Rosa Luxemburgs Erbe

Begriffe aus ihren politischen Schriften in alphabetischer Folge
„Das, was ich schreibe, sind nicht nur Worte, sondern ich lebe danach,
darin ist mein Glück, und damit werde ich sterben.“
L. Tolstoi, zit. n. R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 253.


Achtstundentag
„In den Monat Oktober (1905, w.b.) fällt das grandiose Experiment Petersburgs mit der Einführung des Achtstundentags. Der Rat der Arbeiterdelegierten beschließt, in Petersburg auf revolutionärem Wege den Achtstundentag durchzusetzen. Das heißt: An einem bestimmten Tag erklären sämtliche Arbeiter Petersburgs ihren Unternehmern, dass sie nicht gewillt sind, länger als acht Stunden täglich zu arbeiten, und verlassen zur entsprechenden Stunde die Arbeitsräume. Die Idee gibt Anlass zu einer lebhaften Agitation, wird vom Proletariat mit Begeisterung aufgenommen und ausgeführt, wobei die größten Opfer nicht gescheut werden. So bedeutete zum Beispiel der Achtstundentag für die Textilarbeiter, die bis dahin elf Stunden, und zwar bei Akkordlohn arbeiteten, einen enormen Lohnausfall, den sie jedoch bereitwillig akzeptieren. Binnen einer Woche herrscht in sämtlichen Fabriken und Werkstätten Petersburgs der Achtstundentag ... Bald rüstet jedoch das anfangs verblüffte Unternehmertum zur Abwehr: es wird überall mit der Schließung der Fabriken gedroht. Ein Teil der Arbeiter lässt sich auf Verhandlungen ein und erringt hier den Zehn- dort den Neunstundentag.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 121f.

Achtstundentag
„Wenn überhaupt Aussicht vorliegt, dass wir die gesetzliche Beschränkung der Arbeitszeit auf zehn Stunden erreichen können, so nur in dem Falle, dass wir unausgesetzt unsere Forderung des Achtstundentages mit allem Nachdruck vertreten. Die ganze bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass nur, indem wir von der bürgerlichen Gesellschaft alles forderten, was sie zu gewähren imstande ist, es uns hier und da gelungen ist, ein Weniges zu erreichen. ... Hier wie sonst ist es nur unser Druck, unser Auf-die-Spitze-Treiben der bürgerlichen Reformen, die überhaupt das Quäntchen ‚guten Willens‘ aus der Bourgeoisie herauspressen. ... Der achtstündige gesetzliche Arbeitstag gehört aber zu den Forderungen unseres Minimalprogrammes, das heißt er ist das allergeringste Minimum an sozialer Reform, das wir als Vertreter der Arbeiterinteressen von dem heutigen Staate zu fordern und zu erwarten die Pflicht haben. Die Zerstückelung auch dieser Minimalforderungen in noch kleinere Brocken widerspricht unserer gesamten Taktik.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 288f.

Agitation ist alles
„... die unermessliche Macht und revolutionäre Wirksamkeit der sozialdemokratischen Agitation... Ebendiese Agitation, nicht das Bombenwerfen und Verwunden der Polizisten, wird die zaristische Regierung wirklich zertrümmern. Denn diese Agitation
- bereitet den Ausbruch oder die Ausbrüche des Generalstreiks, also die unmittelbare Erschütterung der ganzen staatlichen Ordnung, und den Beginn der Straßenrevolution vor;
- dehnt die revolutionäre Gärung auf die Provinz, auf die Dörfer aus und erweitert dadurch das Kampfgebiet so weit, dass die physischen Mittel der Regierung gar nicht mehr ausreichen können, dieser Feuersbrunst Herr zu werden;
- unterminiert die militärische Disziplin, schwächt also die Wirkung der physischen Überlegenheit seitens der Regierung
- und schließlich, indem sie die breitesten Volksmassen zum offenen Kampf gegen die Regierung aufruft, erzeugt sie eine Macht, die .... Barrikaden errichtet, Waffen erobert und hier und da die Truppen teilweise besiegt und entwaffnet und teilweise für sich gewinnt und mit sich reißt.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 552.

Anarchismus
„Wenn wir die Anarchosozialisten, wie der Parteivorstand (auf dem Parteitag 1906, w.b.) vorschlägt, aus der Partei direkt ausschließen, so geben wir ein trauriges Beispiel dafür, dass wir nur Energie und Entschlossenheit finden, um unsere Partei nach links abzugrenzen, dass wir nach rechts aber die Tore nach wie vor sehr weit offen lassen.... Wenn wir keinen von der äußersten Rechten ausgeschlossen haben, so haben wir jedenfalls auch kein Recht, die äußerste Linke auszuschließen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 175f.

Anarchisten
„...Den Anarchisten (ist es) vorbehalten, zu glauben, dass der höchste revolutionäre Idealismus aus der tiefsten materiellen Degradation, aus der Verzweiflung und dem Gefühl, dass ‚man nichts zu verlieren habe‘, empor blüht.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 306

Anarchosyndikalismus
„Die Confédération Générale du Travail (CGT) ... steht auf rein anarchosyndikalistischem Standpunkt, sie betrachtet den politischen Kampf der Arbeiterklasse als eine ‚bourgeoise‘ Verirrung und steuert durch rein gewerkschaftliche Aktion vermittels der ‚direkten Aktion‘, d. h. des famosen ‚Generalstreiks', geradewegs auf die soziale Revolution los.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 15.

Angriffskriege
„.... Jene famose Unterscheidung zwischen Verteidigungskriegen und Angriffskriegen, die früher eine große Rolle spielte in der auswärtigen Politik der sozialistischen Parteien, die aber ... ruhig ad acta gelegt werden dürfte. Was ist in der Tat ein Verteidigungskrieg? Wer wird es übernehmen, mit Sicherheit von irgendeinem Kriege zu behaupten, er gehöre zu dieser oder zu jener Kategorie? Und wie leicht und einfach ist es für die Diplomatie eines Militärstaates, durch kleine Nücken und Tücken, durch Schachzüge einen schwachen Gegner zum Angriff gerade zu zwingen, wenn ihm selbst der Krieg erwünscht ist! Was waren die Napoleonischen Kriege, Angriffs- oder Verteidigungskriege? Vom Standpunkte der europäischen Feudalstaaten waren sie sicher Angriffskriege, vom Standpunkt Frankreichs aber waren sie Verteidigungskriege, denn sie waren notwendig, um das Werk der großen Revolution vor dem europäischen Ancien régime zu verteidigen. ... Was war der Krieg zwischen Frankreich und Deutschland 1870? Da Bismarck zweifellos Frankreich in den Krieg planmäßig hineingetrieben hat, müsste ... (nach der üblichen Formel, w.b.)  der Krieg Napoleons III. als ein ‚gerechter‘ erscheinen. Nach sozialistischer Auffassung hatte aber in diesem Krieg keine von den Parteien das Recht auf ihrer Seite ... Diese Beispiele beweisen eben, dass man ... den modernen Kriegen mit der Elle der ‚Gerechtigkeit‘ oder dem Papierschema von Verteidigung und Angriff nicht beikommen kann... “ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 527f.

Arbeiterfrauen
„Wenn eine Arbeiterfrau bei den heutigen himmelschreienden Zuständen es noch fertigbringt, ihre Kinder einigermaßen zu ernähren, zu bekleiden, anständig zu erziehen, so könnte so ein Finanzgenie sämtliche Finanzminister in die Tasche stecken.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 532.

Arbeiterräte
„Seit den Januargeneralstreiks und den darauffolgenden Streiks des Jahres 1905 (in Russland, w.b.) ist das Prinzip des kapitalistischen ‚Hausherrentums‘ de facto abgeschafft. In den größten Fabriken aller wichtigsten Industriezentren hat sich wie von selbst die Einrichtung der Arbeiterausschüsse gebildet, mit denen allein der Unternehmer verhandelt, die über alle Konflikte entscheiden.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 117.

Arbeiterschutz
„Der Arbeiterschutz selbst ist unter anderem eine zum Sozialismus führende, ja, er ist gewissermaßen schon an sich eine partielle sozialistische Errungenschaft.“  R. Luxemburg, Ges. Werke 1/1, 794.

Arbeitsschutzforderungen
„Außer politischen Rechten, die der Arbeiterklasse den freien und offenen Kampf für ihre Befreiung ermöglichen, brauchen die Arbeiter noch besondere Gesetze, die ihr Leben und ihre Gesundheit vor der Habgier der Kapitalisten schützen. ... Zur Rettung des Lebens und der Gesundheit dieser Millionen von Stadt- und Landproletariern fordert die Sozialdemokratie ....
a) der achtstündige Arbeitstag mit dem Verbot der Nachtarbeit dort, wo letztere nicht unbedingt notwendig ist ...
b) Arbeitsverbot für Frauen zwei Wochen vor der Niederkunft und vier Wochen danach ohne Lohnabzug und unter Zusicherung ärztlicher Beihilfe;....
c) Arbeitsverbot für Kinder bis zu 14 Jahren... sowie die Einschränkung der Arbeit Jugendlicher beiderlei Geschlechts bis zu 16 Jahren auf sechs Stunden täglich. ...
d) gesetzliche Vorschriften zum Schutz der Gesundheit und des Lebens der Arbeiter in den Fabriken, Werkstätten, Gruben und in der Landwirtschaft und bei der Heimarbeit...
e) obligatorische Versicherung aller Arbeiter in der Industrie, im Handel, in der Landwirtschaft und des Hauspersonals gegen Krankheitsfälle, Unfälle, Invalidität und für das Alter....
f) Fabrikinspektionen unter Teilnahme und Kontrolle der Arbeiter. ...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 79-87.

Arbeitszeit
„Erst der Kapitalismus steigerte die Arbeitsproduktivität des Menschen in einem solchen Maße, dass bei der gegenwärtigen Produktionstechnik (im Jahr 1905, w.b.) sogar schon ein sechsstündiger Arbeitstag aller erwachsenen Mitglieder der Gesellschaft ausreichen würde, um die Mittel für ein Leben im Überfluss für alle zu schaffen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 44.

Aufgaben in Deutschland (1906)
„Gerade weil die bürgerliche Rechtsordnung in Deutschland längst besteht, ... kann von einer bürgerlichen Revolution in Deutschland nicht mehr die Rede sein. Und deshalb kann es sich bei einer Periode offener politischer Volkskämpfe in Deutschland als letztes geschichtlich notwendiges Ziel nur noch um die Diktatur des Proletariats handeln. ... Einerseits ökonomische, gewerkschaftliche Kämpfe um die nächsten Interessen, um die materielle Hebung der Arbeiterklasse, andererseits schon das äußerste Endziel der Sozialdemokratie!“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 153.

Außenpolitik
Es ist Tatsache, „dass es bis auf den heutigen Tag eine klare, konsequente und bewusste auswärtige Politik des Sozialismus nicht gibt, vielmehr auf diesem Gebiete mehr als auf jedem anderen teils reine Sympathiewillkür, teils alte Überlieferungen der bürgerlichen Demokratie herrschen ...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 299.

Außerparlamentarische Aktionen
„Ein anderes Beispiel, das zu denken gibt, hat ein politisches Ereignis jüngsten Datums geliefert: Es ist der Besuch des russischen Zaren in Berlin (im Mai 1913, w.b.). Es ist das erste Mal seit der Erdrosselung der Revolution im Zarenreich, dass sich der blutige Henker der russischen Freiheit nach der deutschen Hauptstadt als Gast gewagt hat, nach der Stadt, in der über fünf Wahlkreisen von sechsen die Fahne der Sozialdemokratie weht. Und angesichts einer solchen Provokation hat unsere Partei nicht einen Finger gerührt, nicht den leisesten Protest erhoben. Keine Demonstration, keine Volksversammlungen ... Es ist dies eine Unterlassung im Kampfe gegen den Militarismus und die Reaktion, eine Unterlassung gegenüber den Pflichten internationaler Solidarität mit den russischen Arbeitern, für die jede Entschuldigung, ja jede halbwegs annehmbare Erklärung fehlt.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 232.

Avantgarde-Partei?
„Die Sozialdemokratie ist historisch dazu berufen, die Vorhut des Proletariats zu sein, sie soll als Partei der Arbeiterklasse führend voranstürmen. Bildet sie sich aber ein, sie allein, die Sozialdemokratie, sei berufen, die Geschichte zu machen, die Klasse sei selbst nichts, sie müsse erst ganz in Partei verwandelt werden, ehe sie handeln darf, dann kann sich leicht ergeben, dass die Sozialdemokratie zum hemmenden Element im Klassenkampf wird ...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 254.

Balkankrieg (1912)
„Der Text des Manifestes (des Internationalen Sozialistischen Büros, w.b.) sollte die Einsicht deutlich durchblicken lassen, dass der jetzige Balkankrieg nur ein Glied in einer Kette von Tatsachen ist, die mit dem Wachstum des Imperialismus und der Tendenz zur kapitalistischen Expansion zusammenhängt....“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 177.

Bewaffneter Aufstand
„Freilich ist der wirkliche Marxismus ebenso weit entfernt von der einseitigen Überschätzung des Parlamentarismus wie von ... der Überschätzung des sogenannten bewaffneten Aufstandes. Hier sind meine polnischen Genossen und ich anderer Ansicht als die Genossen Bolschewiki. ... Wir erklärten von Anfang an ..., dass wir den Plan, die breiten Volksmassen auf illegalem Weg zu bewaffnen, für ein utopisches Unternehmen halten, ebenso wie den Plan, den sogenannten bewaffneten Aufstand vorzubereiten und vorsätzlich zu organisieren.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 222.

Bewegung und Organisation
„Die sozialdemokratische Bewegung ist die erste in der Geschichte der Klassengesellschaften, die in allen ihren Momenten, im ganzen Verlauf auf die Organisation und die selbständige Aktion der Masse berechnet ist.“ ... Die sozialdemokratische Aktion „wächst historisch aus dem elementaren Klassenkampf heraus. Sie bewegt sich dabei in dem dialektischen Widerspruch, dass hier die proletarische Armee sich erst im Kampfe selbst rekrutiert und erst im Kampfe auch über die Aufgaben des Kampfes klar wird. Organisation, Aufklärung und Kampf sind hier nicht getrennte, mechanisch und auch zeitlich gesonderte Momente, wie bei einer blanquistischen Bewegung, sondern sie sind nur verschiedene Seiten desselben Prozesses. ... Einerseits gibt es ... keine fertige, im Voraus festgesetzte Kampftaktik, in die die sozialdemokratische Mitgliedschaft von einem Zentralkomitee eingedrillt werden könnte. Andererseits bedingt der die Organisation schaffende Prozess des Kampfes ein beständiges Fluktuieren der Einflusssphäre der Sozialdemokratie.“  R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 427f.
„Auch hier geht das Unbewusste vor dem Bewussten, die Logik des objektiven historischen Prozesses vor der subjektiven Logik seiner Träger.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 432.
„Was sich aber aus der allgemeinen Auffassung des sozialdemokratischen Organisationstypus ableiten lässt, das sind die großen Grundzüge, das ist der Geist der Organisation, und dieser bedingt, namentlich in den Anfängen der Massenbewegung, hauptsächlich den koordinierenden, zusammenfassenden und nicht den reglementierenden und exklusiven Charakter des sozialdemokratischen Zentralismus. R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 434

Bewusstsein
„Wir wissen gar nicht in den sogenannten Normalzeiten des bürgerlichen Alltags, wie mächtig unsere Ideen bereits Wurzel gefasst, wie stark das Proletariat und wie innerlich morsch der Aufbau der herrschenden Gesellschaft bereits ist.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 488.

Burgfrieden
„Der Klassenkampf ist also von der Sozialdemokratie mit dem 4. August 1914 und bis zum künftigen Friedensschluss für nicht existierend erklärt. Deutschland verwandelte sich mit dem ersten Donner der Krupp-Kanonen in Belgien in eine Wunderland der Klassensolidarität und der gesellschaftlichen Harmonien. ...Wie soll man sich dies Wunder eigentlich vorstellen? ...Haben etwa die Besitzenden in der Aufwallung des Patriotismus erklärt: Jetzt, angesichts des Krieges, geben wir für seine Dauer die Produktionsmittel, Grund und Boden, Fabriken, Werke, in den Besitz der Allgemeinheit, verzichten auf die alleinige Nutznießung der Güter, schaffen alle politischen Privilegien ab und opfern sie auf dem Altar des Vaterlandes, solange es in Gefahr ist? ... Im Gegenteil, alle Eigentumsverhältnisse, die Ausbeutung, die Klassenherrschaft, selbst die politische Entrechtung in ihrer mannigfachen preußisch-deutschen Gestalt sind intakt geblieben. An der ökonomischen, sozialen und politischen Struktur Deutschlands hat der Donner der Kanonen in Belgien und Ostpreußen nicht das geringste geändert. Die Aufhebung des Klassenkampfes war also eine ganz einseitige Maßnahme. Während ... die kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung geblieben ist, haben die Führer der Arbeiterklasse, Sozialdemokratie und Gewerkschaften, in patriotischem Großmut die Arbeiterklasse diesem Feinde für die Dauer des Krieges kampflos ausgeliefert.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 123f.


Chinesische Revolution 1911
„In China siegt die Revolution. ... Während wir um den revolutionären Gang der Geschichte herumzanken, hat er in China munter gearbeitet und .... es als ein Land gezeigt, in dem die heftigsten Klassenkämpfe toben. In China hat die Republik gesiegt, und wir in Deutschland, die wir in der Welt voranmarschieren, leben jetzt unter einem chinesischen Mandarinentum.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 128.

Demokratismus
„Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Presse- und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird zum Scheinleben, in der die Bürokratie allein das tätige Element bleibt. Das öffentliche Leben schläft allmählich ein, einige Dutzend Parteiführer von unerschöpflicher Energie und grenzenlosem Idealismus dirigieren und regieren, unter ihnen leitet in Wirklichkeit ein Dutzend hervorragender Köpfe, und eine Elite der Arbeiterschaft wird von Zeit zu Zeit zu Versammlungen aufgeboten, um den Reden der Führer Beifall zu klatschen, vorgelegten Resolutionen einstimmig zuzustimmen, im Grunde also eine Cliquenwirtschaft – eine Diktatur allerdings, aber nicht eine Diktatur des Proletariats, sondern die Diktatur einer Handvoll Politiker, d.h. Diktatur im rein bürgerlichen Sinne, im Sinne der Jakobinerherrschaft. ... Diktatur der Klasse, nicht einer Partei oder einer Clique, Diktatur der Klasse, d.h. in breitester Öffentlichkeit, unter tätigster ungehemmter Teilnahme der Volksmassen, in unbeschränkter Demokratie.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 362f.

Deutscher Untertanengeist
„Der Mangel an jeder großen revolutionären Tradition im deutschen Bürgertum und daher auch im deutschen Proletariat hat sicher bis in die Reihen der Sozialdemokratie einen gewissen Mangel an Selbstvertrauen, ein Übermaß an eingefleischtem Respekt vor der ‚Gesetzlichkeit‘ des absolutistisch-bürokratischen Polizeistaates und vor der Autorität des Schutzmannsäbels erzeugt. ... Die geschichtliche Entwicklung, die so manchen schweren Block aus ihrem Wege zu räumen weiß, wird auch noch mit unsrer Schwerfälligkeit fertig.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 250.

Deutschlands Sonderrolle
„In Deutschland kann das Aufkommen des Imperialismus, das auf die kürzeste Zeitspanne zusammengedrängt ist, in Reinkultur beobachtet werden. ....Fügt man hierzu das stärkste, in seinen politischen Initiativen sprunghafteste persönliche Regiment und den schwächsten, jeder Opposition unfähigen Parlamentarismus, dazu alle bürgerlichen Schichten im schroffsten Gegensatz zur Arbeiterklasse zusammengeschlossen und hinter der Regierung verschanzt, so konnte man voraussehen, dass dieser junge, kraftstrotzende, von keinerlei Hemmungen beschwerte Imperialismus, der auf die Weltbühne mit ungeheuren Appetiten trat, als die Welt bereits so gut wie verteilt war, sehr rasch zum unberechenbaren Faktor der allgemeinen Beunruhigung werden musste.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 78.

Differenzen verwischen
„‘gr.‘ (Gradnauer, Redakteur des ‚Vorwärts‘, w.b.) hat eine eigenartige Methode, sich in der Diskussion unverletzlich zu machen: Er hat über jedes Ding nicht eine Meinung, wie die meisten Menschen, sondern mehrere Meinungen auf einmal... Es ist dies jene Politik, die allen geben und niemandem nehmen, alle befriedigen und niemanden kränken, alle Differenzen verwischen, alle Widersprüche aussöhnen, alle Gegensätze in einem Meer sauer-süßlicher Beschwichtigungslimonade ertränken will.“ R. Luxemburg, Gesammelte Werke, 1/1; S. 262f.

Diktatur der Partei
„Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Presse- und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird zum Scheinleben, in der die Bürokratie allein das tätige Element bleibt. Das öffentliche Leben schläft allmählich ein, einige Dutzend Parteiführer von unerschöpflicher Energie und grenzenlosem Idealismus dirigieren und regieren, unter ihnen leitet in Wirklichkeit ein Dutzend hervorragender Köpfe, und eine Elite der Arbeiterschaft wird von Zeit zu Zeit zur Versammlungen aufgeboten, um den Reden der Führer Beifall zu klatschen, vorgelegten Resolutionen einstimmig zuzustimmen, im Grunde also eine Cliquenwirtschaft – eine Diktatur allerdings, aber nicht eine Diktatur des Proletariats, sondern die Diktatur einer Handvoll Politiker, d.h. Diktatur im rein bürgerlichen Sinne, im Sinne der Jakobinerherrschaft. ... Diktatur der Klasse, nicht einer Partei oder einer Clique, Diktatur der Klasse, d.h. in breitester Öffentlichkeit, unter tätigster ungehemmter Teilnahme der Volksmassen, in unbeschränkter Demokratie.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 362.

Disziplin
„Die sozialdemokratische Disziplin kann ... niemals bedeuten, dass sich die achthunderttausend organisierten Parteimitglieder dem Willen und den Bestimmungen einer Zentralbehörde, eines Parteivorstandes zu fügen haben, sondern umgekehrt, dass alle Zentralorgane der Partei den Willen der achthunderttausend organisierten Sozialdemokraten auszuführen haben.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 39.

Disziplin
Lenin rühmt „die erzieherische Bedeutung der Fabrik für das Proletariat ..., die es von Hause aus für ‚Disziplin und Organisation‘ reif mache ... Die ‚Disziplin‘, die Lenin meint, wird dem Proletariat keineswegs bloß durch die Fabrik, sondern auch durch die Kaserne, auch durch den modernen Bürokratismus, kurz, durch den Gesamtmechanismus des zentralisierten bürgerlichen Staates eingeprägt.... Nicht durch die Anknüpfung an die ihm durch den kapitalistischen Staat eingeprägte Disziplin – mit der bloßen Übertragung des Taktstocks aus der Hand der Bourgeoisie in die eines sozialdemokratischen Zentralkomitees -, sondern durch die Durchbrechung, Entwurzelung dieses sklavischen Disziplingeistes kann der Proletarier erst für die neue Disziplin – die freiwillige Selbstdisziplin der Sozialdemokratie – erzogen werden.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 431.
„Nur der sozialistische ‚Literat‘, kraft der ihm angeborenen Zerfahrenheit und des Individualismus, kann sich nach Lenins Meinung gegen so unbeschränkte Machtbefugnisse des Zentralkomitees sträuben, ein echter Proletarier dagegen müsse sogar infolge seines revolutionären Klasseninstinktes ein gewisses Wonnegefühl bei all der Straffheit, Strammheit und Schneidigkeit seiner obersten Parteibehörde empfinden, er unterziehe sich all den derben Operationen der ‚Parteidisziplin‘ mit freudig geschlossenen Augen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 435.

Dreibund, deutsche Kriegsvorbereitungen
„Ein Notbehelf in unserer Taktik ist, dass sich die deutsche Sozialdemokratie auf den Boden des Dreibundes stellt, das heißt, dass sie die Vereinigung der deutschen, österreichischen und italienischen Diplomatie unterstützt. Es ist tief bedauerlich, dass erst vor einigen Wochen, als die neue Militärvorlage im Reichstage verhandelt wurde, Genosse David der Regierung im Auftrage der Fraktion öffentlich erklärte, wir Sozialdemokraten stehen auf dem Boden des Dreibundes, wobei nur der Vorbehalt gemacht wurde, der Dreibund müsse ein braver Knabe sein und für den Frieden wirken. ... Vom Dreibund, von einer kapitalistischen Bündnispolitik, die den Krieg vorbereiten soll, zu erwarten, sie solle für den Frieden wirken, das ist das Beginnen eines Menschen, der vom Distelstrauch Feigen pflücken will. Man muss nur einmal die Resultate des Dreibundes betrachten. Die erste Folge war, dass Frankreich zu der schmachvollen Allianz mit Russland förmlich getrieben wurde, und dass England mit Frankreich und Russland zu jenem dreieckigen Verhältnis gebracht wurde. Eine andre Folge des Dreibunds sind die ungeheuren Rüstungen Deutschlands gegen Frankreich und Russland und ebenso die Rüstungen Österreichs. Wo war denn der Dreibund, als es galt, den Frieden zu erhalten, als eine Dreibundmacht Tripolis überfiel oder als Österreich Bosnien und die Herzegowina annektierte? Es ist eine alte Binsenweisheit, dass, wo zwei oder drei kapitalistische Staaten die Köpfe zusammenstecken, es sich immer um die Haut eines vierten kapitalistischen Staates handelt. Welche Naivität gehört dazu, von diesem Bündnis zu erwarten, es sollte eine Gewähr sein für den Frieden. Es gibt ein internationales Bündnis, das sich als einzige Gewähr für den Frieden herausgestellt hat. Das einzige Bündnis, auf das zu rechnen ist, ist das Bündnis aller revolutionären Proletarier der Welt!“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 216

Emanzipation
„Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur das Werk der Arbeiterklasse selbst sein, sagt das Kommunistische Manifest, und es versteht unter Arbeiterklasse nicht etwa einen sieben- oder auch zwölfköpfigen Parteivorstand, sondern die aufgeklärte Masse des Proletariats in eigner Person. Jeder Schritt vorwärts im Emanzipationskampfe der Arbeiterklasse muss zugleich eine wachsende geistige Verselbständigung ihrer Masse, ihre wachsende Selbstbetätigung, Selbstbestimmung und Initiative bedeuten. R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 38.

Endstadium des Kapitalismus:
„Mit der Aufteilung und Verschlingung Asiens bleibt dem europäischen Kapitalismus kein neues Gebiet zur Eroberung übrig, die Welt wird dann wirklich verteilt sein, und alles wird seinen Herrn haben. ... Und die inzwischen wachgerufenen wirtschaftlichen und politischen Mächte: die hochentwickelte Großindustrie, der ungeheure Militarismus, beginnen dann, ohne einen neuen Abflusskanal zu finden, mit der ganzen Wucht auf dem gesellschaftlichen Körper zu lasten. Wie lange die darauffolgenden mageren Jahre des Kapitalismus dauern werden, das wird wesentlich vom Stand, von den Fortschritten der Arbeiterbewegung in den wichtigsten kapitalistischen Ländern abhängen. Denn sobald der ganze Erdball vom Kapitalismus umspannt ist – und dies wird mit der Aufteilung Asiens fast endgültig vollzogen -, ... wird der Kapitalismus seinerseits am Ende seines Lateins angelangt sein.“ R. Luxemburg, Gesammelte Werke, 1/1, S. 364.

Finanzkapital
Deutschland hat seit den achtziger Jahren „die stärkste Kartellentwicklung Europas und die größte Ausbildung sowie Konzentration des Bankwesens in der ganzen Welt. ... Dieses hat das Finanzkapital zu einer geschlossenen Macht von größter, stets gespannter Energie zusammengepresst, zu einer Macht, die, gebieterisch schaltend und waltend in Industrie, Handel und Kredit des Landes, gleich ausschlaggebend in Privat- wie in Staatswirtschaft, schrankenlos und sprunghaft ausdehnungsfähig, immer nach Profit und Betätigung hungernd, unpersönlich, daher großzügig, wagemutig und rücksichtslos, international von Hause aus, ihrer ganzen Anlage nach auf die Weltbühne als den Schauplatz ihrer Taten zugeschnitten war.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 78.


Frauenarbeit
„... die Frauen des Proletariats (sind) wirtschaftlich selbständig, sie sind für die Gesellschaft produktiv tätig so gut wie die Männer. Nicht in dem Sinne, dass sie dem Manne durch häusliche Arbeit helfen, mit dem kargen Lohn das tägliche Dasein der Familie zu fristen und Kinder zu erziehen. Diese Arbeit ist nicht produktiv im Sinne der heutigen kapitalistischen Wirtschaftsordnung, und mag sie in tausendfältigen kleinen Mühen eine Riesenleistung an Selbstaufopferung und Kraftaufwand ergeben. ... Als produktiv gilt – solange Kapitalherrschaft und Lohnsystem dauern werden – nur diejenige Arbeit, die Mehrwert schafft, die kapitalistischen Profit erzeugt. Von diesem Standpunkt ist die Tänzerin im Tingeltangel, die ihrem Unternehmer mit ihren Beinen Profit in die Tasche fegt, eine produktive Arbeiterin, während die ganze Mühsal der Frauen und Männer in den vier Wänden ihres Heimes als unproduktive Tätigkeit betrachtet wird. Das klingt roh und wahnwitzig, entspricht aber genau der Rohheit und dem Wahnwitz der heutigen kapitalistischen Wirtschaftsordnung....“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 163.

Frauenemanzipation
„Die Proletarierin braucht politische Rechte, weil sie dieselbe wirtschaftliche Funktion in der Gesellschaft ausübt, ebenso für das Kapital rackert, ebenso den Staat erhält, ebenso von ihm ausgesogen und niedergehalten wird wie der männliche Proletarier. Sie hat dieselben Interessen und benötigt zu ihrer Verfechtung dieselben Waffen. Ihre politischen Forderungen wurzeln tief in dem gesellschaftlichen Abgrund, der die Klasse der Ausgebeuteten von der Klasse der Ausbeuter trennt, nicht im Gegensatz von Mann und Frau, sondern im Gegensatz von Kapital und Arbeit.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 411.

Frauenemanzipation
„In der heutigen Gesellschaft, die auf dem privatkapitalistischen Eigentum und der Herrschaft der Kapitalisten beruht, ist die Frau aller politischen Rechte beraubt und wird als zweitklassiges, dem Manne untertanes Wesen angesehen. Die Frau aus dieser Erniedrigung befreien, ihr die gleichen Rechte und ihre Menschenwürde zurückgeben, kann nur die sozialistische Gesellschaftsordnung, die die Herrschaft des Privateigentums und mit ihr jegliche Ungleichheit in der menschlichen Gesellschaft beseitigen wird. Die Entwicklung des Kapitalismus bereitet selbst den Boden für die Befreiung und Gleichberechtigung der Frau vor. ... Die Frau aus dem Volk ist immer häufiger gezwungen, durch eigene Arbeit sich selbst und oftmals auch die Familie zu ernähren. Sobald aber die ökonomische Abhängigkeit der Frauen verschwindet, so verschwindet zugleich der Boden, auf dem die Rechtlosigkeit und die gesellschaftliche Benachteiligung der Frauen gewachsen sind. ... Die Sozialdemokratie fordert: 1. die Aufhebung aller staatlichen Gesetze sowohl des Straf- als auch des Zivilrechts, die zuungunsten der Frau erlassen wurden oder in irgendeiner Hinsicht ihre persönliche Freiheit, ihre Verfügungsgewalt über ihr Vermögen oder das Recht, ihre elterliche Gewalt über die Kinder ebenso wie der Vater dieser Kinder auszuüben, beschränken; 2. die Gewährung aller Rechte und politischen Freiheiten für Frauen gleichermaßen wie für die Männer, vor allem das Wahlrecht zum Parlament, ... zu den Stadt- und Gemeindeverordnetenversammlungen;“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 71.

Frauenwahlrecht
„Wenn wir politische Gleichberechtigung für die Frauen fordern, wird von bürgerlicher Seite geantwortet, die Frau sei zu dumm für Politik, ihre Aufgabe sei der Kochtopf und die Kinderwiege. Allein ich glaube, dass die Frauen, die es bei dieser Not fertigbringen, mit dem kargen Verdienst ihrer Männer die Familien durchzubringen und die Kinder zu ehrlichen Menschen zu erziehen, dass diese Frauen ihr Reifezeugnis abgelegt haben und jeden deutschen Minister in die Tasche stecken.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 73.

Friedensinitiative im Reichstag, Mai 1917
„Die Arbeitsgemeinschaft (der linken Minderheits-SPD, w.b.) reagierte auf die russische Revolution durch Aufstellung eines ganz neuen ‚Aktionsprogramms‘, und darunter versteht sie – eine lange Liste furchtbar radikaler Anträge, die sie dem Reichstag präsentieren will. ... Das ist also in dieser Stunde das Wichtigste: Anträge an den Reichstag zu richten?! An diesen Reichstag der imperialistischen Mameluckengarde! Und gerade heute, wo einer Welt daran liegt, den deutschen Massen endlich klarzumachen, dass sie nichts vom Parlamentarismus, dass sie alles nur von der eigenen Initiative, Tatkraft und Aktionsfähigkeit zu erwarten haben, heute, wo Russland auch dem Blindesten handgreiflich zeigt, was ‚Aktionsprogramm‘ und was ‚Aktion‘ heißt ...!“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 266f.

Führung und Masse
„In allen bisherigen Klassenkämpfen, die im Interesse von Minoritäten ausgefochten wurden oder wo, wie Marx sagt, die gesamte historische Entwicklung im Gegensatz zu der großen Volksmasse stattgefunden hat, da bildete die Unklarheit der Masse über die eigentlichen Ziele, den materiellen Gehalt und die Grenzen der historischen Aktion die Vorbedingung selbst dieser Aktion. Dieses Missverständnis war auch der spezifische geschichtliche Boden der ‚Führerschaft‘ auf Seiten der ‚gebildeten‘ Bourgeoisie, der das ‚Nachtrollen‘ der Masse entsprach. Aber, schrieb Marx schon 1845, ‚mit der Gründlichkeit der geschichtlichen Aktion wird also der Umfang der Masse zunehmen, deren Aktion sie ist.‘ (MEW 2, 86; w.b.) Der proletarische Klassenkampf ist die ‚gründlichste‘ aller bisherigen historischen Aktionen, sie umfasst die gesamten unteren Volksschichten, und sie ist die erste Aktion seit dem Bestehen der Klassengesellschaft, die dem eigenen Interesse der Masse entspricht. Die eigene Einsicht der Masse in ihre Aufgaben und Wege ist deshalb hier eine ebenso unerlässliche geschichtliche Vorbedingung der sozialdemokratischen Aktion, wie früher ihre Einsichtslosigkeit die Vorbedingung der Aktionen der herrschenden Klassen waren. Damit ist aber der Gegensatz zwischen der ‚Führerschaft‘ und der ‚nachtrollenden‘ Majorität aufgehoben... Die einzige Rolle der sogenannten ‚Führer‘ in der Sozialdemokratie besteht darin, die Masse über ihre historischen Aufgaben aufzuklären. ... Das Ansehen, der Einfluss der ‚Führer‘ in der Sozialdemokratie wächst nur im Verhältnis zu der Menge Aufklärung, die sie in diesem Sinne leisten, das heißt also gerade im Verhältnis, wie sie die bisherige Grundlage jeder Führerschaft, die Blindheit der Masse, zerstören, in dem Verhältnis ... wie sie sich selbst ihrer Führerschaft entäußern, die Masse zur Führerin uns sich selbst zu Ausführern, zu Werkzeugen der bewussten Massenaktion machen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 396
„Die Masse, die wie ein Kind erzogen werden muss, der man nicht alles sagen, die man sogar zu ihrem Besten belügen und betrügen darf, und die ‚Führer‘, die als tiefblickende Staatsmänner aus diesem weichen Ton den Tempel der Zukunft nach eigenen großen Plänen formen, das ist die politische Ethik sowohl der bürgerlichen Parteien wie es revisionistischen Sozialismus, wenn auch die dabei verfolgten Absichten hier und dort noch so verschieden sein mögen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 399

Gegen den Krieg (Januar 1918)
„Der allgemeine Friede lässt sich ohne Umsturz der herrschenden Macht in Deutschland nicht erreichen. Nur mit der Fackel der Revolution, nur im offenen Massenkampfe um die politische Macht, um die Volksherrschaft und die Republik in Deutschland, lässt sich jetzt das erneute Auflodern des Völkermordens und der Triumph der deutschen Annexionisten im Osten und Westen verhindern. Die deutschen Arbeiter sind jetzt berufen, die Botschaft der Revolution und des Friedens vom Osten nach dem Westen zu tragen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 379.

Gemeinde und Zentralregierung
„Während die Regierung die zentralisierte Staatsgewalt verkörpert, wächst die Munizipalität aus der lokalen Selbstverwaltung auf Kosten der Zentralgewalt, als Befreiung von der Zentralgewalt, heraus. ... Zentralregierung und Gemeinde sind deshalb historisch zwei entgegengesetzte Pole in der heutigen Gesellschaft. ... Für die sozialistische Taktik ergibt sich daraus ein grundverschiedenes Verhalten: Die Zentralregierung des heutigen Staates ist die Verkörperung der bürgerlichen Klassenherrschaft, deren Beseitigung eine unumgängliche Voraussetzung des sozialistischen Sieges ist, die Selbstverwaltung ist das Element der Zukunft, an das die sozialistische Umwälzung in positiver Weise anknüpfen wird. ... Solange sie (die Sozialisten, w.b.) in den Gemeindevertretungen in der Minderheit sind, machen sie genau in derselben Weise die Opposition zur Richtschnur ihres Verhaltens wie im Parlament. Werden sie aber zur Mehrheit, dann verwandeln sie die Gemeinde selbst in ein Kampfmittel gegen die bürgerliche Zentralgewalt.“  R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 62f.

Generalstreik
„Der Generalstreik gehört zweifellos zu den ältesten Losungen der modernen Arbeiterbewegung und jedenfalls zu solchen, um die äußerst heftige und häufige Kämpfe im Schoße des Sozialismus ausgefochten wurden. ... Die erste Bedingung einer ernsten Beurteilung der Frage vom Generalstreik ist die Unterscheidung nationaler Generalstreiks von internationalen, politischer von gewerkschaftlichen, Branchenstreiks von allgemeinen, solcher, die durch ein bestimmtes Zeitereignis hervorgerufen sind, von solchen, die aus allgemeinen Bestrebungen des Proletariats abgeleitet werden usw. ... Wenn wir den rein gewerkschaftlichen Branchengeneralstreik ausscheiden, der bereits in den meisten Ländern zur täglichen Erscheinung geworden ist und deshalb alles Theoretisieren überflüssig macht, ... so muss unseres Erachtens ... zweierlei unterschieden werden: der anarchistische Generalstreik und der politische Gelegenheitsmassenstreik ... In die erste Kategorie gehört vor allem der nationale, zur Einführung der sozialistischen Ordnung in Aussicht genommene anarchistische Generalstreik ...
In die (zweite, w.b.) Kategorie gehört andererseits die Idee, den Generalstreik als Mittel gegen die kapitalistischen Kriege anzuwenden, eine Idee, der bereits der Kongress der Internationale in Brüssel 1868 durch eine Resolution Ausdruck gegeben hat...
Hier wie dort liegt das Charakteristische der Auffassung in dem Glauben an den Generalstreik als an ein Wundermittel (w.b.) gegen die kapitalistische Gesellschaft im ganzen oder, was dasselbe, gegen einzelne ihrer Lebensfunktionen, den Glauben an eine abstrakte, absolute Kategorie des Generalstreiks als dem Mittel des Klassenkampfe, das in jedem Augenblick und in allen Ländern gleichmäßig anwendbar und siegreich sei. Die Bäcker liefern keine Backwaren, die Laternen bleiben unangezündet, die Eisen- und Trambahnen zirkulieren nicht – der Zusammenbruch ist da! ... Der politische gelegentliche Generalstreik, wie ihn die französischen Arbeiter hie und da zu bestimmten politischen Zwecken gebrauchten, ... wie ihn namentlich die belgischen Arbeiter mehrmals im Kampf um das allgemeine Wahlrecht in Anwendung brachten, hat mit jener anarchistischen Generalstreikidee nur den Namen und die technische Form gemein. Politisch sind es aber zwei entgegengesetzte Begriffe.“  R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 233-236.

Generalstreik
„Um das Nötigste vorwegzunehmen: Der Beschluss (des Gewerkschaftstages von 1905, w.b.), der den politischen Massenstreik verwirft und die ‚Propagierung‘ dieses Kampfmittels verbietet, kann die ernsten Verfechter der Idee des Generalstreiks außerordentlich kühl lassen. ... Der politische Massenstreik wird in einem gewissen Stadium des Klassenkampfes ebenso wenig durch ablehnende Kongressbeschlüsse verhindert, wie durch das langweilige Hausieren mit dieser Idee in abstrakter Form herbeigeführt wird, wo die objektiven Bedingungen dafür fehlen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 580f.

Generalstreik
„Wenn uns also die russische Revolution (von 1905, w.b.) etwas lehrt, so ist es vor allem, dass der Massenstreik nicht künstlich ‚gemacht‘, nicht ins Blaue hinein ‚beschlossen‘, nicht ‚propagiert‘ wird, sondern dass er eine historische Erscheinung ist, die sich in gewissem Moment aus den sozialen Verhältnissen mit geschichtlicher Notwendigkeit ergibt.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 100.
Die frühen Massen- und Generalstreiks entstanden aus einzelnen zusammenfließenden Lohnkämpfen, die in der allgemeinen Stimmung der revolutionären Situation und unter dem Eindruck der sozialdemokratischen Agitation rapid zu politischen Kundgebungen wurden; ... Jetzt ist die Bewegung eine umgekehrte. Die Januar- und Februargeneralstreiks brachen im Voraus als einheitliche revolutionäre Aktion unter der Leitung der Sozialdemokratie aus; allein diese Aktion zerfiel bald in eine unendliche Reihe lokaler, partieller, ökonomischer Streiks in einzelnen Gegenden, Städten, Branchen, Fabriken. ... Hier wird um den Achtstundentag gekämpft, dort gegen die Akkordarbeit, hier werden brutale Meister auf einem Handkarren im Sack ‚hinausgeführt‘, anderswo gegen infame Strafsysteme, überall um bessere Löhne, hier und da um Abschaffung der Heimarbeit gekämpft.... Die Frühlingsstreiks des Jahres 1905 sind fast durchweg siegreich verlaufen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 111-114.

Generalstreik
„Will die Arbeiterschaft irgendeine direkte politische Massenaktion vornehmen, so muss sie vor allem die Arbeit ruhen lassen und aus den Fabriken, Werkstätten und Gruben heraustreten. Der Generalstreik ist somit der erste Schritt und die natürliche Anfangsform jeder offenen Massenaktion und allerdings jeder modernen Straßenrevolution.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 529.

Gerechtigkeitsempfinden
„Und die moralische Entrüstung der Massen ist zwar an sich keine Waffe gegen die verbrecherische Wirtschaft des Kapitalismus, sie ist aber ... ein wichtiges Symptom, dass die herrschende Gesellschaft mit dem Rechtsempfinden und den Interessen der Volksmassen bereits in Widerspruch geraten ist. Diesen Widerspruch so deutlich wie möglich zum Ausdruck zu bringen, ist jetzt Pflicht und Aufgabe der Sozialdemokratie.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 25.

Gesetzgebung
„Wir müssen uns auch darüber klar sein, dass wir als geborene Minderheitspartei sehr wenig Einfluss auf die Gesetzgebung haben. Was wir an Gesetzen zugunsten der Arbeiter erreicht haben, das ist nicht der Zahl unserer Abgeordneten zu danken, sondern dem Druck der Massen, die hinter ihnen stehen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 193.

Gewaltanwendung
„Der ganze kapitalistische Staat beruht auf der Gewalt, und seine militärische Organisation ist an sich ein genügender, faustdicker Beweis dafür, den zu übersehen ein wahres Kunststück des opportunistischen Doktrinarismus ist. ... Wenn ein ‚freier Bürger‘ von einem anderen gegen seinen Willen, zwangsweise in ein enges, unwohnliches Gelass gesteckt und dort eine Zeitlang gehalten wird, so versteht jeder, dass dies ein Gewaltakt ist. Sobald jedoch die Operation auf Grund eines gedruckten Buches, genannt Strafgesetzbuch, geschieht, und das Gelass ... ‚Gefängnis‘ oder Zuchthaus heißt, dann verwandelt sie sich in einen Akt der friedlichen Gesetzlichkeit.... Mit einem Worte: Was uns als bürgerliche Gesetzmäßigkeit präsentiert, ist nichts anderes als die von vornherein zur verpflichtenden Norm erhobene Gewalt der herrschenden Klasse.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 242. „... Die Gewalt ist und bleibt Ultima ratio auch der Arbeiterklasse, das bald in latentem, bald in aktivem Zustand wirkende oberste Gesetz des Klassenkampfes. ... Wollte die Sozialdemokratie wirklich einmal ... von vornherein und ein für allemal auf den Gebrauch der Gewalt verzichten und die Arbeitermassen auf die bürgerliche Gesetzlichkeit einschwören, dann würde ihr ganzer parlamentarischer und sonstiger politischer Kampf früher oder später kläglich in sich selbst zusammenfallen, um der uneingeschränkten Herrschaft der Gewalt der Reaktion das Feld zu räumen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 247f.

Gewerkschaft
„Die Gewerkschaft darf nicht zum Selbstzweck und dadurch zum Hemmschuh für die Bewegungsfreiheit der Arbeiter werden.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 605.

Gewerkschaften und Partei
„... Gewerkschaften und Sozialdemokratie als politische Partei (stellen) doch nur zwei verschiedene Formen, zwei Zweige der modernen Arbeiterbewegung dar..., der erst zusammen, in ihrer gegenseitigen Ergänzung den Bedürfnissen und den Aufgaben des proletarischen Klassenkampfes gerecht werden, die aber auch nur auf einer und derselben theoretischen Grundlage gedeihen und erstarken können. Es gibt keine besondere wissenschaftliche Theorie der Gewerkschaftsbewegung ... Es ist eine und dieselbe Lehre vom Klassenkampf, eine und dieselbe nationalökonomische Einsicht in die Gesetze der kapitalistischen Wirtschaft, eine und dieselbe Theorie der materialistischen Geschichtsauffassung, die das geistige Rüstzeug unserer Gewerkschaften in ihrem Kampfe wie unserer Partei bilden.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 549

Gewerkschaften und Politik
„Der gewerkschaftliche Kampf ist notwendig, um die arbeitende Bevölkerung wenigstens teilweise aus der Tiefe des Elends zu reißen, in die sie die Ausbeutung stößt. Der politische Kampf dient der Verteidigung der Interessen des Proletariats und der allmählichen Einflussgewinnung auf die Gesetzgebung und die gesamte Staatspolitik.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 48.

Gewerkschaften
„Das starke Wachstum der Gewerkschaftsbewegung in Deutschland im Laufe der letzten 15 Jahre, besonders in der Periode der wirtschaftlichen Hochkonjunktur 1895-1900, hat von selbst eine große Verselbständigung der Gewerkschaften ... und endlich das Aufkommen einer regelrechten gewerkschaftlichen Beamtenstandes mit sich gebracht. All diese Erscheinungen sind ein vollkommen erklärliches und natürliches geschichtliches Produkt des fünfzehnjährigen Wachstums der Gewerkschaften, ein Produkt der wirtschaftlichen Prosperität und der politischen Windstille in Deutschland. Sie sind, was namentlich auf den Beamtenstand der Gewerkschaften zutrifft, ein historisch notwendiges Übel“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 163. „Der angebliche Gegensatz zwischen Sozialdemokratie und Gewerkschaften schrumpft bei dieser Sachlage zu einem Gegensatz zwischen der Sozialdemokratie und der oberen Schicht der Gewerkschaftsbeamten zusammen, der aber zugleich ein Gegensatz innerhalb der Gewerkschaften zwischen einem Teil der Gewerkschaftsführer und der gewerkschaftlich organisierten proletarischen Masse ist.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 162f.
Das äußert sich in „Tendenzen, die für die Zukunft der gewerkschaftlichen Bewegung selbst höchst verhängnisvoll werden könnten. Dahin gehört vor allem die Überschätzung der Organisation, die aus einem Mittel zum Zweck allmählich in einen Selbstzweck ... verwandelt wird, dem die Interessen des Kampfes untergeordnet werden. ... Die beständig von dem ökonomischen Kleinkrieg absorbierten Gewerkschaftsleiter, die es zur Aufgabe haben, den Arbeitermassen den hohen Wert jeder noch so geringen ökonomischen Errungenschaft, jeder Lohnerhöhung oder Verkürzung der Arbeitszeit plausibel zu machen, kommen allmählich dahin, dass sie selbst die größeren Zusammenhänge und den Überblick über die Gesamtlage verlieren. ... Und schließlich wird aus dem Verschweigen der dem gewerkschaftlichen Kampfe gezogenen objektiven Schranken der bürgerlichen Gesellschaftsordnung eine direkte Feindseligkeit gegen jede theoretische Kritik, die auf diese Schranken im Zusammenhang mit den Endzielen der Arbeiterbewegung hinweist.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 163f. „Im Gegensatz zur Sozialdemokratie, wo ... tatsächlich durch die Wählbarkeit und die kollegiale Geschäftsführung der größte Demokratismus herrscht, wo der Parteivorstand tatsächlich nur ein Verwaltungsorgan ist, besteht in den Gewerkschaften in einem viel höheren Maße das Verhältnis der Obrigkeit zu der untergebenen Masse.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 165.

Gewerkschaften
„Der deutsche Buchdruckerverband ist ... die klassische Verkörperung jener Methode der Gewerkschaftspolitik, die Ruhe dem Kampf, Abmachung mit dem Kapital dem Konflikt, politische Neutralität einer offenen Bekennung zur Sozialdemokratie vorzieht und voller Verachtung für revolutionäre ‚Schwärmerei‘ ihr Ideal in dem englischen Typus der Trade-Unions erblickt.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 182.

Gewerkschaften
„Die Geschichte der Gewerkschaftsbewegung aus den letzten fünfzehn Jahren beweist, dass die Arbeitervereinigungen eine materielle und geistige Wiedergeburt der Arbeiterschaft herbeiführen. Dieselbe Geschichte bringt aber auch den Beweis dafür, dass NUR die Arbeitervereinigungen, nur deren Kämpfe imstande sind, die Arbeiterklasse in ihrem wirtschaftlichen und geistigen Verfall unter der Einwirkung des Kapitalismus aufzuhalten und sie emporzuheben.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1/1, 605.
„Die Gewerkschaftsbewegung ist zwar nicht in der Lage, .... den Arbeiter ‚zum Herrn in der Werkstatt‘ und den Unternehmer zu ihrem bloßen ‚Verwalter‘ zu machen; ... Die Gewerkschaftsbewegung ist desgleichen nicht in der Lage, den Arbeitern einen Einfluss auf den Umfang der Produktion oder auf ihre Technik zu verschaffen; ...Die Gewerkschaftsbewegung ist endlich nicht in der Lage, die Tendenz der relativen Verelendung der Arbeiterschaft aufzuheben, d.h. den wachsenden Abstand zwischen dem Anteil des Arbeiters am gesellschaftlichen Reichtum und der Produktivität seiner Arbeit, zwischen seinem Anteil und dem Anteil der bürgerlichen Klassen zu überbrücken. ... Aber die Gewerkschaften können und vollziehen anderes und Gewaltiges: Sie kämpfen vor allem gegen die absolute Verelendung der Arbeiterklasse; ... Sie leiten den aktiven Kampf gegen die kapitalistische Wirtschaft ein und bereiten allmählich, durch wirtschaftliche und geistige Hebung des Arbeiters, durch organisatorische Zusammenfassung, den materiellen Boden für den sozialistischen Befreiungskampf des Proletariats.“  R. Luxemburg, Ges. Werke 1/1, 609f.

Gewerkschaftliche Unabhängigkeit
„Es geht offenbar nicht an, dass die Sozialdemokratie ihre Mitglieder wegen gewerkschaftlicher Missgriffe ausstößt, während in gewerkschaftlichen Versammlungen zum Beispiel ruhig beschlossen werden darf, den 1. Mai nicht zu feiern ... Eine Verpflichtung der Parteigenossen, sich gewerkschaftlich ... zu organisieren, würde logischerweise die Verpflichtung aller Gewerkschaftler entsprechen, bei den Wahlen nur sozialdemokratisch zu stimmen. Mit einem Wort, eine Konsequenz der Kontrolle der Sozialdemokratie über den wirtschaftlichen Kampf ihrer Mitglieder ist – das offene Bekenntnis der Gewerkschaften zur Sozialdemokratie.  Dieses auf völliger Gegenseitigkeit der beiden proletarischen Kampfesorganisationen beruhende Verhältnis entspricht theoretisch vollkommen ihrer inneren Einheit und ihrem sozialen Zusammenhang. In der Praxis würde es aber in letzter Linie zu einer Verschmelzung der politischen und wirtschaftlichen Organisation der Arbeiterklasse führen, bei welchem ... beide Kampfformen verlören und ihre geschichtlich entstandene und bedingte äußere Trennung und Arbeitsteilung rückgängig gemacht würde. ... Es heißt innere Entzweiung und unaufhörliche Reibereien und Konflikte zwischen der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften herbeiführen, wenn man der Einmischung der Partei in gewerkschaftliche Streitigkeiten das Wort redet. ... Da das bis jetzt bestehende Verhältnis zwischen Partei und Gewerkschaft nach beiden Richtungen hin, sowohl, was ihre äußere Selbständigkeit und Arbeitsteilung als was ihre Nebeneinanderstellung und Gleichberechtigung betrifft, unbedingt im Interesse des Klassenkampfs im ganzen aufrechterhalten werden muss, so ergeben sich daraus ... die Schlüsse, dass die Partei über gewerkschaftliche Fragen weder beschließen noch folgerichtig Recht sprechen kann.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 116f.

Gewerkschaftsbewegung
„‘Frau Rosa Luxemburg!!! Diese Dame hat sich seit Jahren bemerkbar gemacht durch Misskreditierung der Gewerkschaftsarbeit und der Gewerkschaftsführer. Sie war es, die von der Gewerkschaftsarbeit als ‚Sisyphusarbeit‘ (nutzlose Arbeit) schrieb; sie überschüttete den Kölner Gewerkschaftskongress (der den Massenstreik als Kampfmittel ein für alle mal ablehnte, w.b.) ... mit gehässigen Urteilen und persönlichen Beleidigungen. Gerade diese Dame ist in Gewerkschaftskreisen bekannt als eine treibende Kraft bei der seit längerer Zeit üblich gewordenen Hetze gegen die selbständige Haltung der Gewerkschaften. Wo Frau Rosa Luxemburg Einfluss hat, darf die Gewerkschaftsbewegung auf keine sachliche Beurteilung rechnen.‘ ... Im Interesse der Gewerkschaften selbst sind solche Offenbarungen der leitenden Geister in höchstem Maße beunruhigend. Kurz ausgedrückt, laufen sie nämlich auf die folgende Lehre hinaus: Jede Kritik an der gegebenen Taktik der leitenden Gewerkschaftsorgane ist verboten, der Zuwiderhandelnde wird auf ewige Zeiten als ‚Volksfeind‘ gebrandmarkt.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 606f.

Gewerkschaftsbewegung
„Wie steht es aber mit der Gewerkschaftsbewegung? Diese ist in Deutschland in geschichtlichem Zusammenhang und geistiger Einheit mit der Sozialdemokratie groß geworden, und die Bestrebungen, sich von der Partei zu emanzipieren, sind verhältnismäßig jüngeren Datums. ... Immerhin hat das riesige Anwachsen der gewerkschaftlichen Bewegung – in den Jahren ihres Aufschwungs haben die Gewerkschaften ihre Mitgliederzahl verdreifacht, ihre Einnahmen fast verzehnfacht und ihre Ausgaben verfünffacht – den Bestrebungen der ‚Neutralität‘ täglich Nahrung gegeben, und die .... Strömung, die auf Emanzipation von sozialdemokratischen Denken hinzielende Bewegung, ist bereits unverkennbar geworden.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 256.

Gründung der USPD in Gotha, 6.-8. April 1917
„... Es galt, eine politische Prüfung der Praxis der deutschen Sozialdemokratie und der Gewerkschaften in den Hautzügen vorzunehmen ... Von diesem Standpunkt aus muss gesagt werden, dass die Gothaer Tagung ... völlig versagt hat. Haase fand sehr scharfe und treffende Worte für die Bezeichnung der Scheidemann-Clique (der Mehrheits-SPD, w.b.)... Aber der heutige Verfall der Sozialdemokratie ist keine Personenfrage, und die Tatsache, dass die Scheidemänner ... in der Sozialdemokratie möglich wurden, bedarf selbst einer tieferen Erklärung. ... Es muss doch heute für jedes Kind klar sein, dass unter der Fahne des Parteiprogramms und der Kongressbeschlüsse (der SPD, w.b.) die gesamte Arbeiterbewegung eine falsche Richtung genommen hatte, die zum Abgrund führte. Worauf es also ankam, war, endlich aus dem Zwielicht der Formeln herauszutreten, die Praxis, die mit dem Zusammenbruch endete, zu beleuchten, neue Wege einzuschlagen. Statt dessen suchte die Arbeitsgemeinschaft (von Haase und Ledebour, w.b.) in Gotha krampfhaft in allem an das Alte anzuknüpfen, sich als eine einfache Fortsetzung, als Restauration der alten Partei zu organisieren. ... Einzig die Richtung ‚Internationale‘ (von R. Luxemburg und K. Liebknecht, w.b.) hat in Gotha das Element der Kritik und der Erneuerung der Bewegung in die Tagung hineingetragen. Durch die äußerst wichtige Bedingung, dass Programm wie Organisation gemäß den im Weltkriege gewonnenen neuen Erkenntnissen ausgestaltet werden sollen, durch Anregung der Massenaktivität im Parteileben vermittels Urabstimmung, durch Wahrung der politischen Autonomie der lokalen Einheiten der Organisation, endlich durch allgemeine scharfe Kritik des Parlamentarismus ... „ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 273.

Hauptfeind Mehrheits-SPD? (1916)
„Zugleich aber Genossen und Genossinnen, auf zum Kampf auf der ganzen Linie gegen die Fraktionsmehrheit und den Parteivorstand, die nicht die leiseste Opposition gegen ihre Politik des Verrats am Sozialismus dulden wollen! Diese Fraktionsmehrheit und diese Vorstandsmehrheit sind heute nur noch Handlanger der bürgerlichen Imperialisten.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 184.


Hilfstruppen im Weltkrieg
„Ein großer Teil unserer Parteipresse war sittlich entrüstet, dass von den Gegnern Deutschlands die ‚Farbigen und Wilden‘, Neger, Sikhs, Maori, in den Krieg gehetzt wurden. Nun, diese Völker spielen im heutigen Krieg ungefähr dieselbe Rolle wie die sozialistischen Proletarier der europäischen Staaten. Und wenn die Maori von Neuseeland ... darauf brannten, sich für den englischen König die Schädel einzurennen, so zeigten sie just so viel Bewusstsein für die eigenen Interessen wie die deutsche sozialdemokratische Fraktion, welche die Erhaltung der Habsburgischen Monarchie, der Türkei und der Kassen der deutschen Bank mit der Existenz, Freiheit und Kultur des deutschen Volkes verwechselte. Ein großer Unterschied besteht freilich bei alledem: Die Maori trieben noch vor einer Generation Menschenfresserei und nicht marxistische Theorie.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 109. (1916).


Imperialismus (Mai 1914)
„Heute ist der Imperialismus ... die Religion der bürgerlichen Gesellschaft. Ein imperialistischer Taumel hat die ganze bürgerliche Gesellschaft gepackt. Deshalb ist auch jede Opposition gegen die Regierung und gegen die Junker und Scharfmacher verschwunden. ... Vor allen Dingen  ... ist es erforderlich, die Aktionsfähigkeit der Massen zu steigern. .... Wir dürfen auf keine Hilfe des Bürgertums bauen. Zweitens ist auch eine gewisse Korrektur auch in den Organisationsverhältnissen erforderlich. Es muss eine stärkere Demokratisierung des ganzen Parteilebens und auch des Gewerkschaftslebens eintreten. Drittens müssen wir wieder etwas mehr Selbstkritik üben und nicht wie unser Zentralorgan ewig in Zufriedenheit uns gefallen. Die oberste Aufgabe auch im Kampfe gegen den Imperialismus ist die Steigerung der Aktionsfähigkeit der Massen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 451.

Imperialismus in Deutschland und Europa
„Der englische und der französische Imperialismus wurzeln in einer Kolonialpolitik alten Datums, sind an traditionelle Bahnen gebunden, der deutsche war bis zum Ausbruch des Weltkrieges im embryonalen Stadium, hat sich erst im Laufe des Krieges zu ungeheuerlichen Dimensionen ausgewachsen, wächst jetzt noch mit jedem Tage und füllt sich im Blutrausch der Millionenschlächterei mit einem Welteroberungsdrang, der keine Traditionen, keine Fesseln und keine Rücksichten kennt. Der englische und der französische Imperialismus haben ihre Macht- und Expansionsgebiete in Übersee, der deutsche hat im Herzen Europas seine Zelte aufgeschlagen; ganz Osteuropa stöhnt seit dem Gewaltfrieden von Brest-Litowsk unter dem deutschen Joch. Der englische Imperialismus ist aus geschichtlichen Gründen an gewisse demokratische Formen gebunden, der französische aus wirtschaftlichen Gründen an ein langsames Tempo und stagnierenden Charakter gewöhnt. Der deutsche Imperialismus verbindet das brutale Draufgängertum des preußischen Junker- und Polizeistaats mit der ungestümen Gier eines modernen Finanzkapitals, das gerade in der Bluttaufe dieses Krieges seine größte Zusammenballung erreicht hat. ... Und wie würde Deutschland nach einem ‚deutschen Siege‘ aussehen? Deutschland wäre in ein Kriegslager auf die Dauer verwandelt, um das besiegte Europa mit Blut und Eisen niederzuhalten... So sieht das tausendjährige Reich des deutschen Imperialismus der Anarchie draußen dem Zusammenbruch im Innern so ähnlich wie ein Ei dem anderen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 381-383.


Imperialismus
„ In ... Wechselwirkung, zugleich Folge und Ursache der gewaltigen Kapitalakkumulation und der mit ihr gegebenen Verschärfung und Zuspitzung des Gegensatzes im Innern zwischen dem Kapital und der Arbeit, auswärts zwischen den kapitalistischen Staaten, hat der Imperialismus die Schlussphase, die gewaltsame Weltaufteilung durch das stürmende Kapital eröffnet. Eine Kette unaufhörlicher, unerhörter Rüstungen zu Lande und zu Wasser in allen kapitalistischen Staaten um die Wette, eine Kette blutiger Kriege, die von Afrika auf Europa übergegriffen haben und jeden Augenblick den zündenden Funken zu einem Weltbrand abgeben können, dazu seit Jahren das nicht mehr zu bannende Gespenst der Teuerung, des Massenhungers in der ganzen kapitalistischen Welt – das sind die Zeichen, unter denen der Weltfeiertag der Arbeit (1913) ... heraufzieht.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 193.

Interessenvertretung
„Proletarische ‚Interessenvertretung‘ statt proletarischen Klassenkampf, darin gipfelt der ganze Gegensatz zwischen der bürgerlichen Sozialreform und der Sozialdemokratie wie in letzter Konsequenz auch zwischen der Tendenz des Revisionismus und der marxistischen hergebrachten Auffassung innerhalb der Sozialdemokratie.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 411.

Internationalismus
„Die Beseitigung der Herrschaft des Kapitalismus und die Abschaffung des Privateigentums lassen sich nicht in irgendeinem Land unabhängig von den anderen Ländern bewerkstelligen. Nur mit einem Schlage in allen Ländern, wo Fabrikschlote rauchen, wo das Elend in den Arbeiterhäusern wohnt, können die Arbeiter durch gemeinsamen Kampf den sozialistischen Umsturz herbeiführen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 43.

Internationalismus
„Die bürgerliche Gesellschaft, der Kapitalismus ist eine internationale, eine Weltform der menschlichen Gesellschaft. Es gibt nicht so viele bürgerliche Gesellschaften, so viele Kapitalismen, als es moderne Staaten oder Nationen gibt, sondern es gibt nur eine internationale Gesellschaft, nur einen Kapitalismus, und die scheinbar isolierte, selbständige Existenz der Einzelstaaten hinter ihren Staatsbarrieren ist bei der einen und unteilbaren Weltwirtschaft nur einer der Widersprüche des Kapitalismus. Deshalb sind auch alle modernen Revolutionen im Grunde genommen internationale Revolutionen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 6.

Internationalismus
„Wenn die Sozialdemokratie in allen wichtigen Ländern die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung auf ihrer Seite haben wird, dann schlägt die letzte Stunde des Kapitalismus.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 49.

Kampfmittel
„Organisation und Aufklärung machen an sich noch ebenso wenig den politischen Kampf überflüssig, wie die Bildung von Gewerkschaften und Sammlung von Beiträgen die Lohnkämpfe und Streiks überflüssig machen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 240.

Kapital von Marx:
„Der dritte Band des ‚Kapitals‘ ist zweifellos vom wissenschaftlichen Standpunkt erst als die Vollendung der Marxschen Kritik des Kapitalismus zu betrachten. Ohne den dritten Band ist das eigentliche herrschende Gesetz der Profitrate, ist die Spaltung des Mehrwertes in Profit, Zins und Rente, ist die Wirkung des Wertgesetzes innerhalb der Konkurrenz nicht zu verstehen. Aber – und das ist die Hauptsache – alle diese Probleme, so wichtig sie vom theoretischen Standpunkt sind, sind doch ziemlich gleichgültig vom Standpunkt des praktischen Klassenkampfes. Für diesen war das große theoretische Problem: die Entstehung des Mehrwertes, d.h. die wissenschaftliche Erklärung der Ausbeutung, sowie die Tendenz der Vergesellschaftung des Produktionsprozesses, d.h. die wissenschaftliche Erklärung der objektiven Grundlagen der sozialistischen Umwälzung. Beide Probleme beantwortet bereits der erste Band, der die ‚Expropriation der Expropriateure‘ als unausbleibliches Endergebnis der Produktion des Mehrwertes und der fortschreitenden Kapitalkonzentration folgert. Damit war das eigentliche theoretische Bedürfnis der Arbeiterbewegung im großen und ganzen befriedigt. ... Sowohl in der ausführlichen und abgeschlossenen Analyse der kapitalistischen Wirtschaft wie in der historischen Forschungsmethode mit ihrem unermesslichen Anwendungsgebiet hat Marx viel mehr geboten, als es für den praktischen Klassenkampf unmittelbar notwendig ist.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 366-368.

Kapitalismus
„Die bürgerliche Gesellschaft, der Kapitalismus ist eine internationale, eine Weltform der menschlichen Gesellschaft. Es gibt nicht so viele bürgerliche Gesellschaften, so viele Kapitalismen, als es moderne Staaten oder Nationen gibt, sondern es gibt nur eine internationale Gesellschaft, nur einen Kapitalismus, und die scheinbar isolierte, selbständige Existenz der Einzelstaaten hinter ihren Staatsbarrieren ist bei der einen und unteilbaren Weltwirtschaft nur einer der Widersprüche des Kapitalismus. Deshalb sind auch alle modernen Revolutionen im Grunde genommen internationale Revolutionen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 6.

Kapitallektüre
„Es ergeht uns dabei genau wie bei der Lektüre des Marxschen ‚Kapitals‘, wo man häufig durch die Richtigkeit der in den Fußnoten angeführten Ansichten bürgerlicher Theoretiker überrascht wird, um gleich in der darauffolgenden Analyse Marxens die ganze armselige Bedingtheit und Plattheit dieser ‚zutreffenden Ansichten‘ zu empfinden.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 294.

Katzenjammerkapitalismus
„Der deutsche Kapitalismus aber, dem auch in der Wiege nicht vergönnt war, die unschuldigen Träume der Jugend zu träumen, ... (kam) schon mit dem bösen Gewissen und der sauren Laune des Katzenjammers zur Welt...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 373.

Kautskys Verachtung des Volkes (1913)
„Was weiß uns Kautsky ... über die ‚deutsche Methode‘ des Massenstreiks zu sagen? Hier lehnt er vor allem mit Entrüstung jeden Hinweis auf die ausschlaggebende Wirkung der Nichtorganisierten ab. Wer bildet denn diese unorganisierte Masse? ruft er. Sie setzt sich zusammen aus kraftlosen, gedrückten, isolierten, verkommenen Elementen, aus unwissenden, gedankenlosen, in Vorurteilen befangenen oder gesinnungslosen Subjekten.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 308.

Klassenkampf
Der „proletarische Klassenkampf (ist) nur eine notwendige Folgeerscheinung des Lohnverhältnisses wie der politischen Klassenherrschaft der Bourgeoisie.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 26


Koalitionen und Blockbildung
„Die Politik der Allianzen, der ‚Blocks‘, ist in ihrem Wesen nach etwas der Sozialdemokratie Fremdes, vielmehr eine legitime Blüte des bürgerlichen Parlamentarismus. Dieser schafft die Bedingungen sowohl für die Wahlkompromisse wie für die parlamentarischen Koalitionen, indem er sie für die Bourgeoisie zum Mittel der solidarischen Verteilung der politischen Herrschaft auf dem Boden des allgemeinen Wahlrechts macht ... Die politische Geschichte Deutschlands seit Ende der 70er Jahre ist ja nichts anderes als die Herrschaftsgeschichte des ‚Blocks‘ des deutschen Bürgertums mit den Agrariern. Und dieses klassische Muster der ‚Block’politik zeigt schlagend, .... was bei einer solchen Politik allenfalls herauskommt: Es ist stets die Politik der rückständigsten Partei, die bei einem dauernden Bündnis den Ausschlag gibt. ... Bei dem deutschen bürgerlich-agrarischen Bündnis (hat) nicht das Bürgertum, sondern die agrarische Reaktion des Heft in den Händen ... Ist somit die Politik der dauernden Allianzen mit rückständigeren Richtungen für jede wirkliche Kampfpartei, für jede – auch bürgerliche Oppositionspartei verhängnisvoll, so ist sie es doppelt für die Sozialdemokratie.“  R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 458f.

Koalitionsrecht
„Der wirtschaftliche Kampf ist die erste instinktive, elementare Regung des geschundenen Lohnproletariats unter allen Zonen, er läutet in allen Ländern das Erwachen des Proletariats zum Menschendasein, zur historischen Mission, zum Klassenbewusstsein ein. Auf den wirtschaftlichen Kampf, auf das Koalitionsrecht verzichten, kann das moderne Proletariat deshalb so wenig, wie ein Mensch auf das Atmen verzichten kann. ... Aber gerade deshalb heißt heue an dem Koalitionsrecht rütteln so viel, wie an das Lebensmark der modernen Arbeiterbewegung greifen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 374.

Kolonialismus
„Die Hereros sind ein Negervolk, das seit Jahrhunderten auf seinem heimischen Boden sitzt, den es mit seinem Schweiß gedüngt hat. Ihr ‚Verbrechen‘ bestand darin, dass sie sich nicht willenlos beutegierigen Industrierittern, weißen Sklavenhaltern überantworten wollten, dass sie ihre Heimat gegen fremde Eindringlinge verteidigten. ... Auch in diesem Krieg haben sich die deutschen Waffen reichlich mit – Ruhm bedeckt. ... Die Männer wurden erschossen, Frauen und Kinder zu Hunderten in die brennende Wüste gejagt, und in der mörderischen Omaheke bleicht der Kranz ihrer verdorrten Gebeine – ein Ruhmeskranz der deutschen Waffen!“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 537

Kommunale Betriebe
„Ferner erfordert das Interesse der arbeitenden Bevölkerung, dass die Versorgung der Stadt mit Licht, Gas, Wasser, Straßen- und Pferdebahnen nicht in die Hände kapitalistischer Privatunternehmer gegeben wird, die Millionen daran verdienen werden, sondern dass die Einkommen aus all diesen Zweigen der öffentlichen Wirtschaft zum Nutzen der Bevölkerung in die Stadt- und Gemeindekassen fließen. „ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 62.

Kommunale Fürsorge
„Die Arbeiterklasse muss auch dafür sorgen, dass den Ärmsten und jeglicher Existenzmittel Beraubten, den Krüppeln und Waisen, Greisen und Obdachlosen, diesen unglücklichsten Opfern der heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse, von der Stadt oder Gemeinde angemessene Fürsorge zuteil wird, aber ohne Erniedrigung der menschlichen Würde, mit der gewöhnlich die bürgerliche Wohltätigkeit verbunden ist.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 63.

Kommunale Selbstverwaltung
„Während die Regierung die zentralisierte Staatsgewalt verkörpert, wächst die Munizipalität aus der lokalen Selbstverwaltung auf Kosten der Zentralgewalt, als Befreiung von der Zentralgewalt, heraus. ... Zentralregierung und Gemeinde sind deshalb historisch zwei entgegengesetzte Pole in der heutigen Gesellschaft. ... Für die sozialistische Taktik ergibt sich daraus ein grundverschiedenes Verhalten: Die Zentralregierung des heutigen Staates ist die Verkörperung der bürgerlichen Klassenherrschaft, deren Beseitigung eine unumgängliche Voraussetzung des sozialistischen Sieges ist, die Selbstverwaltung ist das Element der Zukunft, an das die sozialistische Umwälzung in positiver Weise anknüpfen wird. ... Solange sie (die Sozialisten, w.b.) in den Gemeindevertretungen in der Minderheit sind, machen sie genau in derselben Weise die Opposition zur Richtschnur ihres Verhaltens wie im Parlament. Werden sie aber zur Mehrheit, dann verwandeln sie die Gemeinde selbst in ein Kampfmittel gegen die bürgerliche Zentralgewalt.“  R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 62f.

Kommunaler Wohnungsbau
„Nicht minder muss den Arbeitern daran gelegen sein, dass die Stadt oder die Gemeinde städtischen Boden nicht privaten Spekulanten überlässt, die die arme Bevölkerung durch zu hohe Wohnungsmieten für elende und enge Wohnungen ausbeuten, sondern dass die Stadt im Gegenteil entsprechende Plätze aufkauft und auf eigene Kosten nach einem entsprechenden Plan gute und billige Wohnungen für die arbeitende Bevölkerung baut.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 63.

Kommunalwirtschaft
„Zum Schutze der Interessen der Arbeiterklasse fordert die Sozialdemokratie, 1. dass die gesamte Stadt- und Gemeindewirtschaft den Entscheidungen der Stadt- bzw. der Gemeindeverordnetenversammlung unterstellt wird; 2. dass die Ratsherren in die Stadt- und Gemeindeverordnetenversammlung von der gesamten erwachsenen Bevölkerung der Stadt oder Gemeinde ohne Unterschied des Geschlechts, der Konfession und der Nationalität in allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlen gewählt werden;“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 63f.

Krieg dem Kriege!
„Die Schicksale des sozialistischen Endzieles hängen davon ab, ob das internationale Proletariat sich dazu aufraffen wird, gegen den Imperialismus auf der ganzen Linie Front zu machen und die Losung ‚Krieg dem Kriege!‘ unter Aufbietung der vollen Kraft und des äußersten Opfermutes zur Richtschnur seiner praktischen Politik zu machen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 45.


Krieg mit Russland
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich Bebel (auf dem Parteitag 1906, w.b.) da richtig verstanden habe... Soviel ich ihn verstehen konnte, war der Sinn der, falls wir vor den Krieg gebracht würden, können wir nichts machen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 173.

Krieg und Frieden
„Eine ganz ... wesentliche Forderung unseres Programm ...  ist die Entscheidung über Krieg und Frieden durch die Volksvertretung.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 525f

Krieg
„Der chinesische Krieg (im Jahr 1900 gegen den „Boxeraufstand“, w.b.) ist das erste Ereignis der weltpolitischen Ära, in das alle Kulturstaaten verwickelt sind, und dieser erste Vorstoß der internationalen Reaktion, der Heiligen Allianz, hätte sofort durch einen Protest der vereinigten Arbeiterparteien Europas beantwortet werden müssen. ... und in dieser Beziehung fürchte ich sehr, dass unsere Partei nicht nur im eigenen Land sich eine Unterlassung hat zuschulden kommen lassen, sondern auch in Bezug auf die internationale Solidarität. Wir machen uns wirklich in weiten Kreisen der Bevölkerung lächerlich. Wir wettern jeden Tag gegen die Weltpolitik, wir donnern gegen den Militarismus in Friedenszeiten; wo es aber einmal wirklich zum Krieg kommt, unterlassen wir es, das Fazit zu ziehen und zu zeigen, dass unsere jahrelange Agitation auch wirklich in die Halme geschossen ist.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1/1, 801f.

Krieg
„Jeder halbwegs zurechnungsfähige Politiker muss sich darüber klar sein, dass der Ausgang des Russisch-Japanischen Krieges (1905, w.b.) nicht etwa ein Abschluss, sondern umgekehrt bloß der Beginn eines neuen Kapitels weltpolitischer Händel und Kämpfe im Osten ist, die je weiter, je unübersehbarer, je gewaltiger werden. Sich in diesen totbringenden Strudel durch maß- und endlose Rüstungen zu stürzen, .... das ist ein frevelhaftes Spiel mit den Schicksalen der Millionen ....“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 611.

Krieg:
„Dem letzten Passus der Bebelschen Resolution (auf dem Internationalen Sozialistenkongress 1907, w.b.) ist die folgende Fassung zu geben: ‚Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind in den beteiligten Ländern die Arbeiter und ihre parlamentarischen Vertreter verpflichtet, alles aufzubieten, um den Ausbruch des Krieges durch Anwendung entsprechender Mittel zu verhindern ... Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, sind sie verpflichtet, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, um die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur politischen Aufrüttelung der Volksschichten und zur Beschleunigung des Sturzes der kapitalistischen Klassenherrschaft auszunutzen.‘ ... Wir (wollen) ... die Agitation im Kriegsfalle nicht bloß auf die Beendigung des Krieges gerichtet wissen ..., sondern auch auf die Ausnutzung des Krieges zur Beschleunigung des Sturzes der Klassenherrschaft überhaupt.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 236-238

Kriegsausbruch 4. August 1914
„... Der Zwischenfall in Sarajewo hatte nur den Vorwand geliefert. An Ursachen, an Gegensätzen war seit langer Zeit alles für den Krieg reif. die Konstellation, die wir heute erleben, war seit einem Jahrzehnt fertig. Jedes Jahr und jede politische Begebenheit der letzten Jahrzehnte brachten ihn einen Schritt näher: die türkische Revolution, die Annexion Bosniens, die Marokkokrise, die Tripolisexpedition, die beiden Balkankriege. Alle Militärvorlagen der letzten Jahre wurden direkt mit Hinblick auf diesen Krieg als bewusste Vorbereitung zur unvermeidlichen Generalabrechnung eingebracht. Fünfmal im Laufe der letzten Jahre wäre der heutige Krieg schon um ein Haar ausgebrochen ... Wenn er immer wieder verschoben wurde, so nur deshalb, weil jedes Mal eine der beteiligten Seiten mit den militärischen Vorbereitungen noch nicht fertig war.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 106f.


Kriegsausbruch: Durchhalteparolen
Eine Richtung der Sozialdemokratie „, durch das Parteivorstandsmitglied Scheidemann, durch mehrere andere Reichtstagsabgeordnete und Parteiblätter vertreten, gibt als Echo der Regierung die Losung des ‚Durchhaltens‘ aus und bekämpft die Bewegung für den Frieden als unzeitgemäß und gefährlich für die militärischen Interessen des Vaterlandes. Diese Richtung befürwortet die Fortsetzung des Krieges, sorgt also objektiv dafür, dass der Krieg im Sinne der herrschenden Klassen ‚bis zum Siege, der den Opfern entsprechen wird‘, bis zum ‚gesicherten Frieden‘ fortgeführt werde. Mit anderen Worten sorgen die Anhänger des ‚Durchhaltens‘ dafür, dass die objektive Tendenz des Krieges möglichst nahe an all die imperialistischen Eroberungen herangeführt, die von (den) ... Propheten der Weltherrschaft Deutschlands als das Ziel des Krieges offen ausgesprochen worden sind.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 28.

Kriegsende - Friedensparolen
„Während ... die Parteiführer ... noch an der Parole des ‚Durchhaltens bis zum Siege‘ festhalten, macht sich allmählich in allen Ländern immer mehr eine Bewegung für die baldigste Beendigung des Krieges bemerkbar. Was am meisten für all diese Friedensgedanken und –wünsche charakteristisch ist, ist die sorgfältige Aufstellung von Friedensgarantieren, die bei der Beendigung des Krieges zu fordern sind. Nicht bloß die übereinstimmende Forderung: keine Eroberungen, sondern eine ganze Reihe neuer Postulate tauschen da auf: allgemeine Abrüstung, ... Einschränkung des Wettrüstens, ... Freihandel für alle Nationen in den Kolonien und was der schönen Dinge mehr sind. ... Wenn der Zusammenbruch des 4. August etwas bewiesen hat, so ist es die welthistorische Lehre, dass eine wirksame Garantie des Friedens und ein tatsächlicher Schutzwall gegen Kriege nicht fromme Wünsche, nicht schlau ersonnene Rezepte und utopische Forderungen sind, die man an die herrschenden Klassen richtet, sondern einzig und allein der tatkräftige Wille des Proletariats...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 28f.

Kriegsgefahr (1907)
„Mir scheint ferner, dass wir .... uns darüber klar sind, dass sowohl Krieg als Frieden in der modernen kapitalistischen Welt aus viel tieferen sozialen Ursachen entspringen denn aus dem Willen und dem winzigen Intrigenspiel der ‚leitenden‘ Staatsmänner, dass es, solange der Kapitalismus fortbesteht, zwischen den einzelnen Staaten tatsächlich unüberbrückbare Gegensätze gibt, die sich mit dem Fortschreiten der Welt- und Kolonialpolitik notwendig verschärfen ... „ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 242.

Kriegsgefahr (1911)
„Noch vor kurzem war mancher unter uns, der uns darauf hinwies, dass wir eine Zeit von 40 Jahren Frieden hinter uns haben. Daraus wurde die Schlussfolgerung gezogen, man gehe Zeiten entgegen, in denen eine friedliche Entwicklung möglich sei, die auch der Arbeiterschaft die erfreulichsten Perspektiven eröffne. .... Der Wahn vom Hineinwachsen in den Frieden ist zerronnen. Die auf die 40 Jahre europäischen Friedens hinwiesen, vergaßen die Kriege, die außerhalb Europas sich abspielten und in denen Europa die Hand mit im Spiel hatte. Heute lecken die Flammen des Krieges an die Gestaden Europas, ein Weltenbrand droht auszubrechen. Der Gedanke der friedlichen Entwicklung ist unbarmherzig zerstört.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 58.

Kriegsgefahr 1913 (Angriffs- und Verteidigungskrieg)
„Bis vor kurzer Zeit gab es in der Sozialdemokratie ein ganz einfaches Mittel, um zu entscheiden, wie wir uns zu einem Kriege zu stellen haben. Der Angriffskrieg wurde abgelehnt und verdammt, dagegen müsse auch die Sozialdemokratie für den Verteidigungskrieg eintreten. (Das) ... ist schon deshalb nicht brauchbar, weil die Unterscheidung zwischen Angriffs- und Verteidigungskrieg unter den Händen zerrinnt oder wie eine Seifenblase zerplatzt. ... Daraus haben wir den Schluss zu ziehen, wir als Proletarier haben uns gegen jeden Krieg zu wenden, gleichviel ob Angriffs- oder Verteidigungskrieg. Wir erkennen in ihm eine Folge des Imperialismus, und wie den Imperialismus als Ganzes, so bekämpfen wir auch jede seiner Teilerscheinungen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 2013f.

Kriegsschäden 1916
„Die Situation, die in Deutschland nach bald zweijähriger Dauer des Krieges geschaffen ist, bedeutet schon jetzt den Bankrott des Imperialismus. Während der Krieg militärisch in eine Sackgasse geraten ist, so dass die rein militärische Entscheidung des Weltkrieges heute noch aussichtsloser erscheint als zu Beginn des ruchlosen Völkermordes, endlich die wachsende Teuerung, die für breite Volksmassen nichts anderes als ein tatsächliches Hungern bedeutet, die furchtbaren Verluste an Toten und Krüppeln, die in die Millionen gehen, die erdrückende Finanzlast, die jetzt in Gestalt neuer Steuern fortschreitend auf das arbeitende Volk abgewälzt werden soll, ... der wachsende Mangel an Rohstoffen als Folge der Absperrung Deutschlands von dem Weltmarkt ... alles das zusammen ergibt als Frucht der bald zweijährigen Dauer des imperialistischen Völkermordens den grinsenden wirtschaftlichen Ruin Deutschlands sowie aller anderen kriegführenden Staaten...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 169f.
„Dass auch der siegreichste Staat heute an keine Kriegsentschädigungen denken kann, die im entferntesten die durch diesen Krieg geschlagenen Wunden zu heilen imstande wären, ist für den oberflächlichsten Beobachter klar ... Sucht man sich nun die schlimmsten Ergebnisse einer (deutschen) Niederlage vorzustellen, so sind sie – ausgenommen die imperialistischen Annexionen – Zug um Zug demselben Bilde ähnlich, das sich als unabweisbare Konsequenz aus dem Siege ergab ....“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 154f.

Kriegsverhinderung (1911)
„Das einzige wirksame Mittel, um die Verbrechen des Krieges und der Kolonialpolitik zu bekämpfen, ist die geistige Reife und der entschlossene Wille der Arbeiterklasse, einen durch ruchlose Kapitalsinteressen angezettelten Weltkrieg in eine Rebellion der Ausgebeuteten und Beherrschten zur Verwirklichung des Weltfriedens und der sozialistischen Völkerverbrüderung zu verwandeln.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 25

Kriegsverhinderung
„Schon der Brüsseler Kongress der Internationale im Jahre 1868 weist auf praktische Maßnahmen zur Verhinderung des Krieges hin. Er sagt unter anderem in seiner Resolution: ‚Dass die Völker schon jetzt die Kriege vermindern können, indem sie sich jenen entgegenstellen, die die Kriege machen und erklären; ... Der Kongress empfiehlt den Arbeitern insbesondere die Niederlegung der Arbeit für den Fall des Ausbruchs eines Krieges in ihrem Lande.‘“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 401f

Kriegsvorbereitungen 1913
„Eine Folge der Rüstungsdelirien ist der schmachvolle Niedergang des Parlamentarismus. In Deutschland ist jede bürgerliche Opposition aus dem Parlament verschwunden, es gibt keine Rüstungsvorlage, die nicht von den getreuen Regierungsmamelucken bewilligt würde. ... Im gleichen Maße, in dem mehr Sozialdemokraten in die Parlamente geschickt werden, sinken diese Parlamente immer mehr zu einem Feigenblatt des Absolutismus herab.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 218.

Kultur der Arbeiterbewegung
„In der Geschichte der bisherigen Klassenkämpfe vermochten auch die aufstrebenden Klassen – wie der dritte Stand in der Neuzeit -, ihrer politischen Herrschaft die intellektuelle Herrschaft vorauszuschicken, indem sie der veralteten Kultur der verfallenden Periode noch als unterdrückte Klasse eine eigene, neue Wissenschaft und Kunst entgegenstellten. Das Proletariat befindet sich darin in einer ganz andren Lage. Als besitzlose Klasse vermag es auch in seinem Aufwärtsstreben keine eigene geistige Kultur aus freien Stücken zu schaffen, solange es im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft bleibt. Innerhalb dieser Gesellschaft und solange ihre wirtschaftlichen Grundlagen bestehen, kann es keine andre Kultur geben als bürgerliche. ... Eine eigne Wissenschaft und Kunst wird die Arbeiterklasse erst nach der vollzogenen Emanzipation von ihrer gegenwärtigen Klassenlage zu schaffen imstande sein. Alles, was sie heute vermag, ist, die Kultur der Bourgeoisie vor dem Vandalismus der bürgerlichen Reaktion zu schützen und die gesellschaftlichen Bedingungen der freien Kulturentwicklung zu schaffen. ... Damit sind aber von vornherein der Arbeiterklasse, d.h. ihren geistig führenden Ideologen, sehr enge Schranken in der intellektuellen Tätigkeit gewiesen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 367.
„Seit Marx auf dem Gebiete der Philosophie, der Geschichte und der Ökonomie den historischen Standpunkt der Arbeiterklasse zur Geltung gebracht hat, ist der bürgerlichen Forschung auf diesen Gebieten der Faden abgeschnitten. Die Naturphilosophie im klassischen Sinne ist zu Ende. Die bürgerliche Geschichtsphilosophie ist zu Ende. Die wissenschaftliche Nationalökonomie ist zu Ende. ... Es ist also allenthalben Theorielosigkeit, was die bürgerliche soziale Wissenschaft der Marxschen Theorie, Erkenntnisskepsis, was sie der Marxschen Erkenntnis entgegenzustellen vermag. Die Marxsche Lehre ist ein Kind der bürgerlichen Wissenschaft, aber die Geburt dieses Kindes hat der Mutter das Leben gekostet.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 375f.

Leninismus und Trotzkismus
„Alles, was in Russland vorgeht, ist begreiflich und eine unvermeidliche Kette von Ursachen und Wirkungen, deren Ausgangspunkt und Schlusssteine: das Versagen des deutschen Proletariats und die Okkupation Russlands durch den deutschen Imperialismus. Es hieße von Lenin und Genossen Übermenschliches verlangen, wollte man ihnen auch noch zumuten, unter solchen Umständen die schönste Demokratie, die vorbildlichste Diktatur des Proletariats und eine blühende sozialistische Wirtschaft hervorzuzaubern. Sie haben durch ihre entschlossene revolutionäre Haltung, ihre vorbildliche Tatkraft und ihre unverbrüchliche Treue dem internationalen Sozialismus wahrhaft genug geleistet, was unter so verteufelt schwierigen Verhältnissen zu leisten war. Das Gefährliche beginnt dort, wo sie aus der Not die Tugend machen, ihre von diesen fatalen Bedingungen aufgezwungene Taktik nunmehr theoretisch in allen Stücken fixieren und dem internationalen Proletariat als das Muster der sozialistischen Taktik zur Nachahmung empfehlen wollen. ... In Russland konnte das Problem nur gestellt werden. Es konnte nicht in Russland gelöst werden ...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 364f.

Lenins Parteivorstellung
„Das uns vorliegende Buch des Genossen Lenin, eines der hervorragenden Leiter und Streiter der ‚Iskra‘ (Parteizeitung, w.b.)... ist die systematische Darstellung der Ansichten der ultrazentristischen Richtung der russischen Partei. Die Auffassung, die hier in eindringlicher und erschöpfender Weise ihren Ausdruck gefunden hat, ist die eines rücksichtslosen Zentralismus, dessen Lebensprinzip einerseits die scharfe Heraushebung und Absonderung der organisierten Trupps der ausgesprochenen und tätigen Revolutionäre von dem sie umgebenden, wenn auch unorganisierten, aber revolutionär-aktiven Milieu, andererseits die straffe Disziplin und die direkte, entscheidende und bestimmende Einmischung der Zentralbehörde in alle Lebensäußerungen der Lokalorganisationen der Partei. ... Danach erscheint das Zentralkomitee als der eigentliche aktive Kern der Partei, alle übrigen Organisationen lediglich als seine ausführenden Werkzeuge.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 425
„Die sozialdemokratische Bewegung ist die erste in der Geschichte der Klassengesellschaften, die in allen ihren Momenten, im ganzen Verlauf auf die Organisation und die selbständige Aktion der Masse berechnet ist.  In dieser Beziehung schafft die Sozialdemokratie einen ganz anderen Organisationstyp als die früheren sozialistischen Bewegungen, zum Beispiel die des jakobinisch-blanquistischen Typus. Lenin scheint dies zu unterschätzen, wenn er in seinem Buche (S. 140) meint, der revolutionäre Sozialdemokrat sei doch nichts anderes als ‚der mit der Organisation des klassenbewussten Proletariats unzertrennlich verbundene Jakobiner‘.“  R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 427.
„Die Aufrichtung der Zentralisation in der (leninschen, w.b.) Sozialdemokratie auf diesen zwei Grundsätzen – auf der blinden Unterordnung aller Parteiorganisationen mit ihrer Tätigkeit bis ins kleinste Detail unter eine Zentralgewalt, die allein für alle denkt, schafft und entscheidet, sowie auf der schroffen Abgrenzung des organisierten Kernes der Partei von dem ihn umgebenden revolutionären Milieu, wie sie von Lenin verfochten wird – erscheint uns deshalb als eine mechanische Übertragung der Organisationsprinzipien der blanquistischen Bewegung von Verschwörerzirkeln auf die sozialdemokratische Bewegung der Arbeitermassen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 429.

Liebknechts Verhaftung
„Der Protest gegen die Verurteilung Liebknechts ist ein Protest gegen den Krieg, den Belagerungszustand, den Massenhunger. Der Kampf um Liebknecht ist Kampf um Frieden, internationale Völkerverbrüderung, sozialistische Befreiung. Sich zu dieser Aktion aufzuraffen ist jetzt verdammte Pflicht und Schuldigkeit jedes Proletariers und jeder Proletarierfrau in Deutschland.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 224.

Linksradikale in Bremen
„Es genügt nicht, dass eine Handvoll Leute das beste Rezept in der Tasche hat und schon weiß, wie man die Massen führen soll. Diese Massen müssen geistig den Traditionen der 50jährigen Vergangenheit entrissen, von ihnen befreit werden. Das können sie nur im großen Prozess ständiger schärfster innerer Selbstkritik der Bewegung im ganzen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 274.

Lohnkampf
„Der wirtschaftliche Kampf ist die erste instinktive, elementare Regung des geschundenen Lohnproletariats unter allen Zonen, er läutet in allen Ländern das Erwachen des Proletariats zum Menschendasein, zur historischen Mission, zum Klassenbewusstsein ein. Auf den wirtschaftlichen Kampf, auf das Koalitionsrecht verzichten, kann das moderne Proletariat deshalb so wenig, wie ein Mensch auf das Atmen verzichten kann. ... Aber gerade deshalb heißt heue an dem Koalitionsrecht rütteln so viel, wie an das Lebensmark der modernen Arbeiterbewegung greifen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 374.

Luxemburg und der Parteivorstand (1911)
„Die Parteivorstandsmitglieder, namentlich Bebel, haben mit voller Macht aus ihrer Höhe als Jupiter auf mich die brennendsten Blitze und Donner herab geschleudert, sie haben mich persönlich herunterreißen gesucht, soviel sie konnten....“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 55.

Luxemburg und die Katastrophentheorie
„Die Marokkoaffäre hat gezeigt, dass Deutschland sich mit einem Pantersprung in die uferlosen Gefahren des Imperialismus gestürzt hat. Man hat uns (R.L., w.b.) verlacht und verhöhnt, weil wir der sogenannten Katastrophentheorie huldigen. Leben wir nicht in einer Zeit, wo der Weltkrieg zu einer zunehmenden Gefahr geworden ist?.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 127.

Marokkokrise 1911
„Eine imperialistische Gewitterwolke ist in der kapitalistischen Welt aufgezogen. Vier Großmächte Europas – Frankreich, Deutschland, England und Spanien – sind unmittelbar in einen Handel verwickelt, in dem es zunächst um die Schicksale Marokkos, in weiterer Folge um mehrere große Gebiete des ‚schwarzen Erdteils‘ geht, die als ‚Kompensationen‘ hin und her erwogen werden. ... Wird aus der neuen Gewitterwolke der Blitz eines mörderischen Krieges auf zwei Weltteile hernieder zucken, oder wird sich das drohende Ungewitter verziehen ...? Das ist die Frage, die jetzt Millionen Menschen bewegt. ... Das persönliche Regiment (des Kaisers, w.b.) allein mit seinen Handlangern – selbst bloß ein unverantwortliches Werkzeug in den Händen unverantwortlicher Cliquen – schaltet und waltet mit den Schicksalen von 64 Millionen Deutschen, wie wenn Deutschland eine orientalische Despotie wäre. ... Der Monarchismus und seine Hauptstütze, das kriegshetzende konservative Junkertum, sind vornehmste Schuldige bei dem Marokkoabenteuer. ... Der historische Sinn des Marokkokonflikts, auf seinen einfachsten und gröbsten Ausdruck zurückgeführt, ist der Konkurrenzkampf darum, welcher von den Vertretern des europäischen Kapitalismus sich zuerst auf die nordwestliche Ecke des afrikanischen Kontinents stürzen darf, um sie kapitalistisch zu verschlingen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 21-23.

Marokkokrise 1911
„Endlich kommt in der Stellungnahme des Parteivorstands (zur Marokkokrise, w.b.) eine allgemeine Auffassung über den Wahlkampf zum Ausdruck, die uns nicht einwandfrei erscheint. Wir sollten uns ausschließlich auf die Fragen der inneren Politik, auf die Steuern und Sozialgesetzgebung, bei der Agitation beschränken. Aber die Finanzpolitik, die Junkerherrschaft, Stillstand der Sozialreform sind mit dem Militarismus, Marinismus, mit der Kolonialpolitik, mit dem persönlichen Regiment (des Kaisers, w.b.) und seiner auswärtigen Politik organisch verknüpft. ... Vor allem sollen wir bei der Reichstagswahl sozialistische Aufklärung verbreiten, dies lässt sich aber nicht erreichen, wenn wir ausschließlich die innerpolitischen Zustände Deutschlands in den Kreis unserer Kritik ziehen, wenn wir nicht die großen internationalen Zusammenhänge, die fortschreitende Kapitalsherrschaft in allen Weltteilen, die augenfällige Anarchie in allen Ecken und Enden und die hervorragende Rolle der Kolonial- und Weltpolitik in diesem Prozess schildern.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 11.
„Wir haben bereits vor einer Woche an dieser Stelle dargetan, dass die Passivität des Parteivorstandes der gegenwärtigen Kriegshetze gegenüber nicht auf einem Zufall beruht, sondern auf einer unseres Erachtens ganz verfehlten taktischen Rücksicht auf die bevorstehenden Reichstagswahlen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 14.

Marokkokrise
„Die Marokkoaffäre hat gezeigt, dass Deutschland sich mit einem Pantersprung in die uferlosen Gefahren des Imperialismus gestürzt hat. Man hat uns (R.L., w.b.) verlacht und verhöhnt, weil wir der sogenannten Katastrophentheorie huldigen. Leben wir nicht in einer Zeit, wo der Weltkrieg zu einer zunehmenden Gefahr geworden ist?.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 127.

Marokkokrise
„Jetzt, in Marokko, kam eine radikale Neuorientierung der deutschen Politik in ihrem Verhältnis zu Frankreich zum Vorschein. In der Marokkokrise, die in den sieben Jahren ihrer Dauer zweimal dicht an den Rand eines Krieges zwischen Deutschland und Frankreich geführt hatte, handelte es sich nicht mehr um die ‚Revanche‘, um irgendwelche kontinentalen Gegensätze zwischen den beiden Staaten. Hier äußerte sich ein ganz neuer Gegensatz, der dadurch geschaffen wurde, dass der deutsche Imperialismus dem französischen ins Gehege kam. Im Schlussergebnis der Krise ließ sich Deutschland durch das französische Kongogebiet abfinden und gab damit selbst zu, dass es in Marokko keine eigenen Interessen besaß und zu schützen hatte. Gerade dadurch bekam aber der deutsche Vorstoß in der Marokkosache eine weittragende politische Bedeutung. Gerade in der Unbestimmtheit ihrer greifbaren Ziele und Ansprüche verriet die ganz deutsche Marokkopolitik die unbegrenzten Appetite, das Tasten und Suchen nach Beute, sie war eine ganz allgemein gehaltene imperialistische Kriegserklärung gegen Frankreich. Der Gegensatz der beiden Staaten erschien hier in grellem Lichte. Dort eine langsame Industrieentwicklung, eine stagnierende Bevölkerung, ein Rentnerstaat, der hauptsächlich auswärtige Finanzgeschäfte macht, bepackt mit einem großen Kolonialreich, das mit Mühe und Not zusammengehalten wird, hier – ein mächtiger, junger, auf den ersten Platz hinstrebender Kapitalismus, der in die Welt auszieht, um nach Kolonien zu pirschen. An die Eroberung englischer Kolonien war nicht zu denken. So konnte sich der Heißhunger des deutschen Imperialismus außer auf die asiatische Türkei in erster Linie nur auf die französische Erbschaft richten.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 92f.

Marxsche Lehre
„Seit Marx auf dem Gebiete der Philosophie, der Geschichte und der Ökonomie den historischen Standpunkt der Arbeiterklasse zur Geltung gebracht hat, ist der bürgerlichen Forschung auf diesen Gebieten der Faden abgeschnitten. Die Naturphilosophie im klassischen Sinne ist zu Ende. Die bürgerliche Geschichtsphilosophie ist zu Ende. Die wissenschaftliche Nationalökonomie ist zu Ende. ... Es ist also allenthalben Theorielosigkeit, was die bürgerliche soziale Wissenschaft der Marxschen Theorie, Erkenntnisskepsis, was sie der Marxschen Erkenntnis entgegenzustellen vermag. Die Marxsche Lehre ist ein Kind der bürgerlichen Wissenschaft, aber die Geburt dieses Kindes hat der Mutter das Leben gekostet.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 375f.

Massen und Führung
„In allen bisherigen Klassenkämpfen, die im Interesse von Minoritäten ausgefochten wurden oder wo, wie Marx sagt, die gesamte historische Entwicklung im Gegensatz zu der großen Volksmasse stattgefunden hat, da bildete die Unklarheit der Masse über die eigentlichen Ziele, den materiellen Gehalt und die Grenzen der historischen Aktion die Vorbedingung selbst dieser Aktion. Dieses Missverständnis war auch der spezifische geschichtliche Boden der ‚Führerschaft‘ auf Seiten der ‚gebildeten‘ Bourgeoisie, der das ‚Nachtrollen‘ der Masse entsprach. Aber, schrieb Marx schon 1845, ‚mit der Gründlichkeit der geschichtlichen Aktion wird also der Umfang der Masse zunehmen, deren Aktion sie ist.‘ (MEW 2, 86; w.b.) Der proletarische Klassenkampf ist die ‚gründlichste‘ aller bisherigen historischen Aktionen, sie umfasst die gesamten unteren Volksschichten, und sie ist die erste Aktion seit dem Bestehen der Klassengesellschaft, die dem eigenen Interesse der Masse entspricht. Die eigene Einsicht der Masse in ihre Aufgaben und Wege ist deshalb hier eine ebenso unerlässliche geschichtliche Vorbedingung der sozialdemokratischen Aktion, wie früher ihre Einsichtslosigkeit die Vorbedingung der Aktionen der herrschenden Klassen waren. Damit ist aber der Gegensatz zwischen der ‚Führerschaft‘ und der ‚nachtrollenden‘ Majorität aufgehoben... Die einzige Rolle der sogenannten ‚Führer‘ in der Sozialdemokratie besteht darin, die Masse über ihre historischen Aufgaben aufzuklären. ... Das Ansehen, der Einfluss der ‚Führer‘ in der Sozialdemokratie wächst nur im Verhältnis zu der Menge Aufklärung, die sie in diesem Sinne leisten, das heißt also gerade im Verhältnis, wie sie die bisherige Grundlage jeder Führerschaft, die Blindheit der Masse, zerstören, in dem Verhältnis ... wie sie sich selbst ihrer Führerschaft entäußern, die Masse zur Führerin uns sich selbst zu Ausführern, zu Werkzeugen der bewussten Massenaktion machen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 396
„Die Masse, die wie ein Kind erzogen werden muss, der man nicht alles sagen, die man sogar zu ihrem Besten belügen und betrügen darf, und die ‚Führer‘, die als tiefblickende Staatsmänner aus diesem weichen Ton den Tempel der Zukunft nach eigenen großen Plänen formen, das ist die politische Ethik sowohl der bürgerlichen Parteien wie es revisionistischen Sozialismus, wenn auch die dabei verfolgten Absichten hier und dort noch so verschieden sein mögen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 399

Militär und Krieg
„Die Kriege, die die heutigen Staaten untereinander führen, braucht die Arbeiterklasse nicht, sie dienen den Kapitalisten. Die Arbeiterklasse hat keinerlei Nutzen davon, wenn der Staat neue Gebiete erobert, fremde Länder und Völker unterjocht, um sie zu berauben und zu unterdrücken. ...Den größten Nutzen aus der Rüstung der großen Armeen und der Kriegführung ziehen die Fabrikanten von Eisen und Stahl, Kanonen, Waffen und Panzerschiffen wie auch die verschiedenen Bekleidungs- und Lebensmittellieferanten der Armee. ... Das werktätige Volk hat durch Militär und Krieg nur Verluste. Im stehenden Heer gehen der Jugend des Volkes jeweils einige Jahre ihres schönsten Alters verloren.... Im Krieg gehen die Söhne des Volkes zu Tausenden zugrunde. ... Und nicht nur im zaristischen Russland, sondern in allen kapitalistischen Ländern dient das Militär heute hauptsächlich dazu, die Arbeiterklasse im Joch der Bourgeoisie zu halten. Deshalb fordert die Sozialdemokratie die Abschaffung des Militärs, das heißt des stehenden Heeres. Für die Verteidigung des Landes vor einem äußeren Feind wird keine Armee aus Hunderttausenden von Menschen benötigt. Es genügt, wenn die ganze erwachsene Bevölkerung bewaffnet ist und ihre Waffen immer zu Hause hält. ... Eine solche allgemeine Volksbewaffnung oder Miliz gibt es schon in der Schweiz ...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 72-74.

Militarismus und Marinismus
„Mit neuen Rüstungen zu Lande und zu Wasser wird das arbeitende Volk Deutschlands just in dem Augenblicke traktiert, als die russische Revolution (1905, w.b.)  ihm wieder einmal die alte Wahrheit unter Blutströmen illustriert, dass der Militarismus und Marinismus von der herrschenden Reaktion stets und überall vor allem nicht gegen den äußeren, sondern gegen den inneren Feind, nicht als Schutzwall der ‚Vaterlandes‘, sondern als Bollwerk der Klassen- und der dynastischen Herrschaft gebraucht wird.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 612.

Militarismus
„Die neue Flottenvorlage ... ist ein schlagender Beweis, dass die herrschende Politik in Deutschland blindlings mit verhängten Zügeln drauf losstürmt, ohne die geringste warnende Ahnung von den großen und gewaltigen Dingen zu haben, die da ringsherum vor sich gehen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 613.

Milizsystem
„Es wird behauptet, der gegenseitige Kampf liege in der menschlichen Natur. Wer nicht rüste, laufe Gefahr, die Beute des Nachbarn zu werden. Wir sind anderer Meinung. Die Völker sollen und können ohne Unterschied der Rasse und Farbe zusammen in Frieden leben. Nur dann kann man von Kultur reden, wenn Bande der Solidarität die Völker umschlingen. Solange die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen nicht abgeschafft ist, ist diese Solidarität nicht möglich. Wir Sozialdemokraten wissen sehr wohl, dass der Weltfriede eine Utopie bleibt, solange die kapitalistische Weltordnung nicht abgeschafft ist. Jedes Volk muss imstande sein, sein eigenes Land gegen Angriffe zu verteidigen. Dazu ist aber kein so riesiger Apparat erforderlich, wie ihn unser gegenwärtiges Heerwesen darstellt ... Dem Volke sollen die Waffen in die Hand gegeben werden, damit es selbst entscheiden kann, wenn ein Krieg notwendig ist. ... Wenn wir ... für den Frieden kämpfen, kämpfen wir gegen die kapitalistische Klasse und für das soziale Endziel“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 62-65.

Nach dem Krieg
„Der Sozialismus hat sich beim Ausbruch des Weltkrieges als Faktor der Weltgeschichte ausgeschaltet. Der Krieg brachte deshalb eine ungeheure Stärkung der kapitalistischen Klassengesellschaft, der politischen und sozialen Reaktion und des Militarismus mit sich. Was nach dem Kriege sein wird, ... das hängt ganz davon ab, in welcher Weise der Friede zustande kommt. Erfolgt er bloß aus schließlicher allseitiger Erschöpfung der Militärmächte oder gar – was das Schlimmste wäre – durch den militärischen Sieg einer der kämpfenden Parteien, erfolgt er mit einem Wort ohne Zutun des Proletariats, bei völliger Ruhe im Innern des Staates, dann bedeutet ein solcher Friede nur die Besiegelung der weltgeschichtlichen Niederlage des Sozialismus im Kriege. ... Dann bleibt der Imperialismus auch nach dem Kriege unumschränkter Herr der Situation und die Sozialdemokratie zählt im Frieden wie im Kriege als Machtfaktor des gesellschaftlichen Lebens nicht mehr.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 216. (1916)

Nation und Nationalismus (1918)
„Der Nationalismus ist augenblicklich Trumpf. Von allen Seiten melden sich Nationen und Natiönchen mit ihren Rechten auf Staatenbildung an. ... ‚Nationalstaat‘ und ‚Nationalismus‘ (sind) an sich leere Hülsen..., in die jede historische Epoche und die Klassenverhältnisse in jedem Land ihren besonderen materiellen Inhalt gießen. ... Er schillert in allen Farben. Er ist nichts und alles, er ist bloß die ideologische Hülle, alles kommt darauf an, seinen jeweiligen sozialen Kern zu bestimmen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 367-370.


Nationale Unterdrückung
„Die nationale Unterdrückung, der die polnische Bevölkerung unter der Herrschaft des zaristischen Regimes ausgeliefert ist, kann der Arbeiterklasse nicht gleichgültig sein. Indem sie nach Beseitigung aller Formen der Unterdrückung und Beherrschung des Menschen durch den Menschen strebt, muss die Arbeiterklasse ebenfalls die Beseitigung aller Formen der nationalen Unterdrückung anstreben. Aber diese Aufgabe ist keine besondere nationale Aufgabe des polnischen Proletariats.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 52.

Nationalismus und Nationalstaat
„Das polnische Volk ist im russischen Reiche zwar insofern in anderer Lage, als es sich unter der Herrschaft einer fremden Nationalität befindet. Aber das polnische Proletariat würde nicht aufhören, eine ausgebeutete und unterdrückte Klasse zu sein, wenn es eine eigene, nationale Regierung besäße. ... Wenn für den französischen, den englischen und den deutschen Arbeiter bedeutend bessere politische Verhältnisse bestehen als für den polnischen, so keinesfalls deshalb, weil sie unter einer eigenen, nationalen Regierung leben, sondern nur deshalb, weil die gesellschaftliche Entwicklung und der soziale Fortschritt in Frankreich, England und Deutschland die absolutistischen Regimes schon seit langer Zeit beseitigt haben und sich die Arbeiter dort eine politische Freiheit zunutze machen, die für Russland erst erobert werden muss. Die herrschende Bourgeoisie und der Adel machen in Bezug auf die Ausbeutung keinen Unterschied zwischen dem Arbeiter der eigenen und dem Arbeiter einer fremden Nation. Der Kapitalist erkennt die Nationalität des Arbeiters nicht an ... Solange die kapitalistische Ordnung besteht, kann der Nationalstaat für das Proletariat keine Erlösung sein.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 50f.
„Die Arbeiterklasse soll nicht danach streben, neue bürgerliche Staaten und Regierungen aufzubauen, sondern danach, diese abzuschaffen, vor allem aber danach, die politischen Freiheiten in den Staaten, in denen sie lebt, möglichst auszubauen.  Deshalb erfordert das Arbeiterinteresse nicht, Polen von Russland abzutrennen, um einen unabhängigen Staat aufzubauen, sondern es erfordert die Abschaffung des Absolutismus in Russland und Erringung politischer Freiheiten für das polnische und das russische arbeitende Volk.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 51.

Opportunismus in der Sozialdemokratie
In Frankreich und allerorten gibt es Leute, „die heute für den Beruf der Sozialdemokratie genau das erklären, was die ‚Neue Rheinische Zeitung‘ 1848/1849 tat: die Rolle des linken Flügels der bürgerlichen Demokratie zu spielen ... Die Marxsche Zusammenwirkung des Proletariats mit der Bourgeoisie unter dem Kanonenfeuer der Barrikade wird verzerrt zum parlamentarischen Kuhhandel der Sozialdemokratie mit dem Liberalismus und zur Teilhaberschaft in Ministerportefeuilles. Die Marxsche Hoffnung, am andren Tage nach dem Siege der Bourgeoisie die Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie zu führen und sie von dem Staatssteuer zu verjagen, um einer proletarischen Diktatur Platz zu machen, verzerrt sich zur ‚allmählichen Verwirklichung des Sozialismus‘ durch parlamentarische Reformen eines sozialistisch-demokratischen Kartells.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 300f.

Opportunismus
„Unter dem unmittelbaren Eindruck der neuesten Vorgänge in der französischen, italienischen und deutschen Sozialdemokratie hat sich offenbar ... die Neigung herausgebildet, den Opportunismus überhaupt als eine nur mit den Elementen der bürgerlichen Demokratie in die Arbeiterbewegung von außen hineingetragene, der proletarischen Bewegung selbst aber fremde Beimischung zu betrachten. Wäre dieses auch richtig, so würden sich die statutarischen Organisationsschranken an sich gegen den Andrang des opportunistischen Elementes ganz ohnmächtig erweisen. Wenn sich einmal der massenhafte Zufluss nichtproletarischer Elemente zu der Sozialdemokratie aus so tiefgewurzelten sozialen Ursachen ergibt wie dem rapiden wirtschaftlichen Zusammenbruch des Kleinbürgertums und dem noch rapideren politischen Zusammenbruch des bürgerlichen Liberalismus, .... dann ist es eine naive Illusion, sich einzubilden, dass man durch diese oder andere Fassung der Paragraphen des Parteistatuts diese anstürmende Welle zurückdämmen könnte. Paragraphen regieren nur die Existenz von kleinen Sekten oder Privatgesellschaften, geschichtliche Strömungen haben sich noch immer über die spitzfindigsten Paragraphen hinwegzusetzen gewusst. Es ist ferner ganz verfehlt zu denken, dass es auch nur im Interesse der Arbeiterbewegung liegt, den massenhaften Zufluss der Elemente abzuwehren, die von der fortschreitenden Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft freigesetzt werden. Der Satz, dass die Sozialdemokratie, eine Klassenvertreterin des Proletariats, doch gleichzeitig die Vertreterin der gesamten Fortschrittsinteressen der Gesellschaft und aller unterdrückten Opfer der bürgerlichen Gesellschaftsordnung ist, ist nicht bloß in dem Sinne zu deuten, dass in dem Programm der Sozialdemokratie ideell alle diese Interessen zusammengefasst sind. Dieser Satz wird zur Wahrheit in Gestalt des geschichtlichen Entwicklungsprozesses, kraft dessen die Sozialdemokratie auch als politische Partei nach und nach zur Zufluchtsstätte der verschiedensten unzufriedenen Elemente, dass sie wirklich zur Partei des Volkes gegen eine winzige Minderheit der herrschenden Bourgeoisie wird.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 441.

Opposition fehlt in Deutschland (1913)
„Es ist das Fazit der folgerichtigen Entwicklung eines halben Jahrhunderts kapitalistischer Produktion in Deutschland ... Die junkerlich-absolutistische Reaktion rechnet nicht mehr mit der bürgerlichen Opposition. Sie rechnet aber noch nicht mit der proletarischen Opposition. Die Wirkungslosigkeit der nurparlamentarischen Widerstände hat sich endgültig erwiesen. Die Wirksamkeit des Massenwiderstandes aber hat die Reaktion noch nicht zu kosten bekommen. Das ist es, was der augenblicklichen Lage in Deutschland mit ihrem unerträglichen Druck das besondere Kennzeichen gibt. Das ist, was den Übermut und die herausfordernde Haltung der Reaktion erklärt. Und in der Tat steht heute so ziemlich alles auf dem Spiel: Nach der öffentlichen Sicherheit und dem persönlichen Recht, die im Belagerungszustand sind, nach dem internationalen Frieden, der durch die Abenteuerlust und das Säbelfuchteln der herrschenden Soldateska bedroht ist, nach dem Koalitionsrecht, auf das ein Attentat vorbereitet wird, kommt bald die Reihe an das allgemeine Wahlrecht.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 378.

Organisation der Arbeiterklasse
„Weiter erkannte (die polnische Strömung, w.b.) ‘das Proletariat‘ die ‚Organisation der Arbeiterklasse‘ als Gewähr für die Verwirklichung des sozialistischen Umsturzes an. Aber es verstand darunter eine Vereinigung der Arbeitermassen nur für den Moment des sozialen Umsturzes, nicht für den täglichen Kampf gegen die herrschenden Klassen; das ‚Proletariat‘ hielt es für möglich, die Massen durch die Verbreitung der Ansicht von der Unerlässlichkeit der Revolution zu organisieren, nicht allmählich im Laufe des Kampfes selbst im Namen der Tagesinteressen, mit einem Wort es verstand die Organisation der Arbeiterklasse als ein künstliches Produkt der sozialistischen Agitation und nicht als ein historisches Produkt des Klassenkampfes, in die die sozialistische Agitation nur das Bewusstsein hineinträgt.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 355.

Organisation und Bewegung
„Die sozialdemokratische Bewegung ist die erste in der Geschichte der Klassengesellschaften, die in allen ihren Momenten, im ganzen Verlauf auf die Organisation und die selbständige Aktion der Masse berechnet ist.“ ... Die sozialdemokratische Aktion „wächst historisch aus dem elementaren Klassenkampf heraus. Sie bewegt sich dabei in dem dialektischen Widerspruch, dass hier die proletarische Armee sich erst im Kampfe selbst rekrutiert und erst im Kampfe auch über die Aufgaben des Kampfes klar wird. Organisation, Aufklärung und Kampf sind hier nicht getrennte, mechanisch und auch zeitlich gesonderte Momente, wie bei einer blanquistischen Bewegung, sondern sie sind nur verschiedene Seiten desselben Prozesses. ... Einerseits gibt es ... keine fertige, im Voraus festgesetzte Kampftaktik, in die die sozialdemokratische Mitgliedschaft von einem Zentralkomitee eingedrillt werden könnte. Andererseits bedingt der die Organisation schaffende Prozess des Kampfes ein beständiges Fluktuieren der Einflusssphäre der Sozialdemokratie.“  R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 427f. „Was sich aber aus der allgemeinen Auffassung des sozialdemokratischen Organisationstypus ableiten lässt, das sind die großen Grundzüge, das ist der Geist der Organisation, und dieser bedingt, namentlich in den Anfängen der Massenbewegung, hauptsächlich den koordinierenden, zusammenfassenden und nicht den reglementierenden und exklusiven Charakter des sozialdemokratischen Zentralismus. R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 434

Parlamentarismus (1913)
„Unser Organisationsapparat wie unsere Parteitaktik sind seit 20 Jahren, seit dem Fall des Sozialistengesetzes, im Grunde genommen auf die ein Hauptaufgabe zugeschnitten gewesen: auf Parlamentswahlen und parlamentarischen Kampf. Darin haben wir das Äußerste geleistet, und darin sind wir groß geworden. Aber die neue Zeit des Imperialismus stellt uns immer mehr vor neue Aufgaben, denen mit Parlamentarismus allein, mit dem alten Apparat und der alten Routine nicht beizukommen ist. Unsre Partei muss lernen, Massenaktionen in entsprechenden Situationen in Fluss zu bringen und sie zu leiten.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 256

Parlamentarismus
„Dass die sozialreformerische Unfruchtbarkeit des deutschen Reichstages, wie übrigens der meisten kapitalistischen Parlamente heute, kein Zufall ist, dass sie nur ein natürliches Produkt der zunehmenden Verschärfung des Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit, dass im Zeitalter zunehmender Kartellierung der Industrie, der scharfmacherischen Arbeitgeberverbände, der Massenaussperrungen und des Zuchthauskurses unmöglich im Parlament ein neuer sozialreformerischer Frühling erblühen kann, dass jegliche ‚positive Arbeit‘ im Parlament mit jedem Jahr aussichtsloser wird in dem Maße, wie der eherne Tritt des Imperialismus alle bürgerliche Opposition niederstampft, dem Parlament jede Selbständigkeit, Initiative und Unabhängigkeit nimmt, es zur verächtlichen Jasagemaschine für Militärbewilligung degradiert – all das verschwindet plötzlich vor dem verklärten Blick Kautskys.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 313.

Parlamentarismus
„Die gegenwärtige Taktik der deutschen Sozialdemokratie ... hat sich in ihrem Tageskampf wunderbar an den gegenwärtigen parlamentarischen Boden bis ins kleinste Detail angepasst ... Zugleich aber verdeckt diese spezifische Gestaltung der Taktik so sehr die weiteren Horizonte, dass in hohem Maße die Neigung zur Verewigung und zur Betrachtung der parlamentarischen Taktik als der Taktik des sozialdemokratischen Kampfes schlechthin hervortritt.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 433.
„Der Parlamentarismus unterstützt nicht nur all die bekannten Illusionen des jetzigen Opportunismus, wie wir sie in Frankreich, Italien und Deutschland kennengelernt haben: die Überschätzung der Reformarbeit, des Zusammenwirkens der Klassen und Parteien, der friedlichen Entwicklung usw. er bildet zugleich den Boden, auf dem ... er die Akademiker auch in der Sozialdemokratie als Parlamentarier von der proletarischen Masse absondert, gewissermaßen über sie emporhebt. Endlich gestaltet derselbe Parlamentarismus mit dem Wachstum der Arbeiterbewegung diese letztere zum Sprungbrett politischer Emporkömmlinge, weshalb er sie leicht zum Unterschlupf für ehrgeizige und schiffbrüchige bürgerliche Existenzen macht.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 437.

Partei und Bewegung (1913)
„Die mächtigste Parteiorganisation kann heute nicht Selbstzweck sein, sie muss sich als Hilfsmittel zur revolutionären Mobilmachung der großen Volksmasse bewähren. Die glänzendsten parlamentarischen Wahlsiege können heute nur als Pfand und als Verpflichtung für die Arbeiterklasse gelten, aus der jahrzehntelangen Defensive herauszutreten und allmählich zu einer kraftvollen Offensive gegen die herrschende Reaktion überzugehen. Heute gibt es keinen Lassalle, der mit einer Stimme, die wie Erz tönt, und mit kühnem Arm die deutsche Arbeiterklasse zum Sturmlauf auf die Bollwerke der Klassenherrschaft mitreißen würde. Die Zeit der überragenden Individuen, der kühn vorauseilenden Führer ist vorbei, denn heute ist die Masse selbst berufen, ihr eigener Führer, Bannerträger und Stürmer, ihr eigener Lassalle zu sein.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 211.

Partei und Gewerkschaft
„Im Gegensatz zur Sozialdemokratie, wo ... tatsächlich durch die Wählbarkeit und die kollegiale Geschäftsführung der größte Demokratismus herrscht, wo der Parteivorstand tatsächlich nur ein Verwaltungsorgan ist, besteht in den Gewerkschaften in einem viel höheren Maße das Verhältnis der Obrigkeit zu der untergebenen Masse.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 165.
Dieser Schein der Unabhängigkeit und der Gleichberechtigung der Gewerkschaften mit der Sozialdemokratie wird aber hauptsächlich in den Gewerkschaftsbeamten verkörpert, durch den Verwaltungsapparat der Gewerkschaften genährt. Äußerlich ist durch die Nebenexistenz eines ganzen Stabes von Gewerkschaftsbeamten, einer gänzlich unabhängigen Zentrale, einer zahlreichen Berufspresse und endlich der gewerkschaftlichen Kongresse der Schein einer völligen Parallelität mit dem Verwaltungsapparat der Sozialdemokratie, dem Parteivorstand, der Parteipresse und den Parteitagen geschaffen. Diese Illusion der Gleichberechtigung zwischen Sozialdemokratie und Gewerkschaften hat auch u. a. zu der monströsen Erscheinung geführt, dass auf den sozialdemokratischen Parteitagen und den gewerkschaftlichen Kongressen zum Teil ganz analoge Tagesordnungen behandelt und zu derselben Frage verschiedene, ja direkt entgegengesetzte Beschlüsse gefasst werden. Aus der Arbeitsteilung zwischen dem Parteitag, der die allgemeinen Interessen und Aufgaben der Arbeiterbewegung vertritt, und den Gewerkschaftskonferenzen, die das viel engere Gebiet der speziellen Fragen und Interessen des beruflichen Tageskampfes behandeln, ist der Zwiespalt einer angeblichen gewerkschaftlichen und einer sozialdemokratischen Weltanschauung in Bezug auf dieselben allgemeinen Fragen und Interessen der Arbeiterbewegung konstruiert worden.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 166f.
„Nicht oben, in den Spitzen der Organisationsleitungen ..., sondern unten, in der organisierten proletarischen Masse, liegt die Gewähr für die wirkliche Einheit der Arbeiterbewegung. Im Bewusstsein der Million Gewerkschaftsmitglieder sind Partei und Gewerkschaft tatsächlich eins...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 169.

Partei und Staat
„... Die Bourgeoisie (herrscht) in jedem Staat vermittels einer besonderen Regierung, eines besonderen Parlaments, einer besonderen Armee. Diese Besonderheit der Staatsverhältnisse entsprechend, führt die Arbeiterklasse in jedem Staate einen besonderen Kampf gegen ihre Regierung und ihre Bourgeoisie, sucht sie Einfluss zu gewinnen auf die Institutionen ihres Staates.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 49.

Parteitag (1911)
„... Wir haben eigentlich einen Parteitag, der nur zu dem Ende zusammentreten soll, um über die bevorstehenden Reichstagswahlen zu beraten. Diese Konzentration des gesamten Parteilebens auf die Reichstagswahlen lässt sich von keinem Standpunkt rechtfertigen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 554f.

Pazifismus
„Die Friedensfreunde aus bürgerlichen Kreisen glauben, dass sich Weltfriede und Abrüstung im Rahmen der heutigen Gesellschaftsordnung verwirklichen lassen, wie aber ... sind der Überzeugung, dass der Militarismus erst mit dem kapitalistischen Klassenstaate zusammen aus der Welt geschaffen werden kann. Daraus ergibt sich die entgegengesetzte Taktik bei der Propagierung der Friedensidee. Die bürgerlichen Friedensfreunde sind bemüht ..., allerlei ‚praktische‘ Projekte zur allmählichen Eindämmung des Militarismus zu ersinnen, sowie sie naturgemäß geneigt sind, jedes äußere, scheinbare Anzeichen einer Tendenz zum Frieden für bare Münze zu nehmen, jede Äußerung der herrschenden Diplomatie nach dieser Richtung beim Wort zu fassen ... Die Sozialdemokratie kann umgekehrt hier .... ihren Beruf nur darin erblicken, die bürgerlichen Anläufe zur Eindämmung des Militarismus als jämmerliche Halbheiten, als diplomatisches Schattenspiel zu entlarven und dem bürgerlichen Wort und Schein die rücksichtslose Analyse der kapitalistischen Wirklichkeit entgegenzustellen ... und dem Volke klar auseinanderzusetzen, dass der Militarismus mit der Kolonialpolitik, Zollpolitik, Weltpolitik aufs engste verknüpft ist, dass also die heutigen Staaten, wenn sie dem Wettrüsten ernstlich und aufrichtig ein Halt gebieten wollten, damit anfangen müssten, handelspolitisch abzurüsten, koloniale Raubzüge ebenso wie die Weltpolitik der Interessensphären in allen Weltteilen aufzugeben, mit einem Wort, in der äußeren wie der inneren Politik das direkte Gegenteil von dem zu tun, was das Wesen der heutigen Politik eines kapitalistischen Klassenstaats ist. ... Nur auf diesem Wege lässt sich aus Anlass der Abrüstungsdebatte wirklich sozialdemokratische Aufklärung und Werbearbeit leisten.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 493f.

Polemik
„Hätte ich entfernt ahnen können, dass Genosse Kautsky der Verfasser (des Marokko-Flugblattes, w.b.) ist, so hätte ich mir wohl die ganze Kritik geschenkt. Ich kann mir nicht helfen, ich halte das Flugblatt nach wie vor für sehr schlecht. Aber ich hätte mich wohl gehütet, ohne dringende Not mich in eine Polemik mit einem Genossen zu stürzen, der mit dieser Reizbarkeit, mit dieser Flut persönlicher Heftigkeiten, Bitterkeiten und Verdächtigungen auf eine streng sachliche, wenn noch so scharfe Kritik antwortet, der hinter jedem Wort eine persönliche gehässige Absicht wittert.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 44


Problem der Epoche (1918)
„Worauf es ankommt, ist, das eigentliche Problem dieser Epoche zu begreifen. Dieses Problem heißt: die Diktatur des Proletariats, Verwirklichung des Sozialismus. Die Schwierigkeiten der Aufgabe liegen nicht in der Stärke des Gegners.... Die Schwierigkeit liegt im Proletariat selbst, in seiner Unreife, vielmehr in der Unreife seiner Führer, der sozialistischen Parteien. Die Arbeiterklasse sträubt sich, sie schreckt immer wieder vor der unbestimmten Ungeheuerlichkeit ihrer Aufgabe zurück. Aber sie muss, sie muss. Die Geschichte schneidet ihr alle Ausflüchte ab ...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 373.

Programm von Spartakusbund (und von KPD), 14. Dezember 1918
1) Am 9. November haben Arbeiter und Soldaten das alte Regime in Deutschland zertrümmert. Auf den Schlachtfeldern Frankreichs war der blutige Wahn von der Weltherrschaft des preußischen Säbels zerronnen. Die Verbrecherbande, die den Weltbrand entzündet und Deutschland in das Blutmeer hineingetrieben hat, war am Ende ihres Lateins angelangt. Das vier Jahre lang betrogene Volk, das im Dienste des Molochs Kulturpflicht, Ehrgefühl und Menschlichkeit vergessen hatte, das sich zu jeder Schandtat missbrauchen ließ, erwachte aus seiner vierjährigen Erstarrung – vor dem Abgrund.
Am 9. November erhob sich das deutsche Proletariat, um das schmachvolle Joch abzuwerfen. Die Hohenzollern wurden verjagt, Arbeiter- und Soldatenräte gewählt. Aber die Hohenzollern waren nie mehr als Geschäftsträger der imperialistischen Bourgeoisie und des Junkertums. Die bürgerliche Klassenherrschaft, das ist der wahre Schuldige des Weltkrieges – in Deutschland wie in Frankreich, in Russland wie in England, in Europa wie in Amerika. Die Kapitalisten aller Länder – das sind die wahren Anstifter zum Völkermord. Das internationale Kapital – das ist der unersättliche Baal, dem Millionen auf Millionen dampfender Menschenopfer in den blutigen Rachen geworfen werden. Der Weltkrieg hat die Gesellschaft vor die Alternative gestellt: entweder Fortdauer des Kapitalismus, neue Kriege und baldigster Untergang im Chaos und in der Anarchie oder Abschaffung der kapitalistischen Ausbeutung.
Mit dem Ausgang des Weltkrieges hat die bürgerliche Klassenherrschaft ihr Daseinsrecht verwirkt. Sie ist nicht mehr imstande, die Gesellschaft aus dem furchtbaren wirtschaftlichen Zusammenbruch herauszuführen, den die imperialistische Orgie hinterlassen hat. Produktionsmittel sind in ungeheurem Maßstab vernichtet. Millionen Arbeitskräfte, der beste und tüchtigste Stamm der Arbeiterklasse hingeschlachtet. Der am Leben Gebliebenen harrt bei der Heimkehr das grinsende Elend der Arbeitslosigkeit. Hungersnot und Krankheiten drohen die Volkskraft an der Wurzel zu vernichten. Der finanzielle Staatsbankrott infolge der ungeheuren Last der Kriegsschulden ist unabwendbar.
Aus all diesem blutigen Wirrsal und diesem gähnenden Abgrund gibt es keine Hilfe, keinen Ausweg, keine Rettung als im Sozialismus. Nur die Weltrevolution des Proletariats kann in dieses Chaos Ordnung bringen, kann allen Arbeit und Brot verschaffen, kann der gegenseitigen Zerfleischung der Völker ein Ende machen, kann der geschundenen Menschheit Frieden, Freiheit, wahre Kultur bringen. Nieder mit dem Lohnsystem! Das ist die Losung der Stunde. Anstelle der Lohnarbeit und der Klassenherrschaft soll die genossenschaftliche Arbeit treten. Die Arbeitsmittel müssen aufhören, das Monopol einer Klasse zu sein, sie müssen Gemeingut aller werden. Keine Ausbeuter und Ausgebeutete mehr! Regelung der Produktion und Verteilung der Produkte im Interesse der Allgemeinheit. Abschaffung wie der heutigen Produktionsweise, die Ausbeutung und Raub, so des heutigen Handels, der nur Betrug ist.
Anstelle der Arbeitgeber und ihrer Lohnsklaven freie Arbeitsgenossen! Die Arbeit niemandes Qual, weil jedermanns Pflicht! Ein menschenwürdiges Dasein jedem, der seine Pflicht gegen die Gesellschaft erfüllt. Der Hunger hinfür nicht mehr der Arbeit Fluch, sondern des Müßiggängers Strafe!
Erst in einer solchen Gesellschaft sind Völkerhass, Knechtschaft entwurzelt. Erst wenn eine solche Gesellschaft verwirklicht ist, wird die Erde nicht mehr durch Menschenmord geschändet. Erst dann wird es heißen: Dieser Krieg ist der letzte gewesen!
Sozialismus ist in dieser Stunde der einzige Rettungsanker der Menschheit. Über den zusammensinkenden Mauern der kapitalistischen Gesellschaft lodern wie ein feuriges Menetekel die Worte des Kommunistischen Manifests: Sozialismus oder Untergang in der Barbarei!
2 ) Die Verwirklichung der sozialistischen Gesellschaftsordnung ist die gewaltigste Aufgabe, die je einer Klasse und einer Revolution der Weltgeschichte zugefallen ist. Diese Aufgabe erfordert einen vollständigen Umbau des Staates und eine vollständige Umwälzung in den wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen der Gesellschaft.
Dieser Umbau und diese Umwälzung können nicht durch irgendeine Behörde, Kommission oder ein Parlament dekretiert, sie können nur von der Volksmasse selbst in Angriff genommen und durchgeführt werden. In allen bisherigen Revolutionen war es eine kleine Minderheit des Volkes, die den revolutionären Kampf leitete, die ihm Ziel und Richtung gab und die Masse nur als Werkzeug benutzte, um ihre eigenen Interessen, die Interessen der Minderheit, zum Siege zu führen. Die sozialistische Revolution ist die erste, die im Interesse der großen Mehrheit und durch die große Mehrheit der Arbeitenden allein zum Siege gelangen kann. Die Masse des Proletariats ist berufen, nicht bloß der Revolution in klarer Erkenntnis Ziele und Richtung zu stecken. Sie muss auch selbst, durch eigene Aktivität, Schritt um Schritt den Sozialismus ins Leben einführen.
Das Wesen der sozialistischen Gesellschaft besteht darin, dass die große arbeitende Masse aufhört, eine regierte Masse zu sein, vielmehr das ganze politische und wirtschaftliche Leben selbst lebt und in bewusster freier Selbstbestimmung lenkt. Von der obersten Spitze des Staates bis zur kleinsten Gemeinde muss deshalb die proletarische Masse die überkommenen Organe der bürgerlichen Klassenherrschaft: die Bundesräte, Parlamente, Gemeinderäte, durch eigene Klassenorgane: die Arbeiter- und Soldatenräte, ersetzen, alle Posten besetzen, alle Funktionen überwachen, alle staatlichen Bedürfnisse an dem eigenen Klasseninteresse und den sozialistischen Aufgaben messen. Und nur in ständiger, lebendiger Wechselwirkung zwischen den Volksmassen und ihren Organen, den A.- und S.-Räten, kann ihre Tätigkeit den Staat mit sozialistischem Geiste erfüllen.
Auch die wirtschaftliche Umwälzung kann sich nur als ein von der proletarischen Massenaktion getragener Prozess vollziehen. Die nackten Dekrete oberster Revolutionsbehörden über die Sozialisierung sind allein ein leeres Wort. Nur die Arbeiterschaft kann das Wort durch eigene Tat zum Fleische machen. In zähem Ringen mit dem Kapital, Brust an Brust in jedem Betriebe, durch unmittelbaren Druck der Massen, durch Streiks, durch Schaffung ihrer ständigen Vertretungsorgane können die Arbeiter die Kontrolle über die Produktion und schließlich die tatsächliche Leitung an sich bringen.
Die Proletariermassen müssen lernen, aus toten Maschinen, die der Kapitalist an den Produktionsprozess stellt, zu denkenden, freien, selbsttätigen Lenkern dieses Prozesses zu werden. Sie müssen das Verantwortungsgefühl wirkender Glieder der Allgemeinheit erwerben, die Alleinbesitzerin alles gesellschaftlichen Reichtums ist. Sie müssen Fleiß ohne Unternehmerpeitsche, höchste Leistung ohne kapitalistische Antreiber, Disziplin ohne Joch und Ordnung ohne Herrschaft entfalten. Höchster Idealismus im Interesse der Allgemeinheit, straffste Selbstdisziplin, wahrer Bürgersinn der Massen sind für die sozialistische Gesellschaft die moralische Grundlage, wie Stumpfsinn, Egoismus und Korruption die moralische Grundlage der kapitalistischen Gesellschaft sind. Alle diese sozialistischen Bürgertugenden zusammen mit Kenntnissen und Befähigungen zur Leitung der sozialistischen Betriebe kann die Arbeitermasse nur durch eigene Betätigung, eigene Erfahrung erwerben. Sozialisierung der Gesellschaft kann nur durch zähen, unermüdlichen Kampf der Arbeitermasse in ihrer ganzen Breite verwirklicht werden, auf allen Punkten, wo Arbeit mit Kapital, wo Volk mit bürgerlicher Klassenherrschaft einander ins Weiße des Auges blicken. Die Befreiung der Arbeiterklasse muss das Werk der Arbeiterklasse selbst sein.

3) In den bürgerlichen Revolutionen waren Blutvergießen, Terror, politischer Mord die unentbehrliche Waffe in der Hand der aufsteigenden Klassen. Die proletarische Revolution bedarf für ihre Ziele keines Terrors, sie hasst und verabscheut den Menschenmord. Sie bedarf dieser Kampfmittel nicht, weil sie nicht Individuen, sondern Institutionen bekämpft, weil sie nicht mit naiven Illusionen in die Arena tritt, deren Enttäuschung sie blutig zu rächen hätte. Sie ist kein verzweifelter Versuch einer Minderheit, die Welt mit Gewalt nach ihrem Ideal zu modeln, sondern die Aktion der großen Millionenmasse des Volkes, die berufen ist, die geschichtliche Mission zu erfüllen und die geschichtliche Notwendigkeit in Wirklichkeit umzusetzen.
Aber die proletarische Revolution ist zugleich die Sterbeglocke für jede Knechtschaft und Unterdrückung. Darum erheben sich gegen die proletarische Revolution alle Kapitalisten, Junker, Kleinbürger, Offiziere, alle Nutznießer und Parasiten der Ausbeutung und der Klassenherrschaft wie ein Mann zum Kampf auf Leben und Tod. Es ist ein toller Wahn zu glauben, die Kapitalisten würden sich gutwillig dem sozialistischen Verdikt eines Parlaments, einer Nationalversammlung fügen, sie würden ruhig auf den Besitz, den Profit, das Vorrecht der Ausbeutung verzichten. Alle herrschenden Klassen haben um ihre Vorrechte bis zuletzt mit zähester Energie gerungen. Die römischen Patrizier wie die mittelalterlichen Feudalbarone, die englischen Kavaliere wie die amerikanischen Sklavenhändler, die walachischen Bojaren wie die Lyoner Seidenfabrikanten – sie haben alle Ströme von Blut vergossen, sie sind über Leichen, Mord und Brand geschritten, sie haben Bürgerkrieg und Landesverrat angestiftet, um ihre Vorrechte und ihre Macht zu verteidigen.
Die imperialistische Kapitalistenklasse überbietet als letzter Spross der Ausbeuterklasse die Brutalität, den unverhüllten Zynismus, die Niedertracht aller ihrer Vorgänger. Sie wird ihr Allerheiligstes, ihren Profit und ihr Vorrecht der Ausbeutung, mit Zähnen und mit Nägeln, mit jenen Methoden der kalten Bosheit verteidigen, die sie in der ganzen Geschichte der Kolonialpolitik und in dem letzten Weltkriege an den Tag gelegt hat. Sie wird Himmel und Hölle gegen das Proletariat in Bewegung setzen. Sie wird das Bauerntum gegen die Städte mobil machen, sie wird rückständige Arbeiterschichten gegen die sozialistische Avantgarde aufhetzen, sie wird mit Offizieren Metzeleien anstiften, sie wird jede sozialistische Maßnahme durch tausend Mittel der passiven Resistenz lahmzulegen suchen, sie wird der Revolution zwanzig Vendéen auf den Hals hetzen, sie wird den äußeren Feind, das Mordeisen der Clemenceau, Lloyd George und Wilson als Retter ins Land rufen, sie wird lieber das Land in einen rauchenden Trümmerhaufen verwandeln als freiwillig die Lohnsklaverei preisgeben.
All dieser Widerstand muss Schritt um Schritt mit eiserner Faust und rücksichtsloser Energie gebrochen werden. Der Gewalt der bürgerlichen Gegenrevolution muss die revolutionäre Gewalt des Proletariats entgegengestellt werden. Den Anschlägen, Ränken, Zettelungen der Bourgeoisie die unbeugsame Zielklarheit, Wachsamkeit und stets bereite Aktivität der proletarischen Masse. Den drohenden Gefahren der Gegenrevolution die Bewaffnung des Volkes und Entwaffnung der herrschenden Klassen. Den parlamentarischen Obstruktionsmanövern der Bourgeoisie die tatenreiche Organisation der Arbeiter- und Soldatenmassen. Der Allgegenwart und den tausend Machtmitteln der bürgerlichen Gesellschaft die konzentrierte, zusammengeballte, aufs höchste gesteigerte Macht der Arbeiterklasse. Die geschlossene Front des gesamten deutschen Proletariats: des süddeutschen mit dem norddeutschen, des städtischen mit dem ländlichen, der Arbeiter mit den Soldaten, die lebendige geistige Führung der deutschen Revolution mit der Internationale, die Erweiterung der deutschen Revolution des Proletariats vermögen allein die granitne Basis zu schaffen, auf der das Gebäude der Zukunft errichtet werden kann.
Der Kampf um den Sozialismus ist der gewaltigste Bürgerkrieg, den die Weltgeschichte gesehen, und die proletarische Revolution muss sich für diesen Bürgerkrieg das nötige Rüstzeug bereiten, sie muss lernen, es zu gebrauchen – zu Kämpfen und Siegen.
Eine solche Ausrüstung der kompakten arbeitenden Volksmasse mit der ganzen politischen Macht für die Aufgaben der Revolution, das ist die Diktatur des Proletariats und deshalb die wahre Demokratie. Nicht wo der Lohnsklave neben dem Kapitalisten, der Landproletarier neben dem Junker in verlogener Gleichheit sitzen, um über ihre Lebensfragen parlamentarisch zu debattieren, dort, wo die millionenköpfige Proletariermasse die ganze Staatsgewalt mit ihrer schwieligen Faust ergreift, um sie, wie der Gott Thor seinen Hammer, den herrschenden Klassen aufs Haupt zu schmettern: dort allein ist die Demokratie, die kein Volksbetrug ist.
Um dem Proletariat die Erfüllung dieser Aufgaben zu ermöglichen, fordert der Spartakusbund:
I. Als sofortige Maßnahmen zur Sicherung der Revolution
Entwaffnung der gesamten Polizei, sämtlicher Offiziere sowie der nichtproletarischen Soldaten. Entwaffnung aller Angehörigen der herrschenden Klassen;
Beschlagnahme aller Waffen- und Munitionsbestände sowie Rüstungsbetriebe durch A.- und S.-Räte;
Bewaffnung der gesamten erwachsenen männlichen proletarischen Bevölkerung als Arbeitermiliz, Bildung einer Roten Garde aus Proletariern als aktiven Teil der Miliz zum ständigen Schutz der Revolution vor gegenrevolutionären Anschlägen und Zettelungen;
Aufhebung der Kommandogewalt der Offiziere und Unteroffiziere, Ersetzung des militärischen Kadavergehorsams durch freiwillige Disziplin der Soldaten, Wahl aller Vorgesetzten durch die Mannschaften unter jederzeitigem Rückberufungsrecht, Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit;
Entfernung der Offiziere und Kapitulanten aus allen Soldatenräten;
Ersetzung aller politischen Organe und Behörden des früheren Regimes durch Vertrauensmänner der A.- und S.-Räte;
Einsetzung eines Revolutionstribunals, vor dem die Hauptschuldigen am Kriege und seiner Verlängerung, die beiden Hohenzollern, Ludendorff, Hindenburg, Tirpitz und ihre Mitverbrecher sowie alle Verschwörer der Gegenrevolution abzuurteilen sind;
Sofortige Beschlagnahme aller Lebensmittel zur Sicherung der Volksernährung.

II. Auf politischem und sozialem Gebiete
Abschaffung aller Einzelstaaten; einheitliche deutsche sozialistische Republik;
Beseitigung aller Parlamente und Gemeinderäte und Übernahme ihrer Funktionen durch A.- und S.-Räte sowie deren Ausschüsse und Organe;
Wahl von Arbeiterräten über ganz Deutschland durch die gesamte erwachsene Arbeiterschaft beider Geschlechter in Stadt und Land nach Betrieben sowie von Soldatenräten durch die Mannschaften, unter Ausschluss der Offiziere und Kapitulanten, Recht der Arbeiter und Soldaten zur jederzeitigen Rückberufung ihrer Vertreter;
Wahlen von Delegierten der A.- und S.-Räte im ganzen Reiche für den Zentralrat der A.- und S.-Räte, der den Vollzugsrat als das oberste Organ der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt zu wählen hat;
Zusammentritt des Zentralrats vorläufig mindestens alle drei Monate – unter jedesmaliger Neuwahl der Delegierten – zur ständigen Kontrolle über die Tätigkeit des Vollzugsrats und zur Herstellung einer lebendigen Fühlung zwischen der Masse der A.- und S.-Räte im Reiche und ihrem obersten Regierungsorgan. Recht der lokalen A.- und S.-Räte zur jederzeitigen Rückberufung und Ersetzung ihrer Vertreter im Zentralrat, falls diese nicht im Sinne ihrer Auftraggeber handeln, Recht des Vollzugsrats, die Volksbeauftragten sowie die zentralen Reichsbehörden und -beamten zu ernennen und abzusetzen;
Abschaffung aller Standesunterschiede, Orden und Titel. Völlige rechtliche und soziale Gleichstellung der Geschlechter;
einschneidende soziale Gesetzgebung, Verkürzung der Arbeitszeit zur Steuerung der Arbeitslosigkeit und unter Berücksichtigung der körperlichen Entkräftung der Arbeiterschaft durch den Weltkrieg; sechsstündiger Höchstarbeitstag;
Sofortige gründliche Umgestaltung des Ernährungs-, Wohnungs- und Erziehungswesens im Sinne und Geiste der proletarischen Revolution.

III. Nächste wirtschaftliche Forderungen
Konfiskation aller dynastischen Vermögen und Einkünfte für die Allgemeinheit;
Annullierung der Staats- und anderer öffentlicher Schulden sowie sämtlicher Kriegsanleihen, ausgenommen Zeichnungen bis zu einer bestimmten Höhe, die durch den Zentralrat der A.- und S.-Räte festzusetzen ist;
Enteignung des Grund und Bodens aller landwirtschaftlichen Groß- und Mittelbetriebe, Bildung sozialistischer landwirtschaftlicher Genossenschaften unter einheitlicher zentraler Leitung im ganzen Reiche, bäuerliche Kleinbetriebe bleiben im Besitze ihrer Inhaber bis zu deren freiwilligem Anschluss an die sozialistischen Genossenschaften;
Enteignung aller Banken, Bergwerke, Hütten sowie aller Großbetriebe in Industrie und Handel durch die Räterepublik;
Konfiskation aller Vermögen von einer bestimmten Höhe an, die durch den Zentralrat festzusetzen ist;
Übernahme des gesamten öffentlichen Verkehrswesens durch die Räterepublik;
Wahl von Betriebsräten in allen Betrieben, die im Einvernehmen mit den Arbeiterräten die inneren Angelegenheiten der Betriebe zu ordnen, die Arbeitsverhältnisse zu regeln, die Produktion zu kontrollieren und schließlich die Betriebsleitung zu übernehmen haben;
Einsetzung einer zentralen Streikkommission, die unter ständigem Zusammenwirken mit den Betriebsräten der beginnenden Streikbewegung im ganzen Reich einheitliche Leitung, sozialistische Richtung und die kräftigste Unterstützung durch die politische Macht der A.- und S.-Räte sichern soll.

IV. Internationale Aufgaben
Sofortige Aufnahme der Verbindungen mit den Bruderparteien des Auslandes, um die sozialistische Revolution auf internationale Basis zu stellen und den Frieden durch die internationale Verbrüderung und revolutionäre Erhebung des Weltproletariats zu gestalten und zu sichern.

V. Das will der Spartakusbund!
Und weil er das will, weil er der Mahner, der Dränger, weil er das sozialistische Gewissen der Revolution ist, wird er von allen offenen und heimlichen Feinden der Revolution und des Proletariats gehasst, verfolgt und verleumdet. Kreuziget ihn! rufen die Kapitalisten, die um ihre Kassenschränke zittern. Kreuziget ihn! rufen die Kleinbürger, die Offiziere, die Antisemiten, die Presslakaien der Bourgeoisie, die um die Fleischtöpfe der bürgerlichen Klassenherrschaft zittern. Kreuziget ihn! rufen die Scheidemänner, die wie Judas Ischariot die Arbeiter an die Bourgeoisie verkauft haben und um die Silberlinge ihrer politischen Herrschaft zittern. Kreuziget ihn! wiederholen noch wie ein Echo getäuschte, betrogene, missbrauchte Schichten der Arbeiterschaft und Soldaten, die nicht wissen, dass sie gegen ihr eigen Fleisch und Blut wüten, wenn sie gegen den Spartakusbund wüten.
Im Hasse, in der Verleumdung gegen den Spartakusbund vereinigt sich alles, was gegenrevolutionär, volksfeindlich, antisozialistisch, zweideutig, lichtscheu, unklar ist. Dadurch wird bestätigt, dass in ihm das Herz der Revolution pocht, dass ihm die Zukunft gehört.
Der Spartakusbund ist keine Partei, die über die Arbeitermasse oder durch die Arbeitermasse zur Herrschaft gelangen will. Der Spartakusbund ist nur der zielbewussteste Teil des Proletariats, der die ganze breite Masse der Arbeiterschaft bei jedem Schritt auf ihre geschichtlichen Aufgaben hinweist, der in jedem Einzelstadium der Revolution das sozialistische Endziel und in allen nationalen Fragen die Interessen der proletarischen Weltrevolution vertritt.
Der Spartakusbund lehnt es ab, mit Handlangern der Bourgeoisie, mit den Scheidemann-Ebert, die Regierungsgewalt zu teilen, weil er in einer solchen Zusammenwirkung einen Verrat an den Grundsätzen des Sozialismus, eine Stärkung der Gegenrevolution und eine Lähmung der Revolution erblickt.
Der Spartakusbund wird es auch ablehnen, zur Macht zu gelangen, nur weil sich die Scheidemann-Ebert abgewirtschaftet und die Unabhängigen durch die Zusammenarbeit mit ihnen in eine Sackgasse geraten sind.
Der Spartakusbund wird nie anders die Regierungsgewalt übernehmen als durch den klaren, unzweideutigen Willen der großen Mehrheit der proletarischen Masse in Deutschland, nie anders als kraft ihrer bewussten Zustimmung zu den Ansichten, Zielen und Kampfmethoden des Spartakusbundes.
Die proletarische Revolution kann sich nur stufenweise, Schritt für Schritt, auf dem Golgathaweg eigener bitterer Erfahrungen, durch Niederlagen und Siege zur vollen Klarheit und Reife durchringen.
Der Sieg des Spartakusbundes steht nicht am Anfang, sondern am Ende der Revolution: Er ist identisch mit dem Siege der großen Millionenmassen des sozialistischen Proletariats.
Auf, Proletarier! Zum Kampf! Es gilt, eine Welt zu erobern und gegen eine Welt anzukämpfen. In diesem letzten Klassenkampf der Weltgeschichte um die höchsten Ziele der Menschheit gilt dem Feinde das Wort: Daumen aufs Auge und Knie auf die Brust!“  R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 440-449. (Dieser Programmentwurf wurde bei der Gründung der KPD im Wesentlichen übernommen)


Proletariat
Zum Proletariat gehört wohl in erster Linie die Lohnarbeiterschaft als die ausgebeutete und unterdrückte Klasse im eigentlichen Sinne; dazu gehören aber auch Bevölkerungsschichten mit ökonomisch zwieschlächtigem Charakter, wie Kleinbürger und Kleinbauern, die, insoweit sie proletarische Interessen gegen ihre Ausbeuter und gegen die Klassenherrschaft des Staates haben, sehr wohl in die Agitation der Sozialdemokratie mit inbegriffen und in der gesetzgeberischen Tätigkeit der Partei vertreten werden können.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 255.

Räteherrschaft oder Nationalversammlung? (20. November 1918)
Von überall her „ertönt ein einmütiger Ruf nach der Nationalversammlung und ein ebenso einmütiger Angstschrei vor der Idee: die Macht in die Hände der Arbeiterklasse. Das ganze ‚Volk‘, die ganze ‚Nation‘ soll dazu berufen werden, über die weiteren Schicksale der Revolution durch Mehrheitsbeschluss zu entscheiden. Bei den offenen und verkappten Agenten der herrschenden Klassen ist die Parole selbstverständlich. ... Aber auch unabhängige Führer stellen sich in dieser entscheidenden Frage mit den Wächtern des Kapitals in Reih und Glied. Sie wollen der Revolution ... auf diese Weise die Gewaltanwendung, den Bürgerkrieg mit all seinen Schrecken ersparen. Kleinbürgerliche Illusionen! Sie stellen sich den Verlauf der gewaltigsten sozialen Revolution, seit die Menschheit besteht, in der Form vor, dass verschiedene Gesellschaftsklassen zusammenkommen, eine schöne ruhige und ‚würdige‘ Diskussion miteinander pflegen, sodann eine Abstimmung .... veranstalten. Wenn dann die Kapitalistenklasse sieht, dass sie in der Minderheit ist, erklärt sie als wohldisziplinierte parlamentarische Partei mit einem Seufzer: Nichts zu machen! ... Wohlan, wir fügen uns und übergeben unsere gesamten Ländereien, Fabriken, Bergwerke, alle unseren feuersicheren Kassen und schönen Profite den Arbeitern. ... ob mit oder ohne Nationalversammlung ... der ‚Bürgerkrieg‘, den man aus der Revolution mit ängstlicher Sorge verbannen will, lässt sich nicht verbannen. ... Keine Ausflüchte, keine Zweideutigkeiten – die Würfel müssen fallen. Der parlamentarische Kretinismus war gestern eine Schwäche, ist heute eine Zweideutigkeit, wird morgen ein Verrat am Sozialismus sein.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 407-410.
„Was es braucht, ist die gesamte politische Macht im Staate, ist der Gebrauch dieser Macht zur rücksichtslosen Abschaffung des kapitalistischen Eigentums, der Lohnsklaverei, der bürgerlichen Klassenherrschaft, zum Aufbau einer neuen, sozialistischen Gesellschaftsordnung.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 413.
23. Dezember 1918: „Wie wir das infame preußische Dreiklassenwahlrecht ausnützten, um im Dreiklassenparlament gegen das Dreiklassenparlament zu kämpfen, so werden wir die Wahlen zur Nationalversammlung zum Kampf gegen die Nationalversammlung verwerten. ... Um die Massen gegen die Nationalversammlung mobil zu machen und zum schärfsten Kampf aufzurufen, dazu müssen die Wahlen, dazu muss die Tribüne der Nationalversammlung ausgenutzt werden. ... Die Herren Bourgeois  mit der Ebert-Regierung an der Spitze wollen den Klassenkampf durch die Nationalversammlung bannen, lähmen ... Diesem Plan zum Trotz soll der Klassenkampf in die Nationalversammlung selbst hineinstürmen...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 472f.
30. Dezember 1918: „Ich sage Ihnen (auf dem Gründungsparteitag der KPD, w.b.), gerade dank der Unreife der Massen, die bis jetzt nicht verstanden haben, das Rätesystem zum Siege zu bringen, ist es der Gegenrevolution gelungen, die Nationalversammlung als ein Bollwerk gegen uns aufzurichten. Nun führt unser Weg durch dieses Bollwerk hindurch. ...Sie (die die Teilnahme an den Wahlen zur Nationalversammlung ablehnen, w.b.) verstehen: entweder Maschinengewehre oder Parlamentarismus. Wir wollen etwas verfeinerten Radikalismus. Nicht bloß dieses grobkörnige Entweder-Oder.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 481f.

Realpolitik
„... das Versinken in der Flickarbeit der bürgerlichen Realpolitik – kommt erst mit der Erstarkung der Arbeiterbewegung auf dem Boden des Parlamentarismus auf.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 374.

Rechtsruck in der SPD unbegreiflich? (1913)
„... Es (wäre) unseres Erachtens ein Irrtum, aus den Entscheidungen über den Massenstreik und die Steuerfrage etwa den Schluss zu ziehen, der Jenaer Parteitag habe plötzlich einen heftigen Ruck der Partei nach rechts und eine Zweidrittelmehrheit des revisionistischen Flügels aufgezeigt. Ein so rapides Anwachsen des rechten Flügels, der bis zum letzten Parteitag eine schwache Drittelmehrheit darstellte, wäre ein unbegreifliches Phänomen und ist auch gar nicht eingetreten. ... Die imperialistische Periode, die verschärften Verhältnisse der letzten Jahre stellen uns aber vor neue Situationen und Aufgaben. Die Notwendigkeit, der Partei ... eine größere Beweglichkeit, Schlagfertigkeit und Aggressivkraft zu verleihen, die Massen mobil zu machen und ihren unmittelbaren Druck in die Waagschale der Ereignisse zu werfen, all das erfordert mehr als das krampfhafte Festhalten an den äußeren Formen der ‚alten bewährten Taktik‘. Nämlich es erfordert die Einsicht darin, dass eben diese alte bewährte revolutionäre Taktik nunmehr neue Formen der Massenaktionen erforderlich macht ... (Die konservative Mitte habe sich in dieser Situation in Jena mit dem rechten Drittel gegen die revolutionäre Linke in der Partei verbündet, w.b.) ...
Die ‚Instanzen‘ wenden sich gegen die Linke. Der Parteivorstand, der jahrelang unter Bebels Führung gegen die Rechte focht, akzeptiert jetzt die Unterstützung der Rechten, um den Konservativismus (in der Partei, w.b.) gegen die Linke zu verteidigen. ... Diese neue Konstellation ist kein Zufall, sie ergibt sich logisch aus den Verschiebungen in den äußeren und inneren Bedingungen unseres Parteilebens, und wir tun gut, das Andauern dieser Konstellation vielleicht für eine Reihe von Jahren in Aussicht zu nehmen, wenn nicht äußere Ereignisse den Gang der Entwicklung plötzlich beschleunigen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 350-353.

Rede-, Presse-, Vereinigungs-, und Versammlungsfreiheit
„Das dringendste Bedürfnis der Arbeiterklasse ist es, die Möglichkeit zu haben, sich frei zu bilden und zu organisieren, das heißt, sich zur gemeinsamen Verteidigung ihrer Interessen zu vereinigen. ... Sowohl der ökonomische als auch der tägliche politische Kampf der Arbeiterklasse zur Verteidigung ihrer Interessen und zu ihrer endgültigen Befreiung erfordert, vielfältigste Möglichkeiten zur Vereinigung zu schaffen und sich das gesprochene und das gedruckte Wort zu bilden. ... Deshalb fordert die Sozialdemokratie die völlige und unbegrenzte Freiheit zur gegenseitigen Aufklärung mit Hilfe von Schriften und Büchern, auf Volksversammlungen durch die dort gehaltenen Reden sowie die völlige Freiheit der Vereinigung in Fach- und politischen Verbänden und, was darauf folgt, die volle Gewährleistung des Streikrechts.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 67f.

Reformpolitik
„Wenn überhaupt Aussicht vorliegt, dass wir die gesetzliche Beschränkung der Arbeitszeit auf zehn Stunden erreichen können, so nur in dem Falle, dass wir unausgesetzt unsere Forderung des Achtstundentages mit allem Nachdruck vertreten. Die ganze bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass nur, indem wir von der bürgerlichen Gesellschaft alles forderten, was sie zu gewähren imstande ist, es uns hier und da gelungen ist, ein Weniges zu erreichen. ... Hier wie sonst ist es nur unser Druck, unser Auf-die-Spitze-Treiben der bürgerlichen Reformen, die überhaupt das Quäntchen ‚guten Willens‘ aus der Bourgeoisie herauspressen. ... Der achtstündige gesetzliche Arbeitstag gehört aber zu den Forderungen unseres Minimalprogrammes, das heißt er ist das allergeringste Minimum an sozialer Reform, das wir als Vertreter der Arbeiterinteressen von dem heutigen Staate zu fordern und zu erwarten die Pflicht haben. Die Zerstückelung auch dieser Minimalforderungen in noch kleinere Brocken widerspricht unserer gesamten Taktik.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 288f.

Regierungsbeteiligung zur Rettung der Demokratie
„Es kann allerdings in der Entwicklung oder vielmehr in dem Untergang der kapitalistischen Gesellschaft Augenblicke geben, wo die endgültige Machtergreifung durch die Vertreter des Proletariats noch unmöglich wäre, ihr Anteil an der bürgerlichen Regierung aber als notwendig erschiene, namentlich, wo es sich um die Freiheit des Landes oder um die demokratischen Errungenschaften, wie die Republik, handelt ... In einem solchen Fall dürften sich die Vertreter des arbeitenden Volkes selbstverständlich einer abstrakten Prinzipienreiterei zuliebe vor der Verteidigung der gemeinsamen Sache nicht drücken. Allein auch dann müsste die Teilnahme der Sozialdemokraten an der Regierung in Formen geschehen, die weder die Bourgeoisie noch das Volk über den vorübergehenden Charakter und den ausschließlichen Zweck ihres Vorgehens im geringsten Zweifel lassen könnten. ... In der bürgerlichen Gesellschaft ist der Sozialdemokratie dem Wesen nach die Rolle einer oppositionellen Partei vorgezeichnet, als regierende darf sie nur auf den Trümmern des bürgerlichen Staates auftreten.“ R. Luxemburg, Gesammelte Werke, 1/1, S. 486

Regierungssozialismus
„Die Abkehr vom Regierungssozialismus hat zur Voraussetzung einen gründlichen und durchgreifenden Prozess der Selbstkritik, der Klärung und der Abgrenzung der wirklichen sozialistischen Elemente von der unter sozialistischem Deckmantel betriebenen bürgerlichen Politik.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 282.

Reichstag (1913)
„Wir arbeiten bei Reichstagswahlen im Schweiße unseres Angesichts, um so viel Vertreter als möglich in den Reichstag zu schicken, wenn es aber einen Arbeiter gibt, der da meint, es genüge, einen Stimmzettel abzugeben, so kann er mir nur leidtun. Im gleichen Maße, in dem mehr Sozialdemokraten in die Parlamente geschickt werden, sinken diese Parlamente immer mehr zu einem Feigenblatt des Absolutismus herab. ... Der Parlamentarismus gerät immer tiefer in den Sumpf. Was wären die Sozialdemokraten wert, wenn wir unsere Hoffnungen auf den Parlamentarismus setzen wollten? Die Schwerkraft der sozialdemokratischen Politik muss in die Massen verlegt werden...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 218.

Reichstagswahlen (1911)
„Endlich kommt in der Stellungnahme des Parteivorstands (zur Marokkokrise, w.b.) eine allgemeine Auffassung über den Wahlkampf zum Ausdruck, die uns nicht einwandfrei erscheint. Wir sollten uns ausschließlich auf die Fragen der inneren Politik, auf die Steuern und Sozialgesetzgebung, bei der Agitation beschränken. Aber die Finanzpolitik, die Junkerherrschaft, Stillstand der Sozialreform sind mit dem Militarismus, Marinismus, mit der Kolonialpolitik, mit dem persönlichen Regiment (des Kaisers, w.b.) und seiner auswärtigen Politik organisch verknüpft. ... Vor allem sollen wir bei der Reichstagswahl sozialistische Aufklärung verbreiten, dies lässt sich aber nicht erreichen, wenn wir ausschließlich die innerpolitischen Zustände Deutschlands in den Kreis unserer Kritik ziehen, wenn wir nicht die großen internationalen Zusammenhänge, die fortschreitende Kapitalsherrschaft in allen Weltteilen, die augenfällige Anarchie in allen Ecken und Enden und die hervorragende Rolle der Kolonial- und Weltpolitik in diesem Prozess schildern.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 11.

Reichstagswahlen (1911)
„Schon seit einem Jahr bilden die Reichstagswahlen den Grundton und das Schlagwort bei allen unserm Tun und Lassen. Auf diese Weise werden (in den) ... Massen ... unwillkürlich ganz übertriebene Hoffnungen geweckt, wie wenn der Ausgang der Wahlen eine Art neue Ära in der politischen Geschichte Deutschlands, einen Wendepunkt in den Schicksalen des Klassenkampfes bedeuten sollte. .... Unser Parteileben als der Ausdruck der Gesamtinteressen des proletarischen Klassenkampfes hat seine mannigfachen Seiten, die um keines vorübergehenden taktischen Zweckes willen vernachlässigt werden dürfen. Wir haben Aufgaben, die ständiger Natur sind, die über die bevorstehenden Reichstagswahlen hinausreichen und auf keinen Fall zurückgestellt werden dürfen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 555.

Religionsfreiheit
„Die Sozialdemokratie ist der Meinung, dass die Verfolgung wegen eines Glaubens oder wegen des Fehlens eines religiösen Glaubens Barbarei ist, unvereinbar mit staatsbürgerlicher Freiheit und Zivilisation. Gewissenszwang ist die schlimmste Form der Unterdrückung. ... Die Aufhetzung des einen Volksteils gegen andere und das Schüren von Hass im Volke ist eine der Methoden, die die Feinde der Arbeiterklasse anwenden, um diese zu verdummen und ihre Aufmerksamkeit vom Kampfe gegen Ausbeutung und Unterdrückung abzulenken. ... Jeder erwachsene Mensch muss die völlige Freiheit haben zu glauben, was und wie es ihm gefällt. ... Niemand hat das Recht, des anderen Gewissen auszuforschen und ihm zu befehlen, das und nichts anderes zu glauben. Deshalb fordert die Sozialdemokratie ..., dass vor allem die Gesetze abgeschafft werden, die zuungunsten irgendeiner Konfession oder der Konfessionslosigkeit erlassen worden sind. Die Menschen aller Konfessionen ... müssen im Staat völlig gleichberechtigt behandelt werden, gleiche Rechte haben und gleichermaßen zu allen Ämtern und Würden zugelassen werden. ... Eine wirkliche Gleichheit aller Konfessionen und völlige Gewissenfreiheit ist erst dann möglich, wenn die Regierung keine Konfession unterstützt und sich in Religionsangelegenheiten überhaupt nicht einmischt. Die Konfession ist dann eine Privatangelegenheit der Menschen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 69f.

Republik
„...Die günstigste Regierungsform für die Arbeiterklasse ist die Republik, das heißt eine Organisation, in der es weder einen Kaiser noch einen König gibt und wo an der Spitze ein Präsident steht, das heißt ein gewöhnlicher besoldeter Beamter, der für wenige Jahre gewählt wird ... Zwar hört das arbeitende Volk auch in einer Republik nicht auf, ausgebeutet und unterdrückt zu sein. Aber die Arbeiter in diesen (republikanischen, w.b.) Ländern besitzen dank der Republik die unbeschränkte Möglichkeit zum politischen Kampf gegen die Herrschaft der Bourgeoisie, können laut und offen deren Handlungsweise brandmarken, können sich ungehindert organisieren und bilden. Da in einer Republik sowohl der Präsident als auch die Minister, das heißt die ganze Regierung, von den Volkswahlen abhängig sind, besitzen die bewussten Arbeiter hier die größte Möglichkeit, auf die bestehende Ordnung im Staate Einfluss auszuüben.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 53f.

Republik
„Die teuerste Republik ist uns lieber als die billigste Monarchie, weil dies für uns überhaupt keine Geldfrage, weil uns die Monarchie das rückständigste, die Republik aber das fortschrittlichste Werkzeug der Klassenherrschaft ist. ... Neulich hieß es in der ‚Neuen Zeit‘ (der Theoriezeitung der SPD, w.b.), die republikanische Agitation stoße auf polizeiliche Hindernisse und sei deshalb unstatthaft. Jetzt erfahren wir, die die republikanische Agitation gar mit dem Klassenstandpunkt der Sozialdemokratie unvereinbar sei. ... Der Leitartikel der ‚Neuen Zeit‘ beweist also mit betrübender Klarheit, eine wie große Verwirrung in unserer Partei in Bezug auf die republikanische Losung herrscht ...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 425f.

Revisionismus in der Partei (1910)
„Schon seit 12 Jahren befindet sich die Partei überhaupt allen revisionistischen Tendenzen gegenüber in der Defensive und spielt die Rolle des Nachwächters, der nur dann auf dem Plan erscheint und ins Horn tutet, wenn auf der Straße ein Skandal passiert.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 433. „Wir sehen, dass wir die akuten und heftigen Symptome des Opportunismus ... seit einem Dutzend von Jahren nicht loswerden.  ... Zwölfjährige Erfahrung muss jedem ernstlich Denkenden beweisen, dass die Partei dem Opportunismus gegenüber aus der bloßen Defensive in die Offensive übergehen, .... ihm systematisch entgegenarbeiten, gegen ihn ... die große Masse der Proletarier ... in Bewegung setzen muss.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 441.

Revolution in Deutschland, November 1918
„Die Revolution hat begonnen. ... Was ist erreicht? Die Monarchie ist hinweggefegt, die oberste Regierungsgewalt ist in die Hände von Arbeiter- und Soldatenvertretern übergegangen. Aber die Monarchie war nie der eigentliche Feind, sie war nur Fassade, sie war das Aushängeschild des Imperialismus. ... Die imperialistische Bourgeoisie, die kapitalistische Klassenherrschaft – das ist der Verbrecher, der für den Völkermord verantwortlich gemacht werden muss. Die Abschaffung der Kapitalsherrschaft, die Verwirklichung der sozialistischen Gesellschaftsordnung – dies und nichts Geringeres ist das geschichtliche Thema der gegenwärtigen Revolution. ... Aus dem Ziel der Revolution ergibt sich klar ihr Weg, aus der Aufgabe ergibt sich die Methode. Die ganze Macht in die Hände der arbeitenden Masse, in die Hände der Arbeiter- und Soldatenräte, Sicherung des Revolutionswerks vor seinen lauernden Feinden: dies die Richtlinie für alle Maßnahmen der revolutionären Regierung. ... Verdrängung der übernommenen Organe des absolutistischen militärischen Polizeistaates von der Verwaltung, Justiz und Armee; sofortige Konfiskation der dynastischen Vermögen und Besitzungen sowie des Großgrundbesitzes als vorläufige, erste Maßnahme zur Sicherung der Verpflegung des Volkes... Nur die ersten notwendigen Schritte haben wir aufgezählt. Was tut die jetzige revolutionäre Regierung? Sie belässt den Staat als Verwaltungsorganismus von oben bis unten ruhig weiter in den Händen der gestrigen Stützen des Hohenzollerschen Absolutismus und der morgigen Werkzeuge der Gegenrevolution. ... Ruhe! Ordnung! Ordnung! Ruhe! So hallt es von allen Seiten, aus allen Kundgebungen der Regierung, so jubelt das Echo aus allen bürgerlichen Lagern. ... Das Fazit der ersten Woche der Revolution heißt: Im Staate der Hohenzollern hat sich im wesentlichen nichts verändert, die Arbeiter- und Soldaten-Regierung fungiert als Stellvertreterin der imperialistischen Regierung, die bankrott geworden ist. ... Das Bild der deutschen Revolution entspricht der inneren Reife der deutschen Verhältnisse. ... Der Anfang ist gemacht. Das weitere ist nicht in der Hand der Zwerge, die den Lauf der Revolution aufhalten, dem Rad der Weltgeschichte in die Speichen fallen wollen. Die Tagesordnung der Weltgeschichte heißt heute: Verwirklichung des sozialistischen Endziels....“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 397-400.
„Ach, wie ist diese deutsche Revolution – deutsch! Wie ist sie nüchtern, pedantisch, ohne Schwung, ohne Glanz, ohne Größe. Die vergessene Todesstrafe ist nur ein kleiner, einzelner Zug. ... Auf Schritt und Tritt, im Kleinen wie im Großen spürt man: Es sind noch die alten braven Genossen aus den Zeiten der selig entschlafenen deutschen Sozialdemokratie, für die das Mitgliedsbuch alles, der Mensch und der Geist nichts war. .... Liebknecht und ich .... fordern vom Vollzugsrat des Arbeiter- und Soldatenrates eine sofortige Linderung des Schicksals der Gefangenen in allen Strafanstalten Deutschlands! Wir fordern die Ausmerzung der Todesstrafe aus dem deutschen Strafkodex!“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 405f.


Revolution in Russland (Februar 1917)
„Die Revolution in Russland hat so heute im ersten Anlauf über den bürokratischen Absolutismus gesiegt. Aber dieser Sieg ist nicht das Ende, sondern nur ein schwacher Anfang.... Vor allem ergibt sich aber für das sozialistische Proletariat in Russland die dringendste Losung ...: Ende dem imperialistischen Kriege! ... Jetzt wirken die im Osten fechtenden deutschen Truppen nicht mehr gegen den ‚Zarismus‘, sondern gegen die Revolution.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 243-245

Revolution in Russland
„Mit dem Ausbruch der russischen Revolution (im Februar 1917, w.b.) ist der tote Punkt überwunden, auf den geschichtliche Situation mit der Fortdauer des Weltkrieges und dem gleichzeitigen Versagen des proletarischen Klassenkampfes geraten war.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 258.


Revolution und Gegenrevolution in Deutschland, 15. Dezember 1918
„Morgen wird in Berlin der Zentralrat der Arbeiter- und Soldatenräte aus ganz Deutschland sich versammeln. ... Und so tritt der Zentralrat zusammen in einer Stunde, in der die Revolution ihren ersten kometenhaften Glanz verloren hat, jenen Glanz, der in den ersten Tagen alle Gegner der Revolution blendete und – leider – auch ihre Anhänger. Auch diese hatten ja so vielfach geglaubt, ... dass die alten historischen Mächte, dass die herrschenden Klassen einer jahrtausendealten Herrschaft könnten entsetzt werden durch jubelnde Menschenmassen, winkende Soldaten und flatternde rote Fahnen unter den Linden: sie alle müssen heute sehen, wie die Gegenrevolution, der Kapitalismus wieder zum Leben kommt. ... Die Machenschaften der Gegenrevolution liegen klar zutage. Sie setzten schon ein mit der Stunde, als es ihr gelang, die Ebert-Scheidemann als ihre Agenten in die Regierung zu delegieren ... Mit dem Feuereifer der Renegaten stürzten sich die Ebert-Scheidemann in ihre Aufgabe: Sie arbeiteten für die Nationalversammlung Tag und Nacht, auf allen Straßen und Plätzen, ... sie veranstalteten Putsche und ließen Proletarier niederschießen, sie huldigten vor den Militärs und salutierten vor der schwarzweißroten Fahne... Eine maßlose Hetze hat gegen die Arbeiter- und Soldatenräte eingesetzt. ... Und die Räte haben es nicht verstanden, dem entgegenzutreten... Vieles wurde versäumt. ... Vier dringendste Maßnahmen sind es, mit deren Erfüllung der Zentralrat das Versäumte nachholen kann...:
1. Er muss das Nest der Gegenrevolution... er muss das Kabinett Ebert-Scheidemann beseitigen.
2. Er muss die Entwaffnung aller Fronttruppen fordern, die nicht die höchste Gewalt der Arbeiter- und Soldatenräte bedingungslos anerkennen...
3. Er muss die Entwaffnung aller Offiziere und der von der Regierung Ebert-Haase gebildeten Weißen Garden fordern und die Rote Garde schaffen.
4. Er muss die Nationalversammlung ... ablehnen. ... Alle Macht den Arbeiter- und Soldatenräten!“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 450-454.
21. Dezember 1918:
„Die erste Tagung des Rätekongresses ist zu Ende. Überblickt man seine Leistungen, ... so sind sie ein Sieg der Ebert-Regierung, ein Sieg der Gegenrevolution auf der ganzen Linie. Aussperrung der revolutionären ‚Straße‘, Annullierung der politischen Macht der Arbeiter- und Soldatenräte, Einberufung der Nationalversammlung, diktatorische Gewalt der Clique des 6. Dezember (Ebert im Bunde mit den Militärs, w.b.) – was könnte wohl die Bourgeoisie in der heutigen Situation mehr und Besseren wünschen? ... In der heutigen Revolution treten die Schutztruppen der alten Ordnung nicht unter eigenen Schildern und Wappen der herrschenden Klassen, sondern unter der Fahne eine ‚sozialdemokratischen Partei‘ in die Schranken. ... Die bürgerliche Klassenherrschaft kämpft heute ihren letzten weltgeschichtlichen Kampf unter fremder Flagge, unter der Flagge der Revolution selbst. Es ist eine sozialistische Partei, es ist das ureigenste Geschöpf der Arbeiterbewegung und des Klassenkampfes, das sich in das wichtigste Instrument der bürgerlichen Gegenrevolution verwandelt hat. Kern, Tendenz, Politik, Psychologie, Methoden – alles ist gut kapitalistisch. Nur Schilder, Apparat und Phraseologie sind vom Sozialismus übriggeblieben.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 468f.


Revolution
„Die russischen Ereignisse (von 1905, w.b.) haben wieder einmal bewiesen, dass die Revolution, die neue politische und soziale Probleme aufwirft, auch selbst in ihrem Schoße die Lösung dieser Probleme bringt.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2,622.

Revolution
„Wenn die Sozialdemokratie in allen wichtigen Ländern die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung auf ihrer Seite haben wird, dann schlägt die letzte Stunde des Kapitalismus.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 49.

Revolutionen
„Die Geschichte aller bisherigen Revolutionen zeigt uns, dass gewaltsame Volksbewegungen, weit entfernt, ein willkürliches, bewusstes Produkt der sogenannten ‚Führer‘ oder der ‚Parteien‘ zu sein, wie sich der Polizist und der offizielle bürgerliche Historiker einbildet, vielmehr ganz elementare, mit Naturgewalt sich durchsetzende soziale Phänomene sind, die ihre Quelle in dem Klassencharakter der modernen Gesellschaft haben.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 241.

Revolutionslyrik
„Der Massenstreik, wie ihn uns die russische Revolution (von 1905, w.b.) zeigt, ist eine so wandelbare Erscheinung, dass er alle Phasen des politischen und ökonomischen Kampfes, alle Stadien und Momente der Revolution in sich spiegelt. ... Er eröffnet plötzlich neue, weite Perspektiven der Revolution, wo sie bereits in einen Engpass geraten schien ... Er flutet bald wie eine breite Meereswoge über das ganze Reich, bald zerteilt er sich in ein Riesennetz dünner Ströme; bald sprudelt er aus dem Untergrunde wie ein frischer Quelle, bald versickert er ganz im Boden.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 124.
„Die Revolution ist ... nicht ein Manöver des Proletariats im freien Felde, sondern sie ist ein Kampf mitten im unaufhörlichen Krachen, Zerbröckeln, Verschieben aller sozialen Fundamente.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 132.

Russische Revolution (Oktober 1917)
„Die russische Revolution ist das gewaltigste Faktum des Weltkrieges. Ihr Ausbruch, ihre beispielloser Radikalismus, ihre dauerhafte Wirkung strafen am besten die Phrase Lügen, mit der die offizielle deutsche Sozialdemokratie den Eroberungsfeldzug des deutschen Imperialismus im Anfang diensteifrig bemäntelt hat: die Phrase von der Mission der deutschen Bajonette, den russischen Zarismus zu stürzen und seine unterdrückten Völker zu befreien. ... Dieser Verlauf ist aber für jeden denkenden Beobachter auch ein schlagender Beweis gegen die doktrinäre Theorie, ... wonach Russland als wirtschaftlich zurückgebliebenes, vorwiegend agrarisches Land für die soziale Revolution und für eine Diktatur des Proletariats noch nicht reif wäre. ... Nicht Russlands Unreife, sondern die Unreife des deutschen Proletariats zu Erfüllung der historischen Aufgaben hat der Verlauf des Krieges und der russischen Revolution erwiesen...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 334.

Russischer Sonderfriede mit Deutschland in Brest-Litowsk 3. März 1918
„Die ganze Rechnung des russischen Friedenskampfes beruhte .... auf der stillschweigenden Voraussetzung, dass die Revolution in Russland das Signal zur revolutionären Erhebung des Proletariats im Westen: in Frankreich, England und Italien, vor allem aber in Deutschland werden sollte. ... Die russische Revolution ist, abgesehen von einigen tapferen Anstrengungen des italienischen Proletariats, von den Proletariern aller Länder im Stich gelassen worden.  ... nur die standhafte Kadaverhaltung des deutschen Proletariats hat die russischen Revolutionäre dazu gedrängt, mit dem deutschen Imperialismus als der einzigen herrschenden Macht in Deutschland einen Frieden zu schließen. Und nur dieselbe Kadaverhaltung hat es dem deutschen Imperialismus ermöglicht, die russische Revolution für sich auszunützen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 377f.

Russland als Feind (1914)
„In der Thronrede hieß es in Bezug auf Russland bedauernd: ‘Mit schwerem Herzen habe Ich Meine Armee gegen einen Nachbarn mobilisieren müssen, mit dem sie auf so vielen Schlachtfeldern gemeinsam gefochten hat. Mit aufrichtigem Leid sah Ich eine von Deutschland treu bewahrte Freundschaft zerbrechen.‘ Die sozialdemokratische Fraktion hat den schmerzlichen Bruch einer treu bewahrten Freundschaft mit dem russischen Zarismus in eine Fanfare der Freiheit gegen die Despotie umstilisiert ..., um den Krieg demokratisch zu adeln, ihm eine volkstümliche Glorie zu schaffen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 67.(1916)

Rüstung
„Man muss doch gerade die Augen schließen, um nicht zu sehen, dass die Rüstungen eine naturnotwendige Konsequenz der ganzen ökonomischen Entwicklung sind. Solange das Kapital herrscht, werden Rüstungen und Krieg nicht aufhören.  Alle großen und kleinen kapitalistischen Staaten sind jetzt (1913, w.b.) in den Strudel der Wettrüstungen gerissen. ... Die Rüstungen sind eine fatale Konsequenz der kapitalistischen Entwicklung und dieser Weg führt in den Abgrund.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 216f.

Rüstung und Militarismus
„Mit neuen Rüstungen zu Lande und zu Wasser wird das arbeitende Volk Deutschlands just in dem Augenblicke traktiert, als die russische Revolution (1905, w.b.)  ihm wieder einmal die alte Wahrheit unter Blutströmen illustriert, dass der Militarismus und Marinismus von der herrschenden Reaktion stets und überall vor allem nicht gegen den äußeren, sondern gegen den inneren Feind, nicht als Schutzwall der ‚Vaterlandes‘, sondern als Bollwerk der Klassen- und der dynastischen Herrschaft gebraucht wird.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 612.

Rüstung
„Die neue Flottenvorlage ... ist ein schlagender Beweis, dass die herrschende Politik in Deutschland blindlings mit verhängten Zügeln drauf losstürmt, ohne die geringste warnende Ahnung von den großen und gewaltigen Dingen zu haben, die da ringsherum vor sich gehen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 613.

Rüstung
„Jeder halbwegs zurechnungsfähige Politiker muss sich darüber klar sein, dass der Ausgang des Russisch-Japanischen Krieges (1905, w.b.) nicht etwa ein Abschluss, sondern umgekehrt bloß der Beginn eines neuen Kapitels weltpolitischer Händel und Kämpfe im Osten ist, die je weiter, je unübersehbarer, je gewaltiger werden. Sich in diesen totbringenden Strudel durch maß- und endlose Rüstungen zu stürzen, .... das ist ein frevelhaftes Spiel mit den Schicksalen der Millionen ....“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 611.

Selbstbestimmung
„Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur das Werk der Arbeiterklasse selbst sein, sagt das Kommunistische Manifest, und es versteht unter Arbeiterklasse nicht etwa einen sieben- oder auch zwölfköpfigen Parteivorstand, sondern die aufgeklärte Masse des Proletariats in eigner Person. Jeder Schritt vorwärts im Emanzipationskampfe der Arbeiterklasse muss zugleich eine wachsende geistige Verselbständigung ihrer Masse, ihre wachsende Selbstbetätigung, Selbstbestimmung und Initiative bedeuten. R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 38.

Selbstkritik
„Es genügt nicht, dass eine Handvoll Leute das beste Rezept in der Tasche hat und schon weiß, wie man die Massen führen soll. Diese Massen müssen geistig den Traditionen der 50jährigen Vergangenheit entrissen, von ihnen befreit werden. Das können sie nur im großen Prozess ständiger schärfster innerer Selbstkritik der Bewegung im ganzen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 274.

Separatismus
"In der Tat, eine Bestrebung, in den gegebenen Staatsgrenzen die politischen Einrichtungen zu demokratisieren, und die andere Bestrebung, aus den gegebenen Staatsgrenzen zu entkommen, schließen einander aus. Daher bedeutet auch der (polnische) Sozialpatriotismus den inneren Zwiespalt zwischen den proletarischen Kräften in Russland und folglich die Schwächung des Kampfes gegen den Zarismus." (R. Luxemburg, Gesammelte Werke, 1/1, S. 55.)
„Man sollte meinen, dass, wenn man unter der Herrschaft desselben Kapitalismus, unter dem Druck desselben Klassenstaates, unter der Fuchtel derselben Polizei und Klassenjustiz steht, man auch dieselben Interessen hätte und eine gemeinsame Partei zur Wahrung dieser Interessen bilden müsste.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 283.
„Es kann nicht Aufgabe des Proletariats sein, neue Klassenstaaten zu schaffen...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 380.

Sozialismus im Nebel der Zukunft
„Die stillschweigende Voraussetzung der Diktaturtheorie im Lenin-Trotzkischen Sinn ist, dass die sozialistische Umwälzung eine Sache sei, für die ein fertiges Rezept in der Tasche der Revolutionspartei liege, das dann nur mit Energie verwirklicht zu werden brauche. Dem ist leider – oder je nachdem: zum Glück – nicht so. Weit entfernt, eine Summe fertiger Vorschriften zu sein, die man nur anzuwenden hätte, ist die praktische Verwirklichung des Sozialismus als eines wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Systems eine Sache, die völlig im Nebel der Zukunft liegt. ... Ist dem aber so, dann ist klar, dass der Sozialismus sich seiner Natur nach nicht oktroyieren lässt ... Er hat zur Voraussetzung eine Reihe Gewaltmaßnahmen – gegen Eigentum etc. Das Negative, den Abbau, kann man dekretieren, den Aufbau, das Positive, nicht. Tausend Probleme. Nur Erfahrung ist imstande, zu korrigieren und neue Wege zu eröffnen. ... Die ganze Volksmasse muss daran teilnehmen. Sonst wird der Sozialismus vom grünen Tisch eines Dutzends Intellektueller dekretiert, oktroyiert.... Niemand weiß das besser, schildert das eindringlicher, wiederholt das hartnäckiger als Lenin. Nur vergreift er sich völlig im Mittel, Dekrete, diktatorische Gewalt der Fabrikaufseher, drakonische Strafen, Schreckensherrschaft, das sind alles Palliative. Der einzige Weg zu dieser Wiedergeburt: die Schule des öffentlichen Lebens selbst, uneingeschränkte breiteste Demokratie, öffentliche Meinung. Gerade die Schreckensherrschaft demoralisiert.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 359-362.

Sozialismus
„Die sozialistische Ordnung wird eine wahrhafte Erlösung der menschlichen Gesellschaft sein von der Ungleichheit der Menschen untereinander, von der Ausbeutung der einen durch andere, von der Herrschaft der einen über die anderen, von der Unterdrückung der unterjochten Nationen durch eroberungssüchtige Nationen, von der Benachteiligung der Frauen durch die Herrschaft des männlichen Geschlechts, wird die Erlösung sein von der Verfolgungen wegen der Religion, der Konfession und der Überzeugung. ... Die Hauptgrundlagen dieser künftigen Ordnung lassen sich schon heute mit voller Sicherheit erkennen. Es genügt, dass wir wissen, dass sie auf dem gesellschaftlichen Eigentum an allen Produktionsmitteln beruhen wird und dass nicht jeder einzelne Produzent auf eigene Faust, sondern die ganze Gesellschaft und deren gewählte Organe die Produktion leiten werden ... Mit der Beseitigung des Verkaufs der Arbeitskraft an private Ausbeuter verschwindet die Quelle aller heutigen sozialen Ungleichheit.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 43.

Sozialismus
„Heute wird die Produktion von jedem privaten Kapitalisten in seiner Fabrik, von jedem Gutsbesitzer auf seinem Gut nach eigenem Gutdünken geleitet. Die sozialistische Wirtschaft muss auf der Verbindung aller dieser Privatwirtschaften zu einer einzigen Wirtschaft und auf einer ganz anderen Produktionsweise beruhen, und zwar für die gesamte Gesellschaft nach einem allgemeinen Plan. ... Eine solch große allgemeine Reform lässt sich nur von einem Zentrum aus durchführen, dem die Macht und entsprechende Mittel zur Verfügung stehen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 46f.

Sozialismus
„Unsere große Kraft verdanken wir dem Umstande, dass vor uns das große Ziel des Sozialismus leuchtet, die Überwindung der herrschenden Klassen überhaupt, die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsweise und die Überführung der Produktionsmittel in die Hände der Allgemeinheit.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 489.

Sozialismus
„Wenn die Sozialdemokratie in allen wichtigen Ländern die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung auf ihrer Seite haben wird, dann schlägt die letzte Stunde des Kapitalismus.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 49.

sozialistische Bewegung
„Das ist ja das Große an der sozialistischen Bewegung, dass sie keine Führer braucht, die außerhalb ihrer Klasse stehen. Sie schafft sich selbst ihre Führer, und darin steht sie einzig da, dass die Massen nicht bloß der passive Chor sind und die Revolution ein Werk der Minderheit. Wir wollen eine Bewegung der Mehrheit,  in der die Massen das handelnde Element sind. Aus eigenem Willen und eigener Kraft sollen sie ihr Ziel erreichen. Die Ethik des Sozialismus besteht darin, die jetzige Herrschaft der Minderheit durch die Herrschaft der Mehrheit zu brechen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 425.

Sozialistische Einheit
„Das Problem der Einigkeit ... ist für den Sozialismus in jedem Lande in gewissen Zeitpunkten eine Lebensfrage. Nicht nur ist der Ausgangspunkt der sozialistischen Arbeiterbewegung stets und naturgemäß eine Vielheit von Gruppen und Richtungen. Auch in ihrer Weiterentwicklung ist die bereits einmal geeinigte sozialdemokratische Partei jedes Landes Differenzierungen in ihrem Schoß, also neuen dezentralisierenden Tendenzen unterworfen. Die sozialistische Einigkeit ist somit nicht ein einmaliges, vorübergehendes Problem in der Arbeiterbewegung, sondern vielmehr ein ständiges Problem, dessen jeweilige Lösung im richtigen Verhältnis zur prinzipiellen und taktischen Selbsterhaltung der Arbeiterpartei ebenso immer von neuem geprüft werden muss wie das andere, mit ihm eng verwandte Problem: des richtigen Gleichgewichtes zwischen praktischer Arbeit und den Endzielen des Sozialismus.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 171.

Sozialistische Ideale?
„... Die sozialistischen Arbeiter und Arbeiterinnen (müssen) in allen Ländern schauen, dass sie mitten unter den Trümmern der bürgerlichen Gesellschaft ihre heiligen Ideale nicht auch in Trümmer untergehen lassen. In ihren Herzen müssen sie die alten Lehren, den alten Glauben treu und sorgsam hüten als das einzige, was hinübergerettet werden muss. Arg genug hat schon die sozialistische Ideenwelt in dem Kriegssturm gelitten.“  R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 11. (30.09.1914)

Sozialistische Landwirtschaft
„... jede sozialistische Wirtschaftsreform auf dem Land (muss) selbstverständlich mit dem Groß- und Mittelgrundbesitz anfangen. Sie muss hier das Eigentumsrecht vor allem auf die Nation oder, was bei sozialistischer Regierung dasselbe, auf den Staat übertragen; denn nur dies gewährt die Möglichkeit die landwirtschaftliche Produktion nach zusammenhängenden großen sozialistischen Gesichtspunkten zu organisieren. Zweitens aber ist eine der Voraussetzungen dieser Umgestaltung, dass die Trennung der Landwirtschaft von der Industrie ... aufgehoben wird, um einer gegenseitigen Durchdringung und Verschmelzung beider ... Platz zu machen. ... Nationalisierung des großen und mittleren Grundbesitzes, Vereinigung der Industrie und der Landwirtschaft, das sind zwei grundlegende Gesichtspunkte jeder sozialistischen Wirtschaftsreform, ohne die es keinen Sozialismus gibt.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 342f.

Sozialistische Produktion
„... die sozialistische Produktion (reift, w.b.) in technischer Hinsicht schon jetzt im Schoße des Kapitalismus heran...,  ... infolgedessen (wird) des siegreiche Proletariat ihre Organisation vor allem in fertiger Gestalt von der bürgerlichen Gesellschaft übernehmen ..., um auf einer historisch gegebenen Grundlage weiterzubauen...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 358.

Sozialistische Wirtschaft (4. Dezember 1918)
„Heute wird die Produktion in jedem Unternehmen von dem einzelnen Kapitalisten auf eigene Faust geleitet. Was und wie produziert werden soll, wo, wann und wie die hergestellten Waren verkauft werden sollen, bestimmt der Unternehmer. Die Arbeiter kümmern sich um all dies gar nicht, sie sind ja nur lebende Maschinen, die ihre Arbeit zu verrichten haben. In der sozialistischen Wirtschaft muss dies alles anders werden! Der private Unternehmer verschwindet. Die Produktion hat dann nicht mehr den Zweck, einen einzelnen zu bereichern, sondern der Allgemeinheit Mittel zur Befriedigung aller Bedürfnisse zu liefern. ...
Erstens: Wenn die Produktion den Zweck haben soll, allen ein menschenwürdiges Leben zu sichern, allen reichlich Nahrung, Kleidung und sonstige kulturelle Existenzmittel zu liefern, dann muss die Ergiebigkeit der Arbeit eine viel größere sein als heute. Die Äcker müssen eine viel höhere Ernte liefern, in den Fabriken muss die höchste Technik angewendet werden ... Daraus folgt, dass die Sozialisierung sich vor allem auf die Großbetriebe in der Industrie und Landwirtschaft erstrecken wird.
Zweitens: Damit alle in der Gesellschaft den Wohlstand genießen können, müssen alle arbeiten. Nur wer irgendeine nützliche Arbeit für die Allgemeinheit verrichtet, sei es Handarbeit oder Kopfarbeit, darf beanspruchen, dass auch er Mittel zur Befriedigung seiner Bedürfnisse von der Gesellschaft zugewiesen bekommt.... Allgemeine Arbeitspflicht für alle Arbeitsfähigen, wovon natürlich kleine Kinder sowie Greise und Kranke ausgenommen sind, ist in der sozialistischen Wirtschaft eine Selbstverständlichkeit.
Drittens muss ... zum Wohl der Allgemeinheit mit Produktionsmitteln wie mit Arbeitskräften verständig gewirtschaftet und gespart werden.... So müssen natürlich die gesamten Kriegs- und Munitionsindustrien abgeschafft werden, denn die sozialistische Gesellschaft braucht keine Mordwaffen ... Ebenso müssen die Luxusindustrien verschwinden...
In der sozialistischen Gesellschaft, wo alle gemeinsam zum eigenen Wohle arbeiten, muss natürlich bei der Arbeit auf die Gesundheit und die Arbeitslust die größte Rücksicht genommen werden. Kurze Arbeitszeit, die die normale Leistungsfähigkeit nicht übersteigt, gesunde Arbeitsräume, alle Mittel zur Erholung und Abwechslung der Arbeit müssen eingeführt werden ....
In der sozialistischen Wirtschaft fällt der Unternehmer mit seiner Peitsche fort. Die Arbeiter sind hier freie und gleiche Menschen, die zu eigenem Wohl und Nutzen arbeiten... Jede sozialistische Unternehmung braucht natürlich ihre technischen Leiter, die die Sache genau verstehen, die das Nötigste anordnen, damit alles klappt, damit die richtige Arbeitsteilung und die höchste Leistungsfähigkeit erzielt wird. Da heißt es nun, diesen Anordnungen willig und voll und ganz folgen. Disziplin und Ordnung halten, keine Reibungen, kein Durcheinander herbeiführen. Mit einem Wort: Der Arbeiter der sozialistischen Wirtschaft muss zeigen, dass er auch ohne die Hungerpeitsche, ohne den Kapitalisten und seinen Antreiber hinter dem Rücken fleißig und ordentlich arbeiten, Disziplin halten und sein Bestes leisten kann.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 431-434.

Staatsämter
„Zunächst galt es bis jetzt in der deutschen Sozialdemokratie als Grundsatz, dass wir ... nur solche Posten im Staate besetzen, auf denen wir den Klassenkampf des Proletariats führen, auf denen wir im Sinne des sozialdemokratischen Programms wirken können. Die Übernahme von Posten, die ihrer Natur nach im bürgerlichen Staate von vorneherein die Tätigkeit im Sinne des sozialdemokratischen Programms ausschließen, ist von unserer Partei seit jeher abgelehnt und verurteilt worden. ... Dass der Posten eines Oberbürgermeisters nicht geschaffen ist, um zum Klassenkampf des Proletariats und zur Wirkung im Sinne des sozialdemokratischen Programms zu dienen, ist von vorneherein klar. ... Und hat die Sozialdemokratie dank ihrer numerischen Stärke in der Stadt die Möglichkeit, ihre Stimmen und ihren Einfluss in die Waagschale zu werfen, so wäre es höchst töricht, von der eignen Macht nicht Gebrauch zu machen ... Die Sozialdemokratie muss, wo sie irgend kann, ihren Einfluss geltend machen, und verbietet es sich für sie aus prinzipiellen und taktischen Gründen, selbst einen Posten zu übernehmen, so bleibt ihr immer noch die volle Möglichkeit, seine Besetzung durch einen geeigneten Mann aus bürgerlichen Kreisen zu erstreben. ... Hält sich dann der gewählte Oberbürgermeister an seine Zusicherungen, um so besser für die Stadt und die proletarische Bevölkerung. Hält er sich daran nicht oder in ungenügendem Maße, so ist die Sozialdemokratie damit nicht kompromittiert, und jedenfalls behält sie sich das Wichtigste: die freie Hand in der weitgehendsten Kritik gegenüber der Tätigkeit des Oberbürgermeisters. Diese Taktik ist bereits von unserer Partei mit Erfolg angewendet worden.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 505f.

Staatsbesuch des Zaren 1913 in Berlin
„Ein anderes Beispiel, das zu denken gibt, hat ein politisches Ereignis jüngsten Datums geliefert: Es ist der Besuch des russischen Zaren in Berlin (im Mai 1913, w.b.). Es ist das erste Mal seit der Erdrosselung der Revolution im Zarenreich, dass sich der blutige Henker der russischen Freiheit nach der deutschen Hauptstadt als Gast gewagt hat, nach der Stadt, in der über fünf Wahlkreisen von sechsen die Fahne der Sozialdemokratie weht. Und angesichts einer solchen Provokation hat unsere Partei nicht einen Finger gerührt, nicht den leisesten Protest erhoben. Keine Demonstration, keine Volksversammlungen ... Es ist dies eine Unterlassung im Kampfe gegen den Militarismus und die Reaktion, eine Unterlassung gegenüber den Pflichten internationaler Solidarität mit den russischen Arbeitern, für die jede Entschuldigung, ja jede halbwegs annehmbare Erklärung fehlt.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 232.

Staatsfinanzen
„Einer Regierung, mit der wir unzufrieden sind, bewilligen wir keine Existenzmittel; dies war seit jeher der Grundsatz jeder ernsten oppositionellen Partei der Bourgeoisie – von den englischen Liberalen bis zu den preußischen Fortschrittlern. ... Die Verweigerung der materiellen Mittel an diesen Staat kann für uns (Sozialdemokraten, w.b.) ebenso wenig eine Frage der Zweckmäßigkeit sein wie unser Kampf gegen die Klassenherrschaft der Bourgeoisie, wie unser Bestreben, das Lohnsystem zu beseitigen und den Sieg des Proletariats herbeizuführen. ... Ob das Budget mehr oder weniger Militärausgaben oder Kulturausgaben enthält, diese quantitativen Erwägungen wären für uns nur in dem Fall maßgebend, wenn wir im allgemeinen auf dem Boden des heutigen Staates ständen und bloß seine Auswüchse, so zum Beispiel den Militärstaat bekämpften. ... Tatsächlich verweigern wir dem Deutschen Reiche die Mittel des steuerzahlenden Volkes nicht bloß deshalb, weil es ein Militärstaat, sondern vor allem, weil es ein bürgerlicher Klassenstaat ist. ... Und ebenso wie alle Bundesstaaten Deutschlands militaristisch und politisch nur ein Territorium bilden, ebenso sind die Budgets der Einzelstaaten lediglich Ergänzungen zum Reichsbudget, mit dem sie politisch ein organisches Ganzes darstellen und von dem sie nur kraft äußerer historischer Eigentümlichkeiten gesondert aufgestellt und votiert werden.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 79-83.

Staatsform, Demokratie
„...Die günstigste Regierungsform für die Arbeiterklasse ist die Republik, das heißt eine Organisation, in der es weder einen Kaiser noch einen König gibt und wo an der Spitze ein Präsident steht, das heißt ein gewöhnlicher besoldeter Beamter, der für wenige Jahre gewählt wird ... Zwar hört das arbeitende Volk auch in einer Republik nicht auf, ausgebeutet und unterdrückt zu sein. Aber die Arbeiter in diesen (republikanischen, w.b.) Ländern besitzen dank der Republik die unbeschränkte Möglichkeit zum politischen Kampf gegen die Herrschaft der Bourgeoisie, können laut und offen deren Handlungsweise brandmarken, können sich ungehindert organisieren und bilden. Da in einer Republik sowohl der Präsident als auch die Minister, das heißt die ganze Regierung, von den Volkswahlen abhängig sind, besitzen die bewussten Arbeiter hier die größte Möglichkeit, auf die bestehende Ordnung im Staate Einfluss auszuüben.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 53f.

Staatsmacht
„Die Arbeiterklasse strebt nach der politischen Macht nicht deshalb, um eine neue Form der Herrschaft und Unterdrückung hervorzubringen, sondern um ein für allemal jede Unterdrückung und Herrschaft abzuschaffen. ... Die Diktatur des Proletariats wird der letzte Fall der Anwendung von Gewalt in der Geschichte der Menschheit überhaupt sein und der erste Fall ihrer Anwendung zugunsten der breiten Massen der Enterbten.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 48.

Staatsmacht
„Die gesamte Staatsmacht ist ein Werkzeug der kapitalistischen Ausbeutung. Die Kapitalisten besitzen also nicht nur die Produktionsmittel, sondern sie halten auch die Staatsmacht in ihren Händen. Nicht nur jeder Kapitalist herrscht in seiner Fabrik ökonomisch über seine Arbeiter, sondern die gesamte Kapitalistenklasse herrscht im Staat politisch über die werktätige Bevölkerung. Angesichts dessen ist es unmöglich, den Kapitalisten die Produktionsinstrumente wegzunehmen, wenn ihnen die Arbeiter nicht vorher die politische Macht entreißen: das Militär, die Gesetzgebung, die Verwaltung. ... Die erste Voraussetzung für die Vergesellschaftung der Produktionsinstrumente besteht folglich darin, dass die Arbeiterklasse die Staatsmacht – die Regierung, die Gesetzgebung, das Militär, die Steuermaschinerie – in ihre Hände nimmt.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 46.

Steuern
„Die Sozialdemokratie fordert, dass nicht die Ärmsten die Last des Unterhalts des kapitalistischen Staates tragen, sondern die Wohlhabenden, vor allem jedoch die Kapitalisten selbst. ... Deshalb fordert die Sozialdemokratie die völlige Aufhebung aller Zölle, Akzisen und Verbrauchssteuern, damit alle lebensnotwendigen Waren billiger werden... Für den Unterhalt des Staates und der Regierung muss dagegen nur eine gestaffelte Steuer vom Einkommen, vom Vermögen und von den Erbschaften eingeführt werden. Das bedeutet eine Steuer, die erst bei den mittleren Einkommen einsetzt und sich mit der Größe des Vermögens, des Einkommens oder der Erbschaft steigert, damit die Reichsten am meisten zahlen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 79.

Steuern
„Die Steuerlast eines modernen Großstaates trifft ganz empfindlich nicht bloß das Proletariat, sondern auch die mittlere Bourgeoisie und das Kleinbürgertum in Stadt und Land. Ja, nichts ist so geeignet, den zahmsten Philister in Harnisch zu bringen, als wenn ihm ‚Vater Staat‘ mit seinen langen Fingern zu tief in die Tasche greift.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 542.

Sozialversicherung
„Hier, wo es sich um den Schutz für Leben und Gesundheit, um Existenzbedingungen der Proletarier handelt, um den Schutz der Ausgebeuteten vor den vernichtendsten Folgen der kapitalistischen Ausbeutung, hier greifen die Fragen direkt in die Klassenverhältnisse ein, sie berühren das Wohl und Wehe der Arbeiter ..., die ihre Knochen unter die erbarmungslose Walze der kapitalistischen Profitmacherei zu tragen gezwungen ... (sind).“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 543

Steuern
„Die Steuern, die die Mittel für den Unterhalt des Militärs, der Polizei, der Gerichte und der Gefängnisse liefern, so festgesetzt, dass beinahe ihre ganze Last der arbeitenden Bevölkerung aufgebürdet wird, während die Kapitalistenklasse von diesen Lasten nahezu frei ist.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 45.

Steuern
„Einer Regierung, mit der wir unzufrieden sind, bewilligen wir keine Existenzmittel; dies war seit jeher der Grundsatz jeder ernsten oppositionellen Partei der Bourgeoisie – von den englischen Liberalen bis zu den preußischen Fortschrittlern. .. Die Verweigerung der materiellen Mittel an diesen Staat kann für uns (Sozialdemokraten, w.b.) ebenso wenig eine Frage der Zweckmäßigkeit sein wie unser Kampf gegen die Klassenherrschaft der Bourgeoisie, wie unser Bestreben, das Lohnsystem zu beseitigen und den Sieg des Proletariats herbeizuführen. ... Ob das Budget mehr oder weniger Militärausgaben oder Kulturausgaben enthält, diese quantitativen Erwägungen wären für uns nur in dem Fall maßgebend, wenn wir im allgemeinen auf dem Boden des heutigen Staates ständen und bloß seine Auswüchse, so zum Beispiel den Militärstaat bekämpften. ... Tatsächlich verweigern wir dem Deutschen Reiche die Mittel des steuerzahlenden Volkes nicht bloß deshalb, weil es ein Militärstaat, sondern vor allem, weil es ein bürgerlicher Klassenstaat ist. ... Und ebenso wie alle Bundesstaaten Deutschlands militaristisch und politisch nur ein Territorium bilden, ebenso sind die Budgets der Einzelstaaten lediglich Ergänzungen zum Reichsbudget, mit dem sie politisch ein organisches Ganzes darstellen und von dem sie nur kraft äußerer historischer Eigentümlichkeiten gesondert aufgestellt und votiert werden.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 79-83.

Stockholmer Friedenskonferenz 1917
„Die Tatsache an sich, dass Regierungssozialisten aller Länder, d.h. Leute, die in Wirklichkeit den Krieg machen, zur gemeinsamen ‚Friedensaktion‘ zugelassen werden, verwandelt dieses ganze Aktion in eine würdige Fortsetzung der in der Kriegspolitik des 4. August seit drei Jahren betriebenen Prostitution des Sozialismus. Das unmittelbare Ergebnis des Stockholmer Humbugs aber ist eine neue verhängnisvolle Irreführung der Massen, die, statt dass sie immer wieder die eigene revolutionäre Aktion in allen Ländern als den einzigen wirklichen Friedensfaktion begreifen lernen, umgekehrt mit Hoffen und Harren auf das Geschwätz ihrer sogenannten Führer in Stockholm, auf die ‚Denkschriften‘, ‚Verhandlungen‘ und ‚Verständigungen‘ von ein paar Dutzend Wichtigtuern abgespeist werden...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 283.
„... die von russischen Arbeiter- und Soldatenrat aufgebrachte Formel: Friede ohne Annexionen und Entschädigungen ..., die im übrigen Europa von den Sozialisten mit Jubel aufgegriffen worden ist, so hat sie mit sozialistischer Politik nicht das geringste zu tun. Sie ist die Formel eines negativen Ergebnisses des Weltkrieges, einer fehlgeschlagenen, unentschiedenen Kraftprobe des Imperialismus, sie ist die Formel der für später aufgeschobenen Entscheidung, der Erholungspause der Militärmächte bis zum nächsten Tanz.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 284.

Streik
„Der Gebrauch des Koalitionsrechts hat sich als erstklassige Waffe zum Hieb wie zur Parade gegen die Reaktion und als vorzügliches Mittel zur Schulung und Sammlung der proletarischen Massen erwiesen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 373.

Tagesinteressen
„Die Bekämpfung der Sozialdemokratie hat seit jeher zwei verschiedene Formen angenommen. Die eine ... sieht in jeder Tarifgemeinschaft, in jeder harmlosen Genossenschaft bereits ‚ein Stück Sozialismus‘ und wittert deshalb hinter der einfachsten wirtschaftlichen Organisation der Arbeiter den Umsturz. Die andere – moderne Schule ... – sucht gerade in der Herausbildung und Förderung der wirtschaftlichen Tagesinteressen der Arbeiter das Mittel zur Bekämpfung ihrer politischen Klassenbestrebungen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 411f.

Unorganisierte und Partei
„Was weiß uns Kautsky ... über die ‚deutsche Methode‘ des Massenstreiks zu sagen? Hier lehnt er vor allem mit Entrüstung jeden Hinweis auf die ausschlaggebende Wirkung der Nichtorganisierten ab. Wer bildet denn diese unorganisierte Masse? ruft er. Sie setzt sich zusammen aus kraftlosen, gedrückten, isolierten, verkommenen Elementen, aus unwissenden, gedankenlosen, in Vorurteilen befangenen oder gesinnungslosen Subjekten.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 308.
Kautsky sieht in der Partei „nicht bloß den bewussten Kern und die leitende Vorhut des Proletariats, sondern überhaupt das all und Einzige des Klassenkampfs und der Geschichte ...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 318.

Vereintes Europa
„Genosse Ledebour (sagte) in seiner Etatrede im Reichstag am 3. April (1911, w.b.) ‚Wir fordern den wirtschaftlichen und politischen Zusammenschluss der europäischen Staaten. Ich bin fest überzeugt: wenn auch sicher in der Zeit des Sozialismus, so kann es doch auch schon früher dazu kommen, dass wir die Vereinigten Staaten von Europa erleben, wie wir heutigen tags den Vereinigten Staaten von Amerika im Wettbewerb gegenüberstehen. Wir stellen wenigstens an die kapitalistische Gesellschaft, an die kapitalistischen Staatsmänner die Forderung, dass sie im Interesse der kapitalistischen Entwicklung in Europa selbst, um Europa später in der Weltkonkurrenz nicht vollkommen unter den Schlitten kommen zu lassen, diesen Zusammenschluss Europas zu den Vereinigen Staaten von Europa vorbereiten‘... So plausibel die Idee der Vereinigten Staaten Europas als einer Friedenskonvention auf den ersten Blick vielleicht manchem erscheinen mag, sie hat gleichwohl bei näherem Hinsehen mit der Denkweise und den Standpunkten der Sozialdemokratie nicht das geringste zu tun. ...Europa ist wohl ein geographischer und in gewissen Grenzen ein kulturhistorischer Begriff. Die Vorstellung jedoch von Europa als einem Wirtschaftsganzen widerspricht zwiefach der kapitalistischen Entwicklung. Einerseits bestehen innerhalb Europas unter den kapitalistischen Staaten ... die heftigsten Konkurrenzkämpfe und Gegensätze, andererseits kommen die europäischen Staaten wirtschaftlich ohne die außereuropäischen Länder gar nicht mehr aus. ... Bei dem heutigen Entwicklungsstadium des Weltmarkts und der Weltwirtschaft ist der Begriff von Europa als einem gesonderten Wirtschaftsganzen ein lebloses Hirngespinst. ... Ist die Idee des europäischen Zusammenschlusses wirtschaftlich längst überholt, so nicht minder politisch. Sie ist im Grund genommen nur ein demokratisch aufgeputzter Abklatsch der Idee vom Konzert der europäischen Mächte, das als der bewegende Mittelpunkt, als die Zentralsonne des politischen Weltalls die Geschicke entschied. Die Zeiten aber, wo der Schwerpunkt der politischen Entwicklung und die Kristallisationsachse der kapitalistischen Gegensätze auf dem europäischen Kontinent lagen, sind längst vorbei. ... Heute ist Europa nur ein Glied in der wirren Kette internationaler Zusammenhänge und Gegensätze. Und was das Entscheidende: Die europäischen Gegensätze selbst spielen jetzt gar nicht mehr auf dem europäischen Kontinent, sondern in sämtlichen Weltteilen und Ozeanen. ...Dieser Standpunkt, für den nur die Vorgänge auf dem europäischen Kontinent existieren, bemerkt gar nicht, dass wir gerade deshalb seit Jahrzehnten keinen Krieg in Europa haben, weil die internationalen Gegensätze über die engen Schranken des europäischen Kontinents in ungemessene hinausgewachsen sind, weil europäischen Fragen und Interessen jetzt auf dem Weltmeer und nicht in dem europäischen Krähwinkel ausgefochten werden. ... Und jedes Mal, wo bürgerliche Politiker die Idee des Europäertums, des Zusammenschlusses europäischer Staaten auf den Schild erhoben, da war es mit einer offenen oder stillschweigenden Spitze gegen die ‚gelbe Gefahr‘, gegen den ‚schwarzen Erdteil‘, gegen ‚minderwertige Rassen‘, kurz, es war stets eine imperialistische Missgeburt. ... Der Chinafeldzug der vereinigten europäischen Regimenter mit dem Weltfeldmarschall Waldersee an der Spitze und dem Hunnenevangelium als Panier – das ist der wirkliche und ... der einzig mögliche Ausdruck der ‚europäischen Staatenföderation in der heutigen Gesellschaft.... Nicht die europäische Solidarität, sondern die internationale Solidarität, die sämtliche Weltteile, Rassen und Völker umfasst, ist der Grundpfeiler des Sozialismus im Marxschen Sinne. ... Ebenso wie wir stets den Pangermanismus, den Panslawismus, Panamerikanismus als reaktionäre Ideen bekämpfen, ebenso haben wir mit der Idee des Paneuropäertums nicht das geringste zu schaffen. “ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 498-502.


Verelendung
„...Den Anarchisten (ist es) vorbehalten, zu glauben, dass der höchste revolutionäre Idealismus aus der tiefsten materiellen Degradation, aus der Verzweiflung und dem Gefühl, dass ‚man nichts zu verlieren habe‘, empor blüht.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 306

Verelendung
„Nur die Anarchisten spekulieren auf die Verelendung der Massen ... Die Sozialdemokratie stützt sich stets ganz umgekehrt auf den Aufstieg der Arbeiterklasse, auf die Hebung ihrer Lage. ... Was den Punkt bildet, an dem die Sozialdemokratie den Hebel ihrer Agitation ansetzt, ist nicht die absolute Verelendung der Arbeiterklasse, sondern der relative Rückgang ihres Anteils an dem von ihr geschaffenen gesellschaftlichen Reichtum, ein Rückgang, der mit dem absoluten Steigen der Lebenshaltung Hand in Hand gehen kann und auch tatsächlich geht.“ R. Luxemburg, Gesammelte Werke, 1/1; S. 258.

Verfeinerter Radikalismus
„Ich sage Ihnen (auf dem Gründungsparteitag der KPD am Jahreswechsel 1918/19, w.b.), gerade dank der Unreife der Massen, die bis jetzt nicht verstanden haben, das Rätesystem zum Siege zu bringen, ist es der Gegenrevolution gelungen, die Nationalversammlung als ein Bollwerk gegen uns aufzurichten. Nun führt unser Weg durch dieses Bollwerk hindurch. ...Sie (die die Teilnahme an den Wahlen zur Nationalversammlung ablehnen, w.b.) verstehen: entweder Maschinengewehre oder Parlamentarismus. Wir wollen etwas verfeinerten Radikalismus. Nicht bloß dieses grobkörnige Entweder-Oder.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 481f.


Verschwörertätigkeit (Blanquismus)
„Die Verschwörertätigkeit, die auf den Sturz der Regierung und die Machtergreifung gerichtet ist, zeigt den eigentümlichen Zug, dass sie überhaupt nur dort angewendet werden kann, wo sich die zentrale Staatsgewalt, die wichtigsten Regierungsorgane befinden. Die ‚Machtergreifung‘ kann man sich bestenfalls in Petersburg vorstellen, aber nicht in Warschau mit seiner untergeordneten provinziellen Bedeutung im Staatsapparat Russlands. ... Die Sache sieht allerdings ganz anders aus, wenn wir den Standpunkt des Massenkampfes gegen den Zarismus und um demokratische Freiheiten, wie ihn die Sozialdemokratie auffasst, einnehmen. ... Da ... von diesem Standpunkt aus betrachtet nur eine direkte Aktion der Arbeiterklasse selbst den Zarismus stürzen kann, ist also gerade der Kampf des Proletariats auf dem Gesamtgebiet des russischen Staates die unerlässliche Bedingung für einen dauerhaften Sieg.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 348f.

Verteidigungskrieg (1916)
„Wann und wo hat es denn einen Krieg gegeben, seit die sogenannte öffentliche Meinung bei den Rechnungen der Regierungen eine Rolle spielt, in dem nicht jede kriegführende Partei einzig und allein zur Verteidigung des Vaterlandes und der eigenen gerechten Sache vor dem schnöden Überfall des Gegners schweren Herzens das Schwert aus der Scheide zog? Die Legende gehört so gut zum Kriegführen wie Pulver und Blei. Das Spiel ist alt. Neu ist nur, dass eine sozialdemokratische Partei an diesem Spiel teilgenommen hat.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 74.

Vertreter im Namen der Arbeiterklasse
„... Bei den Blanquisten (sollen) eine Handvoll von Emissären im Namen der Arbeiterklasse, bei der Sozialdemokratie die Arbeiterklasse selbst die politische Macht erobern ...“  R. Luxemburg, Ges. Werke  1/1, 239.

Volksbewaffnung
„Die Idee der Volkswehr..., wie sie vom sozialistischen Standpunkt verfochten wird, hängt besonders an zwei wesentlichen Bestimmungen, ohne die sie ihre Zwecke gar nicht erfüllen kann. Dahin gehört vor allem die Forderung, dass die Waffe jedem Wehrfähigen aus dem Volke ausgehändigt und von ihm in seiner Behausung aufbewahrt wird. ... In erster Linie fordern wir die Volkswehr an Stelle des stehenden Heeres, ... um die Waffe des Militarismus, die jetzt bei Gelegenheit gegen den ‚inneren Feind‘, d. h. gegen die aufstrebende Arbeiterklasse und ihre Massenkämpfe, gerichtet wird, dieses Missbrauchs zu entkleiden, sie allein zu Verteidigungszwecken gegen den äußeren Feind, aber auch nötigenfalls zur Schutzwehr der Volksmasse gegen Staatsstreichgelüste einer verräterischen Regierung verwendbar zu machen. .... Eine ganz andere wesentliche Forderung unseres Programms im Zusammenhang mit dem Milizsystem ist die Entscheidung über Krieg und Frieden durch die Volksvertretung.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 525f
„Wenn die deutsche Sozialdemokratie ihre Milizforderung und die Entscheidung über Krieg und Frieden durch die Volksvertretungen propagiert, so täuscht sie sich nicht einen Augenblick darüber, dass der ganze der modernen weltkapitalistischen Entwicklung ihre Forderungen wohl so lange unausführbar machen wird, bis das Proletariat zur Macht gelangt. Unsere Forderungen sollen die Richtung angeben, in der sich unsere Wünsche und die Interessen des Proletariats bewegen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 529

Volkspartei
„Es ist ferner ganz verfehlt zu denken, dass es auch nur im Interesse der Arbeiterbewegung liegt, den massenhaften Zufluss der Elemente abzuwehren, die von der fortschreitenden Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft freigesetzt werden. Der Satz, dass die Sozialdemokratie, eine Klassenvertreterin des Proletariats, doch gleichzeitig die Vertreterin der gesamten Fortschrittsinteressen der Gesellschaft und aller unterdrückten Opfer der bürgerlichen Gesellschaftsordnung ist, ist nicht bloß in dem Sinne zu deuten, dass in dem Programm der Sozialdemokratie ideell alle diese Interessen zusammengefasst sind. Dieser Satz wird zur Wahrheit in Gestalt des geschichtlichen Entwicklungsprozesses, kraft dessen die Sozialdemokratie auch als politische Partei nach und nach zur Zufluchtsstätte der verschiedensten unzufriedenen Elemente, dass sie wirklich zur Partei des Volkes gegen eine winzige Minderheit der herrschenden Bourgeoisie wird. ... Die Vereinigung der großen Volksmasse mit einem über die ganze bestehende Ordnung hinausgehenden Ziele, des alltäglichen Kampfes mit der revolutionären Umwälzung, das ist der dialektische Widerspruch der sozialdemokratischen Bewegung...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 441f.

Wählbarkeit der Beamten und Richter
„Das Staatsparlament ... bestimmt die für die Bevölkerung verbindlichen Gesetze. Aber mit der Durchführung dieser Gesetze befassen sich die Beamten und Richter.  ... Sogar gute Gesetze können verkehrt oder überhaupt nicht durchgesetzt werden. Besonders an der Art und Weise, wie die Beamten und Richter die Gesetze anwenden, ist der Arbeiterklasse gelegen. ... Im Namen der Verteidigung der Interessen der Arbeiterklasse fordert also die Sozialdemokratie: 1. dass die höheren Beamten und Richter ... von der gesamten erwachsenen Bevölkerung in allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlen gewählt werden; 2. dass jeder Beamte und Richter, vom höchsten bis zum niedrigsten, von jedem Menschen, dem durch Übertretung von Gesetzen Unrecht zugefügt wurde, vor einem Sondergericht verklagt werden kann;“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 64f.

Wahlkampf (1911)
„Für die bürgerlichen Parteien haben die Reichstagswahlen nur und ausschließlich die Bedeutung einer Jagd nach Mandaten. Für uns stehen die Mandate an allerletzter Stelle. Wir gehen in den Kampf, nicht um möglichst viele Mandate zu erhaschen, sondern weil uns der Wahlkampf Gelegenheit bietet, die Massen aufzuklären und ein gewaltiges Stück vorwärtszutreiben auf der Bahn zum Sturz der kapitalistischen Gesellschaft.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 72.

Wahlkampf 1913
„Es hat sich noch einmal erwiesen, dass auf dem Wege der parlamentarischen Aktion allein die Hochburg der Reaktion nicht erschüttert werden kann. Und wenn unser Zentralorgan die Wähler zur Pflichterfüllung in Ausdrücken rief, die besser auf den letzten Barrikadenkampf in der Pariser Junischlächterei des Jahres 1848 gepasst hätten als auf den Gang zum preußischen Wahllokal, so vermag dieses Aufgebot von abgeschmackter revolutionärer Phraseologie, von ‚Schlachten‘, ‚Losbrechen des Sturmes‘, ‚Aufstehen des Volkes‘ usw. einen wirklichen Sturm nicht ersetzen. Nur eins kann diese Vergeudung von Kraftworten bewirken: dass sich die Massen an den Glauben gewöhnen, hinter unsern kräftigsten Worten stehe überhaupt nichts, sie seien nicht ernst zu nehmen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 231f.

Wahlrecht (in Belgien)
„Die Sprengung der politischen Allmacht der Bourgeoisie, die Erringung des allgemeinen Wahlrechts, wurde ... wie in keinem anderen konstitutionellen Lande Europas zur Lebensfrage für die Arbeiterpartei, zur Zentralachse des sozialistischen Kampfes, zur Sturmfahne, unter die die Arbeiterpartei seit dem Februar 1886 und bis auf heute alle Regungen der Volksmasse mit kluger Berechnung lenkte und sammelte.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 198.

Wahlrecht für Frauen
„Vom Recht abzustimmen dürfen auch Frauen nicht ausgeschlossen werden. Die gewaltige Mehrheit der Frauen, die zum Volk gehört, arbeitet ebenso wie die Männer schwer und trägt die Lasten für die Gesellschaft. Die Frauen gebären und erziehen die jungen Generationen der Gesellschaft. Folglich müssen auch die Frauen ebenso wie die Männer das Recht haben, überall dort ihre Stimme abzugeben, wo es sich um das Schicksal und das Dasein der ganzen Bevölkerung, das heißt der Frauen, ihrer Männer und ihrer Kinder, handelt.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 57f.

Weltkrieg bricht los
„Durch die Zustimmung zu den Kriegskrediten und die Proklamation des Burgfriedens haben die offiziellen Führer der sozialistischen Parteien in Deutschland, Frankreich und England dem Imperialismus den Rücken gestärkt, die Volksmassen zum geduldigen Ertragen des Elends und der Schrecken des Krieges veranlasst und so zur zügellosen Entfesselung der imperialistischen Furien, zur Verlängerung des Massenmordes und zur Vermehrung seiner Opfer beigetragen, die Verantwortung für den Krieg und seine Folgen übernommen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 43. (1. Januar 1916)
Weltkrieg bricht los
„... Die sozialistischen Arbeiter und Arbeiterinnen (müssen) in allen Ländern schauen, dass sie mitten unter den Trümmern der bürgerlichen Gesellschaft ihre heiligen Ideale nicht auch in Trümmer untergehen lassen. In ihren Herzen müssen sie die alten Lehren, den alten Glauben treu und sorgsam hüten als das einzige, was hinübergerettet werden muss. Arg genug hat schon die sozialistische Ideenwelt in dem Kriegssturm gelitten.“  R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 11. (30.09.1914)
Weltkrieg bricht los
„Jetzt haben wir vier Monate Weltkrieg hinter uns, und am 2. Dezember tritt die Volksvertretung unter wesentlich anderen Voraussetzungen zusammen, um zum zweiten Mal ihrerseits zum Kriege Stellung zu nehmen. ... Wie furchtbar jeder Krieg an sich sein mag, ... das gegenwärtige gigantische Völkerringen ... mit seinen Schlachten in drei Naturelementen und fünf Weltteilen, seinen unübersehbaren Trümmerfeldern an Kultur und Menschenglückt, diese Bild der Hölle auf Erden, dieser gewaltige Ausbruch der Anarchie einer Gesellschaftsform, die ihre Geschicke nicht zu meistern versteht, hat alles bis dahin Gewesene in den Schatten gestellt. Auch die inneren Verhältnisse dieses Krieges sind mittlerweise in deutlichen, klaren Zügen sichtbar geworden.  Zu Beginn war es der Kampf gegen die zaristische Despotie, was die Volksvertretung hauptsächlich begeisterte. ... Der Belagerungszustand und die von ihm diktierte Pressezensur sowie die völlige Zurückhalten des öffentlichen politischen Lebens haben eine viermonatige Dauer aufzuweisen und können als eine Schule betrachtet werden, in der das politische Urteil zu reifen Gelegenheit hatte.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 13f. (27.11.1914)
Weltkrieg bricht los. Die Reichstagsfraktion der SPD stimmt zum zweiten Mal für den Krieg
„...Eine Fraktion kann, folgenschwere Beschlüsse für die gesamte Partei fassen, ... die dem Programm, der Taktik, der Tradition, den Parteitagsbeschlüssen, sämtlichen Broschüren, Zeitungen und Agitationsreden vergangener fünf Jahrzehnte der Parteiexistenz direkt ins Gesicht schlagen. Solche Beschlüsse bilden alsdann zweifellos den denkbar flagrantesten Disziplinbruch gegenüber der Gesamtpartei wie sie bisher war. ... So bleibt es Tatsache, dass seit dem Ausbruch des Krieges unter dem Schutz des Belagerungszustandes fortlaufend schwerste Disziplinbrüche begangen werden, die die Sozialdemokratie ihrer bisherigen Richtung, ihrer Physiognomie, ihrer Ziele zu berauben geeignet sind.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 17. (4.12.1914)
Weltkrieg bricht los(1915)
„Am 4. August 1914 hat die deutsche Sozialdemokratie politisch abgedankt und gleichzeitig ist die sozialistische Internationale zusammengebrochen. ... Jedenfalls ... wird einst der Historiker als die frappanteste weltgeschichtliche Tatsache dieses Krieges zweifellos das völlige Versagen des Proletariats als Klasse, der Sozialdemokratie als seiner Führerin verzeichnen müssen. ... Gestellt vor die Alternative: für oder gegen den Krieg, ist die Sozialdemokratie in dem Augenblick, wo sie das ‚Gegen‘ preisgegeben hat, ... gezwungen worden, ihr volles Gewicht für den Krieg in die Waagschale zu werfen. ... Die Gewerkschaften, die mit dem Ausbruch des Krieges alle Lohnkämpfe an den Nagel gehängt, später Arbeitskräfte im Überfluss an die Agrarier zur Erledigung der Ernte geliefert haben, die alle Sicherheitsmaßnahmen der Militärbehörden zur Verhütung von Volksunruhen mit dem Nimbus des ‚Sozialismus‘ umgeben und gegenwärtig ihre Mitglieder zur glatten Verteilung der Brotrationen kommandieren; ... die sozialdemokratische Presse, die mit etwa 5 bis 6 Ausnahmen ihre 95 Tageblätter, Wochen- und Monatsschriften dazu gebraucht, um die Kunde von den Siegen der deutschen Waffen in ihrem ganzen Glanze in die breitesten Volksschichten zu tragen, ... um aus eigenem den Krieg als nationale Sache und Sache des Proletariats zu propagieren, ... der proletarischen Jugend kriegerische Tapferkeit und Heldenmut beizubringen, kurz, die öffentliche Meinung und die Volksmasse vollkommen für die Ideologie des Krieges zu bearbeiten; ... wo war ein Krieg in der Weltgeschichte, in dem Ähnliches geschah?“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 20-23
Weltkrieg bricht los(1915)
„Die offizielle Theorie, die den Marxismus für den jeweiligen Hausbedarf der Parteiinstanzen zur Rechtfertigung ihrer Tagesgeschäfte nach Belieben missbraucht und deren Organ die ‚Neue Zeit‘ ist, versucht die kleine Unstimmigkeit zwischen der heutigen Funktion der Arbeiterpartei und ihren gestrigen Worten dadurch zu erklären, dass der internationale Sozialismus sich zwar viel mit der Frage beschäftigt habe, was gegen den Ausbruch des Krieges, nicht aber damit, was nach seinem Ausbruche zu unternehmen sei. ... Sobald der Krieg da sei, gelte für jedes Proletariat nur noch die Frage, ob Sieg oder Niederlage. ... Der welthistorische Appell der Kommunistischen Manifests erfährt eine wesentliche Ergänzung und lautet nun nach Kautskys Korrektor: Proletarier aller Länder, vereinigt euch im Frieden, und schneidet euch die Gurgeln ab im Kriege!“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 24f.

Weltkrieg
„Der Weltkrieg hat gerade in Deutschland eine solche Orgie der Reaktion entfesselt. eine derartige Allmacht des Militarismus enthüllt, die deutsche Arbeiterklasse als solche Scheingröße entblößt, die Grundlage der sogenannten ‚politischen Freiheit‘ in Deutschland als ... nichtig und brüchig aufgezeigt...“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 263.

Weltkrieg
„Wir wissen, dass auch Deutschland in den letzten Zeiten immer mehr und mehr über dem Abgrund einer Kriegsgefahr mit den schrecklichsten Folgen schwebte ... Und früher oder später wird und muss ein solcher Weltkrieg entstehen aus nichts anderem als aus dem unaufhörlichen Rüsten, das keinen Moment zur Ruhe kommt in allen Staaten.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 415.

Weltmarkt
„England hat zu seiner Entwicklung bis zur Beherrschung des Weltmarktes mehr als ein halbes Jahrhundert bedurft. Deutschland ist zum wichtigsten Ausfuhrstaat erst in den letzten Jahren, ein Vierteljahrhundert nach der Inaugurierung seiner großindustriellen Periode, geworden. In Amerika ist die ganze Umwälzung binnen einem Jahrzehnt zustande gekommen.“  R. Luxemburg, Gesammelte Werke, 1/1, S. 314.

Weltpolitik und Krieg (1911)
„Gerade im Laufe der der verflossenen anderthalb Jahrzehnte haben sich ... die Reibungsflächen der internationalen Politik beispiellos vergrößert, eine Reihe neuer Staaten sind in den aktiven Kampf auf der Weltbühne getreten, alle Großmächte machten eine gründliche militärische Reorganisation durch. Die Gegensätze haben infolge all dieser Vorgänge eine nie dagewesene Zuspitzung erreicht, und der Prozess dauert immer weiter, da einerseits die Gärung im Orient mit jedem Tag zunimmt, andererseits jede neue Vereinbarung zwischen den Militärmächten unvermeidlich zum Ausgangspunkt neuer Konflikte wird.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 496f.

Weltpolitik
„Weltpolitik bedeutet Militarismus, Marinismus, Kolonialpolitik. Das ist der Strudel, dem der Kapitalismus entgegen stürmt und in dem er mit Mann und Maus unterzugehen verdammt ist.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 2, 193 (1906).

Weltpolitische Lage 1913
„Heute haben wir in der Nordsee (die) ... Rivalität zwischen England und Deutschland. Im Mittelmeer besteht ein ganzer Knäuel von Gegensätzen und Widersprüchen. Der Frieden am Balkan bedeutet die Zerreißung der europäischen Türkei und gleichzeitig die sichere Gewähr für den nächsten Krieg um die asiatische Türkei. Aber darin erschöpfen sich die internationalen Gegensätze nicht. Auf dem Leibe des unglücklichen Persiens wird der Kampf zwischen Russland und England ausgefochten. Im vollsten Frieden wird ein Land und ein Volk zerstückelt. Ein Stück weiter nach Osten liegt der gewaltige Herd der Revolution in China. Von Asien führt der Weg über den Stillen Ozean nach Amerika. Hier erleben wir in den letzten Jahrzehnten immer neue Überraschungen. Seit die Vereinigten Staaten 1898 ihren ersten Kolonialkrieg mit Spanien um die Philippinen ausfochten, sehen die amerikanischen Kapitalisten begehrlich nach Asien. Daraus ist der Gegensatz zwischen Japan und den Vereinigten Staaten und England entstanden. ... Die Triebkraft dieser Kriege ist das Bestreben, die noch nicht vom Kapitalismus erreichten Gebiete aufzuteilen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 213f.

Wertgesetz
„Das Wertgesetz, daraus abgeleitet der Lohn und der Mehrwert, das heißt die Erklärung, wie ohne jede gewaltsame Prellerei sich das Produkt der Lohnarbeit von selbst in einen kümmerlichen Lebensunterhalt für den Arbeiter und den arbeitslosen Reichtum des Kapitalisten teilt, das ist der Hauptinhalt vom ersten Bande des ‚Kapitals‘. Und darin liegt die große geschichtliche Bedeutung dieses Bandes: Er hat dargetan, dass die Ausbeutung erst dadurch und lediglich dadurch beseitigt werden kann, dass der Verkauf der Arbeitskraft, will sagen das Lohnsystem, aufgehoben wird.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 4, 293.

Wirtschaftskrisen
„Ein unumstößliches Gesetz bringt uns alle paar Jahre nach einer Zeit der Prosperität wirtschaftliche Krisen, deren Kosten in erster Linie von der Arbeiterklasse getragen werden müssen. Kaum sind wir ins 20. Jahrhundert eingetreten, und schon liegen zwei Krisen hinter uns, diejenigen der Jahre 1900 und 1907, unter denen die deutschen Arbeiter ganz besonders zu leiden hatten. Und jetzt schon wieder ....nachdem sich die Arbeiter kaum erholt haben, stehen Hunderttausende auf den Straßen, die vor Hunger schreien.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 59.

Zentralismus in der SPD
„Je mehr unsre Organisationen wachsen, Hunderttausende und Millionen umfassen, um so mehr wächst notgedrungen der Zentralismus. Damit geht aber auch das geringe Maß, das im alltäglichen Leben der Partei von den Organisationen aufgebracht wird, gänzlich auf die kleinen Kollegien an der Spitze: auf Vereinsvorstände, Bezirksvorstände und Parlamentarier, über. Was für die große Masse der Mitglieder übrigbleibt, sind die Pflichten zum Beitragszahlen, zum Flugblätteraustragen, zum Wählen und zu Wahlschlepperdiensten, zur Hausagitation für das Zeitungsabonnement und dergleichen. Das Musterbeispiel in dieser Hinsicht ist die Berliner Organisation, in der so ziemlich alles Wichtige an Leitung und Entschluss von dem Zentralvorstand erledigt wird, und wo die Initiative von unten sich gewöhnlich an dem Gitterwerk der zahllosen Instanzen wie an einem Stacheldrahtzaun ohnmächtig bricht. Die großen Massen müssen sich in einer ihnen eigenen Weise betätigen, ihre Massenenergie, ihre Tatkraft entfalten können ....“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 252f.

Zentralismus
„Die sozialdemokratische Bewegung ist die erste in der Geschichte der Klassengesellschaften, die in allen ihren Momenten, im ganzen Verlauf auf die Organisation und die selbständige Aktion der Masse berechnet ist.“ ... Die sozialdemokratische Aktion „wächst historisch aus dem elementaren Klassenkampf heraus. Sie bewegt sich dabei in dem dialektischen Widerspruch, dass hier die proletarische Armee sich erst im Kampfe selbst rekrutiert und erst im Kampfe auch über die Aufgaben des Kampfes klar wird. Organisation, Aufklärung und Kampf sind hier nicht getrennte, mechanisch und auch zeitlich gesonderte Momente, wie bei einer blanquistischen Bewegung, sondern sie sind nur verschiedene Seiten desselben Prozesses. ... Einerseits gibt es ... keine fertige, im Voraus festgesetzte Kampftaktik, in die die sozialdemokratische Mitgliedschaft von einem Zentralkomitee eingedrillt werden könnte. Andererseits bedingt der die Organisation schaffende Prozess des Kampfes ein beständiges Fluktuieren der Einflusssphäre der Sozialdemokratie.“  R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 427f.
„Was sich aber aus der allgemeinen Auffassung des sozialdemokratischen Organisationstypus ableiten lässt, das sind die großen Grundzüge, das ist der Geist der Organisation, und dieser bedingt, namentlich in den Anfängen der Massenbewegung, hauptsächlich den koordinierenden, zusammenfassenden und nicht den reglementierenden und exklusiven Charakter des sozialdemokratischen Zentralismus.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 1-2, 434.

Zentralismus
„Die sozialdemokratische Disziplin kann ... niemals bedeuten, dass sich die achthunderttausend organisierten Parteimitglieder dem Willen und den Bestimmungen einer Zentralbehörde, eines Parteivorstandes zu fügen haben, sondern umgekehrt, dass alle Zentralorgane der Partei den Willen der achthunderttausend organisierten Sozialdemokraten auszuführen haben. ... Der idealste Parteivorstand einer Partei wie die Sozialdemokratie wäre derjenige, der als das gehorsamste, prompteste und präziseste Werkzeug des Willens der Gesamtpartei fungierte.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 39f.

Zustand der SPD im  Juni 1913
„Der Zustand der allgemeinen Unbefriedigung, der sich unsrer Partei in diesem Augenblick bemächtigt hat, ist auch keine neue Erscheinung. Er ist bloß die Fortsetzung der Schwierigkeiten, die uns bereits die auswärtige Politik: die Marokkoaffäre, die internationale Aktion gegen den Krieg, bereitet haben. Zieht man das Fazit aus den Erfahrungen der letzten Jahre bis zu der jetzigen Militärvorlage, so kann man sie dahin verallgemeinern: Die Periode der imperialistischen Entwicklung versetzt der Arbeiterklasse immer heftigere Nackenschläge, unsre Aktion ist aber vielfach nicht auf der Höhe, um diese Schläge entsprechend zu parieren.... Unser Organisationsapparat wie unsere Parteitaktik sind seit 20 Jahren, seit dem Fall des Sozialistengesetzes, im Grunde genommen auf die ein Hauptaufgabe zugeschnitten gewesen: auf Parlamentswahlen und parlamentarischen Kampf. Darin haben wir das Äußerste geleistet, und darin sind wir groß geworden. Aber die neue Zeit des Imperialismus stellt uns immer mehr vor neue Aufgaben, denen mit Parlamentarismus allein, mit dem alten Apparat und der alten Routine nicht beizukommen ist. Unsre Partei muss lernen, Massenaktionen in entsprechenden Situationen in Fluss zu bringen und sie zu leiten.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 256

Zustimmung der SPD im Reichstag zum vergrößerten Wehretat Juni 1913
„... Die Annahme sowohl des Wehrbeitrages wie der Reichsvermögenszuwachs-steuer durch unsre Fraktion ... ist ganz neu in unsrer Parteigeschichte. Es ist formell ein Bruch mit unserm bisherigen Prinzip: Diesem System keinen Mann und keinen Groschen.“ R. Luxemburg, Ges. Werke 3, 273.

Zusammengestellt von Wal Buchenberg, im März 2019