Was ist Rechts und was ist Links? Es gibt den
treffenden Spruch: „Links ist dort, wo der Daumen rechts ist!“
Treffend ist der Spruch deshalb, weil links und rechts
Begriffe sind, die sich nur gegenseitig erklären. Man kann über
rechts nichts inhaltlich Genaueres sagen, dass es „Nicht-links“
ist, und über links kann man nichts Genaueres sagen, als dass es
„Nicht-rechts“ ist. Sind Links und Rechts also ganz
beliebig? Braucht man diese Unterscheidung nicht? Keine Gesellschaft
schafft sich sprachliche Begriffe, die unnötig sind. Wir haben im einen
Land Rechts-Verkehr und Vorfahrt Rechts-vor-Links und in anderen Ländern
Linksverkehr. Ohne diese Unterscheidung gäbe es noch größeres Chaos auf
unseren Straßen. Solche Beispiele zeigen auch, dass es nicht subjektiv
und beliebig sein kann, was rechts und links ist.
In der Politik
wird jedoch von vielen Leuten das Definitionsrecht für Rechts und
Links auf ihren eigenen, subjektiven Standpunkt bezogen. Mit
Rechts oder Links wird dann nicht mehr ein politischer Ort
sachlich beschrieben, sondern nur polemisch ein fremder Standpunkt
verurteilt. Links und Rechts sind in der politischen Debatte
zu Schimpfwörtern ohne klaren sprachlichen Gehalt degeneriert, genau wie
„faschistisch“ oder „rassistisch“. Zählt sich zum Beispiel jemand zur
politischen Mitte, so weist er empört alle linken Vorwürfe zurück, er sei
ein Rechter. Ist z.B. Lafontaine ein Rechter und warum? Was ist mit den
Grünen? Sind es Linke, Ehemals-Linke oder was sonst? Was ist mit unseren
„antideutschen“ Israelfans? Sind es Linke, weil sie für den „Kommunismus“
eintreten (sie verraten allerdings nicht, was sie darunter verstehen) oder
sind sie Rechte, weil sie militärische Aggressionen und die staatliche
Expansion von Israel und den USA befürworten?
Der politische
Diskurs in Deutschland ist so verwildert, dass über so einfache Fragen
keine Einigung mehr möglich ist. Wenn aber schon die einfache Frage, was
Links und was Rechts ist, unlösbar scheint, welche Fragen sind dann noch
lösbar? In welcher Sprache soll man noch einen politischen Diskurs führen,
wenn jeder Versuch zur sachlichen Bestandsaufnahme sofort zur
gegenseitigen Verurteilung missrät?
Es gibt einen eindeutigen
Maßstab für Rechts und Links Historisch kommt der Begriff
„politische Linke“ und „politische Rechte“ „aus dem Französischen der
Restaurationszeit (die der französischen Revolution folgte) ..., wo
in den Kammern die Oppositionspartei ihre Sitze zur Linken des Präsidenten
wählte.“ (Deutsches Wörterbuch von J. u. W. Grimm, Bd. 12., 1885, 1047.) Es ist also
nicht mehr als ein Zufall, dass die politische Linke „Links“ heißt und
nicht „Rechts“. Kein Zufall ist jedoch, dass der einzige
Orientierungspunkt für Links und Rechts in der bestehenden Regierungsmacht
liegt. In der politischen Landschaft sind „Links“ und „Rechts“ auf die
jeweilige Regierung bezogen und sie bekommen nur von dort ihren
Maßstab.
„Politisch links“ heißt nichts mehr und nichts weniger
als: „Links von der bestehenden Regierung“. „Politisch rechts“ heißt
nichts mehr und nichts weniger als: „Rechts von der bestehenden
Regierung“. Die politische Mitte ist die jeweilige Regierung. Es
gibt nur diesen Maßstab, aber dieser Maßstab reicht im politischen Diskurs
völlig aus.
Wer politisch mit der Regierung an der Macht
übereinstimmt und die Politik der Regierung verteidigt, der und nur der
zählt zur politischen Mitte. Wer die Regierung an der Macht kritisiert,
weil ihre Politik nicht streng genug sei oder/und nicht genug im Einklang
mit den Interessen der Reichen, der und nur der zählt zur politischen
Rechten. Wer die Regierung an der Macht kritisiert, weil ihre Politik
zu streng sei oder/und zu sehr im Interesse der Reichen, der zählt zur
politischen Linken. Nur mit diesem politischen Kompass ordnet sich
die politische Landschaft.
Da die Machtverhältnisse im nationalen
Maßstab andere sind als im internationalen Maßstab, so kann es vorkommen,
dass nationale Rechte mit ihrer Kritik an der Kriegs- und Hegemoniepolitik
der USA im internationalen Rahmen linke Positionen einnehmen, während
nationale Linke wie die „Antideutschen“ in der internationalen Politik mit
ihrem Schulterschluss mit den USA zur internationalen Mitte, und falls sie
israelische Aggressionen verteidigen, sogar zur internationalen Rechten
zählen. Wie man Menschen nicht nach dem beurteilt, was sie selber über
sich denken, so kann man politische Positionen nicht danach beurteilen,
wie sie sich selber in der politischen Landschaft orten
wollen.
Im übrigen ist
der politische Raum wie der physikalische Raum nicht zweidimensional,
sondern mindestens dreidimensional. Neben den Unterschieden von Rechts und
Links, spielen in Politik und Gesellschaft die Unterschiede von Oben
(Staatsmacht) und Unten (Volk) eine bedeutsame Rolle. In allen großen
Konflikten wird die Unterscheidung von Oben und Unten mächtiger und
wirksamer als der Unterschied von Rechts und Links, denn „Revolutionen
werden nicht von einer Partei gemacht, sondern vom ganzen
Volk.“ (Karl Marx, MEW 34, 514.) Darauf wäre vielleicht ein
andermal einzugehen. Wal Buchenberg, 30.11.2002. |