Iranisches Öl 1951 - 1955
Aus: Eden,
Anthony: Memoiren 1945 – 1957. Köln 1960: 223 – 259. (Sir Anthony Eden war
in den Jahren 1935-38, 1940-45 u. 1951-55 Außenminister des britischen
Kolonialismus – Auslassungen sind durch (…)
gekennzeichnet.) „In späteren Jahren stattete ich dem Iran, wie
Persien seit 1935 hieß, und seinen Ölfeldern eine Reihe von Besuchen in
Kriegs- und Friedenszeiten ab. Zum letztenmal 1948. Daher war ich aus
erster Hand unterrichtet über das Problem, mit dem ich mich bald befassen
mußte: Wie war im Iran unsere nationale Position wiederherzustellen und
die Konzession einer britischen Ölgesellschaft
wiederzuerlangen? In Jalta und nachher hatte es zähen Verhandelns
bedurft, um eine Verständigung über den Abzug sowohl russischer wie
westliche Streitkräfte aus dem Iran nach dem Krieg zustandezubringen. Nach
dem diese sich zurückgezogen hatten, mußte das Land ein Nacheinander von
schwachen Regierungen tragen, die zeitweise von eigensinnigen Abgeordneten
geführt wurden. Ihre Programme war wunderbar, ihre Leistungen jämmerlich.
(...) So standen die Dinge, als plötzlich Dr. Mossadeq
in den Vordergrund trat. Seine Nationale Front errang in Teheran eine
Anzahl Mandate, und er machte sich zum Sprecher eines elementaren
Nationalismus. Im Juni 1950 wurde er zum Vorsitzenden der
parlamentarischen Kommission ernannt, die acht Monate später die
Nationalisierung der Ölindustrie vorschlug. (...) General Razmara hatte als Ministerpräsident ein
anderes und noch kühneres Ziel im Auge: etwas mehr Ehrlichkeit im
öffentlichen Leben. Das war so ziemlich das letzte, was das Parlament
wollte. Bisher hatten die Ministerpräsidenten ihre Parlamentsmehrheiten
durch Mittel erreicht, die den Abgeordneten Freude machten. Dr. Mossadeq
hatte zwar nicht einen so gierigen Appetit. Ihm ging es vielmehr darum,
aus dem Ölabkommen einen emotionalen Streitfall zu machen, was bei der
mangelnden Informiertheit der öffentlichen Meinung nicht allzu schwer war.
Die Iraner wußten, daß die Ölgesellschaft in steigendem Maße Steuern an
die britische Regierung zahlte. Sie wußten auch, daß nach dem Abkommen von
1933 die Zahlungen an die iranische Regierung in dem Maße anwachsen
sollten, wie die Tonnenzahl gesteigert und die von der Gesellschaft
ausgeschütteten Dividenden erhöht würden. Dazu kam es nicht, nachdem die
Gesellschaft auf Geheiß des Schatzamts eine Dividendenbeschränkung
vornahm, und so wuchs das Mißtrauen. Die Iraner konnten nicht begreifen
daß eine Gesellschaft freiwillig ihre Dividenden beschränkte. Sie sahen
nur die Folgen für sich selbst: Sie erhielten nicht soviel Geld, wie sie
glaubten beanspruchen zu können. Ich hatte Verständnis für ihre Gefühle,
denn es mußte ihnen unredlich vorkommen, daß die britische Regierung als
Großaktionär der Gesellschaft erhöhte Steuern einnahm, aber höhere
Dividenden, die der iranischen Regierung zugute gekommen wären,
ablehnte. Ich war darüber so besorgt, daß ich 1947, nach
Rückkehr von einer Reise nach dem Iran, den Schatzkanzler aufsuchte. Ich
teilte Sir Stafford Cripps meine Befürchtung mit, daß es zu
Schwierigkeiten kommen würde, wenn man in diesem Augenblick die
Dividendenbeschränkung beibehalte. Es müsse doch möglich sein, eine
Ausnahme bei einer Ölgesellschaft zu machen, deren Dividenden sich auf die
Einnahmen einer ausländischen Regierung auswirkten. Der Schatzkanzler
drückte sein Bedauern aus: eine Ausnahme sei
unmöglich. Die Gesellschaft war sich ebenfalls über die
Gefahr im klaren und warnte die Regierung. Vielleicht stimmte sie zu
bereitwillig dem Ersuchen des iranischen Ministerpräsidenten zu, nichts
über die erhebliche finanzielle Hilfe verlauten zu lassen, die die
Gesellschaft seiner Regierung privat gewährte. Auch erfuhr das iranische
Volk nicht früh genug, daß die Gesellschaft General Razmara zu bewegen
versucht hatte, erneut über eine Gewinnbeteiligung auf der Basis 50:50 zu
verhandeln, und daß das nicht ratifizierte Zusatzabkommen einen späteren
Ausgleich für Dividendenbeschränkungen vorsah. So stand einem Sieg Mossadeqs nichts mehr im Wege.
Hemmungslos wurde die Nationalisierungskampagne weiterverfolgt. Das
Parlament forderte den Ministerpräsidenten auf, festzustellen, ob eine
Nationalisierung durchführbar sei oder nicht. Mit der Untersuchung der
Frage beauftragte er eine Jury iranischer Fachleute, die sämtlich von
einer Nationalisierung abrieten. Am 3. März legte General Razmara deren
Berichte dem Parlament vor, die anschließend im Teheraner Rundfunk
durchgegeben wurden. Vier Tage später wurde Razmara
ermordet. Eine Woche darauf billigten beide Häuser des
iranischen Parlaments eine Resolution zur Verstaatlichung der Ölindustrie.
Am 28. April Wurde Mossadeq Ministerpräsident und am 1. Mai das
Nationalisierungsgesetz angenommen. Das iranische Volk, erklärte Mossadeq,
sei im Begriff, »einen Schatz zu heben, auf dem ein Drache liegt«.
Diese Vorgänge riefen außerhalb des Irans
Beunruhigung hervor Die britische Regierung griff die Frage der
Nationalisierung auf und wies auf die im Abkommen von 1933 enthaltenen
schiedsgerichtlichen Bestimmungen hin. Ein paar Wochen später teilte die
Gesellschaft der iranischen Regierung formell mit, daß sie auf Grund des
Abkommens von 1933 ein Schiedsgericht verlange und ihrerseits einen
Schiedsrichter berufen habe. Aber die Regierung des Irans ignorierte dies.
Daraufhin wandte sich die Gesellschaft an den Präsidenten des Haager Schiedshofs und bat um
Ernennung eines einzigen Schiedsrichters. Am selben Tag strengte die
britische Regierung vor dem Schiedshof ein Verfahren gegen die iranische Regierung an. Ihr
Argument war, daß eine britische Gesellschaft in einer Weise behandelt
worden sei, die nicht im Einklang mit den Prinzipien internationalen
Rechts stehe Es folgte ein weiteres Hin und Her zwischen der iranischen
Regierung und der Ölgesellschaft, deren Angestellte sich innerhalb von
acht Tagen zu entschließen hatten, ob sie in den Dienst der
nationalisierten Gesellschaft
eintreten wollten oder nicht. Alle lehnten ab. Ähnlich ging es bei der Verschiffung des Öls zu.
Die iranischen Hafenbehörden weigerten sich, Tankschiffe abzufertigen,
sofern der Kapitän nicht eine Erklärung unterschrieb, daß die Ladung
Eigentum der nationalisierten Iranischen Ölgesellschaft sei. Die
Kapitäne lehnten das ab, und
bis Ende Juni hörten alle Ölverschiffungen in Abadan auf.
(...) Einige Wochen später ordnete die iranische
Regierung an, daß alle britischen Angestellten der Gesellschaft das Land
innerhalb einer Woche zu verlassen hätten. Daraufhin brachte England den
Streitfall vor den Sicherheitsrat. Mossadeq reiste nach New York, um
persönlich an der Sitzung teilzunehmen, aber es wurde vor Ablauf der Frist
kein greifbares Resultat erzielt. Die britische Regierung hatte
Landstreitkräfte und einen Kreuzer in die Nähe von Abadan geschickt, wo
das Schicksal der größten Ölraffinerie der Welt auf dem Spiel stand. Die
Versuchung zu intervenieren, um dieses gestohlene Gut zurückzufordern, muß
sehr stark gewesen sein, aber die Vereinigten Staaten wandten sich
energisch gegen solch ein Vorgehen. So wurden die britischen Angestellten
angewiesen, abzureisen. (...) Jetzt, nach den Vorgängen im Iran, wurde Ägypten
unruhig. Das am Schatt el Arab geschürte Feuer griff auf den Nil über. Es
kam zu Aufständen, zu Schießereien und Angriffen auf unsere Truppen. Im
Oktober verstärkte die Labour-Regierung, es war eine ihrer letzten
Handlungen, die Garnison in Ägypten um zwei
Brigaden. Im Anblick dieser düsteren Perspektiven übernahm
ich wieder das Foreign Office. Wir waren aus dem Iran heraus, wir hatten
Abadan verloren, unsere Autorität war im ganzen Nahen Osten stark er
schüttert, die Temperamentsausbrüche in Ägypten ließen auf weitere Unruhen
schließen. Ich mußte mir überlegen, wie der Situation zu begegnen sei.
Nach meiner Überzeugung mußten wir uns zunächst mit der Quelle des Übels,
mit dem Ölproblem, befassen. In England regte man sich, trotz der
Entrüstung über den Verlust von Abadan, zu keiner Zeit sonderlich über den
Iran auf. Zum Teil war das darauf zurückzuführen, daß die Ölindustrie die
durch den Ausfall des iranischen Öls entstandene Lücke erfolgreich
schließen konnte. Das britische Volk spürte den Verlust nicht unmittelbar
und nahm daher Mossadeq nicht ernst. Er war ein gefundenes Fressen für die
Karikaturisten und wurde als »Old Mossy« mit Pyjama und eiserner
Bettstelle eine bekannte Witzblattfigur. (...) Sich mit Mossadeq um jeden Preis zu einigen, etwa
aus Furcht, es könne noch Schlimmeres eintreten und er von Kommunisten
ersetzt werden, wäre eine Politik der Verzweiflung gewesen. Mit ihr konnte
ich mich nicht abfinden. Außerdem glaubte ich nicht, daß der Iran nur die
Wahl zwischen Mossadeq und dem Kommunismus hätte. Diese Ansicht mußte der
amerikanischen Regierung gegenüber fest vertreten werden; ich mußte
versuchen, ihr meinen Standpunkt zu erläutern und mit ihr eine gemeinsame,
für uns tragfähige Grundlage zu finden. Ich war besorgt darüber, wie sehr
die amerikanische »Neutralitätspolitik« Mossadeq im Ölstreit geholfen
hatte. Die iranische Regierung behauptete öffentlich, daß sie die
Unterstützung der Vereinigten Staaten habe. Wenn man zuließ, daß diese
Strömung weiter anschwoll, dann würde sie alles hinwegschwemmen.
(...) In jedem Stadium fanden auch Beratungen zwischen
uns und der Ölgesellschaft statt. Der Regierung lag, wenn sie auch
Großaktionär war, in erster Linie an der Heiligkeit von Verträgen, während
die Gesellschaft auch die Interessen ihrer Aktionäre zu wahren hatte.
(...) Anfänglich hatten wir stark voneinander
abweichende Meinungen über die Zukunft des Irans. Mossadeq befand sich
noch in den Vereinigten Staaten, als wir mit unseren Diskussionen begannen
und der amerikanischen Regierung lag sehr daran, mit ihm, wenn irgend
möglich, zu einem Abkommen zu gelangen Die Amerikaner glaubten, sie hätten
seine Forderungen heruntergeschraubt. (...) Auf den jüngsten amerikanischen Vorschlag, der
sichtlich auf den Ausschluß britischer Techniker vom Iran und die Übergabe
sehr wertvollen britischen Besitzes hinauslief, konnten wir nicht
eingehen. Auch konnten wir uns nicht mit dem Prinzip der
entschädigungslosen Enteignung abfinden. Nach meiner Ansicht war kein
Abkommen besser als ein schlechtes. Die Amerikaner hatten noch eine andere Sorge: Ohne
ein Abkommen, meinten sie, könnten wir nicht verhindern, daß im Iran Öl
produziert und verkauft würde. Obwohl Mossadeq zur Zeit keine Mittel und
Möglichkeiten dazu hätte, könnte er doch eines Tages in der Lage sein,
erhebliche Mengen zu verkaufen. Ich sagte, ich glaube nicht daran, denn es
würde sich dann um gestohlenes Öl handeln, und um dessen Verkauf zu
verhindern, könnten wir uns auf eine Entscheidung des Haager Schiedshofs
berufen. (...) Als ich mir diese Frage näher vor Augen hielt,
ging mir um so mehr auf wie sehr uns die Uneinigkeit unserer beiden Länder
geschadet hatte. Ich sagte den amerikanischen Unterhändlern, daß
Mossadeq
während dieser
ganzen Geschichte die Vereinigten Staaten gegen Großbritannien ausgespielt
habe. Das müsse nun ein Ende haben Nach meiner Auffassung sei die
Beteiligung amerikanischer Interessen die einzige Möglichkeit.
(...) Ich war mir klar darüber, daß es noch viel
Rauferei geben würde, bis wir die Meinungen von Briten und Amerikanern auf
eine Linie brachten und die Iraner davon überzeugten, wo ihre wahren
Interessen lagen. Aber ich spürte doch, daß ein Anfang gemacht war, um die
»langen, trüben, an- und abschwellenden Fluten« vielleicht zum Halten zu
bringen. (...) Die im Februar in Lissabon stattfindende
NATO-Sitzung bot mir Gelegenheit zu einer weiteren zweckdienlichen
Unterredung mit Acheson. Inzwischen hatten sich unsere Standpunkte
einander mehr genähert. Auf ein Ersuchen der iranischen Regierung um
finanzielle Hilfe hatte die
amerikanische Regierung geantwortet, eine Hilfe könne erst gewährt werden,
wenn zwischen dem Iran und uns eine Verständigung erzielt sei. Das war
eine klare Sprache. Natürlich wurde uns damit auch die Verpflichtung
auferlegt, ein vernünftiges Angebot nicht abzulehnen. Ich konnte Acheson
versichern, daß uns so etwas nicht im Sinne liege, aber von seiten des
Trans sei noch kein Angebot irgendwelcher Art gemacht worden.
(...) Zu jener Zeit setzte ich Middleton, der unsere
Botschaft in Teheran betreute und seine gefährliche Aufgabe mit äußerster
Geschicklichkeit erfüllte, meine Ansichten ganz allgemein
auseinander: Wir sind jederzeit bereit, über ein Abkommen zu
verhandeln, aber zum Verhandeln gehören zwei Parteien, die dazu bereit
sind. Bisher hat die iranische Regierung sich nur theatralisch gebärdet.
Jede iranische Regierung, die den aufrichtigen Wunsch nach einer Regelung
hat, muß bereit sein, Tatsachen ins Auge zu sehen. Nachdem die Weltmärkte
nahezu ein Jahr lang ohne das iranische Öl ausgekommen sind, wird es
großer Anstrengung bedürfen, wesentliche Mengen iranischen Öls abzusetzen,
und es liegt in erster Linie an den Iranern selbst, Bedingungen zu
schaffen, die den Kauf iranischen Öls attraktiv machen. Was uns anbelangt,
so können die uns freundlich gesonnenen Iraner versichert sein, daß es uns
keine Freude macht, den Iran in der Klemme zu sehen, in die er sich selbst
hineingebracht hat. Und wenn der Iran ehrlich nach einem Ausweg sucht,
wird er bei uns nicht auf Übelwollen oder gar Rachsucht stoßen. Im
Gegenteil, wir haben stets gewünscht, daß unsere beiden Länder zum
beiderseitigen Vorteil aufrichtig zusammenarbeiten. Das ist nach wie vor
unser Ziel. Aber welche Andeutungen wir auch machten, sie
blieben alle wirkungslos. Unterredungen mit Mossadeq, ob er im Bett lag
oder nicht, gütliches oder scharfes Zureden, nichts brachte uns einen
Fingerbreit vorwärts. Im Juli jenes Jahres kam es zu einem munteren
Zwischenspiel Mossadeq hatte vom iranischen Parlament Vollmachten
verlangt, d dieses ihm nicht geben wollte. Außerdem verweigerte ihm der
Schah die von ihm geforderte restlose Kontrolle über die -
- Mossadeq trat zurück. Sein Nachfolger wurde
Qavam-ul-Mulk, e reicher und erfahrener Provinzgouverneur, der aber
nach einem Auf- stand in Teheran, bei dem die Kommunisten ihre Hand im
Spiel hat- ten und viele Menschen den Tod fanden, zurücktreten mußte. Der
Schah war nicht in der Lage, ihn zu halten. Fünf Tage später war Mossadeq
wieder im Amt, diesmal mit einem unterwürfigen Parlament. Was ihm zu Hilfe
kam, war die in denselben Tagen verkündete Entscheidung des Haager
Schiedshofs; sie galt als sein persönlicher Sieg Den größten Sieg jedoch
errang wahrscheinlich die Kommunistische Partei, und Mossadeq mußte bald
feststellen, daß die
Unruhestifter selbst an die Macht wollten. Es war nun nicht mehr logisch,
in Mossadeq eine Alternative zum Kommunismus zu 1 sehen.
(...) Ich machte folgenden Vorschlag: Wenn bei einem
Schiedsverfahren annehmbare Bedingungen herauskämen, sollte die
Anglo-Iranian Qil Company, sobald auf Grund des
Schiedsspruchs eine Einigung erzielt werde, Vorkehrungen für die
Verschiffung des Öls aus dem Iran treffen. Gleichzeitig müßten wir uns
darauf vorbereiten, einige der Beschränkungen, die wir dem Handel mit dem
Iran auferlegt hatten, zu lockern. Falls die Vereinigten Staaten den neuen
Versuch guthießen, müßten wir ihnen vorschlagen, ihn mit uns zusammen zu
unternehmen. Die Regierung genehmigte diesen Kurs, und ich
wandte mich dementsprechend an Washington. Die amerikanische Regierung war
nicht abgeneigt. Unter Bezugnahme auf meine Vorschläge forderte Churchill
Präsident Truman auf, gemeinsam an den iranischen Ministerpräsidenten
heranzutreten. Truman war einverstanden, und Ende August ging eine
Botschaft hinaus, die Einzelheiten über das von beiden Regierungen in
Aussicht genommene Vorgehen enthielten, von dem sie » aufrichtig
hofften, daß es Ihre Zustimmung findet und zu einer befriedigenden Lösung
führt«. Der Text der Vorschläge lautete: 1. Die Frage der im Zusammenhang mit der
Nationalisierung des Unternehmens der Anglo-Iranian Oil Company im
Iran zu leistenden Entschädigung wird dem Weltgerichtshof unterbreitet,
der unter Berücksichtigung des unmittelbar vor der Nationalisierung
bestehenden Rechtsverhältnisses zwischen den beiden Parteien und deren
Forderungen und Gegenforderungen entscheiden
soll. 2. Seitens der iranischen Regierung und der
Anglo-Iranian Oil Company werden geeignete Vertreter ernannt, die
über die für den Abfluß des iranischen Öls auf die Weltmärkte zu
treffenden Vorkehrungen verhandeln sollen. 3. Stimmt die iranische Regierung den in beiden
obigen Abschnitten dargelegten Vorschlägen zu, so wird folgendes in
Aussicht genommen: a. Die Vertreter der AIOC werden
bestrebt sein, für den Abtransport des im Iran bereits lagernden Öls Sorge
zu tragen, und sofern eine Verständigung über den Preis erzielt wird und
der Zustand der Ladeeinrichtung gen es erlaubt, werden die Ölmengen, die
verschifft werden können, in angemessener Weise bezahlt
werden. b. Ihrer Majestät Regierung wird die Beschränkungen
in bezug auf den Export nach dem Iran und auf das iranische
Sterling-Guthaben lockern. c. Die Regierung der Vereinigten Staaten wird
der iranischen Regierung zur Überwindung ihrer Budgetschwierigkeiten
sofort zehn Millionen Dollar gewähren. Die Churchill-Truman-Botschaft hatte auf ihren
Empfänger bedauerlicherweise keine Wirkung. (...) Noch Ende Oktober vertrat die amerikanische
Regierung Auffassungen über die politische Zukunft des Trans, die von den
unsrigen abwichen. Sie warf uns vor, wir hätten, soweit sie es beurteilen
könne, kein Interesse daran, Mossadeq im Amt zu halten. Dabei könne —nach
amerikanischer Ansicht und vom Standpunkt der Sicherheit für den Iran im
besonderen und für die Welt im allgemeinen betrachtet eine Ablösung
Mossadeqs nur einen Wandel zum Schlimmeren bedeuten. Man muß es Truman und
Acheson hoch anrechnen, daß sie trotz dieser feststehenden Ansicht und des
natürlichen Wunsches, im Wahljahr mit der Lösung dieses verzwickten und
heftig umstrittenen internationalen Problems voranzukommen, niemals einen
Schritt unternahmen, der unseren Interessen sehr geschadet hätte. Wenige
Tage vor seiner Abreise aus dem Iran hatte mir unser Geschäftsträger
berichtet: »Wenn aus den Köpfen. der Iraner die Vorstellung vertrieben
werden könnte, daß die Amerikaner gegen uns arbeiten und Mossadeq und die
Nationale Front unterstützen, so würde das der schwerste Schlag sein, den
man Mossadeq versetzen könnte. « Die von den beiden amerikanischen
Staatsmännern geübte Zurückhaltung ermöglichte fraglos das zwei Jahre
später herbeigeführte Abkommen. Anfang 1953 schien Mossadeqs Stellung sogar noch
stärker zu sein als im Juli 1952. Er hatte den Senat aufgelöst, den Schah
eingeschüchtert und dem Medschlis unbeschränkte Vollmacht abgerungen. Aber
sein Erfolg war diktatorischen Methoden zuzuschreiben, die selbst bei
einigen seiner stärksten Anhänger Opposition hervorriefen. Kaschani, der
Präsident des Parlaments und Führer der extremen Nationalisten gewesen
war, verband sich jetzt mit der konservativen Opposition. Mitte Februar
startete Mossadeq mit allen Organen seines Propagandaapparats einen
heftigen Angriff auf den Hof. Am 24. Februar, nach einer stürmischen
Unterredung, schien der Schah vor Mossadeqs Rücktrittsdrohung
zurückzuschrecken und erklärte sich bereit, das Land vorübergehend zu
verlassen. Kaschani hörte davon, und da er nicht bereit war, einen so
vollständigen Sieg Mossadeqs hinzunehmen, veranstaltete er am z8. Februar
royalistische Demonstrationen in Teheran. Der von pensionierten
Armeeoffizieren angeführte Mob jagte Mossadeq aus seinem Haus und zwang
ihn, im Pyjama das Weite zu suchen. Nur der Einsatz von Sicherheitstruppen
und Gegendemonstrationen der Kommunisten retteten den Ministerpräsidenten.
Anschließend wurden alle Kundgebungen verboten, und Truppen und Panzer
patrouillierten durch die Straßen der Hauptstadt, während der Schah im
Palast blieb. Mossadeq warf dem Hof einer Rundfunkrede Einmischung in die
Angelegenheiten des Volk vor und bezichtigte ihn, mit der Opposition und
der Presse gegen die Regierung konspiriert zu haben Der Hofminister des
Schahs gab hierauf sofort eine Erwiderung, und der Streit brodelte
weiter. In den Pausen zwischen diesen Tumulten setzten wir
unsere Bemühungen um eine Regelung der Ölfrage fort. Im Januar arbeiteten
wir in London zusammen mit amerikanischen Vertretern an gemeinsamen
Vorschlägen. An Churchill, der zu der Zeit zur Erholung auf Jamaika war,
sandte ich folgendes Telegramm: Nach ausgedehnten Verhandlungen haben wir
erreicht, was wir als befriedigende Vereinbarung mit den Amerikanern über
die Mossadeq zu unterbreitenden Vorschlage betrachten können Diese sind
vom Kabinett und von der Ölgesellschaft gebilligt worden und enthalten
keine unserm vorherigen Plan widersprechende Abweichungen. Wenn sie
angenommen werden, durften sie sowohl finanziell wie politisch dieses
langwierige und muhselige Geschäft hinlänglich zum Abschluß bringen.
Amerikaner schlagen vor, sie morgen Mossadeq vorzulegen. Niemand kann
natürlich voraussagen, wie er reagieren wird. Ich werde Sie auf dem
laufenden halten. (...) Dieses Vorschlagspaket wurde am i . Januar dem
iranischen Ministerpräsidenten überreicht. Es enthielt drei Elemente:
schiedsrichterliche Entscheidung über Forderungen und Gegenforderungen,
Eröffnung von Handelsbesprechungen, amerikanische Finanzhilfe für den
Iran.
(...) Inzwischen waren in Amerika die Republikaner an
die Regierung gekommen, die naturgemäß bestrebt waren, in der Sache neue
Schritte zu unternehmen. Andererseits war ich nicht bereit, von den
Prinzipien unserer so sorgfältig ausgearbeiteten Januar-Vorschläge
abzuweichen. Wenn wir auch alles taten, was wir konnten, um den
Vereinigten Staaten bezüglich der ihnen vorschwebenden Taktik
entgegenzukommen, so mußten wir doch am Wesentlichen festhalten. Das State
Department machte sich Sorgen über die möglichen wirtschaftlichen Folgen
des Nichtzustandekommens eines Abkommens mit dem Iran. Es befürchtete, daß
diese Folgen sogar noch gefährlicher sein würden als die Rückwirkungen
eines schlechten Abkommens. Ich teilte diese Auffassung nicht, und so
sandte ich unserm Botschafter in Washington folgendes
Telegramm: Selbst wenn iranisches Öl in immer stärkerem Maße auf
dem Weltmarkt auftreten sollte, so halten wir doch nach wie vor
entschieden an unserer Ansicht —
die auch die der AIOC ist — fest, daß man lieber dieses
Risiko auf sich nehmen, als ein schlechtes Abkommen treffen sollte, das
andere ölerzeugende Länder unruhig machen und sicherlich schwere
Rückwirkungen auf die Investierungen britischer und amerikanischer
Gesellschaften in der ganzen Welt haben würde. Das State Department macht
viel Wesens daraus, die Risiken, die im wesentlichen von der Ölindustrie
getragen werden, gegeneinander abzuwägen. Offenbar sind die amerikanischen
Ölgesellschaften nicht befragt worden. Daher sollten Sie obige
Beurteilung, zu der wir auf Grund äußerst sorgfältiger Überlegungen
gelangt sind, dem State Department unterbreiten und ihm, sofern Sie keine
Bedenken haben, vorschlagen, die Meinung amerikanischer Ölgesellschaften
einzuholen. Nach Hendersons letzter Unterredung mit Mossadeq
scheint kein Zweifel zu bestehen, daß dessen gegenwärtige Haltung, sofern
e wirklich meint, was er sagt, keinerlei Aussicht auf ein Abkomme bietet.
Sie läßt lediglich erkennen, wie notwendig es ist, bei Verhandlungen mit
Mossadeq fest zu bleiben und nicht auf jede seiner wechselnden Launen
einzugehen oder angesichts von Erpressungen prinzipielle Gesichtspunkte
aufzugeben... Die Amerikaner wünschten, die
Entschädigungszahlungen auf die Dauer von höchstens zwanzig Jahren zu
beschränken. Sie glaubten, dies würde dazu beitragen, die iranischen
Besorgnisse zu zerstreuen. Damit wie auch mit einer Reihe ihrer taktischen
Vorschläge war ich einverstanden. (...) Während meiner Krankheit konnte ich am Fortgang
dieser Angelegenheit wenig Anteil nehmen. Doch hörte ich, daß Mossadeqs
Autorität im Schwinden begriffen sei. Ende Juni war es ihm gelungen,
Kaschani, den Präsidenten des Medschlis, auszubooten. Dieser Sieg brachte
ihm allerdings die offene Feindschaft der Kammer ein. Der Druck, den
Mossadeq auf Presse und Rundfunk des Irans ausübte, die Auflösung des
Senats und die Einschüchterung des Hofs, das alles hatte dazu geführt, daß
das Medschlis der einzige Platz war, an dem Kritik an seiner Politik geübt
werden konnte. Ermutigt durch Präsident Eisenhowers öffentliche Erklärung,
von einer Hilfe abzusehen, meldete die Opposition Interpellationen gegen
die Regierung für den 14. Juli an. Mossadeq lehnte es ab zu erscheinen und
veranstaltete eine Volksabstimmung, bei der das iranische Volk zwischen
ihm und dem Medschlis wählen sollte. Da die Regierung durch keinerlei
Skrupel gehemmt war und sich der vollen Unterstützung der Kommunisten
erfreute, war die Mehrheit für Mossadeq gewaltig. Den »Ausdruck des
Volkswillens« hinter sich, forderte er am 14. August vom Schah die
Auflösung des Medschlis. Am Abend darauf wurde mittels eines
royalistischen Staatsstreiches versucht, General Zahedi zum
Ministerpräsidenten zu machen, aber schlechte Planung und Indiskretion
führten zum Fehlschlag, und der Schah mußte nach Bagdad
fliehen. Mossadeq löste nun in eigener Machtvollkommenheit
das Medschlis unmittelbar auf. Es wurden antimonarchistische
Demonstrationen organisiert, und der Armee wurde untersagt, für den Schah
zu beten. Da der Ministerpräsident nach wie vor nicht willens war, ganz
von den Kommunisten abhängig zu werden, befahl er am i 8. August der
Polizei, deren Demonstrationen aufzulösen. Mit jedem politischen Erfolg,
den die Regierung im Laufe des Jahres 1953 errang, schmälerte sie zugleich
ihre Basis. Die Kampagne gegen den Schah hatte die Armee verstimmt; mit
der Unterdrückung der Demonstration büßte Mossadeq die Unterstützung der
Kommunisten ein. Als es am 19. August wieder zu monarchistischen
Kundgebungen kam, standen die beiden Kräfte, die sie hätten niederschlagen
können, abseits. Am selben Abend mußten Mossadeq und seine Minister sich
verkriechen, während General Zahedi den Schah zu einem enthusiastischen
Empfang in Teheran zurückholen konnte. Die Nachricht von Mossadeqs Sturz erreichte mich,
als das Schiff, auf dem ich mit meiner Frau und meinem Sohn die
Erholungsfahrt durchs Mittelmeer machte, zwischen den griechischen Inseln
kreuzte. Ich habe in jener Nacht wunderbar
geschlafen. Anfang September trafen im Foreign Office Berichte
ein, denen zufolge das State Department mit den amerikanischen
Ölgesellschaften Besprechungen geführt hatte. Angeblich hatte das State
Department auf die Gründung einer rein amerikanischen Kompanie zwecks
käuflicher Übernahme der Anglo-Iranischen gedrängt. Doch habe die Idee bei
den amerikanischen Ölgesellschaften keinen Anklang gefunden. Mit Recht gab
das Foreign Office seinem Erstaunen Aus druck, daß das State Department
mit den Ölgesellschaften offenbart Pläne diskutiere, die im Widerspruch zu
den vereinbarten gemeinsamen Vorschlägen stünden. Wenige Tage später ließ
das Foreign Office ein ausführliches Memorandum folgen, das sich eng an
die gemeinsamen Vorschläge hielt. (...) So traten wir zwar mit wiederhergestellten
Beziehungen ins neue Jahr ein, aber die Regelung der Ölfrage stand immer
noch aus. Die Verhandlungen über Einzelheiten erfolgten in
drei Phasen: In der ersten betrafen sie die britische Regierung und die
Anglo-Iranian Oil Company, in der zweiten die Form von Konsortium,
die wir, wenn überhaupt, akzeptieren konnten, in der dritten die
wesentlichen Forderungen der Ölgesellschaft unter Einschluß der
Entschädigung. Ganz abgesehen von der Pflege der englisch-amerikanischen
Beziehungen, sprach sehr viel dafür, den großen amerikanischen
Ölgesellschaften einen Marktanteil am iranischen Öl zu geben. Sie hatten
weltweite Produktions- und Marktinteressen und die Möglichkeit, das
iranische Öl in ihre Programme mit einzubeziehen. Und dies war von dem
Augenblick an, in dem das iranische Öl wieder zu fließen begann,
unerläßlich. Ähnliches galt für die Royal
Dutch Shell, die zusammen
mit französischen Unternehmen an der Iraq Petroleum Company beteiligt war. Wir sahen es als wesentlich an, daß die AIOC den
weitaus größten Anteil an dem Konsortium, d. h. annähernd die Hälfte,
erhielt. Die andern Gesellschaften, darunter auch die Royal Dutch
Shell, die zu 40 Prozent britisch war, sollten ihren Anteil an dem
Konsortium käuflich erwerben. Die Vertreter des Konsortiums mußten dann mit der
iranischen Regierung ein Abkommen über Produktions- und Marktanteil
aushandeln, das in etwa den andern nahöstlichen Ölabkommen entsprach. Es
mußten Vereinbarungen darüber getroffen werden, in welcher Währung
Zahlungen an die Iraner zu leisten seien. Das waren die von uns mit Sir
William Fraser, dem Präsidenten der AIOC vereinbarten und von der
britischen Regierung gebilligten Verhandlungsgrundlagen. Sie wurden in
späteren Besprechungen nicht wesentlich abgeändert. Die zweite Phase bestritten die Ölgesellschaften,
wobei die britische und die amerikanische Regierung laufend informiert
wurden. Die Verhandlungen zwecks Bildung des Konsortiums waren natürlich
äußerst kompliziert. Es gab Meinungsverschiedenheiten über die
wahrscheinlichen finanziellen Ergebnisse der verschiedenen Pläne. Es mußte
darüber entschieden werden, wieviel die AIOC für die Abtretung eines Teils
ihrer Interessen am, persischen Öl von den andern Gesellschaften erhalten
sollte. Bedenkt man, welch verwickelte Gebilde die Ölgesellschaften sind,
so läßt sich nur sagen, daß sie diese Fragen unter sich mit
bemerkenswerter Schnelligkeit regelten. Die Firmen, die dem Konsortium
beitraten, erklärten sich einverstanden, zunächst 32 Millionen Pfund zu
zahlen und dazu eine Exportabgabe, die sich im Laufe von 20 Jahren auf
insgesamt 182 Millionen Pfund belaufen sollte. Die dritte Phase bildete das Verhandeln mit der
iranischen Regierung, der die Vereinigten Staaten inzwischen mit einer
Vorauszahlung in Höhe von 22 Millionen Dollar geholfen hatte. Es war
politisch notwendig, den Forderungen des Irans in bezug auf seine
Souveränität nachzukommen, während das Konsortium wiederum die von ihm als
wesentlich erachtete Bewegungsfreiheit erhalten mußte. Die Interessen des
Irans waren sorgfältig zu berücksichtigen. Die National Iranian Oil Company sollte außerhalb des dem Konsortium vorbehaltenen Gebietes
weiterarbeiten, aber auch innerhalb desselben tätig werden und in der
Leitung der Raffinerien vertrete sein. Die Immobilien im Bereich des
Konsortiums sollten Eigen der National Iranian Oil Company, aber
vom Konsortium für di Dauer des Abkommens frei benutzt und ausgewertet
werden. Die Interessen der Ölgesellschaften wurden ebenfalls aufs beste
gewahrt. Innerhalb ihres Gebiets erhielten sie genügend Einfluß auf die
mit Öl zusammenhängenden Operationen. Für den Fall
eines: Streites zwischen den beiden Parteien wurde ein
automatisch in Funktion tretendes, sorgfältig durchdachtes
Schlichtungssystem eingerichtet. Aber die beste Garantie für das
Konsortium war seine eigene Stärke sowie das böse Beispiel von Mossadeqs
Fehlschlag. Die letzte Hürde bildete die Frage der Entschädigung. Die
iranische Regierung erklärte sich schließlich bereit, der AIOC zur
Befriedigung aller Ansprüche 25 Millionen Pfund über zehn Jahre
verteilt zu zahlen Sie war auch einverstanden, alle Transaktionen in
Sterlingwährung. durchzuführen. In den Endstadien der Verhandlungen
spielte der Schah eine entscheidende Rolle; er verhinderte endlose
Verzögerun- gen bei der Ratifizierung, die das Abkommen hätten abwürgen
können. Ende Juli billigte die britische Regierung die
endgültigen Vorschläge,; die denn auch erheblich besser waren als das, was
wir drei Jahre vorher, als wir aus Abadan heraus waren und nur noch eine
schwache Hoffnung hatten, jemals wieder dorthin zurückzukehren, hätten
erwarten können. (..) Gekürzt aus: Eden, Anthony:
Memoiren 1945 – 1957. Köln 1960: 223 – 259. |