Kapital 3.362-369

„Betrachten wir zunächst die eigentümliche Zirkulation des zinstragenden Kapitals. Es ist dann in zweiter Instanz zu untersuchen die eigene Art, wie es als Ware verkauft wird, nämlich verliehen statt ein für allemal abgetreten.“ K. Marx, Kapital 3. S. 352.
„Der Ausgangspunkt ist das Geld, das A dem B vorschießt. Es kann dies mit oder ohne Unterpfand geschehen; die erstere Form ist ... die altertümlichere....“ K. Marx, Kapital 3. S. 352.
„In der Hand von B wird das Geld wirklich in Kapital verwandelt, macht die Bewegung G - W - G‘ durch und kehrt dann als G‘ zu A zurück, als G + deltaG, wo deltaG den Zins vorstellt.
Der Vereinfachung halber sehen wir hier einstweilen von dem Fall ab, wo das Kapital auf längere Zeit in der Hand von B bleibt und die Zinsen terminweise gezahlt werden.“ K. Marx, Kapital 3. S. 352.
„Die erste Verausgabung, die das Kapital aus der Hand des Verleihers in die dies Anleihers überträgt, ist eine juristische Transaktion ...
Die Rückzahlung... ist eine zweite juristische Transaktion, die Ergänzung der ersten; die eine leitet den wirklichen Prozess ein, die andere ist ein nachträglicher Akt nach demselben.
Ausgangspunkt und Rückkehrpunkt, Weggabe und Rückerstattung des verliehenen Kapitals erscheinen also als willkürliche, durch juristische Transaktionen vermittelte Bewegungen, die vor und nach der wirklichen Bewegung des Kapitals vorgehen und mit ihr selbst nichts zu tun haben.“ K. Marx, Kapital 3. S. 360.
„Damit sein Rückfluss vollständig sei, hat B es daher wieder an A zu übertragen.
Außer der Kapitalsumme aber hat B einen Teil des Profits, den er mit dieser Kapitalsumme gemacht hat, unter dem Namen Zins an A abzugeben, da dieser ihm nur das Geld gegeben hat als Kapital, d.h. als Wert, der sich nicht nur erhält in der Bewegung, sondern seinem Eigner einen Mehrwert schafft. Es bleibt in der Hand von B nur, solange es fungierendes Kapital ist. Und mit seinem Rückfluss - nach der abgemachten Frist - hört es auf, als Kapital zu fungieren.“ K. Marx, Kapital 3. S. 353.
„Die charakteristische Bewegung des Kapitals überhaupt, die Rückkehr des Geldes zum Kapitalisten, erhält im zinstragenden Kapital eine ganz äußerliche, von der wirklichen Bewegung ... getrennte Gestalt.
A gibt sein Geld weg, nicht als Geld, sondern als Kapital. Es geht hier keine Veränderung mit dem Kapital vor. Es wechselt nur die Hände. Seine wirkliche Verwandlung vollzieht sich erst in der Hand von B. Aber für A ist es Kapital geworden durch die bloße Weggabe an B. Der wirkliche Rückfluss des Kapitals aus dem Produktions- und Zirkulationsprozess findet nur statt für B.
Aber für A findet der Rückfluss statt in der derselben Form wie die Veräußerung. Es geht von der Hand von B wieder in die von A zurück.
Weggeben, Verleihen von Geld für eine gewisse Zeit und Rückempfang desselben mit Zins (Mehrwert) ist die ganze Form der Bewegung, die dem zinstragenden Kapital als solchem zukommt.
Die wirkliche Bewegung des ausgeliehenen Geldes als Kapital ist eine Operation, die jenseits der Transaktionen zwischen Verleihern und Anleihern liegt.“ K. Marx, Kapital 3. S. 360f.
„Die Rückkehr drückt sich daher hier auch nicht aus als Konsequenz und Resultat einer bestimmten Reihe ökonomischer Vorgänge, sondern als Folge einer speziellen juristischen Abmachung zwischen Käufer und Verkäufer. Die Zeit des Rückflusses (beim industriellen und beim Handelskapital) hängt ab vom Verlauf des Reproduktionsprozesses;
Beim zinstragenden Kapital scheint seine Rückkehr als Kapital von der bloßen Übereinkunft zwischen Verleiher und Anleiher abzuhängen. So dass der Rückfluss des Kapitals mit Bezug auf diese Transaktion nicht mehr als durch den Produktionsprozess bestimmtes Resultat erscheint, sondern so, als ob die Form des Geldes dem ausgeliehenen Kapital nie verlorengegangen wäre (d.h. sich nie in Waren in Gestalt von Produktionsmitteln und Arbeitskraft verwandelt hätte).
Allerdings sind tatsächlich diese Transaktionen durch die wirklichen Rückflüsse bestimmt. Aber dies erscheint nicht in der Transaktion selbst. ...
Wir sehen nur Weggabe und Rückzahlung. Alles, was dazwischen vorgeht, ist ausgelöscht.“ K. Marx, Kapital 3. S. 361f.
b) Zinstragendes Kapital als Ware:
„Bisher haben wir nur die Bewegung des verliehenen Kapitals zwischen seinem Eigner und dem industrielles Kapitalisten betrachtet. Jetzt ist der Zins zu untersuchen.“ K. Marx, Kapital 3. S. 362.
„Wir haben gesehen (Buch II, Kapitel I, Der Kreislauf des Geldkapitals) und rufen hier kurz ins Gedächtnis zurück, dass das Kapital im Zirkulationsprozess als Warenkapital und Geldkapital fungiert. Aber in beiden Formen wird das Kapital nicht als Kapital zur Ware.“ K. Marx, Kapital 3. S. 354.
„Anders aber verhält es sich mit dem zinstragenden Kapital, und gerade dies bildet seinen spezifischen Charakter.
Der Geldbesitzer, der sein Geld als zinstragendes Kapital verwerten will, veräußert es an einen dritten, wirft es in Zirkulation, macht es zur Ware als Kapital; nicht nur als Kapital für ihn selbst, sondern auch für andere; es ist nicht bloß Kapital für den, der es veräußert, sondern es wird dem dritten von vornherein als Kapital ausgehändigt, als Wert, der den Gebrauchswert besitzt, Mehrwert, Profit zu schaffen; als ein Wert, der sich in der Bewegung forterhält und zu seinem ursprünglichen Ausgeber, hier dem Geldbesitzer, nachdem er fungiert hat, zurückkehrt; also sich nur für eine Zeitlang von ihm entfernt, ... also weder weggezahlt noch verkauft, sondern nur ausgeliehen wird;“ K. Marx, Kapital 3. S. 355f.
„Was wird beim gewöhnlichen Verkauf veräußert? Nicht der Wert der verkauften Ware, denn dieser ändert nur die Form. Er existiert als Preis ideell in der Ware, bevor er reell in der Form von Geld in die Hand des Verkäufers übergeht. Derselbe Wert und dieselbe Wertgröße wechseln hier nur die Form. Das eine Mal existieren sie in Warenform, das andere Mal in Geldform.
Was wirklich vom Verkäufer veräußert wird und daher auch in die individuelle oder produktive Konsumtion des Käufers übergeht, ist der Gebrauchswert der Ware, die Ware als Gebrauchswert.
Was ist nun der Gebrauchswert, den der Geldkapitalist für die Zeit des Ausleihens veräußert und an den produktiven Kapitalisten, den Borger, abtritt? Es ist der Gebrauchswert, den das Geld dadurch erhält, dass es in Kapital verwandelt werden ... kann, und dass es daher einen bestimmten Mehrwert, den Durchschnittsprofit ... in seiner Bewegung erzeugt, außerdem, dass es seine ursprüngliche Wertgröße wahrt.
Bei den übrigen Waren wird in der letzten Hand der Gebrauchswert konsumiert, und damit verschwindet die Substanz der Ware und mit ihr ihr Wert.
Die Ware Kapital dagegen hat das Eigentümliche, dass durch die Konsumtion ihres Gebrauchswertes ihr Wert und ihr Gebrauchswert nicht nur erhalten, sondern vermehrt wird.
Diesen Gebrauchswert des Geldes als Kapital - die Fähigkeit, den Durchschnittsprofit zu erzeugen - veräußert der Geldkapitalist an den industriellen Kapitalisten für die Zeit, während deren er diesem die Verfügung über das verliehene Kapital abtritt.“ K. Marx, Kapital 3. S. 363f.
„Der Gebrauchswert des ausgeliehenen Geldes ist: als Kapital fungieren zu können und als solches unter durchschnittlichen Umständen den Durchschnittsprofit zu produzieren.“ K. Marx, Kapital 3. S. 364.
c) Der „Preis“ des zinstragenden Kapitals, Höhe des Zinses:
„Was zahlt nun der industrielle Kapitalist, und was ist daher der Preis des ausgeliehenen Kapitals?... Was der Käufer einer gewöhnlichen Ware kauft, ist ihr Gebrauchswert; was er zahlt, ist ihr Wert.
Was der Borger des Geldes kauft, ist ebenfalls dessen Gebrauchswert als Kapital; aber was zahlt er? Sicher nicht, wie bei den anderen Waren, ihren Preis oder Wert.
Zwischen Verleiher und Borger geht nicht, wie zwischen Käufer und Verkäufer, ein Formwechsel des Werts vor, so dass dieser Wert das eine Mal in der Form des Geldes, das andere Mal in der Form der Ware existiert.“ K. Marx, Kapital 3. S. 365.
„Die Wertsumme, das Geld, wird fortgegeben ohne Äquivalent und wird nach einer gewissen Zeit zurückgegeben. Der Verleiher bleibt immer Eigentümer desselben Wertes, auch nachdem dieser aus seiner Hand in die des Borgers übergangen ist. ...
Der Borger borgt das Geld als Kapital, als sich verwertender Wert. Es ist aber nur erst Kapital an sich (= Kapital der Möglichkeit nach), wie jedes Kapital an seinem Ausgangspunkt, im Augenblick seines Vorschusses. Erst durch seinen Gebrauch verwertet es sich, realisiert sich als Kapital.
Aber als realisiertes Kapital hat der Borger es zurückzuzahlen, also als Wert plus Mehrwert (Zins); und der letztere kann nur ein Teil des von ihm realisierten Profits sein.
Nur ein Teil, nicht das Ganze. Denn der Gebrauchswert für den Borger ist, dass es ihm Profit produziert. Sonst hätte keine Veräußerung des Gebrauchswerts von Seiten des Verleihers stattgefunden.
Andererseits kann nicht der ganze Profit dem Borger zufallen. Er zahlte sonst nichts für die Veräußerung des Gebrauchswertes, und er gäbe das vorgeschossene Geld an den Verleiher nur als einfaches Geld zurück, nicht als Kapital, als realisiertes Kapital, denn realisiertes Kapital ist es nur als G + deltaG.“ K. Marx, Kapital 3. S. 365.
„Will man den Zins den Preis des Geldkapitals nennen, so ist dies eine widersinnige Form des Preises, durchaus im Widerspruch mit dem Begriff des Preises der Ware.
Der Preis ist hier auf seine rein abstrakte und inhaltslose Form reduziert, dass er eine bestimmte Geldsumme ist, die für irgend etwas, was so oder so als Gebrauchswert figuriert, gezahlt wird; während seinem Begriff nach der Preis gleich ist dem in Geld ausgedrückten Wert dieses Gebrauchswertes.“ K. Marx, Kapital 3. S. 366.
“Preis ist ja der Wert der Ware (und dies ist auch der Fall beim Marktpreis, dessen Unterschied vom Wert nicht qualitativ, sondern nur quantitativ ist, sich nur auf die Wertgröße bezieht) im Unterschied zu ihrem Gebrauchswert. Preis, der qualitativ verschieden ist vom Wert, ist ein absurder Widerspruch.“ K. Marx, Kapital 3. S. 367.
„Als Ware erscheint das Kapital ..., soweit die Teilung des Profits in Zins und eigentlichen Profit durch Nachfrage und Angebot, also durch die Konkurrenz, reguliert wird, ganz wie die Marktpreise der Waren.
Der Unterschied tritt hier aber ebenso schlagend hervor wie die Analogie. Decken sich Nachfrage und Angebot, so entspricht der Marktpreis der Ware ihrem Produktionspreis, d.h. ihr Preis erscheint dann geregelt durch die inneren Gesetze der kapitalistischen Produktion, unabhängig von der Konkurrenz, da die Schwankungen von Nachfrage und Angebot nichts erklären als die Abweichungen der Marktpreise von den Produktionspreisen - Abweichungen, die sich wechselseitig ausgleichen... Sobald sie sich decken, hören diese Kräfte auf zu wirken.“ K. Marx, Kapital 3. S. 368.
„Anders aber mit dem Zins vom Geldkapital. Die Konkurrenz bestimmt hier nicht die Abweichungen vom Gesetz, sondern es existiert kein Gesetz der Teilung außer dem von der Konkurrenz diktierten, weil, wie wir noch weiter sehen werden, keine ‚natürliche‘ Rate des Zinsfußes existiert.
Unter der natürlichen Rate des Zinsfußes versteht man vielmehr die durch die freie Konkurrenz festgesetzte Rate. Es gibt keine ‚natürlichen‘ Grenzen der Rate des Zinsfußes. Wo die Konkurrenz nicht nur die Abweichungen und Schwankungen bestimmt, wo also beim Gleichgewicht ihrer gegeneinander wirkenden Kräfte überhaupt alle Bestimmung aufhört, ist das zu Bestimmende etwas an und für sich Gesetzloses und Willkürliches. Weiteres hierüber im nächsten Kapitel.“ K. Marx, Kapital 3. S. 368f.

Diese Kurzfassung aller drei Kapital-Bände online verzichtet auf die Vertiefung von Einzelfragen, bietet aber den vollständigen Gedankengang von Marx' Hauptwerk im Zusammenhang und in seinen eigenen Worten.
Jedem neuen Abschnitt geht eine Zusammenfassung des vorherigen Abschnitts voran.
Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Punkte  ...  kenntlich gemacht.
Hervorhebungen von Marx sind
normal fett gedruckt.
Die Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe der Marx-Engels-Werke, Bände 23 - 25.
Wo es dem Verständnis dient, habe ich veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenangaben  modernisiert. Alle diese und andere Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Rückfragen zum Text werde ich möglichst rasch beantworten. Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen.
Wal Buchenberg