Ölproduktion und Ölpreis

„Der Ölpreis hält sich mit 33,30 $ für ein Barrel Brent nahe den historischen Hochs, die er nur in extremen Krisensituationen erreicht hat. Auch die anderen Rohstoffe weisen im historischen Vergleich sehr hohe Preise auf. ...

Beim Öl erscheinen die steigenden Preise in diesen Tagen plausibel. Man muss gar nicht zu denen zählen, die den Krieg der Regierung George W. Bush gegen Irak als Krieg um Ölreserven interpretieren. Auch der naive Beobachter, der die Verbreitung von Demokratie und den Kampf gegen den Terror als Motiv akzeptiert, wird angesichts der heftiger werdenden Kämpfe in Irak eher auf Versorgungsengpässe als auf zusätzlichen Ölnachschub spekulieren. ...

Die Vorbereitungen der USA auf den Krieg hatten den Preis kräftig nach oben getrieben. Die Invasion selbst brachte dann eher Erleichterung. Allerdings wurde auch unterstellt, dass der Krieg, wenn er denn einmal von den USA gewonnen worden sei, längerfristig zu einer Verbreiterung des Ölangebots durch höhere Exporte Iraks führen werde. Bisher aber ist der Export aus Irak extrem unzuverlässig - und die Aussichten sind eher trübe, dass sich die Ausfuhr auf höherem Niveau stabilisiert. Das sind wichtige Faktoren, die erklären, warum der Ölpreis heute höher ist als zu Kriegsbeginn.

Hinzu kommt die unsichere Lage in Venezuela. Wie in Irak sind auch dort die Produktion und der Export aus politischen Gründen stark zurückgefallen. Die von manchen unterstellte Erholung ist weitgehend ausgeblieben. Zudem erlebt der Ölmarkt eine Diskussion über die tatsächliche Höhe der Reserven auf dem Globus. Es begann damit, dass die als Inbegriff der Solidität geltende Ölfirma Royal Dutch/Shell die eigenen Ölreserven Ende vergangenen Jahres niedriger bewerten musste. Seitdem tobt eine Schlacht über die richtige Bewertung der wirtschaftlich ausbeutbaren Reserven der Ölfirmen. Merkwürdigerweise geht es dabei um Methoden der Bewertung, die von der US-Börsenaufsicht SEC durchgesetzt werden. Es sieht so aus, als sei die Behörde auf dem ihr eigentlich fremden Gebiet der Geologie weit rigoroser als etwa bei der Durchsetzung transparenter und aussagekräftiger Gewinnausweise. ...

Die Angebotsfaktoren sind alle wichtig. Aber sie erklären gerade nicht, warum die Rohstoffpreise durchweg so fest sind. Auch die Nachfrageseite lässt den Beobachter ratlos: Das Wirtschaftswachstum in den Industrieländern lag in den vergangenen drei Jahren unter dem historischen Durchschnitt, Europa und Japan stagnierten. Unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum passt einfach nicht zu einem Rohstoffboom. Wer soll denn all die Rohstoffe verbrauchen? ...“

aus: Financial Times Deutschland, 14.4.04