Kapitalexport

 

1. Quelle des Kapitalexports ist die Ausbeutung in den Metropolen

„Herr Fawcett ... sagt: ‚Der in England jährlich akkumulierte Gesamt-reichtum wird in zwei Teile geteilt. Ein Teil wird in England zur Erhaltung unserer eigenen Industrie verwandt. Ein anderer Teil wird in andere Länder exportiert... Der in unserer Industrie angewandte Teil bildet keine bedeutende Portion des jährlich in diesem Land akkumulierten Reichtums.‘

Der größere Teil des jährlich zuwachsenden Mehrprodukts, dem englischen Arbeiter ohne Gegenwert weggenommen, wird also nicht in England, sondern in fremden Ländern verkapitalisiert.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 638f.

 

2. Warum wird Kapital exportiert?

Die Investitionsrichtung – ob im eigenen Land oder im Ausland investiert wird – hängt teils davon ab, wo die Kapitalanlage profitabler ist, und teils davon, wo die Anlage ausreichend sicher ist vor Raub, Enteignung, Betrug und sonstigen Konkurrenz­nach­teilen.

 

 

2.1. Überakkumulation im eigenen Land

Es entwickelt sich der „... Fall, dass mehr Kapital akkumuliert ist, als in der (heimischen) Produktion unterzubringen, z. B. in der Form von Geld, das brach bei Bankiers liegt. Daher das Ausleihen ins Ausland etc., kurz die Investierungsspekulation.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 485.

 

2.2. Steigerung der Profitrate
durch Verbilligung des konstanten und variablen Kapitals

„Durch seine ganz falsche Auffassung der Profitrate missversteht Ricardo völlig den Einfluss des Außenhandels, wenn er nicht direkt die Lebensmittel der Lohnarbeiter erniedrigt. Er sieht nicht, von welcher enormen Wichtigkeit für England z. B. das Beschaffen billigeren Rohmaterials für die Industrie ist, und dass in diesem Fall, wie ich früher gezeigt habe, obgleich die Preise sinken, die Profitrate steigt ...“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 440.

„Soweit der auswärtige Handel teils die Elemente des konstanten Kapitals, teils die notwendigen Lebensmittel, worin das variable Kapital sich umsetzt, verbilligt, wirkt er steigernd auf die Profitrate, indem er die Rate des Mehrwerts hebt und den Wert des konstanten Kapitals senkt.“ K. Marx, Kapital III, MEW 26, 247.

 

 

2.3. Ausdehnung des Marktes und Produktion auf großer Stufenleiter

„Ebenso ist die Ausdehnung des auswärtigen Handels, obgleich in der Kindheit der kapitalistischen Produktionsweise deren Basis, in ihrem Fortschritt, durch die innere Notwendigkeit dieser Produktionsweise, durch ihr Bedürfnis nach stets ausgedehnterem Markt, ihre eigenes Produkt geworden. ... (Ricardo hat diese Seite des auswärtigen Handels ganz übersehen.)“ K. Marx, Kapital III, MEW 26, 247.

Kapitalexport wirkt überhaupt steigernd auf die Profitrate, indem er erlaubt, die Stufenleiter der Produktion zu erweitern. Damit beschleunigt er einerseits die Akkumulation, andererseits aber auch das Sinken des variablen Kapitals gegen das konstante und damit den Fall den Profitrate.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 247.

„Die Engländer müssen z. B. ihr eigenes Kapital ins Ausland verleihen, um sich einen Markt zu schaffen.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 119.

 

 

2.4. Ausgleich der nationalen Profitraten zu einer weltweit höheren Rate

„Eine andere Frage – die in ihrer Spezialität eigentlich jenseits der Grenze unserer Untersuchung liegt – ist die: Wird die allgemeine Profitrate erhöht durch die höhere Profitrate, die das im auswärtigen Handel und namentlich im Kolonialhandel angelegte Kapital macht?

Kapitale, im auswärtigen Handel angelegt, können eine höhere Profitrate abwerfen, weil hier erstens mit Waren konkurriert wird, die von anderen Ländern mit minderen Produktionsleichtigkeiten produziert werden, so dass das fortgeschrittene Land seine Waren über ihrem Wert verkauft, obgleich billiger als die Konkurrenzländer. Sofern die Arbeit des fortgeschritteneren Landes hier als Arbeit von höherem spezifischen Gewicht verwertet wird, steigt die Profitrate, indem die Arbeit, die nicht als qualitativ höhere bezahlt, als solche verkauft wird. Dasselbe Verhältnis kann stattfinden gegen das Land, wohin Waren gesandt und woraus Waren bezogen werden; dass dies nämlich mehr vergegen-ständliche Arbeit in natura gibt, als es erhält. und dass es doch hierbei die Ware billiger erhält, als es sie selbst produzieren könnte.

Ganz wie der Fabrikant, der eine neue Erfindung vor ihrer Verallgemei-nerung benutzt, billiger verkauft als seine Konkurrenten und dennoch über dem individuellen Wert seiner Ware verkauft, d. h. die spezifisch höhere Produktivkraft der von ihm angewandten Arbeit als Mehrarbeit verwertet. Er realisiert so einen Extraprofit.

Was andererseits die in Kolonien etc. angelegten Kapitale betrifft, so können sie höhere Profitraten abwerfen, weil dort überhaupt wegen der niedrigen Entwicklung die Profitrate höher steht, und ebenfalls, bei Anwendung von Sklaven und Kulis etc. die Ausbeutung der Arbeit.

Warum nun die höheren Profitraten, die in gewissen Zweigen angelegten Kapitale so abwerfen und nach der Heimat abführen, hier, wenn sonst nicht Monopole im Wege stehen, nicht in die Ausgleichung der allgemeinen Profitrate eingehen und daher diese insgesamt erhöhen sollen, ist nicht einzusehen. Es ist dies vor allem nicht einzusehen, wenn jene Zweige der Kapitalanwendung unter den Gesetzen der freien Konkurrenz stehen. ...

Das begünstigte Land erhält mehr Arbeit zurück im Austausch für weniger Arbeit, obgleich diese Differenz, dies Mehr, wie beim Aus-tausch zwischen Arbeit und Kapital überhaupt, von einer gewissen Klasse eingesackt wird. Soweit also die Profitrate höher ist, weil sie überhaupt höher in dem Kolonialland, mag dies bei günstigen Natur-bedingungen desselben mit niederen Warenpreisen Hand in Hand gehen.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 247f.

 

„Ebenso im Kolonialhandel, wo .... der Wert der Arbeitskraft niedriger steht als im Mutterland ... Sind die Kapitalien des Mutterlandes beliebig übertragbar in die neue Branche, so werden sie zwar den spezifischen Extraprofit in diesem Zweig senken, aber das Gesamtniveau des Profits heben.... Die Durchschnittsprofitrate ist bestimmt durch das Verhältnis der unbezahlten Arbeit zur bezahlten und zum vorgeschossenen Kapital nicht in diesem oder jenem Zweig, sondern in allen Branchen, wohin das Kapital frei übertragen werden kann.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 438.

 

 

3. „Arbeitsplätze im Inland statt Kapitalexport“?

Wer „Arbeitsplätze im Inland statt Kapitalexport“ fordert, will zwar das Kapital, aber nicht den Profit. Er will das kleine Kapital, aber keine weltweiten Konzerne – hilflose und illusionäre Forderungen.

„Reynolds’ Newspaper“ vom 20.1.1867: „In diesem Augenblick, während englische Arbeiter mit Weib und Kind an Kälte und Hunger sterben, werden Millionen von englischem Geld, dem Produkt englischer Arbeit, in russischen, spanischen, italienischen und anderen fremden Anleihen angelegt.“ Zit. n. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 697f. Anm. 136.

„Aber mit dem so exportierten ... Kapital wird ja auch ein Teil der ... Arbeitsplätze exportiert.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 639.

 

„Wird Kapital ins Ausland geschickt, so geschieht es nicht, weil es absolut nicht im Inland beschäftigt werden könnte. Es geschieht, weil es zu höherer Profitrate im Ausland beschäftigt werden kann. Dies Kapital ist aber absolut überschüssiges Kapital für die beschäftigte Arbeiter-bevölkerung und für das gegebene Land überhaupt. Es existiert als überschüssiges Kapital neben der relativ überschüssigen (= arbeits-losen) Bevölkerung, und dies ist ein Beispiel, wie die beiden neben-einander existieren und sich wechselseitig bedingen.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 266.

 

Siehe den Artikel:

Weltmarkt

 

 

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Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.