Zum Wahlergebnis der Linken

 

Nach jeder Wahl zählen linke Parteien die Stimmreste, die für sie am Wahltag abgefallen sind und sprechen sich selber Mut zu. Aber sie trauen sich nicht offen zu sagen, was sich ihnen zu denken aufdrängt: Dass sich "der Wähler" wieder einmal falsch verhalten hat, dass sie als linke Partei aber dennoch auf dem richtigen Weg sind.

 

Jede linke Partei sucht dann nach Wahrheitskrümeln, die ihr das Wahldesaster erträglicher macht: Die WASG kann darauf verweisen, dass andere linke Parteien noch schlechter abschneiden. Die DKP, dass ein Wahlbündnis, an dem sie beteiligt war, in diesem oder jenem Wahlkreis auf 10 Prozent oder mehr kam. Die MLPD, dass sie mal 0,3 statt wie üblich 0,1 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielt usw. usf.

 

Ich bin kein Hegelianer, aber die Fragestellungen Hegels sind manchmal ganz pfiffig. Gehen wir mal mit Hegel mal davon aus, dass die deutsche Wirklichkeit ganz vernünftig und der deutsche Wähler listig ist. Behaupten wir mit Hegel (spaßeshalber oder nicht): Indem unsere Wähler die Linken NICHT wählen, tun sie ihnen einen Gefallen.

 

Unser Grundgesetz behauptet zwar, dass "das Volk" der Souverän sei und in der Politik das Sagen habe. Tatsächlich waren aber die Macher des Grundgesetzes überzeugte Antideutsche, die dem deutschen Volk misstrauten bis in die Knochen. Wer in unserem Staat außer den hauptamtlichen Entscheidungsträgern was zu sagen hat, das sind allein die Parteien. Die gesamte "politische Klasse" wird bis auf geringe Ausnahme von Parteimitgliedern gestellt. Kaum ein öffentliches Amt wird ohne Blick auf das Parteibuch vergeben, sämtliche politischen Institutionen sind von Parteimitgliedern beherrscht, die Parlamente sowieso.

 

Wenn spätere Historiker unsere Zeit analysieren, müssen sie denken, dass es bei uns einen Amtsadel, ein politisches Patriziat gegeben habe. Die Eintrittsvoraussetzung aber in dieses politische Patriziat der Bundesrepublik ist die aktive Mitarbeit in einer politischen Partei.

 

Laut Datenreport des Statistischen Bundesamtes sind in der BRD derzeit 1,7 Millionen Mitglieder in einer Partei. 1,7 Millionen Parteimitglieder sind 2,4 Prozent der über 15jährigen Bevölkerung in Deutschland.

Rund 20 Prozent aller Parteimitglieder sind in ihrer Partei wirklich aktiv. Das macht 340.000 Parteiaktivisten. Diese 340.000 sind die Anwärter für das politische Patriziat der Bundesrepublik.

 

Was wird für spätere Historiker das Kriterium der Zugehörigkeit zum bundesdeutschen Amtsadel sein? Ein politisches Mandat, die Teilhabe am staatlichen Repräsentations- und Amtssystem. Von diesen patrizischen Mandaten gibt es auf kommunaler Ebene gut 300.000.

Als solch ein Ratsherr auf kommunaler Ebene zählt man zum niederen Politadel in Deutschland, der neben seiner Ratsherrentätigkeit noch einer Erwerbsarbeit nachgehen muss. Zu diesen 300.000 niederen Sinekuren kommen die gutbezahlten Posten für den politischen Hochadel, rund 2600 Positionen in Landtagen, dem Bundestag und dem Europaparlament. Die Parteiaktiven sind mehr oder minder identisch mit unserer Politaristokratie.

 

Immer weniger Leute wählen diese Politaristokraten. Immer weniger Leute und vor allem immer weniger junge Leute wollen zu diesem Amtsadel gehören. Immer weniger Parteimitglieder reißen sich für ihre Patrizier in Amt und Würden ein Bein aus. Übrig in den Parteien bleiben Ältere, höhere Angestellte und Beamte.

 

Das ist der langfristige politische Trend in der Bundesrepublik, worin sich tiefe Unzufriedenheit mit den Verhältnissen äußert.

Etwa die Hälfte der Bevölkerung gibt an, von den Parteien enttäuscht zu sein. Beinahe drei Viertel der Befragten sind davon überzeugt, dass wichtige Entscheidungen durch Spenden an Parteien erkauft wurden. Mehr als die Hälfte der Befragten in Ost und West geben an, dass den Politikern jedes Mittel recht sei, um sich an der Macht zu halten. Das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber Parteien und Politikern ist weit verbreitet.

 

Trotzdem sagen unsere linken Parteien: Wählt uns!, werdet bei uns Mitglied! Werdet bei uns aktiv! Wir machen alles besser!

Das zu glauben, widerspricht jeder Vernunft, nicht nur der Hegelschen. Muss man den Wählern daraus einen Vorwurf machen, dass sie den Linksparteien ihre unglaubwürdige Propaganda nicht abkaufen?

 

Nehmen wir mal an, die derzeit rund 10 Prozent politisch Unzufriedenen in der Bundesrepublik, die einen grundlegenden Wandel wollen, - immerhin gut 8 Millionen Leute -, wären der Meinung: diese eine linke Partei (oder meinetwegen alle linken Parteien, die wir haben) -  die finden wir gut! Die wollen wir unterstützen!

Kommen diese Unzufriedenen ihrem Ziel eines grundlegenden Wandels dadurch näher, wenn sie diese Partei(en) wählen? Mit Hegel muss man sagen: Keineswegs!

 

Denken wir uns eine linke Bilderbuchpartei mit 30.000 strammen Mitgliedern. Wir haben aber gut 300.000 Mandatsstellen in der Bundesrepublik, die durch Wahl vergeben werden. Angenommen, unsere Wunschpartei erreicht überall die 5%-Hürde, dann stellt sie 5% dieser Mandate, macht 15.000. Man kann leicht vorhersagen, was dann passiert. Die politische Entwicklung der Grünen, bei denen ich auch mal Mitglied war, ist noch in schlimmer Erinnerung.

 

Eine linke Partei mit 30.000 Mitgliedern müsste vom Wahltermin an 15.000 ihrer aktivsten und besten Parteimitglieder für Staatsaufgaben abstellen, damit sie sich um Straßennamen, Gullydeckel oder die Finanzgeschäfte des Oberstadtdirektors kümmern können.

 

Rund ein Drittel der Parteienfinanzierung käme dann vom Staat, ein weiteres Drittel von den Mandatsträgern der Partei. Unsere Bilderbuchpartei würde zwangsläufig verbürgerlicht und verstaatlicht. Den Regierenden ist es das wert und sie lassen es sich was kosten: Für Parteien, Fraktionen und die Inlandsarbeit der Partei-Stiftungen werden aus "Staatsknete" jährlich rund 500 Millionen Euro ausgegeben.

 

Wer verhindern will, dass linke Parteiorganisationen mit dem Staat verwachsen, der wird sie besser nicht wählen. Das ist jedenfalls das Fazit von Hegels listiger Vernunft. Eine linke Partei, die gewählt wird, wird sich selber gründlicher verändern als die Verhältnisse. Wer wählt, verändert die Partei, die er wählt, nicht die Verhältnisse.

 

Wal Buchenberg

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