Arbeitsgerichtsverfahren

Einige besonders empörende Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht wurden in letzter Zeit öffentlich diskutiert:

- Kündigung von Betriebsräten (TNT, Obi, Acciona Airport Services, IBM u.a.)
- Kündigung von politisch aktiven Kollegen (Ulrich Schirmer, Metin Serefoglu, Jens Fertsch u.v.a.)
- „Bagatellkündigungen“ (Pfandscheinkündigung, Maultaschenkündigung, Frikadellenkündigung etc.)
- Arbeitsgerichtsverfahren, um angekündigte Streiks zu verbieten (Lokführer, Lufthansa-Piloten)
- Arbeitsgerichtsverfahren, um gewerkschaftliche Tätigkeit zu verbieten (FAU in Berlin)
Siehe dazu das Archiv von Labournet:

Solche bekannt gewordenen Fälle sind nur die sichtbare Spitze eines mächtigen juristischen Schutzdammes gegen den Klassenkampf.

Im Jahr 2008 wurden 454.892 neue Fälle vor die Arbeitsgerichte gebracht. Jedes Jahr werden rund 500.000 Einzelkonflikte zwischen Lohnarbeit und Kapital verhandelt.

Seit die anfallende Gerichtskosten für Arbeitsgerichtsverfahren erhöht und die „Bagatellverfahren“ unter 614 Euro abgeschafft wurden und der Kündigungsschutz verschlechtert wurde, ist die Zahl der jährlichen Arbeitsgerichtsverfahren in Deutschland um gut 100.000 Fälle zurückgegangen.

Siehe die folgende Grafik:

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Arbeitsgerichte sind das sichtbare und greifbare Eingeständnis, dass die Lebensinteressen der Lohnarbeiter und die Profitinteressen der Kapitalisten gegensätzlich und unvereinbar sind.
Arbeitsgerichte schaffen die grundlegenden Konflikte zwischen Lohnarbeitern und Kapitalisten nicht aus der Welt, aber sie ziehen beiden Kontrahenten eine Grenze, wo weiterer vereinzelter Widerstand sinnlos oder kriminell wird.
In der Regel ist die arbeitsrichterliche Grenzziehung für Lohnarbeiter schmerzhaft. In der großen Mehrzahl der Fälle wird ihnen "im Namen des Volkes" verkündet, dass sie klein beigeben müssen.

Arbeitsgerichte arbeiten rechtlich in aller Öffentlichkeit. Jeder kann als Besucher in seiner Stadt an Arbeitsgerichtsverfahren beiwohnen. Was wann wo verhandelt wird, steht am Terminbrett des Arbeitsgerichts in jeder Stadt.
Dennoch dringt von den allermeisten Verfahren nichts an die Öffentlichkeit. Wo immer ich mich als Beobachter in den Gerichtssaal setzte, war ich der einzige Unbeteiligte.
Siehe meine Arbeitsgerichtsreports

Ich kann jedem jungen Linken den Besuch im Arbeitsgericht empfehlen. Es sind kostenlose Lehrstunden über den alltäglichen kapitalistischen Terror.
Wer will, kann seine Beobachtungen im Arbeitsgericht hier im Karl-Marx-Diskussionsforum oder auch bei Labournet publizieren.

Wal Buchenberg, 25. Mai 2010