Kapital
1.741-788
5. Illustration des
allgemeinen Gesetzes der kapitalistischen
Akkumulation Das Kapitel enthält zeitgenössische
Beispiele wie neben dem wachsenden Reichtum im kapitalistischen England
Elend in vielfältiger Form - Arbeitsqual, Unsicherheit der Lebenslage und
Armut - zunimmt oder mindestens nicht abnimmt. „Die Grenze dieses Buchs gebietet uns, hier vor
allem den schlechtest bezahlten Teil des industriellen Proletariats und
der Ackerbauarbeiter zu berücksichtigen, d.h. die Majorität der
Arbeiterklasse.“ K. Marx, Kapital I.: 683.
24.
Kapitel
Die sogenannte
ursprüngliche Akkumulation
1. Das Geheimnis der
ursprünglichen Akkumulation
„Man hat gesehen, wie
Geld in Kapital verwandelt, durch Kapital Mehrwert und aus Mehrwert mehr
Kapital gemacht wird. Indes setzt die Akkumulation des Kapitals den
Mehrwert, der Mehrwert die kapitalistische Produktion, dieser aber das
Vorhandenseins größerer Massen von Kapital und Arbeitskraft in den Händen
von Warenproduzenten voraus. Diese ganze Bewegung scheint sich also in
einem fehlerhaften Kreislauf herumzudrehen, aus dem wir nur hinauskommen,
indem wir eine der kapitalistischen Akkumulation vorausgehende,
‚ursprüngliche’ Akkumulation (‚previous accumulation’ bei Adam Smith)
unterstellen, eine Akkumulation, welche nicht das Resultat der
kapitalistischen Produktionsweise ist, sondern ihr Ausgangspunkt.“ K.
Marx, Kapital I.: 741.
„Diese ursprüngliche
Akkumulation spielt in der politischen Ökonomie ungefähr dieselbe Rolle
wie der Sündenfall in der Theologie. Adam biss in den Apfel, und damit kam
über das Menschengeschlecht die Sünde. Ihr Ursprung wird erklärt, indem
er als Anekdote der Vergangenheit erzählt wird. In einer längst
verflossnen Zeit gab es auf der einen Seite eine fleißige, intelligente
und vor allem sparsame Elite und auf der andren faulenzende ... alles ...
verjubelnde Lumpen. Die Legende vom theologischen Sündenfall erzählt
uns allerdings, wie der Mensch dazu verdammt worden sei, sein Brot im
Schweiße seines Angesichts zu essen; die Historie vom ökonomischen
Sündenfall aber enthüllt uns, wieso es Leute gibt, die das keineswegs
nötig haben. Einerlei. So kam es, dass die ersten Reichtum
akkumulierten und die letzteren schließlich nichts zu verkaufen hatten als
ihre eigene Haut. Und von diesem Sündenfall datiert die Armut der großen
Masse, die immer noch, aller Arbeit zum Trotz, nichts zu verkaufen hat als
sich selbst, und der Reichtum der wenigen, der fortwährend wächst,
obgleich sie längst aufgehört haben zu arbeiten.“ K. Marx, Kapital I.:
741. „In der wirklichen
Geschichte spielen bekanntlich Eroberung, Unterjochung, Raubmord, kurz
Gewalt die große Rolle. In der sanften politischen Ökonomie herrschte von
jeher die Idylle. ... In der Tat sind die Methoden der ursprünglichen
Akkumulation alles andere, nur nicht idyllisch.“ K. Marx, Kapital I.:
742. „Geld und Ware sind nicht von vornherein Kapital, sowenig wie
Produktions- und Lebensmittel. Sie bedürfen der Verwandlung in Kapital.
Diese Verwandlung selbst aber kann nur unter bestimmten Umständen
vorgehen, die sich dahin zusammenspitzen: Zweierlei sehr verschiedene
Sorten von Warenbesitzern müssen sich gegenüber und in Kontakt treten,
einerseits Eigner von Geld, Produktions- und Lebensmitteln, denen es gilt,
die von ihnen besessene Wertsumme zu verwerten durch Ankauf fremder
Arbeitskraft; andererseits freie Arbeiter, Verkäufer der eigenen
Arbeitskraft und daher Verkäufer von Arbeit. Freie Arbeiter in dem
Doppelsinn, dass sie weder selbst unmittelbar zu den Produktionsmitteln
gehören, wie Sklaven, Leibeigene usw., noch auch die Produktionsmittel
ihnen gehören, wie beim selbstwirtschaftenden Bauern usw., sie davon
vielmehr frei, los und ledig sind. Mit dieser Polarisation des
Warenmarkts sind die Grundbedingungen der kapitalistischen Produktion
gegeben. Das Kapitalverhältnis setzt die Scheidung zwischen Arbeitern
und dem Eigentum an den Verwirklichungsbedingungen der Arbeit voraus.
Sobald die kapitalistische Produktion einmal auf eigenen Füßen steht,
erhält sie nicht nur jene Scheidung, sondern reproduziert sie auf stets
wachsender Stufenleiter. Der Prozess, der das Kapitalverhältnis
schafft, kann also nichts anderes sein als der Scheidungsprozess des
Arbeiters vom Eigentum an seinen Arbeitsbedingungen, ein Prozess, der
einerseits die gesellschaftlichen Lebens- und Produktionsbedingungen in
Kapital verwandelt, andererseits die unmittelbaren Produzenten in
Lohnarbeiter. Die sog. ursprüngliche Akkumulation ist also nichts als
der historische Scheidungsprozess von Produzent und Produktionsmittel. Er
erscheint ‚ursprünglich’, weil er die Vorgeschichte des Kapitals und der
ihm entsprechenden Produktionsweise bildet.“ K. Marx, Kapital I.:
742. „Die ökonomische Struktur der kapitalistischen Gesellschaft ist
hervorgegangen aus der ökonomischen Struktur der feudalen Gesellschaft.
Die Auflösung dieser hat die Elemente jener freigesetzt. Der
unmittelbare Produzent, der Arbeiter, konnte erst dann über seine Person
verfügen, nachdem er aufgehört hatte, an die Scholle gefesselt und einer
anderen Person leibeigen oder hörig zu sein. Um freier Verkäufer von
Arbeitskraft zu werden, der seine Ware überall hinträgt, wo sie einen
Markt findet, musste er ferner der Herrschaft der Zünfte, ihren Lehrlings-
und Gesellenordnungen und hemmenden Arbeitsvorschriften entronnen
sein. Somit erscheint die geschichtliche Bewegung, die die Produzenten
in Lohnarbeiter verwandelt, einerseits als ihre Befreiung von
Dienstbarkeit und Zunftzwang; und diese Seite allein existiert für unsere
bürgerlichen Geschichtsschreiber. Andererseits werden diese
Neubefreiten erst Verkäufer ihrer selbst, nachdem ihnen alle ihre
Produktionsmittel und alle durch die alten feudalen Einrichtungen
gebotenen Garantien ihrer Existenz geraubt sind. Und die Geschichte dieser
ihrer Expropriation (Enteignung) ist in die Annalen der Menschheit
eingeschrieben mit Zügen von Blut und Feuer.“ K. Marx, Kapital I.:
743. „Die industriellen Kapitalisten, diese neuen Potentaten, mussten
ihrerseits nicht nur die zünftigen Handwerksmeister verdrängen, sondern
auch die im Besitz der Reichtumsquellen befindlichen Feudalherren. Von
dieser Seite stellt sich ihr Emporkommen dar als Frucht eines siegreichen
Kampfes gegen die Feudalmacht und ihre empörenden Vorrechte sowie gegen
die Zünfte und die Fesseln, die diese der freien Entwicklung der
Produktion und der freien Ausbeutung des Menschen durch den Menschen
angelegt hatten.“ K. Marx, Kapital I.: 743.
„Der Ausgangspunkt der
Entwicklung, die sowohl den Lohnarbeiter wie den Kapitalisten erzeugt, war
die Knechtschaft des Arbeiters. Der Fortgang bestand in einem Formwechsel
dieser Knechtung, in der Verwandlung der feudalen in kapitalistische
Ausbeutung. Um ihren Gang zu verstehen, brauchen wir gar nicht
so weit zurückzugreifen. Obgleich die ersten Anfänge kapitalistischer
Produktion schon im 14. und 15. Jahrhundert in einigen Städten am
Mittelmeer sporadisch entgegentreten, datiert die kapitalistische Ära erst
vom 16. Jahrhundert. Dort, wo sie auftritt, ist die Aufhebung der
Leibeigenschaft längst vollbracht und der Glanzpunkt des Mittelalters, der
Bestand souveräner Städte, seit geraumer Zeit im Erbleichen.“ K. Marx,
Kapital I.: 743. „Historisch epochemachend in der Geschichte der
ursprünglichen Akkumulation sind alle Umwälzungen, die der sich bildenden
Kapitalistenklasse als Hebel dienen; vor allem aber die Momente, worin
große Menschenmassen plötzlich und gewaltsam von ihren Subsistenzmitteln
losgerissen und als vogelfreie Proletarier auf den Arbeitsmarkt
geschleudert werden. Die Expropriation (Enteignung) des ländlichen
Produzenten, des Bauern, von Grund und Boden bildet die Grundlage des
ganzen Prozesses. Ihre Geschichte nimmt in verschiedenen Ländern
verschiedene Färbung an und durchläuft die verschiedenen Phasen in
verschiedener Reihenfolge und in verschiedenen Geschichtsepochen. Nur in
England, das wir hier als Beispiel nehmen, besitzt sie klassische Form.“
K. Marx, Kapital I.: 744. 2. Enteignung des Landvolks von
Grund und Boden “In England war die Leibeigenschaft im letzten Teil
des 14. Jahrhunderts faktisch verschwunden. Die ungeheure Mehrzahl der
Bevölkerung bestand damals und noch mehr im 15. Jahrhundert aus freien,
selbstwirtschaftenden Bauern, durch welch feudales Aushängeschild ihr
Eigentum immer versteckt sein mochte. Auf den größeren herrschaftlichen
Gütern war der früher selbst leibeigene Vogt durch den freien Pächter
verdrängt. ... Solche Verhältnisse, bei gleichzeitiger Blüte des
Städtewesens, wie sie das 15. Jahrhundert auszeichnet, erlaubten jenen
Volksreichtum, den der Kanzler Fortescue so beredt ... schildert, aber sie
schlossen den Kapitalreichtum aus.“ K. Marx, Kapital I.:
744-745.
„Das Vorspiel der
Umwälzung, welche die Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise
schuf, ereignete sich im letzten Drittel des 15. und den ersten
Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts. Eine Masse vogelfreier
Proletarier wurde auf den Arbeitsmarkt geschleudert durch die Auflösung
der feudalen Gefolgschaften. ... Obgleich die königliche Macht, selbst
ein Produkt der bürgerlichen Entwicklung, in ihrem Streben nach absoluter
Souveränität die Auflösung dieser Gefolgschaften gewaltsam beschleunigte,
war sie keineswegs deren einzige Ursache. Vielmehr im trotzigsten
Gegensatz zu Königtum und Parlament schufen die großen
Feudalherren ein ungleich größeres Proletariat durch gewaltsame
Verjagung der Bauernschaft von dem Grund und Boden, worauf sie denselben
feudalen Rechtstitel besaßen wie er selbst, und durch Raub
ihres Gemeindelandes. Den unmittelbaren Anstoß dazu gab in England
namentlich das Aufblühen der flandrischen Wollmanufaktur und das
entsprechende Steigen der Wollpreise. Den alten Feudaladel hatten die
großen Feudalkriege verschlungen, der neue war ein Kind seiner Zeit, für
welche Geld die Macht aller Mächte war. Verwandlung von Ackerland in
Schafweide ward also sein Losungswort.“ K. Marx, Kapital I.:
746. „Einen neuen furchtbaren Anstoß erhielt der gewaltsame
Enteignungsprozess der Volksmasse im 16. Jahrhundert durch die
Reformation und, in ihrem Gefolge, den kolossalen Diebstahl der
Kirchengüter. Die katholische Kirche war zur Zeit der Reformation
Feudaleigentümerin eines großen Teils des englischen Grund und Bodens. Die
Unterdrückung der Klöster usw. schleuderte deren Einwohner ins
Proletariat. Die Kirchengüter selbst wurden großenteils an raubsüchtige
königliche Günstlinge verschenkt oder zu einem Spottpreis an spekulierende
Pächter und Stadtbürger verkauft... K. Marx, Kapital I.: 748-749. „Der
letzte große Enteignungsprozess der Ackerbauer von Grund und Boden
endlich ist das sogenannte Clearing of Estates (Lichten der Güter, in der
Tat Wegfegung der Menschen von denselben). Alle bisher betrachteten
englischen Methoden gipfelten im ‚Lichten’. Wie man ... sah, geht
es jetzt, wo keine unabhängigen Bauern mehr wegzufegen sind, bis zum
‚Lichten’ der Bauernhäuser fort, so dass die Ackerbauarbeiter auf
dem von ihnen bestellten Boden selbst nicht mehr den nötigen Raum zur
eigenen Behausung finden.“ K. Marx, Kapital I.: 756.
„Der Raub der
Kirchengüter, die betrügerische Veräußerung der Staatsdomänen, der
Diebstahl des Gemeindeeigentums, die usurpatorische und mit
rücksichtslosem Terrorismus vollzogne Verwandlung von feudalem und
Claneigentum in modernes Privateigentum, es waren ebenso viele idyllische
Methoden der ursprünglichen Akkumulation. Sie eroberten das Feld für die
kapitalistische Agrikultur, einverleibten Grund und Boden dem Kapital und
schufen der städtischen Industrie die nötige Zufuhr von vogelfreiem
Proletariat.“ K. Marx, Kapital I.: 760-761.
3. Blutgesetzgebung
gegen die Expropriierten seit Ende des 15. Jahrhunderts. Gesetze zur
Herabdrückung des Arbeitslohns
„Die durch Auflösung der
feudalen Gefolgschaften und durch stoßweise, gewaltsame Expropriation
(Enteignung) von Grund und Boden Verjagten, dies vogelfreie
Proletariat konnte unmöglich ebenso rasch von der aufkommenden Manufaktur
absorbiert werden, als es auf die Welt gesetzt ward. Andrerseits
konnten die plötzlich aus ihrer gewohnten Lebensbahn Herausgeschleuderten
sich nicht ebenso plötzlich in die Disziplin des neuen Zustandes finden.
Sie verwandelten sich massenhaft in Bettler, Räuber, Vagabunden, zum Teil
aus Neigung, in den meisten Fällen durch den Zwang der Umstände. Ende des
15. und während des ganzen 16. Jahrhunderts gab es daher in ganz
Westeuropa eine Blutgesetzgebung wider Vagabundenwesen. Die Väter
der jetzigen Arbeiterklasse wurden zunächst gezüchtigt für die ihnen
angetane Verwandlung in Vagabunden und Arme. Die Gesetzgebung
behandelte sie als ‚freiwillige’ Verbrecher und unterstellte, dass es von
ihrem guten Willen abhinge, in den nicht mehr existierenden alten
Verhältnissen fortzuarbeiten.“ K. Marx, Kapital I.: 762. „So wurde das
von Grund und Boden gewaltsam expropriierte, verjagte und zum Vagabunden
gemachte Landvolk durch grotesk-terroristische Gesetze in eine dem System
der Lohnarbeit notwendige Disziplin hineingepeitscht, -gebrandmarkt,
-gefoltert.“ K. Marx, Kapital I.: 765.
„Arbeiterkoalition wird als
schweres Verbrechen behandelt vom 14. Jahrhundert bis 1825, dem Jahr der
Abschaffung der Antikoalitionsgesetze.“ K. Marx, Kapital I.: 767. „Die
grausamen Gesetze gegen die Koalitionen fielen 1825 vor der drohenden
Haltung des Proletariats. Trotzdem fielen sie nur zum Teil.“ K. Marx,
Kapital I.: 768. „Man sieht, nur widerwillig und unter dem Druck der
Massen verzichtete das englische Parlament auf die Gesetze gegen Streiks
und Gewerkschaften, nachdem es selbst, fünf Jahrhunderte hindurch,
mit schamlosem Egoismus die Stellung einer permanenten Gewerkschaft
der Kapitalisten gegen die Arbeiter behauptet hatte.“ K. Marx, Kapital I.:
769.
„Im Fortgang der
kapitalistischen Produktion entwickelte sich eine Arbeiterklasse, die aus
Erziehung, Tradition, Gewohnheit die Anforderungen jener Produktionsweise
als selbstverständliche Naturgesetze anerkennt.“ K. Marx, Kapital I.:
765.
4. Genesis der
kapitalistischen Pächter
„Nachdem wir die
gewaltsame Schöpfung vogelfreier Proletarier betrachtet, die blutige
Disziplin, welche sie in Lohnarbeiter verwandelt hat, ... fragt sich, wo
kommen die Kapitalisten ursprünglich her? Denn die Expropriation
(Enteignung) des Landvolks schafft unmittelbar nur große
Grundeigentümer. Was die Entstehung des Pächters betrifft, so
können wir sie sozusagen mit der Hand greifen, weil sie ein
langsamer, über viele Jahrhunderte sich fortwälzender Prozess ist. Die
Leibeigenen selbst, woneben auch freie kleine Landeigner, befanden sich in
sehr verschiednen Besitzverhältnissen und wurden daher auch unter sehr
verschiednen ökonomischen Bedingungen emanzipiert. In England ist die
erste Form des Pächters der selbst leibeigene Bailiff (ein
Verwaltungsbediensteter wie der deutsche Meier oder Vogt). Seine
Stellung ist ähnlich der des altrömischen Villicus, nur in engerer
Wirkungssphäre. Während der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird er
ersetzt durch einen Pächter, den der Landbesitzer mit Samen, Vieh
und Ackerwerkzeug versieht. Seine Lage ist nicht sehr verschieden von der
des Bauern. Nur beutet er mehr Lohnarbeit aus. Er wird bald ...
Halbpächter. Er stellt einen Teil des Ackerbaukapitals, der
Landbesitzer den anderen. ... Diese Form verschwindet in England
rasch, um der des eigentlichen Pächters Platz zu machen, welcher sein
eigenes Kapital durch Anwendung von Lohnarbeitern verwertet und einen Teil
des Mehrprodukts, in Geld oder in natura, dem Landlord als Grundrente
zahlt. ... Die Usurpation von Gemeindeweiden usw. erlaubt ihm große
Vermehrung seines Viehbestands fast ohne Kosten. ... Im 16. Jahrhundert
kommt ein entscheidend wichtiges Moment hinzu. ... Der fortdauernde Fall
im Wert der edlen Metalle und daher des Geldes trug den Pächtern goldne
Früchte. Er senkte... den Arbeitslohn. ... Das fortwährende Steigen der
Preise von Korn, Wolle, Fleisch, kurz sämtlicher Agrikulturprodukte,
schwellte das Geldkapital des Pächters ohne sein Zutun, während die
Grundrente, die er zu zahlen hatte, im veralteten Geldwert
geschrumpft war. So bereicherte er sich gleichzeitig auf Kosten seiner
Landarbeiter und seines Landlords. Kein Wunder also, wenn England Ende
des 16. Jahrhunderts eine Klasse für die damaligen Verhältnisse reicher
‚Kapitalpächter‘ besaß.“ K. Marx, Kapital I.: 771-772. 5.
Rückwirkung der landwirtschaftlichen Revolution auf die Industrie.
Herstellung des innern Markts für das industrielle
Kapital
„Die stoßweise und stets
erneuerte Enteignung und Verjagung des Landvolks lieferte, wie man
sah, der städtischen Industrie wieder und wieder Massen ganz außerhalb der
Zunftverhältnisse stehende Proletarier... Der Verdünnung des unabhängigen,
selbstwirtschafteten Landvolks entsprach ... die Verdichtung des
industriellen Proletariats. ...
Trotz der verminderten
Zahl seiner Bebauer trug der Boden nach wie vor gleich viel oder mehr
Produkt, weil die Revolution in den Grundeigentumsverhältnissen von
verbesserten Methoden der Kultur, größerer Kooperation, Konzentration der
Produktionsmittel usw. begleitet war... . Mit dem freigesetzten Teil des
Landvolks werden also auch seine frühern Nahrungsmittel freigesetzt. Sie
verwandeln sich jetzt in stoffliche Elemente des variablen Kapitals. Der
an die Luft gesetzte Bauer muss ihren Wert von seinem neuen Herrn, dem
industriellen Kapitalisten, in der Form des Arbeitslohns erkaufen. Wie mit
den Lebensmitteln verhielt es sich mit den heimischen
landwirtschaftlichem Rohmaterial der Industrie. Es verwandelte sich
in ein Element des konstanten Kapitals.“ K. Marx, Kapital I.:
773-774
„Die Expropriation
(Enteignung) und Verjagung eines Teils des Landvolks setzt mit den
Arbeitern nicht nur ihre Lebensmittel und ihr Arbeitsmaterial für das
industrielle Kapital frei, sie schafft den innern Markt.“ K. Marx, Kapital
I.: 775.
„Früher erzeugte und
bearbeitete die Bauernfamilie die Lebensmittel und Rohstoffe, die sie
nachher größtenteils selbst verzehrte. Diese Rohstoffe und Lebensmittel
sind jetzt Waren geworden; der Großpächter verkauft sie, in den
Manufakturen findet er seinen Markt. Garn, Leinwand, grobe Wollenzeuge,
... verwandeln sich jetzt in
Manufakturartikel, deren Absatzmarkt grade die Landdistrikte bilden. Die
zahlreiche zerstreute Kundschaft, bisher bedingt durch eine Menge kleiner,
für eigne Rechnung arbeitender Produzenten, konzentriert sich jetzt zu
einem großen, vom industriellen Kapital versorgten Markt.“ K. Marx,
Kapital I.: 775.
„So geht Hand in Hand mit
der Expropriation (Enteignung) früher selbstwirtschaftender Bauern
... die Vernichtung der
ländlichen Nebenindustrie, der Scheidungsprozess von Manufaktur und
Agrikultur.“ K. Marx, Kapital I.: 776. 6. Genesis des industriellen
Kapitalisten
„Die Genesis des
industriellen Kapitalisten ging nicht in derselben allmählichen Weise vor
wie die des Pächters. Zweifelsohne verwandelten sich manche kleine
Zunftmeister und noch mehr selbständige kleine Handwerker oder auch
Lohnarbeiter in kleine Kapitalisten und durch allmählich ausgedehntere
Ausbeutung von Lohnarbeit und entsprechender Akkumulation in
Kapitalisten schlechthin.“ K. Marx, Kapital I.:
777.
„Aber das Mittelalter
hatte zwei verschiedne Formen des Kapitals überliefert, die in den
verschiedensten ökonomischen Gesellschaftsformationen reifen ... das Wucherkapital und das
Kaufmannskapital.“ K. Marx, Kapital I.: 778.
„Das durch Wucher und
Handel gebildete Geldkapital wurde durch die Feudalverfassung auf dem Land
und durch die Zunftverfassung in den Städten an seiner Verwandlung
in industrielles Kapital behindert. Diese Schranken fielen mit der
Auflösung der feudalen Gefolgschaften, mit der Expropriation und
teilweisen Verjagung des Landvolks. Die neue Manufaktur ward in
See-Exporthäfen errichtet oder auf Punkten des flachen Landes, außerhalb
der Kontrolle des alten Städtewesens und seiner Zunftverfassung.“ K. Marx,
Kapital I.: 778
„Heute führt industrielle
Vorherrschaft die Vorherrschaft über den Handel mit sich. In
der eigentlichen Manufakturperiode dagegen ist es die
Handelsvormacht, die die industrielle Vorherrschaft gibt.“ K. Marx,
Kapital I.: 782.
„Die Entdeckung der Gold-
und Silberländer in Amerika, die Ausrottung, Versklavung und Vergrabung
der eingeborenen Bevölkerung in die Bergwerke, die beginnende Eroberung
und Ausplünderung von Ostindien, die Verwandlung von Afrika in ein Gehege
zur Handelsjagd auf Schwarzhäute bezeichnen die Morgenröte der
kapitalistischen Produktionsära. Diese idyllischen Prozesse sind
Hauptmomente der ursprünglichen Akkumulation. Auf dem Fuß folgt der
Handelskrieg der europäischen Nationen, mit dem Erdrund als Schauplatz. Er
wird eröffnet durch den Abfall der Niederlande von Spanien, nimmt
Riesenumfang an in Englands Antijakobinerkrieg, spielt noch fort in den
Opiumkriegen gegen China usw. Die verschiednen Momente der ursprünglichen
Akkumulation verteilen sich nun, mehr oder minder in zeitlicher
Reihenfolge, namentlich auf Spanien, Portugal, Holland, Frankreich und
England. ... Alle aber benutzten die Staatsmacht, die konzentrierte und
organisierte Gewalt der Gesellschaft, um den Verwandlungsprozess der
feudalen in die kapitalistische Produktionsweise treibhausmäßig zu fördern
und die Übergänge abzukürzen. Die Gewalt ist der Geburtshelfer jeder alten
Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht. Sie selbst ist eine
ökonomische Potenz.“ K. Marx, Kapital I.: 779
„Die öffentliche Schuld
wird einer der energischsten Hebel der ursprünglichen Akkumulation. Wie
mit dem Schlag der Wünschelrute begabt sie das unproduktive Geld mit
Zeugungskraft und verwandelt es so in Kapital, ohne dass es dazu nötig
hätte, sich der industrieller und selbst wucherischen Anlage
unzertrennlichen Mühwaltung und Gefahr auszusetzen. ... Aber auch
abgesehen von der so geschaffnen Klasse müßiger Rentner und von dem
improvisierten Reichtum der zwischen Regierung und Nation die Mittler
spielenden Finanziers ... hat die Staatsschuld die Aktiengesellschaften,
den Handel mit käuflichen Effekten aller Art, die Agiotage
emporgebracht, in einem Wort: das Börsenspiel und die moderne
Bankokratie.“ K. Marx, Kapital I.: 782-783. „Mit den Staatsschulden
entstand ein internationales Kreditsystem, das häufig eine der Quellen der
ursprünglichen Akkumulation bei diesem oder jenem Volk versteckt.“ K.
Marx, Kapital I.: 783. „Da die Staatsschuld ihren Rückhalt in den
Staatseinkünften hat, die die jährlichen Zins- usw. Zahlungen decken
müssen, so wurde das moderne Steuersystem notwendige Ergänzung des Systems
der Nationalanleihen. Die Anleihen befähigen die Regierung,
außerordentliche Ausgaben zu bestreiten, ohne dass der Steuerzahler es
sofort fühlt, aber sie erfordern doch für die Folge erhöhte
Steuern... Die
Überbesteuerung ist nicht ein Zwischenfall, sondern vielmehr Prinzip.
... Der zerstörende Einfluss, den es auf die Lage der Lohnarbeiter
ausübt, geht uns hier jedoch weniger an als die durch es bedingte
gewaltsame Expropriation (Enteignung) des Bauern, des Handwerkers,
kurz aller Bestandteile der kleinen Mittelklasse.“ K. Marx, Kapital I.:
784. „Solcher Mühe bedurfte es, ... den Scheidungsprozess zwischen
Arbeitern und Arbeitsbedingungen zu vollziehen, auf dem einen Pol die
gesellschaftlichen Produktions- und Lebensmittel in Kapital zu verwandeln,
auf dem Gegenpol die Volksmasse in Lohnarbeiter, in freie ‚arbeitende
Arme‘... Wenn das Geld, nach
Augier, ‚mit natürlichen Blutflecken auf einer Backe zur Welt kommt‘
(Marie Augier: Du Crédit Public, Paris 1842) , so das Kapital von Kopf bis
Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend.“ K. Marx, Kapital I.:
788.
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