Mobilität der Lohnarbeiter

1. Mit den technischen Bedingungen der Produktion und mit der Fluktuation des Kapitals auf der Suche nach profitableren Anlagen wird auch die Lohnarbeit zwischen Tätigkeiten, Unternehmen und Branchen ständig umgewälzt.
Die Fluktuation des Kapitals zwischen Unternehmen und Branchen ist u.a. ablesbar in den Löschungen und Neueintragungen des Handelsregisters. Die durchschnittliche „Lebenszeit“ der Unternehmen wird immer kürzer.

„Insgesamt wurden 1999 in den Gewerbe- und Handelsregistern 722.000 Betriebe eingetragen (Vorjahr: 715.000).
Auf der anderen Seite stehen 591.000 Löschungen, so dass sich ein Saldo von 131.000 Eintragungen ergibt. (Vorjahr: 129.200), von denen aber 35.000 nicht wirtschaftsaktive Gründungen abzuziehen sind." LitDokAB 2000, a-518.

1.1 Interne Mobilität innerhalb der Unternehmen:
,,35 % aller (früheren) Erwerbstätigen steigen im Laufe ihres Berufslebens auf, Männer mit 45 % erheblich öfter als Frauen (25 %). 14 % müssen einen Abstieg in Kauf nehmen. 29 % bleiben gleich, und 22 % wechseln in einen anderen sozialversicherungsrechtlichen Status." (Daten für Österreich) LitDokAB 2000, b-822.

1.2 Externe Mobilität zwischen den Unternehmen und Branchen:
„Kein Unternehmen der Welt kann seinen Beschäftigten heute noch einen lebenslangen Arbeitsplatz garantieren." LitDokAB 2000, a-181.

„Die Personalpolitik der Betriebe wandelt sich. Die externe Mobilität gewinnt zu Lasten der betriebsinternen Flexibilität an Gewicht. Der Personalumschlag ist beachtlich. Die Einstellungen und Entlassungen sind selbst bei miserabler Beschäftigungslage enorm.
Personalzu- und -abgänge gehen einher mit Selektionsprozessen, Verjüngung der Belegschaft und teils geringerer Entlohnung in den Einstiegstarifen.
Zugleich sind personalpolitische Strategien zu erkennen, die zu einer Ausweitung der peripheren Belegschaften führen.“ LitDokAB 1998/99 b-559.

1.3.1 Regionale Mobilität der Lohnarbeit in einem Land (Pendeln oder Umzug) nimmt zu:
„Für Niedersachsen wurden Veränderungen beim Berufspendeln zwischen 1987 und 1998 untersucht. Hierbei zeigte sich, dass die durchschnittliche Pendeldistanz um 10 % auf 10,7 km angestiegen ist." LitDokAB 2000, b-441.

„Es wird gezeigt, dass im Zeitraum 1980 bis 1995 die regionale Mobilität auf allen untersuchten Regionalebenen sowohl bei Männern als auch bei Frauen gestiegen ist. Die höchste regionale Mobilität weisen Personen mit Fachhochschul- und Hochschulabschluss auf. In der Kategorie "Alter" sind die 25- bis 34-jährigen die mobilsten. ...
Das Mobilitätsverhalten zeigt insgesamt eine deutliche Konjunkturabhängigkeit: Bei einem konjunkturellen Einbruch geht die regionale Mobilität unmittelbar zurück, bei einem Aufschwung nimmt sie -leicht verzögert - wieder zu." LitDokAB 2000, a-545.

1.3.2 Zur landesweiten Mobilität kommt die länderübergreifende Mobilität in der EU hinzu:
„Die bisherigen historischen Erfahrungen der EU zeigen, dass die EU- Personenfreizügigkeit zu keinen starken Wanderungsbewegungen führte. ... Weniger als 2 % der EU-Bevölkerung leben als EU-Ausländer in einem anderen EU- Land als dem eigenen Heimatland." LitDokAB 2000, a-564.

2. Die technischen und personellen Umwälzungen machen die Lohnarbeit unsicherer und mobiler. Waren Arbeitslosigkeit und Arbeitswechsel für älterer Lohnarbeiter noch ein Ausnahmeschicksal, so sind sie heute zur Alltagserfahrung der Lohnarbeit geworden. Die Verweildauer der Lohnarbeiter in einem Unternehmen wird kürzer. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit erreicht nur noch gut 3 Jahre.
„Von den Geburtsjahrgänge 1916-1920 wurden zwischen 5 % und 20 % im Laufe ihres Berufslebens mindestens einmal arbeitslos.“ LitDokAB 3. Ergänzg 93 1-276.

„1990 wurden im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt rund 31 % aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse erneuert...
Die durchschnittliche Dauer eines Beschäftigungsverhältnisses sank auf ... 3,2 Jahre...
Die verbreitete These, dass es vor allem die weniger Qualifizierten sind, die von der ... Fluktuation betroffen sind, lässt sich nicht bestätigen. Zwar sind die Beschäftigungsverhältnisse hochqualifizierter Arbeitnehmer deutlich stabiler, doch hat sich im Beobachtungszeitraum die Fluktuation bei hochqualifizierten Berufen ebenso stark erhöht wie bei weniger qualifizierten." LitDokAB Sonderheft 5 (1994) 1-1250.

1988 hatten knapp 53 % der österreichischen Lohnarbeiter mindestens einmal in ihrem Arbeitsleben den Arbeitgeber gewechselt. LitDokAB-Sonderheft 5 (1994) 1-1220.
„In Österreich stieg die externe Mobilität von 15 % 1982 auf 22 % (1996)." LitDokAB 2000, b-822.

„Im Jahr 1995 suchten in Deutschland mehr als 5,3 Millionen Personen eine neue Tätigkeit.“ LitDokAB 99/2000-1, a-482.

,,30 % der befragten Arbeitnehmer geben an, in den letzten fünf Jahren mindestens einmal vier Wochen oder länger arbeitslos gewesen zu sein. ...Im Ländervergleich am niedrigsten war das Eintreten der Arbeitslosigkeit während eines Fünfjahreszeitraums mit Raten von unter 20 % in den Niederlanden, Österreich und Italien. Am anderen Ende des Spektrums finden sich Griechenland und Spanien: Dort waren in den letzten fünf Jahren rund 50 % aller Arbeitnehmer mindestens einmal arbeitslos.
Die Langzeitarbeitslosigkeit hat zugenommen. ...Mehr als die Hälfte der Personen, die in den letzten fünf Jahren in der EU von Arbeitslosigkeit betroffen waren, blieb insgesamt über ein Jahr arbeitslos, rund ein Drittel zwei Jahre oder länger. Fast jeder zweite von Arbeitslosigkeit Betroffene war in den letzten fünf Jahren mehr als einmal arbeitslos." LitDokAB 2000, a-597.

3. Die im Kapitalismus erzwungene Mobilität der Lohnarbeit bereitet den ständigen Wechsel der Arbeit in einer selbstbestimmten Arbeitswelt ohne Lohnarbeit vor:
„Wenn die Stabilität von Beschäftigung abnimmt und gleichzeitig hohe Anforderungen an die Mobilität gestellt werden, wenn sich weiterhin die Arbeitsaufgaben häufig verändern, dann lassen sich aus der Erwerbsarbeit immer weniger identitätsstiftende Faktoren ableiten.“ LitDokAB 99/2000-1, a-342.

„Erstens ist die kapitalistische Produktion an und für sich gleichgültig gegen den bestimmten Gebrauchswert, überhaupt gegen die Besonderheiten der Ware, die sie produziert. In jeder Produktionssphäre kommt es ihr nur darauf an, Mehrwert zu produzieren...
Und es liegt ebenso in der Natur der dem Kapital unterworfenen Lohnarbeit, dass sie gleichgültig ist gegen den spezifischen Charakter ihrer Arbeit, sich nach den Bedürfnissen des Kapitals umwandeln und sich von einer Produktionssphäre in die andere werfen lassen muss.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 205.

Marx über Arbeitswechsel

Soweit nicht anders vermerkt stammen Daten und Zitate aus: Literaturdokumentation zur Arbeitsmarkt und Berufsforschung, Hrsg. von der Bundesanstalt für Arbeit, div. Jhrg.