Kapital I.: 214-225

Wie wird aus Geld mehr Geld? Wie also verwertet sich das Kapital oder wie entsteht der Mehrwert? Das ist alles die selbe, alles entscheidende Frage.
Marx nimmt zunächst eine Beispielrechnung:
Ein Teil des Wertes besteht aus dem Wert des verbrauchten Rohmaterials, ein Teil des Wertes besteht aus dem Wert der verbrauchten Arbeitsmittel und ein Teil des Wertes besteht aus dem Wert der Arbeitskraft.
Alle diese Waren hatte der Kapitalist zu einem Preise gekauft, der ihrem Warenwert entsprach.
Falls der Wert der Arbeitskraft dem Gegenwert von vier Stunden gesellschaftlich durchschnittlicher Arbeitszeit entspricht, und der Kapitalist seinen Arbeiter nur vier Stunden arbeiten lässt, dann ist das vorgeschossene Kapital nicht größer als das nach vier Stunden neu geschaffene Kapital – nur mit dem Unterschied, dass vorher dieser Wert auf die Bildungselemente der Produktion – Rohmaterial, Arbeitsmittel und Arbeitskraft – verteilt war, und nun sich vereint hat in dem neugeschaffenen Arbeitsprodukt der vierstündigen Arbeit.
Der Wert der Arbeitskraft und ihr Gebrauchswert sind aber verschiedene Dinge. Der Wert der Arbeitskraft entspricht nach der obigen Annahme dem Gegenwert von vier Stunden Arbeit. Eine Warenmenge, die in vier Stunden geschaffen wird, reicht also aus, um die Arbeitskraft für einen Tag zu erhalten.

Der Besitzer der Arbeitskraft ist aber keineswegs gehindert, länger als vier Stunden am Tag zu arbeiten, das heißt den Gebrauchswert seiner Arbeitskraft zu betätigen. Der Kapitalist hat also die Arbeitskraft für einen ganzen Arbeitstag gekauft, um den Gebrauchswert der Arbeitskraft über die Zeitgrenze hinaus zu nutzen, bis zu der der Arbeiter den Gegenwert für seinen Lohn produziert hat.

Der Arbeitsprozess hat auch eine Doppelnatur: Der Wertbildungsprozess dauert den ganzen Arbeitsprozess, in dem Waren produziert werden. Während dieser gesamten Zeit wird der Produktwert der Ware geschafften.

Verwertungsprozess des Kapitals ist der Arbeitsprozess nur dann, wenn sich das Kapital vermehrt, wenn Mehrwert geschaffen wird. Verwertungsprozess wird der Arbeitsprozess dann, wenn er über den Punkt hinausgeht, an dem die Arbeitskraft den Gegenwert für ihren Lohn produziert hat. Das ist der Punkt, wo das vorgeschossene Kapital gleich dem neugeschaffenen Kapital ist.
In den jetzt folgenden Kapiteln wird dieser Sachverhalt eingehend dargestellt und analysiert.

 

Sechstes Kapitel

Konstantes Kapital und variables Kapital

„Die verschiednen Faktoren des Arbeitsprozesses nehmen verschiednen Anteil an der Bildung des Produkten-Werts.“ K. Marx, Kapital I.: 214.

„Der Arbeiter setzt dem Arbeitsgegenstand neuen Wert zu durch Zusatz eines bestimmten Quantums von Arbeit, abgesehen vom bestimmten Inhalt, Zweck und technischen Charakter seiner Arbeit. Andererseits finden wir die Werte der verzehrten Produktionsmittel wieder als Bestandteile des Produkten-Werts, z.B. die Werte von Baumwolle und Spindel im Garnwert.“ K. Marx, Kapital I.: 214.

„Der Wert der Produktionsmittel wird also erhalten durch seine Übertragung auf das Produkt. Dies Übertragen geschieht während der Verwandlung der Produktionsmittel in Produkt, im Arbeitsprozess. Es ist vermittelt durch die Arbeit. Aber wie?

Der Arbeiter arbeitet nicht doppelt in derselben Zeit, nicht einmal, um der Baumwolle durch seine Arbeit einen Wert zuzusetzen, und das andere Mal, um ihren alten Wert zu erhalten ...

Sondern durch bloßes Zusetzen von neuem Wert erhält er den alten Wert.

Da aber der Zusatz von neuem Wert zum Arbeitsgegenstand und die Erhaltung der alten Werte im Produkt zwei ganz verschiedne Resultate sind, die der Arbeiter in derselben Zeit hervorbringt, obgleich er nur einmal in derselben Zeit arbeitet, kann diese Doppelseitigkeit des Resultats offenbar nur aus der Doppelseitigkeit seiner Arbeit selbst erklärt werden.

In demselben Zeitpunkt muss sie in einer Eigenschaft Wert schaffen und in einer andren Eigenschaft Wert erhalten oder übertragen.“ K. Marx, Kapital I.: 214.

„Wie setzt jeder Arbeiter Arbeitszeit und daher Wert zu? Immer nur in der Form seiner eigentümlich produktiven Arbeitsweise. Der Spinner setzt nur Arbeitszeit zu, indem er spinnt, der Weber, indem er webt, der Schmied, indem er schmiedet. Durch die zweckbestimmte Form aber, worin sie Arbeit überhaupt zusetzen und daher Neuwert  zusetzen, durch das Spinnen, Weben, Schmieden werden die Produktionsmittel, Baumwolle und Spindel, Garn und Webstuhl, Eisen und Amboss, zu Bildungselementen eines Produkts, eines neuen Gebrauchswerts. Die alte Form ihres Gebrauchswerts vergeht, aber nur um in einer neuen Form von Gebrauchswert aufzugehen...

Der Arbeiter erhält also die Werte der vernutzten Produktionsmittel oder überträgt sie als Wertbestandteile auf das Produkt nicht durch sein Zusetzen von Arbeit überhaupt, sondern durch den besonderen nützlichen Charakter, durch die spezifisch produktive Form dieser zusätzlichen Arbeit.“ K. Marx, Kapital I.: 215.

„Wie setzt jeder Arbeiter Arbeitszeit und daher Wert zu? ...  Durch das bloß quantitative Zusetzen von Arbeit wird neuer Wert zugesetzt ...“ K. Marx, Kapital I.: 214.

„Der Arbeiter setzt dem Arbeitsgegenstand neuen Wert zu durch Zusatz eines bestimmten Quantums von Arbeit, abgesehen vom bestimmten Inhalt, Zweck und technischen Charakter seiner Arbeit.“ K. Marx, Kapital I.: 214.

„... Er setzt eine bestimmte Wertgröße zu, nicht weil seine Arbeit einen besonderen nützlichen Inhalt hat, sondern weil sie eine bestimmte Zeit dauert.“ K. Marx, Kapital I.: 215.

„In ihrer abstrakten, allgemeinen Eigenschaft also, als Verausgabung menschlicher Arbeitskraft, setzt die Arbeit des Spinners den Werten von Baumwolle und Spindel Neuwert zu, und in ihrer konkreten, besonderen, nützlichen Eigenschaft als Spinnprozess, überträgt sie den Wert dieser Produktionsmittel auf das Produkt und erhält so ihren Wert im Produkt.

Daher die Doppelseitigkeit ihres Resultats in demselben Zeitpunkt.“ K. Marx, Kapital I.: S. 214-215.

„Durch das bloß quantitative Zusetzen von Arbeit wird neuer Wert zugesetzt, durch die Qualität der zugesetzten Arbeit werden die alten Werte der Produktionsmittel im Produkt erhalten. Diese doppelseitige Wirkung derselben Arbeit infolge ihres doppelseitigen Charakters zeigt sich handgreiflich in verschiedenen Erscheinungen.

Nimm an, irgendeine Erfindung befähige den Spinner, in 6 Stunden so viel Baumwolle zu verspinnen wie früher in 36 Stunden. Als zweckmäßig nützliche, produktive Tätigkeit hat seine Arbeit ihre Kraft versechsfacht. Ihr Produkt ist ein sechsfaches, 36 statt 6 Pfund Garn.

Aber die 36 Pfund Baumwolle saugen jetzt nur so viel Arbeitszeit ein als früher 6 Pfund. Sechsmal weniger neue Arbeit wird ihnen zugesetzt als mit der alten Methode, daher nur noch ein Sechstel des früheren Werts.

Andererseits existiert jetzt der sechsfache Wert von Baumwolle im Produkt, den 36 Pfund Garn.

In den 6 Spinnstunden wird ein sechsmal größerer Wert von Rohmaterial erhalten und auf das Produkt übertragen, obgleich demselben Rohmaterial ein sechsmal kleinerer Neuwert zugesetzt wird.

Dies zeigt, wie die Eigenschaft, worin die Arbeit während desselben unteilbaren Prozesses Werte erhält, wesentlich verschieden ist von der Eigenschaft, worin sie Wert schafft.“ K. Marx, Kapital I.: S. 215-216.

„Der Arbeiter kann neue Arbeit nicht zusetzen, also nicht neuen Wert schaffen, ohne alte Werte zu erhalten, denn er muss die Arbeit immer in bestimmter nützlicher Form zusetzen, und er kann sie nicht in nützlicher Form zusetzen, ohne Produkte zu Produktionsmitteln eines neuen Produkts zu machen und dadurch ihren Wert auf das neue Produkt zu übertragen.

Es ist also eine Naturgabe der sich betätigenden Arbeitskraft ... Wert zu erhalten, indem sie Wert zusetzt, eine Naturgabe, die dem Arbeiter nichts kostet, aber dem Kapitalisten viel einbringt, die Erhaltung des vorhandenen Kapitalwerts.“ K. Marx, Kapital I.: 221.

Wieviel Wert wird von den Produktionsmitteln auf das neue Produkt übertragen?

„Wert, von seiner nur symbolischen Darstellung im Wertzeichen abgesehen, existiert nur in einem Gebrauchswert, einem Ding. ... Geht daher der Gebrauchswert verloren, so geht auch der Wert verloren. ...  Es folgt hieraus, dass im Arbeitsprozess Wert vom Produktionsmittel auf das Produkt nur übergeht, soweit das Produktionsmittel mit seinem selbständigen Gebrauchswert auch seinen Tauschwert verliert. Es gibt nur den Wert an das Produkt ab, den es als Produktionsmittel verliert.“ K. Marx, Kapital I.: 217.

„Die gegenständlichen Faktoren des Arbeitsprozesses verhalten sich aber in dieser Hinsich verschieden.
Die Kohle, womit die Maschine geheizt wird, verschwindet spurlos, ebenso das Öl, womit man die Achse des Rades schmiert usw. ... Das Rohmaterial bildet die Substanz des Produkts, hat aber seine Form verändert. Rohmaterial und Hilfsstoffe verlieren also die selbständige Gestalt, womit sie in den Arbeitsprozess als Gebrauchswerte eintraten.

Anders mit den eigentlichen Arbeitsmitteln. Ein Instrument, eine Maschine, eine Fabrikgebäude, ein Gefäß usw. dienen im Arbeitsprozess nur, solange sie ihre ursprüngliche Gestalt bewahren und morgen wieder in ebenderselben Form in den Arbeitsprozess eingehen wie gestern.“ K. Marx, Kapital I.: S. 217-218.

„Betrachten wir nun die ganze Periode, während deren ein solches Arbeitsmittel dient ..., so ist während dieser Periode sein Gebrauchswert von der Arbeit vollständig verzehrt worden und sein Tauschwert daher vollständig auf das Produkt übergegangen. Hat eine Spinnmaschine z.B. in 10 Jahren ausgelebt, so ist während des zehnjährigen Arbeitsprozesses ihr Gesamtwert auf das zehnjährige Produkt übergegangen. ...

Man weiß aus der Erfahrung, wie lang ein Arbeitsmittel, z.B. eine Maschine von gewisser Art, durchschnittlich vorhält. Gesetzt, sein Gebrauchswert im Arbeitsprozess dauere nur 6 Tage. So verliert es im Durchschnitt jeden Arbeitstag 1/6 seines Gebrauchswertes und gibt daher 1/6 seines Werts an das tägliche Produkt ab.

In dieser Art wird der Verschleiß aller Arbeitsmittel berechnet, also ... ihr täglicher Verlust an Gebrauchswert und ihre entsprechende tägliche Wertabgabe an das Produkt.

Es zeigt sich so schlagend, dass ein Produktionsmittel nie mehr Wert an das Produkt abgibt, als es im Arbeitsprozess durch Vernichtung seines eigenen Gebrauchswertes verliert.“ K. Marx, Kapital I.: S. 218.

 

Konstantes und variables Kapital

„Indem wir die verschiednen Rollen dargestellt, welche die verschiednen Faktoren des Arbeitsprozesses in der Bildung des Produktenwerts spielen, haben wir in der Tat die Funktionen der verschiednen Bestandteile des Kapitals in seinem eignen Verwertungsprozess charakterisiert.“ K. Marx, Kapital I.: 223.

„Produktionsmittel auf der einen Seite, Arbeitskraft auf der anderen sind nur die verschiedenen Existenzformen, die der ursprüngliche Kapitalwert annahm bei Abstreifung seiner Geldform und seiner Verwandlung in die Faktoren des Arbeitsprozesses.“ K. Marx, Kapital I.: 223.

 „Der Teil des Kapitals also, der sich in Produktionsmittel, d. h. in Rohmaterial, Hilfsstoffe und Arbeitsmittel umsetzt, verändert seine Wertgröße nicht im Produktionsprozess. Ich nenne ihn daher konstanten Kapitalteil, oder kürzer: konstantes Kapital.“ K. Marx, Kapital I.: 223.

„Der Begriff des konstanten Kapitals schließt eine Wertrevolution seiner Bestandteile in keiner Weise aus.“ K. Marx, Kapital I.: 224

„Der in Arbeitskraft umgesetzte Teil des Kapitals verändert dagegen seinen Wert im Produktionsprozess. Er reproduziert sein eignes Äquivalent (Wertgleiches) und einen Überschuss darüber, Mehrwert, der selbst wechseln, größer oder kleiner sein kann.

Aus einer konstanten Größe verwandelt sich dieser Teil des Kapitals fortwährend in eine variable.

Ich nenne ihn daher variablen Kapitalteil, oder kürzer: variables Kapital.“ K. Marx, Kapital I.: 224.

„Dieselben Kapitalbestandteile, die sich vom Standpunkt des Arbeitsprozesses als objektive und subjektive Faktoren, als Produktionsmittel und Arbeitskraft unterscheiden, unterscheiden sich vom Standpunkt des Verwertungsprozesses als konstantes Kapital und variables Kapital.“ K. Marx, Kapital I.: 224.

 

Zur Methode dieser Online-Lektüre:

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.

Jedem neuen Abschnitt wird eine Zusammenfassung des bisherigen Gedankengangs vorangestellt.

Wo es dem Verständnis dient, wurden Fremdwörter, Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele modernisiert.

Diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Marx sind normal fett gedruckt. Jedes Zitat enthält die Seitenangabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.

Wal Buchenberg