Nationale Befreiung 1. Auswärtige
Eroberer, nicht die eigene Bourgeoisie, sind bis zur
nationalen Befreiung der Hauptfeind „Solange ein lebensfähiges Volk von einem auswärtigen Eroberer gefesselt ist, wendet es alle seine Kraft, alle seine Anstrengungen, alle seine Energien notwendig gegen den äußeren Feind; solange bleibt also sein inneres Leben paralysiert, solange bleibt es unfähig, für die soziale Emanzipation zu arbeiten.“ K. Marx, Über Polen, MEW 18, 574. „Jeder polnischer Bauer und Arbeiter, der ... zur Teilnahme an allge-meinen Interessen aufwacht, stößt zuerst auf die Tatsache der nationalen Unterjochung (durch Russland und Preußen), sie tritt ihm überall als erstes Hindernis in den Weg. Sie zu beseitigen ist Grundbedingung jeder gesunden und freien Entwicklung. Polnische Sozialisten, die nicht die Befreiung des Landes an die Spitze ihres Programms setzen, kommen mir vor wie deutsche Sozialisten, die nicht zunächst die Abschaffung des Sozialistengesetzes, Press-, Vereins-, Versammlungsfreiheit fordern wollten. Um kämpfen zu können, muss man zuerst einen Boden haben, Luft, Licht und Ellenbogenraum. Sonst bleibt alles Geschwätz.“ F. Engels, Brief an Kautsky (1882), MEW 35, 270. „Wenn die Bewegung in Italien wirklich national ist, werden unsere Leute dabei sein, ohne dass sie dazu aufgerufen werden brauchen, und unsere Teilnahme an einer solchen Bewegung versteht sich von selbst. Dann aber muss man sich darüber im Klaren sein, und wir müssen es offen verkünden, dass wir als unabhängige Partei teilnehmen, für den Augenblick mit den Radikalen und Republikanern verbündet, aber völlig von ihnen unterschieden; dass sich noch am Tage des Sieges unsere Wege trennen ...“ F. Engels, Italienische Revolution, MEW 22, 442. „Es ist für ein großes Volk geschichtlich unmöglich, irgendwelche innere Fragen auch nur ernsthaft zu diskutieren, solange die nationale Unabhängigkeit fehlt.“ F. Engels, Brief an Kautsky (1882), MEW 35, 269. 2. Nationale
Selbständigkeit ist die Grundlage der internationalen
Emanzipation der Lohnarbeiter „Keinesfalls haben wir die Aufgabe, die Polen unter russischer und preußischer Fremdherrschaft, von Anstrengungen abzuhalten, sich die Lebensbedingungen ihrer Fortentwicklung zu erkämpfen, oder ihnen einzureden, die nationale Unabhängigkeit sei vom internationalen Standpunkt eine sehr untergeordnete Sache, wo sie vielmehr Grundlage alles internationalen Zusammenwirkens ist.“ F. Engels, Brief an Kautsky (1882), MEW 35, 270. „Eine internationale
Bewegung des Proletariats ist überhaupt nur möglich zwischen selbständigen
Nationen. Das bisschen republika-nischer Internationalismus von 1830/48
gruppierte sich um Frankreich, das Europa befreien sollte, steigerte also
den französischen Chauvinismus in einer Art, dass der weltbefreiende Beruf
Frankreichs und damit sein Geburtsrecht, an der Spitze zu stehen, uns noch
alle Tage zwischen die Beine läuft ... Auch in der Internationale war das
so ziemlich selbstverständliche Ansicht der Franzosen. Erst die Ereignisse
mussten ihnen – und auch manchen anderen – beibringen und müssen es noch
täglich, dass internationales Zusammenwirken nur unter Gleichen möglich
ist ...“ F. Engels, Brief an
Kautsky (1882), MEW 35, 270. Ähnlich wie das revolutionäre Frankreich im 19. Jahrhundert wollten die Sowjets im 20. Jahrhundert ihr System ganz Europa, vielleicht der ganzen Welt aufzwingen und verstanden internationales Zusammenwirken nur als Unterordnung unter ihre nationalen Interessen. „Ein Volk, das andere
unterdrückt, kann sich nicht selbst emanzipieren. Die Macht, deren es zur
Unterdrückung der anderen bedarf, wendet sich schließlich immer gegen es
selbst ...“ F. Engels, Eine
polnische Proklamation, MEW 18, 527. Das gilt auch für die Rechtlosigkeit, in der Immigranten in Deutschland und Europa heute gehalten werden. Sie werden nicht als Neubürger willkommen geheißen, sondern als Menschen dritter Klasse behandelt. „Ein aufrichtiges
internationales Zusammenwirken der europäischen Nationen ist nur möglich,
wenn jede dieser Nationen im eigenen Haus vollkommen autonom ist.“
F.
Engels, Vorwort von 1892 zum „Kommunis-tischen Manifest“, MEW 4, 588 und
ebenso MEW 22, 283. Das gilt auch gegenüber der Europäischen Union. Überall, wo Volksabstimmungen zum europäischen Einigungsprozess stattfanden, stimmte die Mehrheit der Bevölkerung nicht gegen Europa, aber gegen die Bevormundung Europas durch die „Achsenmächte“ Paris-Berlin. „Wenn daher die Krisen
(in England und auf dem Weltmarkt) zuerst auf dem
(rückständigen) Kontinent Revolutionen erzeugen, so ist der Grund
derselben stets in England gelegt. In den Extremitäten des bürgerlichen
Körpers muss es natürlich eher zu gewaltsamen Ausbrüchen kommen, als in
seinem Herzen, da hier die Möglichkeit der Ausgleichung größer ist als
dort. Andererseits ist der Grad, worin die (rückständigen) kontinentalen Revolutionen auf England zurückwirken, zugleich der Thermometer, an dem es sich zeigt, inwieweit diese Revolutionen wirklich die bürgerlichen Lebensverhältnisse in Frage stellen ...“ K. Marx, Klassenkämpfe in Frankreich, MEW 7, 97. „Polen (unter
russischer und preußischer Fremdherrschaft) ist (von
Nichtpolen) daher nicht in Polen, sondern in England (d. h. der
kapitalistischen Metropole) zu befreien.“ K. Marx, Über Polen,
MEW 4, 416f. „Überhaupt kann eine kommunistische Bewegung nie vom Lande, sondern immer nur von den Städten ausgehen.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 338. „In dem Maße, wie die
Ausbeutung des einen Individuums durch das andere aufgehoben wird,
wird die Ausbeutung einer Nation durch die andere aufgehoben.“
K. Marx,
Kommunistisches Manifest, MEW 4, 479. 3. Nationale
Befreiungsbewegungen schließen auch Bürgerliche
ein „Wir alle haben ja
ursprünglich, soweit wir erst durch Liberalismus oder Radikalismus
durchgegangen sind, diese Sympathien für alle ‚unterdrückten‘
Nationalitäten mit herübergenommen, und ich weiß, wie viel Zeit und
Studium es mich gekostet hat, sie, dann aber auch gründlich, loszuwerden.
... Wir haben an der
Befreiung des westeuropäischen Proletariats mitzuarbeiten und diesem Ziel
alles andere unterzuordnen. Und wären die Balkanslawen etc. noch so
interessant, sobald ihr Befreiungsdrang mit dem Interesse des Proletariats
kollidiert, so können sie mir gestohlen werden. Die Elsässer sind auch
unterdrückt (von Bismarck-Deutschland), und es soll mich freuen,
wenn wir sie wieder los sind. Wenn sie aber am Vorabend einer sichtbar
heranziehenden Revolution einen Krieg zwischen Frankreich und Deutschland
provozieren, diese beiden Völker wieder verhetzen und die Revolution
dadurch vertagen wollten, so sage ich: Halt da! Ihr könnt ebenso viel
Geduld haben wie das europäische
Proletariat. ... Ebenso mit den
(Balkan-)Slawen... Um der paar Herzegowiner willen einen Weltkrieg entflammen, der 1000-mal mehr Menschen kostet, als in der ganzen Herzegowina wohnen – das ist nicht meine Ansicht von der Politik des Proletariats.“ F. Engels, Brief an Bernstein (1882), MEW 35, 278ff. „Seit 1848 ist die
Taktik, die den Sozialisten am häufigsten Erfolge gebracht hat, die des
‚Kommunistischen Manifests‘: ‚Die Kommunisten unterscheiden sich von den
übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, dass einerseits sie in den
verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der
Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben
und zur Geltung bringen, andererseits dadurch, dass sie in den
verschiedenen Entwick-lungsstufen, welche der Kampf zwischen Proletariat
und Bourgeoisie durchläuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung
vertreten. Die Kommunisten sind
also praktisch der entschiedenste, immer weiter treibende Teil der
Arbeiterparteien aller Länder; ... Sie kämpfen für die Erreichung der
unmittelbar vorliegenden Zwecke und Interessen der Arbeiterklasse, aber
sie vertreten in der gegenwärtigen Bewegung zugleich die Zukunft der
Bewegung.‘ – ... Ihr Platz ist in den
Reihen der Kämpfer für jeden unmittelbaren Erfolg, der im Interesse der
Arbeiterklasse zu erzielen ist ... Darum betrachten sie jede revolutionäre
oder progressive Bewegung als einen Schritt vorwärts auf ihrem eigenen
Wege ... Wenden wir all das auf
Italien an (das damals noch für seine nationale Einigung und für die
bürgerliche Demokratie kämpfte). Der Sieg des in
Auflösung begriffenen Kleinbürgertums und der Bauern wird ... uns das
allgemeine Wahlrecht und eine erheblich größere Bewegungsfreiheit (Press-,
Versammlungs-, Koalitionsfreiheit, ... etc.) verschaffen – neue, nicht zu
verachtende Waffen. Oder es kommt zur
Gründung der bürgerlichen Republik ... Das würde unsere Freiheit und unser
Aktionsfeld noch weit mehr ausdehnen, zumindest für den Augenblick. Und
die bürgerliche Republik, hat Marx gesagt, ist die politische Form, worin
der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie allein seine Lösung finden
kann. Ganz zu schweigen von der Rückwirkung, die das in Europa
hervorriefe. Der Sieg der jetzigen
revolutionären Bewegung kann uns also nur stärker machen und uns
günstigere Verhältnisse schaffen. Wir würden somit den allergrößten Fehler
begehen, wollten wir da nicht mitmachen und unser Verhalten zu den
anderen Parteien auf eine rein negative Kritik beschränken
... Wenn ... die Bewegung
wirklich national ist, werden unsere Leute dabei sein, ohne dass sie dazu
aufgerufen werden brauchen, und unsere Teilnahme an einer solchen Bewegung
versteht sich von selbst. Dann aber muss man
sich darüber im Klaren sein, und wir müssen es offen verkünden, dass wir
als unabhängige Partei teilnehmen, für den Augenblick mit den
Radikalen und Republikanern verbündet, aber völlig von ihnen
unterschieden; dass wir uns im Falle eines Sieges keine Illusionen über
das Resultat des Kampfes machen; dass ein solches Resultat, weit entfernt,
uns zu befriedigen, für uns nur eine gewonnene Etappe ... sein wird; dass
sich noch am Tage des Sieges unsere Wege trennen; dass wir von diesem Tage
an der neuen Regierung gegenüber die neue Opposition bilden werden, keine
reaktionäre, sondern eine fortschrittliche Opposition, eine Opposition der
äußersten Linken, die zu neuen Eroberungen vorstoßen wird, über das
gewonnene Terrain hinaus. Nach dem gemeinsamen Siege bietet man uns vielleicht einige Sitze in der neuen Regierung an – aber immer so, dass wir in der Minderheit sind. Das ist die größte Gefahr.“ F. Engels, Italienische Revolution, MEW 22, 440ff. „Meiner Ansicht nach können wir sehr gut für die unterdrückten Fellachen (in Ägypten) auftreten, ohne deren momentane Illusionen ... zu teilen, und gegen die Brutalitäten der Engländer (die Kolonialmacht) auftreten ...“ F. Engels, Brief an Bernstein (1882), MEW 35, 349. „Die Arbeiter wissen sehr wohl, dass die Bourgeoisie nicht nur politisch ihnen breitere Konzessionen machen muss als die absolute Monarchie, sondern dass sie im Dienst ihres Handels und ihrer Industrie wider ihren Willen die Bedingungen zur Vereinigung der Arbeiterklasse hervorruft, und die Vereinigung der Arbeiter ist das erste Erfordernis ihres Siegs. Die Arbeiter wissen, dass die Abschaffung der bürgerlichen Eigen-tumsverhältnisse nicht herbeigeführt wird durch Erhaltung der feudalen. Sie wissen, dass durch die revolutionäre Bewegung der Bourgeoisie gegen die feudalen Stände und die absolute Monarchie ihre eigene revolutionäre Bewegung nur beschleunigt werden kann. Sie wissen, dass ihr eigener Kampf gegen die Bourgeoisie erst anbrechen kann an dem Tag, wo die Bourgeoisie gesiegt hat. Trotz alledem teilen sie die bürgerlichen Illusionen ... nicht. Sie können und müssen die bürger-liche Revolution als eine Bedingung der Arbeiterrevolution mitnehmen. Sie können sie aber keinen Augenblick als ihren Endzweck betrachten.“ K. Marx, Moralisierende Kritik, MEW 4, 352. Siehe auch die Artikel: |
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Zur
Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete
Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum
Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als
Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder
auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er
selbst hingewiesen: „Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund
Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff. |