Zirkulationsarbeiter

 

1. Zirkulationsarbeiter sind Teil des produktiven Gesamtarbeiters

Im zentralen Abschnitt des „Kapitals“, Band I, in denen Karl Marx die Besonderheiten der produktiven Lohnarbeit im modernen Kapitalismus erläuterte, heißt es unmissver­ständlich: Nur der Arbeiter ist produktiv, der Mehrwert für den Kapi­talisten produziert oder zur Selbstverwertung des Kapitals dient.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 532.

Dass die Handels- und Bankkapitalisten zur Kapitalistenklasse zählen, das haben Marxisten nie bezweifelt. Seltsamerweise stritten sie sich und streiten sich immer noch darüber, ob die Lohnarbeiter dieser Handels- und Bankkapitalisten zur Arbeiterklasse zählen oder nicht.

Marx stellte zwar fest, dass diese Zirkulationsarbeiter ein anderes Verhältnis zur Mehrwertproduktion haben als die Produk-tionsarbeiter, ließ aber nie einen Zweifel daran, dass die Zirkulationsarbeit im Handel und bei den Banken zur Vergrößerung des kapitalistischen Profits beiträgt, dass ihre Arbeit also für das gesellschaftliche Kapital wie für die Einzelkapitalisten, für die sie arbeiten, produktiv ist.

 

Die Zirkulationskosten als solche, d. h. die durch die Operation des Austauschs und durch eine Reihe von Austauschoperationen verursachte Konsumtion von Arbeitszeit oder ... Werten, sind ... Abzug entweder von der auf die Produktion verwandten Zeit, oder von den durch die Produktion gesetzten Werten. Sie können nie den Wert vermehren. Sie gehören zu den toten Kosten der ... auf dem Kapital beruhenden Produktion. ... Insofern das Kaufmannsgeschäft und noch mehr das eigentliche Geldgeschäft diese toten Kosten vermindern, fügen sie der Produktion zu, nicht dadurch, dass sie Wert schaffen, sondern die Negation der geschaffenen Werte vermindern. ...

Be­fähigen sie die Produzenten mehr Werte zu schaffen, als sie ohne diese Teilung der Arbeit könnten, und zwar so viel mehr, dass ein Mehr bleibt nach Bezahlung dieser Funktion, so haben sie faktisch die Produktion vermehrt. Die Werte sind dann aber vermehrt, nicht weil die Zirkulationsoperationen Wert geschaffen, sondern weil sie weniger Wert absorbiert haben, als sie im anderen Fall getan hätten. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 526f.

 

Der kommerzielle Arbeiter produziert nicht direkt Mehrwert. Aber der Preis seiner Arbeit ist durch den Wert seiner Arbeitskraft, also deren Produktions­kosten, bestimmt, während die Ausübung dieser Arbeits-kraft, als eine Anspan­nung, Kraftäußerung und Abnutzung, wie bei jedem anderen Lohnarbeiter, kei­neswegs durch den Wert seiner Arbeitskraft begrenzt ist. Sein Lohn steht daher in keinem notwendigen Verhältnis zu der Masse des Profits, die er dem Kapita­listen realisieren hilft. Was er dem Kapitalisten kostet, und was er ihm einbringt, sind verschiedene Größen. Er bringt ihm ein, nicht indem er direkt Mehrwert schafft, aber indem er die Kosten der Realisierung des Mehrwerts vermindern hilft, soweit er, zum Teil unbezahlte, Arbeit verrichtet.K. Marx, Kapital III, MEW 25, 311.

 

„Im Übrigen muss angenommen werden, dass mit der Teilung zwischen kaufmännischem und industriellem Kapital Zentralisation der Handelskosten und daher Verringerung derselben verbunden ist.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 303.

 

„Sofern die Zirkulationsarbeit zur Abkürzung der Zirkulationszeit beiträgt, kann sie indirekt den vom industriellen Kapitalisten produzierten Mehrwert vermehren helfen. Soweit sie den Markt ausdehnen hilft und die Teilung der Arbeit zwischen den Kapitalisten vermittelt, also das gesellschaftliche Kapital befähigt, auf größerer Stufenleiter zu arbeiten, befördert ihre Funktion die Produktivität des industriellen Kapitals und dessen Akkumulation.

Soweit sie die Umlaufszeit abkürzt, erhöht sie das Verhältnis des Mehrwerts zum vorgeschossenen Kapital, also die Profitrate.

Soweit sie einen geringeren Teil des Kapitals als Geldkapital in die Zirkulationssphäre einbannt, vermehrt sie den direkt in der Produktion angewandten Teil des Kapitals.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 291.

 

„... Dass Ursachen den Profit erhöhen oder erniedrigen, überhaupt beeinflussen können, wenn der Mehrwert gegeben ist, übersieht Ricardo.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 378.

Und wie Ricardo übersahen das die meisten Marxisten.

Man muss daher festhalten: Zirkulationsarbeiter im Handel, bei Banken und Versicherungen leisten wie Produktionsarbeiter unbezahlte Mehrarbeit, werden also vom Kapital ausgebeutet. Produktionsarbeiter vermehren das Kapital, indem sie für die Kapitalisten Mehrwert produzieren. Zirkulationsarbeiter vermehren das (gesellschaftliche) Kapital, nicht indem sie direkt Mehrwert produzieren, aber indem sie durch ihre unbezahlte Mehrarbeit den notwendigen Kreislauf des gesellschaftlichen Kapitals verbilligen, beschleunigen und abkürzen und sie den gesellschaftlichen Profit vergrößern.

Nach diesen Kriterien gehören rund 77 % der Erwerbsbevölkerung in Deutschland zur produktiven Lohnarbeiterklasse.

 

2. Besonderheiten der Zirkulationsarbeiter

2.1. Zirkulationsarbeit ist meist höher qualifizierte Arbeit

„Der eigentlich kaufmännische Arbeiter (= Angestellte) gehört zu der besser bezahlten Klasse von Lohnarbeitern, zu denen, deren Arbeit geschickte Arbeit ist, die über der Durchschnittsarbeit steht.

Indes hat der Lohn die Tendenz zu fallen, selbst im Verhältnis zur Durchschnittsarbeit, im Fortschritt der kapitalistischen Produktions-weise. Teils durch Teilung der Arbeit innerhalb des Kontors; ... Zweitens, weil die Vorbildung, Handels- und Sprachkenntnisse usw. mit dem Fortschritt der Wissenschaft und Volksbildung immer rascher, leichter, allgemeiner, billiger reproduziert werden, ...

Die Verallgemeinerung des Volksunterrichts erlaubt, diese Sorte aus Klassen zu rekrutieren, die früher davon ausgeschlossen, an schlechtere Lebensweise gewöhnt waren. Dazu vermehrt sie den Zudrang und damit die Konkurrenz.

Mit einigen Ausnahmen entwertet sich daher im Fortgang der kapitalistischen Produktion die Arbeitskraft dieser Leute; ihr Lohn sinkt, während ihre Arbeitsfähigkeit zunimmt.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 311f.

 

2.2. Die Zahl der Zirkulationsarbeiter

wird vom Kapital möglichst vermindert

„Das industrielle Kapital verhält sich ... nicht in derselben Weise zu seinen kommerziellen wie zu seinen produktiven Lohnarbeitern. Je mehr von diesen letzteren bei sonst gleich bleibenden Umständen angewandt werden, um so massenhafter die Produktion, umso größer der Mehrwert oder Profit. Umgekehrt dagegen (bei seinen kaufmännischen Arbeitern). ...

Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Arbeit, die nur in den vermittelnden Opera-tionen besteht, welche teils mit der Berechnung der Werte, teils mit ihrer Realisierung, teils mit der Wiederverwandlung des realisierten Geldes in Produktionsmittel verbunden sind, deren Umfang also von der Größe der produzierten und zu realisierenden Werte abhängt, dass eine solche Arbeit nicht als Ursache, wie die direkt produktive Arbeit, sondern als Folge der jeweiligen Größen und Massen dieser Werte wirkt.

Um viel zu messen, zu wiegen, zu verpacken, zu transportieren, muss viel da sein; die Menge der Pack- und Transportarbeit etc. hängt ab von der Masse der Waren, die Objekte ihrer Tätigkeit sind, nicht umgekehrt.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 310f.

„Der Kapitalist vermehrt die Zahl der kaufmännischen Arbeiter, wenn mehr Wert und Profit zu realisieren ist. Die Zunahme dieser Arbeit ist stets Wirkung, nie Ursache der Vermehrung des Mehrwerts.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 312.

 

Siehe auch die Artikel:

Bankkapital

Handelskapital

Ökonomisierung der Produktionsmittel

Profit und Mehrwert

Umschlag des Kapitals

Zirkulationsarbeit und Zirkulationskosten

 

 

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Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.