Woher nimmt der Staat das Geld?

Angeblich streiten sich die Politiker in Deutschland über Steuersenkungen. Tatsächlich geht es bei diesem Streit nur um die Umschichtung der Staatseinnahmen. Die Steuern sollen (vielleicht) gesenkt werden. Doch Steuern sind weder der einzige noch der größte Einnahmeposten des Staates. Selbst wenn Steuersätze gesenkt werden, verfügt jeder Staat über andere und größere Geldkanäle.

Auch wenn Steuern gesenkt werden, werden die Staatsausgaben weiter steigen, dafür sprechen viele Gründe. Steigende Staatsausgaben sind ein Jahrhunderttrend in allen kapitalistischen Staaten. Man vergleiche in der folgenden Grafik die Staatsquote von China mit denen der europäischen Staaten. Was die Relation der Staatseinnahmen zur jährlichen Leistung der Volkswirtschaft (BSP) betrifft, befindet sich China noch im europäischen Jahr 1920.

Mit der Vernichtung des kleinen Eigentums und den damit verknüpften Familienbande, vernichtete und vernichtet der Kapitalismus die traditionell kleinräumigen Solidar-Netze für alle möglichen Notfälle: Missernten, Krankheit, Unfall, Tod des Ernährers usw.
Nach der Vernichtung kleinräumiger Solidargemeinschaften (Nachbarschaft, Dorf, Verwandtschaft, Familie) bleiben vereinzelte, lohnabhängige Individuen ohne sozialen Rückhalt übrig. Alle kapitalistischen Risiken: Verlust des Arbeitsplatzes, Verlust der Arbeitsfähigkeit durch Unfall, Krankheit oder Alter, fallen an die Gesamtheit der Gesellschaft. Der Staat übernimmt diese Risiken breitflächig, aber keineswegs zu unserer Zufriedenheit. Siehe dazu: Die Sozialstaatslüge.
Hinzu kommt, dass die Zahl der Menschen, die auf staatliche Transferzahlungen angewiesen sind, notwendig steigt.
Mit dem Anwachsen (der Akkumulation) jedes einzelnen Kapitals wächst auch die Arbeitsproduktivität und wird immer mehr Arbeitskraft überflüssig. Die Zahl der aktiven Lohnarbeiter in den Metropolen sinkt. Die Zahl der Vorsorgungsempfänger steigt, und damit steigen notwendig die Staatsausgaben.

Siehe auch im Karl-Marx-Forum: Löhne, Gewinne und Staatshaushalt 1960-2007

Zu solchen historischen Trends gesellen sich noch aktuelle Krisenfolgen. In der Finanzkrise gaben die Regierungen Geld mit vollen Händen aus, das sie nicht hatten. Sie nahmen großzügig Schulden auf, die zusätzliche Lasten durch Zinszahlen erfordern. In den letzten Jahren zahlte der deutsche Staat jedes Jahr rund 13 Prozent seiner Ausgaben als Zinsen an betuchte Staatsgläubiger. Auch dieser Ausgabenposten wird wachsen.

Die Staatsausgaben wachsen, also müssen die Staatseinnahmen steigen. Woher nimmt der Staat das Geld?

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Sozialabgaben:
Staatseinnahmen bestehen jedoch nur zum kleineren Teil aus Steuern. In Frankreich (350 Mrd. Euro) und Deutschland (412 Mrd. Euro) sind die größten staatlichen Einnahmeposten die Versicherungsbeiträge für Rente, Krankheit, Arbeitslosigkeit usw. In den USA bringen die Sozialabgaben nur 25% der Staatseinnahmen (724 Mrd. Euro), in China fehlen sie als staatliche Einnahmequelle ganz.

Konsumsteuern:
Das sind die Mehrwertsteuer und verschiedene Sondersteuern auf einzelne Waren (Benzin, Tabak, Branntwein, Vergnügungssteuer etc.) Die Konsumsteuern sind für die deutsche Regierung die zweitgrößte Einnahmequelle. Im Jahr 2007 brachten sie 264 Mrd. Euro in die Staatskasse (26% aller Einnahmen).
Deutlich geringere Konsumsteuern existieren in den USA – sie bringen dort 477 Mrd. Euro (16%) aller Einnahmen. Deutlich höhere Konsumsteuern legt die chinesische Regierung auf ihre Untertanen. Dort erbringen sie mit 212 Mrd. Euro 65 Prozent aller Einnahmen.

Einkommenssteuern:
Die Lohn- und Einkommenssteuer sind in Deutschland der drittgrößte Einnahmeposten und bringt dem Staat 237 Mrd. (23% der Einnahmen) und in Frankreich 145 Mrd. Euro (17% der Einnahmen). An diesen Steuern wurde in den letzten Jahren am häufigsten herumgeschraubt. Bei steigender Inflation und geringen realen Zuwächsen wachsen von unten immer mehr Menschen in die Steuerprogression: Sie zahlen zunehmend mehr von ihrem Brutto. Ganz oben wurden die Spitzensteuersätze nach unten geschraubt.

Siehe auch im Karl-Marx-Forum: Steuerlasten

Unternehmenssteuern:
Entgegen einem verbreiteten Vorurteil machen die Unternehmenssteuern in Deutschland mit 75 Mrd. Euro im Jahr 2007 nur einen geringen Prozentsatz (7%) der Staatseinnahmen. In Frankreich bringen die Unternehmenssteuern 9%, ( 77 Mrd. Euro) in Japan sogar 17 % (158 Mrd. Euro). Im kapitalistischen Musterland USA bringen Unternehmenssteuern 11 Prozent der Staatseinnahmen (320 Mrd. Euro). Prozentual müssen jedoch die Unternehmen in China am meisten an den Staat abdrücken. Sie zahlen mit 70 Mrd. 21% aller Staatseinnahmen.

Immobiliensteuern:
Die Besteuerung von (Grund)Eigentum ist in Deutschland mit 22 Mrd. Euro (2% aller Einnahmen) gering. In den vergleichbaren Ländern liegt diese Quote zwischen 9 und 11 Prozent.
In Frankreich: 10% (89 Mrd.)
in Japan: 9 % (85 Mrd.)
in Großbritannien: 12% (95 Mrd.)
in den USA: 11 Prozent (325 Mrd.)

Man kann sich also ausmalen, wie das Finanz-Paradies für Minister Schäuble aussieht:
Deutsche Sozialabgaben kombiniert mit chinesischen Konsumsteuer- und Unternehmenssteuersätzen, britischer Immobilienbesteuerung und US-amerikanischer Einkommenssteuer.

Wal Buchenberg, 23.11.2009