Eurokrise und die Schuldenmacher

Angestoßen durch die „Eurokrise“ blühen mancherorts die Spekulationen auf eine „Rückkehr der DMark“. Wegen der teuren Rettungspakete „für Griechenland“ und „für den Euro“ wird behauptet, „wir Deutsche“ seien die „Zahlmeister Europas“.
Wer solche Vorstellungen verbreitet, ist ein schlechter Rechner.
Schon die Summierung von Regierung, Kapitalisten, Lohnarbeitern und Steuerzahlern in „Wir Deutsche“ ist falsch. Alle weiteren Rechnungen sind im Detail nicht besser.


Ja, mit den Rettungspaketen subventioniert die deutsche Regierung ausländische Konsumenten. Einige Leute finden das anstößig und verwerflich.
Wenn wir jedoch weiter verfolgen, wo diese Regierungsgelder hinfließen, zeigt sich: Die Gelder landen in deutschen Kassen.

Wie das Statistische Bundesamt kürzlich bekannt gab, erwirtschafteten deutsche Unternehmen im Jahr 2009 einen Exportüberschuss von insgesamt 134,2 Mrd. Euro. Um diese Summe haben deutsche Unternehmen mehr ins Ausland exportiert als sie importiert haben. Für 134,2 Mrd. Euro wurden 2009 Waren ins Ausland exportiert, für die nur Geld, aber keine Ware zurückfließen.
Der größte Teil dieses Exportüberschusses fließt in den EU- und Euroraum. Die Anhänger der DMark wollen nicht begreifen, dass gerade dieser vergrößerte Markt ohne Währungsrisiko der Hauptgrund für die Einführung des Euro war. Der Euroraum ist ein Geschenk und Segen für die deutschen Exportfirmen.
Eurostat hat berechnet, dass seit Einführung des Euro deutsche Kapitalisten in diesem Raum einen Exportüberschuss von 923 Mrd. Euro erwirtschaftet haben.

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Kann ein Land ständig mehr importieren als exportieren? Dann fließt ständig Geld ab aus diesem Land. Das Land wird notwendig zum Schuldner. Das gilt für Griechenland ebenso wie für die USA.
Andersherum: Kann ein Land ständig mehr exportieren als importieren? Dann verlangt es ständig Geld von seinen Handelspartnern. Woher sollen die es nehmen ohne zu stehlen? Die dauerhaften Importländer verschulden sich bei den dauerhaften Exportländern.
Deutsche Banken strecken ausländischen Kunden die Gelder vor, die sie an die deutschen Warenexporteure bezahlen müssen. Allerdings kostet so ein Kredit zusätzliches Geld durch die Zinsen. Die Schulden der Importländer wachsen. Aus Importländer werden Schuldenländer. Die Kredite der Exportländer wachsen in gleichem Maße. Aus Exportländer werden Gläubigerländer.
Das sind im kapitalistischen Außenhandel zwangsläufige Entwicklungen.

Was nun, wenn ein Kunde im Ausland nicht mehr zahlen kann oder nicht mehr zahlen will?

Soweit es sich um risikoreiche Einzelkunden handelt, sind die deutschen Kapitalisten in der angenehmen Lage, dass die Bundesregierung ihnen bei risikoreichen Exportgeschäften die Bezahlung über die Hermesbürgschaften garantiert.
Falls der Kunde nicht zahlt, springt der deutsche Staat ein und bezahlt.

Sofern es sich um eine ausländische Regierung handelt, gibt es für die Gläubigerstaaten nur zwei Möglichkeiten, entweder sie schreiben Teile ihrer Kredite ab („haircut“ = Teilbankrott) oder sie werfen gutes Geld hinter dem schlechten her und schieben damit den Bankrott des Schuldners hinaus.

Auch hier zahlt die Regierung des Exportstaates. Aber sie zahlt nicht direkt an den Exporteur wie bei der Hermesbürgschaft. Sie zahlt an den Schuldnerstaat, damit der seine Schulden bei den Banken des Exportstaates weiter bedienen kann.
So oder so fließt das Geld in die Kassen der Kapitalisten des Exportlandes: Bei der Exportbürgschaft landen die Regierungsgelder in den Kassen der eigenen Warenexporteure.
Bei den „Euro-Rettungspaketen“ landen die Regierungsgelder in den Kassen der eigenen Banken.
Aus kapitalistischer Sicht ist dieses Geld gut angelegt.

Eine deutsche Rückkehr zur DMark hätte für deutsche Kapitalisten ebenso unangenehme Folgen wie eine griechische Rückkehr zur Drachme. In beiden Fällen würde eine Währungsdifferenz entstehen und die Währung des Schuldnerstaates würde abwerten. Deutsche Exporte würden dadurch in Zukunft behindert und weniger profitabel.
Gleichzeitig hätte die Abwertung Auswirkungen auf die Schuldenlast: Bleiben die Schulden in der starken Währung nominiert, dann steigen sie sprunghaft an. Ein Abtragen der Schulden wird noch unwahrscheinlicher, ein Bankrott noch wahrscheinlicher.
Werden die Schulden aber in der schwachen Währung nominiert, dann ergebe das einen Teilbankrott („haircut“) auf Kosten des Gläubigerstaates. Die deutschen Gläubiger-Banken hätten verloren.
Beides ist nicht im Interesse der deutschen Kapitalisten.

Über das allgemeine Jammern über die "Schwäche des Euro" können deutsche Exporteure nur grinsen. Je niedriger der Euro zum Dollar steht, desto besser die Marktchancen für ihren Warenexport. Die Schwäche des Euro zieht die Warenexporteure aus dem Krisental.

Dass die „Steuerzahler und kleinen Leute“ in Deutschland letztendlich für die Einkommen der Waren- und Kapitalexporteure garantieren und bezahlen müssen, ist wohl wahr. Aber ist das etwas Neues?

Ist nicht jede Nation ein Zwangsverband, wo alle Gewinne bei den Kapitalisten und alle Risiken und Verluste bei den Lohnarbeitern und anderen Bürgern landen?
Das gilt für kriegerische Abenteuer ebenso wie für geschäftliche Abenteuer: Wenn ein Profit dabei herausspringt, wandert der in die Kassen der Kapitalisten. Wenn Verluste entstehen, landen die bei allen anderen Leuten. Das ist „freie Marktwirtschaft“.

Wal Buchenberg, 28.05.2010