Gekündigter Bäckermeister
Vor dem
Arbeitsgericht sind erschienen ein lohnabhängiger Bäckermeister mit
Rechtsanwalt als Kläger und der Besitzer der Bäckerei mit Rechtsanwältin
als Beklagter.
Dem Bäckermeister war nach 18 Jahren
Betriebszugehörigkeit wegen stagnierender Umsatzzahlen betriebsbedingt
gekündigt worden, obwohl in dem Betrieb noch ein zweiter Bäckermeister
beschäftigt ist, für den nach den gesetzlichen Kriterien eine Kündigung
eher zumutbar wäre.
Der Firmenchef, ein dicklicher Mann um die
Fünfzig, macht einen geistig etwas behinderten Eindruck und spricht
während der Verhandlung kein einziges Wort. Dafür legt sich seine junge
Rechtsanwältin um so mehr ins Zeug: Zwar gebe es diese Sozialkriterien,
aber ein Unternehmer habe auch einen Ermessungsspielraum. Der Betrieb
könne sich nicht zwei Meister leisten. Was für den gekündigten Meister
besonders negativ ins Gewicht falle, sei seine mangelnde Loyalität. So
habe er in diesem Jahr „auf seinem Recht beharrt“ und den Urlaub in der
geplanten Zeit genommen, obwohl sein Chef ihn gebeten habe, den Urlaub zu
verschieben.
Der Rechtsanwalt des Klägers fragt dagegen: Wie könne
man einem Mitarbeiter Illoyalität vorwerfen, der jahrelang den Betrieb wie
seinen eigenen Betrieb geführt habe, weil der Inhaber wegen einer
Alkoholerkrankung nicht arbeitsfähig war? Im übrigen hatte auch der
Meisterkollege in derselben Zeit Urlaub genommen und es sind in der
Urlaubszeit keine Engpässe aufgetreten.
Außerdem könne man nicht sagen,
dass es dem Bäckerbetrieb schlecht gehe. Zur Zeit sei sogar eine
Urlaubssperre verhängt, weil der Arbeitsanfall so hoch ist.
Die
Rechtsanwältin droht: Wenn der Gekündigte mit seiner
Wiedereinstellungsklage durchkommt, dann kann er wieder anfangen zu
arbeiten, dann würden eben beide Meister betriebsbedingt gekündigt. Daran
könne dann kein Arbeitsgericht rütteln!
Der Richter fragt nach
Vergleichsmöglichkeiten.
Der Bäckermeister hat ein Monatsgehalt von
6100.- DM brutto, hatte in dem Betrieb seine Bäckerlehre absolviert und
war nach seiner Lehre im Jahr 1984 als Geselle übernommen worden. Nach dem
üblichen Satz von einem halben Monatslohn pro Jahr Betriebszugehörigkeit
könne er eine Abfindung von knapp 55.000 DM oder 27.500 Euro
erwarten.
Die Rechtsanwältin meint dazu: Ihre Schmerzgrenze läge bei
5000.- Euro. Im übrigen würden sie eine Wiederbeschäftigung nicht
ausschließen.
Der Richter schlägt eine Abfindung von 6500.- Euro vor.
Damit ist der gekündigte Bäckermeister einverstanden, wenn der Zeitpunkt
seines Ausscheidens statt zum 28.02. um einen Monat auf den 31.3.2002
verschoben wird. Die Kündigung ist auch nachweislich erst am 1.August
eingegangen, und nicht am 31. Juli, wie die Rechtsanwältin
behauptet.
Die
Rechtsanwältin will sich nicht auf den geringsten Abschlag von ihrer
„Schmerzgrenze“ einlassen. Der alkoholkranke Inhaber schweigt zu allem.
Das Profitinteresse, das die Rechtsanwältin antreibt, kann unmöglich in
dem vom Saufen ruinierten Bäckereibesitzer verkörpert sein.
Wal
Buchenberg, 25.11.2002. |