzbündler zum Rückzug. Am 16. Februar stellt Dollfuß das Ultimatum: »Waffen strecken, dann Amnestie.« Die Kämpfer des Karl-Marx-Hofes können sich eine halbe Stunde vor Ablauf des Ultimatums mit ihren Waffen geordnet über die Kanalisation zurückziehen.

10 000 Österreicher kämpften aktiv im Aufstand gegen die Faschisten. Eine genaue Zahl der Verluste ist nicht bekannt. Nach Polizeiangaben fielen 400 bis 1 000 Schutzbündler. 60 tote Kämpfer und zivile Opfer wurden in einem Massengrab am Wiener Zentralfriedhof verscharrt, aus Angst vor Demonstrationen. Erst 1984 wurden sie würdig bestattet. Auf Seiten der Konterrevolution waren 40 000 Mann von Bundesheer und Heimwehr im Einsatz – 70 Prozent der bewaffneten Staatsmacht. Es wurden 100 Tote gezählt. Zehn Februarkämpfer wurden standrechtlich hingerichtet. Ein schwerverletzter Wiener Schutzbündler wurde auf der Bahre zum Galgen geschleppt. Erst internationale Proteste legten den Regierungsbestien das Handwerk.

Schule des Klassenkampfs

Es waren drei wichtige Maßnahmen, die im Verlauf des Aufstands versäumt worden sind. Erstens, dem Aufstand war kein Generalstreik vorausgegangen, wie ihn die KPÖ propagiert hatte. Die Teilstreiks erfolgten spontan und konnten nicht zusammenwachsen. Dazu kam die Sabotage der Gewerkschaftsführer, die die Eisenbahner nicht in den Streik riefen. Zweitens gab es keine zentrale politische und militärische Führung. Drittens wurden die Massen der Arbeiter nicht zu den Waffen gerufen, die Stellvertretertheorie rächte sich.

Gleich nach dem Aufstand begründete die SPÖ die Legende von der »kämpfenden Sozialdemokratie«. Der Februaraufstand der österreichischen Arbeiter, der sozialdemokratischen wie der kommunistischen, war aber keineswegs die Fortsetzung der Politik der österreichischen Sozialdemokratie. Sein Ausbruch war vielmehr ein Ausdruck des Bruches der Arbeiter mit dieser Politik! Die Führer hatten Waffen und einen Plan zur Verteidigung der Positionen der Arbeiterklasse, aber sie haben alle Positionen kampflos aufgegeben!

Die Arbeiter waren 15 Jahre lang im Geist der sozialdemokratischen Ideen erzogen worden, die da waren: Verteidigung der bürgerlichen Demokratie, Schutz der bürgerlichen Republik, Verteidigung des Roten Wien gegen die schwarze Provinz. Eine Gedenktafel am Karl-Marx-Hof, die 1984, zum 50. Jahrestag, angebracht wurde, lautet: »Als erste in Europa traten Österreichs Arbeiter am 12. Februar 1934 mutig dem Faschimus entgegen. Sie kämpften für FREIHEIT, DEMOKRATIE UND REPUBLIK.« Das ist die Fortsetzung der Legende, denn als die Arbeiter zu den Waffen griffen, war die Idee der bürgerlichen Demokratie in ihren Köpfen, in ihren Herzen tot. Die einzigen, die in dieser Stunde in Österreich noch daran glaubten, waren die sozialdemokratischen Führer. Weil aber die toten Ideen der Sozialdemokratie, die toten Ideen der bürgerlichen Demokratie die Strategie und Taktik der Aufständischen beeinflußten, fehlte diesen die klare Parole eines Machtkampfes.

Dafür, daß es den Arbeitern nicht am instinktiven Empfinden fehlte, daß es jetzt um die Eroberung der politischen Macht ging, gibt es genügend Belege: Da sind die Versuche der Wiener Straßenbahner, in die Innere Stadt einzudringen – um 19 Uhr des 12. Februar war es zu spät, aber bis zum Mittag dieses Tages war das Regierungsviertel ungedeckt. Das hätte Wien bedeutet – und Wien bedeutete den Sieg! Oder die Versuche der Linzer Arbeiter, eine Funkstation zu besetzen. Und das vorbildliche Vorgehen der Arbeiter von Bruck.

Die Hauptschwäche des Februarkampfes der österreichischen Arbeiter bestand darin, daß sie infolge des schädlichen Einflusses der Sozialdemokratie nicht begriffen, daß es nicht genügt, sich gegen den Angriff des Faschismus zu verteidigen. Der bewaffnete Widerstand des österreichischen Proletariats gegen den Faschismus ging nicht in einen tatsächlich bewaffneten Aufstand über, der nur ein Ziel haben konnte: die Bourgeoisie zu entmachten.

Dieser Hauptfehler ließ die Aufständischen die Linie der Verteidigung einschlagen. Zwei Hauptbedingungen für einen Sieg im Aufstand konnten so nicht erfüllt werden: Konzentration der Kräfte in Richtung der bürgerlichen Machtzentren und schnelles Handeln im Angriff, um Überlegenheit herzustellen. Die schwankenden Schichten konnten so nicht herübergezogen werden. Die Sympathisierenden warteten auf Teilsiege. Das Militär konnte nicht neutralisiert oder gar zum Überlaufen auf die Seite des Aufstands bewegt werden. (Zwei Kasernen weigerten sich einige Stunden lang, gegen die Wiener Arbeiter zu marschieren. Als kein Erfolg sichtbar wurde, fielen sie um.) Während die Faschisten sofort in die Offensive gingen, blieben die Februarkämpfer in der Defensive.

Der Februaraufstand war der erste bewaffnete Kampf, in dem hochentwickelte Kriegstechnik in einer Großstadt eingesetzt wurde. Die Kämpfe begannen nicht als Barrikaden- oder Straßenkampf, sondern als Stellungskampf. Als die zentrale Leitung des Kampfes versagte, mußten sich die Kämpfer in den Gemeindebauten festsetzen, vollständig isoliert voneinander. Die Lage am zweiten Tag war reif für den Übergang zu Straßenkämpfen – am Abend davor waren große Gebiete, ja ganze Bezirke in den Händen der Arbeiter. Da es aber größtenteils bei der passiven Verteidigung blieb, kam das technische Übergewicht der Konterrevolution zum Tragen.

War es die Artillerie, die den Aufstand besiegt hat, wie Otto Bauer behauptete? Ist sie wirklich unbezwingbar? Schon die rechtzeitig Erstürmung der Artilleriekasernen bricht deren Wirkung (ein Plan der Simmeringer Arbeiter!); durch Flankenangriffe kann das Auffahren der Kanonen verhindert werden. Die Eroberung einer Kanone hat moralisches Gewicht. Die Aufständischen können die Artillerie »aufwiegen«, wie Engels am Beispiel der Pariser Kommune darlegte.

Wurde die Bevölkerung durch Flugblätter informiert, wie das die KPÖ in beschränktem Maße tat? Wurde ein Aufklärungsdienst eingesetzt? Wurden Sender, Brücken, Eisenbahnstrecken besetzt? Wurden Lebensmittel und Autos requiriert? Wurden Staatsfunktionäre festgesetzt – auch im Heiligtum der Bourgeoisie, im Stefansdom? Das alles gab es in Ansätzen und Versuchen, die konsequente Durchführung scheiterte am Legalismus, in dem die Arbeiter erzogen worden waren.

Den Weg für Hitler freigeschossen

Nach allem, was hier ausgeführt wurde, hatte der Aufstand eine Chance auf Erfolg. Hätte aber die österreichische Arbeiterklasse ihre Macht, einmal errungen, verteidigen können? Betrachten wir die außenpolitische Situation, wäre eine Atempause für die siegreiche österreichische Arbeiterklasse möglich gewesen. Ein rasches Zusammengehen der Nachbarländer war eher unwahrscheinlich. In Frankreich war soeben ein großer Sieg gegen den Faschismus errungen, am 12. Februar ein faschistischer Putsch durch eine Millionendemonstration niedergeschlagen worden. Zwischen den faschistischen Regimen in Italien und Deutschland herrschten große Widersprüche. Und Hitler war nicht kriegsbereit, sondern war noch auf internationale Reputation aus. Nicht zu vergessen sind die revolutionären Arbeiterbewegungen in ganz Europa. Das Signal des Februar hatte auf sie einen Verstärkungseffekt. Und da war noch die große Sowjetunion.

Aus heutiger Sicht ist festzuhalten, daß es der grüne Dollfuß-Faschismus war, der die österreichische Arbeiterklasse niederwarf und entwaffnete. Das brauchte der Hitlerfaschismus vier Jahre später nicht mehr zu erledigen: Am 12. März 1938 marschierte die Hitlerwehrmacht in Österreich ein. Sieben Jahre »Ostmark« folgten. Am 1. April schon rollte der erste Transport ins KZ Dachau. Dollfuß schoß den Weg frei für Hitler! Daß er dann ausgedient hatte, hat der Naziputsch am 25. Juli 1934 gezeigt. Der Putsch selbst scheiterte nach Stunden, doch Dollfuß wurde in seinen Regierungsräumen von einem braunen Mordkommando erschossen.

Der Februar 1934 war ein Signal für die Arbeiterklasse der kapitalistischen Welt: Es ist möglich, gegen den Faschismus zu kämpfen! Ein Ruck ging durch die deutsche Arbeiterklasse. Die Entschlossenheit der Antifaschisten in Deutschland und in anderen Ländern wurde gestärkt. Mit großem Interesse verfolgte das linke Spanien den Februarkampf. Viele Schutzbündler, die fliehen mußten, fanden über die Tschechoslowakei und Sowjetunion den Weg in die Internationalen Brigaden. Dort halfen sie mit, die republikanische Regierung in Madrid gegen die Franco-Faschisten zu verteidigen.

In Österreich selbst hat der Kampf der Arbeiter die faschistische Diktatur in ihrer Festigkeit von Anfang an erschüttert. So wurde beispielsweise der weitgehende Mieterschutz auch nach dem Februar 1934 nicht angetastet! Die Nazis konnten aus dem Aufstand keine unmittelbaren Vorteile ziehen. Mit ihrer demagogischen »Rächer«-Propaganda hatten sie keinen Erfolg bei den Arbeitern. Ein »Bayerischer Hilfszug«, der aus dem Nazireich anreiste und mit Gulaschkanonen am Karl-Marx-Hof auffuhr, wurde von den Einwohnern mit Verachtung behandelt.

Beispielhaft für Europa

An Jahrestagen schwingen sich die Geschichtsschreiber auf, die sich den Heldenmut der Februarkämpfer unter den Nagel reißen, um im nächsten Atemzug zu erklären: Ein Sieg war unmöglich! Denen soll Bela Kun entgegengehalten werden. Er war einer der Führer der ungarischen Räterepublik und Kommunist. Wir verdanken ihm die folgende Analyse des Februaraufstands. Bela Kun: »Ein Sieg ist unmöglich ohne vollen ideologischen und politischen Sieg über den Opportunismus der Sozialdemokratie ... Eine der wichtigsten Voraussetzungen des Sieges der Arbeiterklasse wurde in diesem Kampf geschaffen.«[xv]

Die österreichischen Arbeiter sind nicht besiegt worden! Ihre Niederlage geht auf das Konto der Sozialdemokratie. Die Arbeiter hatten einen großen politischen Sieg über die Sozialdemokratie errungen. Otto Bauer sprach im Exil von der »Katastrophe«: Richtig, die österreichische Sozialdemokratie ist zusammengekracht und eine Menge Illusionen über das schmerzlose Hinüberwachsen in den Sozialismus wurden begraben. Die österreichischen Arbeiter haben in den vier Tagen des Aufstands eine lehrreiche Schule des Klassenkampfs durchgemacht. Nach den Februartagen gab es keine depressive Stimmung unter den Arbeitern. Ganze Schutzbundeinheiten traten in die KPÖ ein, linke Sozialdemokraten brachten ihren Einfluß in die Arbeitermassen mit. An den Häuserwänden erschien die Losung: »Wir kommen wieder!«

(Aus: Junge Welt, div. Ausgaben 2004)



[i] Zitiert nach Otto Bauer: Der Aufstand der österreichischen Arbeiter. Nachdruck der Ausgabe Prag 1934.

[ii] Nach 1945 Bürgermeister von Wien, 1951 – 56 Bundespräsident.

[iii] Arnold Reisberg: Feburar 1934 – Hintergründe und Folgen. Globus-Verlag Wien 1974. Andere Quellen sprechen von 140 Toten.

[iv] Zit. nach Maimann/Mattl (Hg.): Die Kälte des Februar. Österreich 1934 – 1938. Junius Verlag u. Verlag der Wiener Volksbuchhandlung. Begleitbuch zur Ausstellung 1984.

[v] Starhemberg Rüdiger, Fürst von. 1899 - 1956, 34 – 36 Vizekanzler.

[vi] Oskar Maria Graf: Die gezählten Jahre. Graf war 1933/34 im Wiener Exil. Von hier veröffentlichte er sein »Verbrennt mich!« Nach dem Aufstand ging er nach Prag.

[vii] Otto Bauer, Parlamentsrede am 7.6.1919. Der Friede von St. Germain (10.9.1919) verbot den Anschluß. Der Vertrag von Trianon 1920 beschränkte Österreich auf seine gegenwärtigen Grenzen, 1921 kam das Burgenland dazu.

[viii] Otto Bauer: Der Aufstand der österreichischen Arbeiter. Nachdruck derAusgabe Prag 1934.

[ix] O. Bauer, Ebenda.

[x] O. Bauer, Ebenda

[xi] Zitiert nach: Maimnann/Mattl (Hrsg.): Die Kälte des Februar. Österreich 1934 – 1938. Junius und Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, 1984.

[xii] Ebda. Bernaschek wurde 1944 im KZ Mauthausen ermordet.

[xiii] Anna Seghers beschrieb die Ereignisse in der Erzählung »Der Weg des Kolomann Wallisch«.

[xiv] Zitiert nach: Maimann/Mattl (Hg.): Die Kälte des Februar. Österreich 1934 – 1938. Junius und Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, 1984.

[xv] Bela Kun: Die Februarkämpfe in Österreich und ihre Lehren. Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR. Moskau/Leningrad, 1934.