Kapital 3.:335-344
„Im Gang der wissenschaftlichen Analyse erscheint die
Bildung der allgemeinen Profitrate als ausgehend von den industriellen
Kapitalen und ihrer Konkurrenz und erst später ... ergänzt und modifiziert
durch die Dazwischenkunft des Kaufmannkapitals. Im Gang der
historischen Entwicklung verhält sich die Sache geradezu umgekehrt. Es
ist das kaufmännische Kapital, das zuerst die Preise der Waren mehr
oder minder durch ihre Werte bestimmt... Der kaufmännische Profit
bestimmt ursprünglich den industrielle Profit. Erst sobald die
kapitalistische Produktionsweise durchgedrungen und der Produzent selbst
Kaufmann geworden, wird der kaufmännische Profit reduziert auf den
aliquoten Teil des Gesamtmehrwerts, der dem Handelskapital als einem
aliquoten Teil des im gesellschaftlichen Reproduktionsprozess beschäftigen
Gesamtkapitals zukommt.“ K. Marx, Kapital 3. S. 298.
20. Kapitel Geschichtliches über das
Kaufmannskapital „Wir haben bisher das Kaufmannskapital vom
Standpunkt und innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise
betrachtet. Nicht nur der Handel, sondern auch das Handelskapital ist
aber älter als die kapitalistische Produktionsweise, ist in der Tat die
historisch älteste freie Existenzweise des Kapitals.“ K. Marx, Kapital 3.
S. 337. „Innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise ... erscheint
das Kaufmannskapital nur als Kapital in einer besonderen
Funktion. In allen früheren Produktionsweisen, und um so mehr, je mehr
die Produktion unmittelbar Produktion der Lebensmittel des Produzenten
ist, erscheint Kaufmannskapital zu sein als die Funktion par excellence
des Kapitals.“ K. Marx, Kapital 3. S. 339. „Es macht also nicht die
geringste Schwierigkeit einzusehen, warum das Kaufmannskapital als
historische Form des Kapitals erscheint, lange bevor das Kapital sich die
Produktion selbst unterworfen hat. Seine Existenz und Entwicklung zu einer
gewissen Höhe ist selbst historische Voraussetzung für die Entwicklung der
kapitalistischen Produktionsweise, 1. als Vorbedingung der
Konzentration von Geldvermögen, und 2. weil die kapitalistische
Produktion für den Handel voraussetzt: Absatz im großen und nicht an
den einzelnen Kunden, also auch einen Kaufmann, der nicht zur Befriedigung
seines persönlichen Bedürfnisses kauft, sondern die Kaufakte vieler in
seinem Kaufakt konzentriert. Andererseits wirkt alle Entwicklung des
Kaufmannskapital darauf hin, der Produktion einen mehr und mehr auf den
Tauschwert gerichteten Charakter zu geben, die Produkte mehr und mehr in
Waren zu verwandeln. Doch ist seine Entwicklung, für sich genommen, wie
wir ... noch weiter sehen werden, unzureichend, um den Übergang einer
Produktionsweise in die andere zu vermitteln und zu erklären.“ K. Marx,
Kapital 3. S. 339.
Vorkapitalistischer Handel: „Auf
den ersten Blick erscheint der reine, unabhängige Handelsprofit
unmöglich, solange Produkte zu ihren Werten verkauft
werden. Billig kaufen, um teuer zu verkaufen, ist das Gesetz des
Handels. Also nicht der Austausch von Äquivalenten
(Wertgleichem)... Das quantitative Verhältnis, worin sich
Produkte austauschen, ist zunächst ganz zufällig, ... Der fortgesetzte
Austausch und die regelmäßige Reproduktion für den Austausch hebt diese
Zufälligkeit mehr und mehr auf. Zunächst aber nicht für die Produzenten
und Konsumenten, sondern für den Vermittler zwischen beiden, den Kaufmann,
der die Geldpreise vergleicht und die Differenz einsteckt. Durch seine
Bewegung selbst setzt er die Äquivalenz (=Vergleichbarkeit und
Gleichwertigkeit der Waren).“ K. Marx, Kapital 3. S. 342. „Solange
das Handelskapital den Produktentausch unentwickelter Gemeinwesen
vermittelt, erscheint der kommerzielle Profit nicht nur als Übervorteilung
und Prellerei, sondern entspringt großenteils aus ihr. Abgesehen davon,
dass es den Unterschied zwischen den Produktionspreisen verschiedener
Länder ausbeutet (und in dieser Beziehung wirkt es hin auf die
Ausgleichung und Festsetzung der Warenwerte), bringen es jene
Produktionsweisen mit sich, dass das Kaufmannskapital sich einen
überwiegenden Teil des Mehrprodukts aneignet, teils als Zwischenschieber
zwischen Gemeinwesen, deren Produktion noch wesentlich auf den
Gebrauchswert gerichtet ist und für deren ökonomische Organisation der
Verkauf des überhaupt in Zirkulation tretenden Produktenteils, also
überhaupt der Verkauf der Produkte zu ihrem Wert von untergeordneter
Wichtigkeit ist; teils weil in jenen früheren Produktionsweisen die
Hauptbesitzer des Mehrprodukts, mit den der Kaufmann handelt, der
Sklavenhalter, der feudale Grundherr, der Staat (z. B. der orientalische
Despot) den genießenden Reichtum vorstellen, dem der Kaufmann Fallen
stellt ... Das Handelskapital in überwiegender Herrschaft stellt also
überall ein System der Plünderung dar, wie denn auch seine Entwicklung bei
den Handelsvölkern der alten wie der neueren Zeit direkt mit gewaltsamer
Plünderung, Seeraub, Sklavenraub, Unterjochung in Kolonien verbunden ist;
so in Karthago, Rom, später bei Venezianern, Portugiesen, Holländern etc.“
K. Marx, Kapital 3. S. 343. (Die alten Griechen nicht zu vergessen!
wb) „Es liegt in der Natur der Sache, dass, sobald städtische
Industrie (bzw. städtisches Handwerk) als solche sich von der
landwirtschaftlichen trennt, ihre Produkte von vornherein Waren
sind und deren Verkauf also der Vermittlung des Handels bedarf. Die
Anlehnung des Handels an die städtische Entwicklung und andererseits die
Bedingtheit der letzteren durch den Handel sind soweit selbstverständlich.
Jedoch hängt es hier durchaus von anderen Umständen ab, wieweit
industrielle Entwicklung damit Hand in Hand geht. Das alte Rom
entwickelt schon in der späteren republikanischen Zeit das
Kaufmannskapital höher als es je zuvor in der alten Welt bestanden hat,
ohne irgendeinen Fortschritt gewerblicher Entwicklung; während in Korinth
und anderen griechischen Städten Europas und Kleinasiens ein
hochentwickeltes Gewerbe die Entwicklung des Handels begleitet.“ K. Marx,
Kapital 3. S. 344f. „Weil das Handlungskapital eingepfercht ist in die
Zirkulationssphäre und seine Funktion ausschließlich darin besteht, den
Warenaustausch zu vermitteln, so sind zu seiner Existenz - abgesehen von
den unentwickelten Formen, die aus dem unmittelbaren Tauschhandel
entspringen - keine anderen Bedingungen nötig als zur einfachen Waren- und
Geldzirkulation. Oder die letztere ist vielmehr seine
Existenzbedingung. Auf Basis welcher Produktionsweise auch immer die
Produkte produziert wurden, die als Waren in die Zirkulation eingehen - ob
auf Basis des urwüchsigen Gemeinwesens oder der Sklavenproduktion oder der
kleinbäuerlichen und kleinbürgerlichen oder der kapitalistischen -, es
ändert dies nichts an ihrem Charakter als Waren, und als Waren haben sie
den Austauschprozess .... durchzumachen. Die Extreme, zwischen denen
das Kaufmannskapital vermittelt, sind gegeben für es, ganz wie sie gegeben
sind für das Geld und für die Bewegung des Geldes. Das einzig Nötige
ist, dass diese Extreme als Waren vorhanden sind, ob nun die Produktion
ihrem ganzen Umfang nach Warenproduktion ist (wie im Kapitalismus),
oder ob bloß der Überschuss der selbstwirtschaftenden Produzenten über
ihre, durch ihre Produktion befriedigten, unmittelbaren Bedürfnisse auf
den Markt geworfen sind. Das Kaufmannskapital vermittelt nur die
Bewegung dieser Extreme der Waren, als ihm gegebene Voraussetzungen.“ K.
Marx, Kapital 3. S. 337. „Das selbständige Kaufmannsvermögen, als
herrschende Form des Kapitals, ist die Verselbständigung des
Zirkulationsprozesses gegen seine Extreme, und diese Extreme sind die
austauschenden Produzenten selbst. ... Das Produkt wird hier Ware
durch den Handel. Es ist der Handel, der hier die Gestaltung der Produkte
zu Waren entwickelt, es ist nicht die produzierte Ware, deren Bewegung den
Handel bildet. Kapital als Kapital tritt hier also zuerst im
Zirkulationsprozess auf. Im Zirkulationsprozess entwickelt sich das Geld
zu Kapital. In der Zirkulation entwickelt sich das Produkt zuerst als
Tauschwert, als Ware und Geld. ... Geld- und Warenzirkulation können
Produktionssphären der verschiedensten Organisationen vermitteln, die
ihrer inneren Struktur nach noch hauptsächlich auf Produktion des
Gebrauchswertes gerichtet sind.“ K. Marx, Kapital 3. S. 340. „Das
Gesetz, dass die selbständige Entwicklung des Kaufmannskapitals im
umgekehrten Verhältnis steht zum Entwicklungsgrad der kapitalistischen
Produktion, erscheint am meisten in der Geschichte des Zwischenhandels
(carrying trade),
wie bei Venezianern, Genuesern, Holländern (und den alten Phönikern und
z.T. bei den Griechen, wb) etc., wo also der Hauptgewinn gemacht wird
nicht durch Ausfuhr der eigenen Landesprodukte, sondern durch Vermittlung
des Austausches der Produkte kommerziell und sonst ökonomisch
unentwickelter Gemeinwesen und durch Ausbeutung beider
Produktionsländer. Hier ist das Kaufmannskapital rein, abgetrennt von
den Extremen, den Produktionssphären, zwischen denen es vermittelt. Es ist
dies die Hauptquelle seiner Bildung. Aber dies Monopol des
Zwischenhandels verfällt, und damit dieser Handel selbst, im selben
Verhältnis wie die ökonomische Entwicklung der Völker fortschreitet, die
es beiderseits ausbeutete und deren Unentwickeltheit seine
Existenzbasis war. Beim Zwischenhandel erscheint dies nicht nur als
Verfall eines besonderen Handelszweiges, sondern auch als Verfall des
Übergewichts reiner Handelsvölker und ihres kommerziellen Reichtums
überhaupt, der auf der Basis dieses Zwischenhandels beruhte.“ K. Marx,
Kapital 3. S. 341. „Die Entwicklung des Handels und des Handelskapitals
entwickelt überall die Richtung der Produktion auf Tauschwert, vergrößert
ihren Umfang, vermannigfacht und kosmopolisiert sie, entwickelt das Geld
zum Weltgeld. Der Handel wirkt deshalb überall mehr oder minder
auflösend auf die vorgefundenen Organisationen der Produktion, die in
allen ihren verschiedenen Formen hauptsächlich auf den Gebrauchswert
gerichtet sind. Wieweit er aber die Auflösung der alten
Produktionsweise bewirkt, hängt zunächst ab von ihrer Festigkeit und
inneren Gliederung. Und wohin dieser Prozess der Auflösung ausläuft, d.h.
welche neue Produktionsweise an Stelle der alten tritt, hängt nicht vom
Handel ab, sondern vom Charakter der alten Produktionsweise selbst. In
der antiken Welt resultiert die Wirkung des Handels und die Entwicklung
des Kaufmannskapitals stets in Sklavenwirtschaft; je nach dem
Ausgangspunkt auch nur in Verwandlung eines patriarchalischen, auf
Produktion unmittelbarer Subsistenzmittel gerichteten Sklavensystems in
ein auf Produktion von Mehrwert gerichtetes. In der modernen Welt
dagegen läuft sie aus in die kapitalistische Produktionsweise.“ K. Marx,
Kapital 3. S. 344.
Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände
online verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den
vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in
seinen eigenen Worten. Jedem neuen Abschnitt geht eine Zusammenfassung
des vorherigen Abschnitts voran. Auslassungen im laufenden Text sind
durch drei Punkte ... kenntlich
gemacht. Hervorhebungen von Marx sind normal fett
gedruckt. Die Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe der
Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25. Wo es dem Verständnis dient, habe ich
veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch
Zahlenangaben modernisiert.
Alle diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen,
stehen in kursiver Schrift. Rückfragen zum Text werde ich möglichst
rasch beantworten. Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen. Wal
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