Allgemeine Arbeit

1. Allgemeine Arbeit als produktiv nutzbare und nützliche Wissenschaft
 
In der ersten Auflage des Kapitals, Band I. und allen früheren ökonomischen Schriften, benutzte Marx „allgemeine Arbeit“ noch ganz in der Bedeutung, was er ab der zweiten Auflage abstrakte Arbeitnannte (Vergleiche u.a. MEW 13, 17; MEW 13, 50; MEW 16, 246).
Im dritten Band des Kapitals, dessen Manuskript Karl Marx vor der 2. Auflage des ersten Bandes geschrieben hatte, sprach er von „
allgemeiner Arbeit“ in einer neuen Bedeutung. Unter der Überschrift Ökonomie durch Erfindungen heißt es im Kapitel Ökonomie in der Anwendung des konstanten Kapitals:

Ökonomie durch Erfindungen
Diese Ersparungen in Anwendung des fixen Kapitals sind wie gesagt das Resultat davon, dass die Arbeitsbedingungen auf großer Stufenleiter angewandt werden, kurz, dass sie dienen als Bedingungen unmittelbar gesellschaftlicher, vergesellschafteter Arbeit oder der unmittelbaren Kooperation innerhalb des Produktionsprozesses. Es ist dies einesteils die Bedingung, worunter allein die mechanischen und chemischen Erfindungen angewandt werden können, ohne den Preis der Ware zu verteuern, und dies ist immer die Bedingung, ohne die nichts geht.
Andernteils werden erst bei großer Stufenleiter der Produktion die Ökonomien möglich, die aus der gemeinschaftlichen produktiven Konsumtion hervorfließen.
Endlich aber entdeckt und zeigt erst die Erfahrung des kombinierten Arbeiters, wo und wie zu ökonomisieren, wie die bereits gemachten Entdeckungen am einfachsten auszuführen, welche praktischen Friktionen bei der Ausführung der Theorie – ihrer Anwendung auf den Produktionsprozess – zu überwinden sind usw.
Nebenbei bemerkt, ist zu unterscheiden zwischen allgemeiner Arbeit und gemeinschaftlicher Arbeit. Beide spielen im Produktionsprozess ihre Rolle, beide gehen ineinander über, aber beide unterscheiden sich auch. Allgemeine Arbeit ist alle wissenschaftliche Arbeit, alle Entdeckung, alle Erfindung. Sie ist bedingt teils durch Kooperation mit Lebenden, teils durch Benutzung der Arbeiten Früherer. Gemeinschaftliche Arbeit unterstellt die unmittelbare Kooperation der Individuen.
Das Obengesagte erhält neue Bestätigung durch das oft Beobachtete:
1. Den großen Unterschied der Kosten zwischen dem ersten Bau einer neuen Maschine und ihrer Reproduktion ...
2. Die viel größeren Kosten, womit überhaupt ein auf neuen Erfindungen beruhender Betrieb betrieben wird, verglichen mit den späteren, auf seinen Ruinen, seinen Überresten, aufsteigenden Unternehmen. Dies geht so weit, dass die ersten Unternehmer meist Bankrott machen und erst die späteren, in deren Hand Gebäude, Maschinerie etc. billiger kommen, florieren. Es ist daher meist die wertloseste und miserabelste Sorte von Geldkapitalisten, die aus allen neuen Entwicklungen der allgemeinen Arbeit des menschlichen Geistes und ihrer gesellschaftlichen Anwendung durch kombinierte Arbeit den größten Profit zieht.“  Karl Marx, Kapital III. MEW 25, 113f.

Allgemeine Arbeit“ ist also laut Marx eine Denkarbeit, die einerseits aus den vielen Einzelarbeiten und Einzelerfahrungen wissenschaftliche Verallgemeinerungen zieht und deren Ergebnis andererseits wieder gesellschaftlich anwendbar ist und die Produktionstätigkeit effektiver und ökonomischer macht.
Nur dann, wenn erfinderische und wissenschaftliche Arbeit für die gesellschaftliche Arbeit insgesamt einen Nutzen bringt, ist sie „allgemeine Arbeit“. Unpraktische Stubengelehrsamkeit kann keine „allgemeine Arbeit“ sein. Wissenschaft, die keinen „Gebrauchswert“, keinen Nutzen für die Gesellschaft liefert, ist verschwendete und müßige Zeit.

2) Lenin kannte nur vorkapitalistisch-handwerklich betriebene Wissenschaft und ein ungebildetes Proletariat.
Lenin rechnete anders als Marx die
Kopf-Lohnarbeiter nicht zum Proletariat . Gleichzeitig verstand Lenin die Wissenschaft ausschließlich als das Produkt von individuell, also handwerklich und vorindustriell arbeitenden Gelehrten, wenn er schrieb:
„Der Träger der Wissenschaft ist aber nicht das Proletariat, sondern die bürgerliche Intelligenz; in einzelnen Mitgliedern dieser Schicht ist denn auch der moderne Sozialismus entstanden und durch sie erst geistig hervorragenden Proletariern mitgeteilt worden, die ihn dann in den Klassenkampf des Proletariats hineintragen, wo die Verhältnisse es gestatten.
Das sozialistische Bewusstsein ist also etwas in den Klassenkampf des Proletariats von außen Hineingetragenes, nicht etwas aus ihm urwüchsig Entstandenes.“ (Lenin, Was tun? in LW 5, 394f.)
Auf diesem vorindustriellen Wissenschaftsbegriff und einem nur für rückständige Verhältnisse zutreffenden Begriff vom Proletariat als Handarbeiterklasse, ruht der falsche Anspruch aller leninistischen Parteien, die „Verkörperung von Wahrheit und Wissenschaft“ sowie der „Kopf des Proletariats“ zu sein.

3) Staats- und Parteiideologen als „allgemeine Arbeiter“?:
In der DDR wurde der Begriff „allgemeine Arbeit“ (u.a. von Laitko und Rubens) aufgegriffen, „als es der wissenschaftlichen Intelligenz (der DDR) darum gehen musste, eine eigenständige Legitimität zu gewinnen“ (Historisch-Kritisches Wörterbuch des Marxismus, I, 135f).
Diese DDR-Ideologen  wollten  jede Denkarbeit, auch die der Staats- und Parteiideologen als „
allgemeine Arbeit“ adeln, egal, ob sie irgendeinen gesellschaftlichen oder ökonomischen Nutzen brachte oder nicht.
Wal Buchenberg, 21.6.2001, überarbeitet am 10.2.03.

VergleicheÂ&xnbsp;den Artikel

Â&xnbsp; Wissenschaft .


DISKUSSIONSFORUM

Wo es dem Verständnis dient, habe ich veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenangaben  modernisiert. Alle diese und die kommentierenden Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Wal Buchenberg, neu bearbeitet am 12.2.2003.