Afghanistan und kein Ende

Am 12.Oktober 2007 verlängerte der Bundestag den Einsatz von 3.500 Soldaten aus Deutschland in Afghanistan. Vorher hatte der Parteitag der Grünen den eigenen Abgeordneten empfohlen, gegen diesen Kriegseinsatz zu stimmen. An diese Empfehlung hielten sich nur 15 grüne Abgeordnete.
Auf dem Parteitag der SPD in Hamburg distanzierte sich Außenminister Steinmeier zwar vom Irakkrieg, gleichzeitig ließ er vom Parteitag eine Resolution zur Fortführung des Krieges in Afghanistan verabschieden.
Am Wochenende demonstrierten auch zehntausende Kriegsgegner in den USA für den sofortigen Abzug der US-Truppen aus dem Irak.
Von einem Abzug ausländischer Truppen aus Afghanistan ist nirgendwo die Rede.


Ganz im Gegenteil. Weitsichtige Militärs in den USA wünschen sich einen schnellen Abzug aus dem Irak, um mehr Truppen für den Krieg in Afghanistan zur Verfügung zu haben.
Seit Januar diesen Jahres starben in Afghanistan rund 6.000 Menschen, doppelt so viel wie im letzten Jahr. Unter den Toten sind fast 200 Nato-Soldaten und geschätzte 3.000 Kämpfer der Taliban und lokaler Widerstandsgruppen. (Zahlen aus: The Economist, 27. 10.2007).

 


Fast alle westliche Beobachter gehen davon aus, dass der bewaffnete Widerstand in Afghanistan gegen die westlichen Koalitionstruppen noch lange Jahre anhalten wird. Die diesjährigen Verluste haben die Aktivitäten der Taliban und der lokalen Widerstandsgruppen nicht geschwächt. Sie finden weiterhin genügend Rekruten, um ihre Verluste auszugleichen und verfügen über dauerhafte Finanzquellen aus dem Opiumanbau und Drogenhandel.
Neben die fanatischen Taliban mit aktiven Kämpfern aus vielen verschiedenen Ländern treten zunehmend auch lokale Widerstandsgruppen.

 

 


Der "Economist" schätzt, dass vor allem im Süden des Landes 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung die Talibankämpfer und die lokalen Widerständler unterstützen.
Die meisten westlichen Beobachter glauben deshalb nicht, dass der bewaffnete Widerstand durch Tötung von Taliban und lokalen Kämpfern beseitigt werden kann.

In den letzten zwei Jahren konzentrierten sich die Spezialkräfte der USA und Großbritanniens darauf, die Führungsebene der Taliban ausfindig zu machen und zu töten. Im Mai wurde der vermutliche Oberkommandierende Süd der Taliban, Mullah Dadullah Akhund getötet. Im Süden sollen auch 50 Kommandeure der mittleren Ebene getötet worden sein. Trotz oder gerade wegen der alliierten Erfolge im Süden vermehren sich die Angriffe in Regionen, die bisher noch relativ friedlich waren.

Dass die USA im Irak intervenierten, um Osama Bin Laden und seine Religionskrieger zu bekämpfen, war ein schlecht erfundener Vorwand. Gegen den Willen der Bush-Regierung stellt sich nun heraus, dass mit zunehmender Kriegsdauer im Irak und in Afghanistan beide Kriege immer stärker miteinander verwoben sind. Wenn keine grundlegende Änderung eintritt, wird es wahrscheinlicher, dass die USA beide Kriege verlieren könnten. Die anhaltenden Kämpfe im Irak verhindern ein stärkeres Durchgreifen in Afghanistan. Die ungünstige strategische Situation der westlichen Koalition in Afghanistan könnte den Abzug der USA aus dem Irak beschleunigen.

Für beide Kriege stehen immer weniger irgendwelche "positiven" Zielsetzungen im Vordergrund. Für beide Kriege geht es immer stärker um Schadensbegrenzung für die USA und ihre Koalitionsarmee. Für beide Kriege gilt auch, was Perikles in dem verlustreichen Peloponnesischen Krieg seinen Athener Mitbürgern einschärfte:
"Die Herrschaft, die wir über andere ausüben, ist eine Tyrannei. Dass wir nach dieser Herrschaft gegriffen haben, mag ungerecht scheinen. Diese Herrschaft loszulassen, wäre aber für uns lebensgefährlich!" (Thukydides II, 63).
Die Fremdherrschaft von USA und Nato über den Irak und über Afghanistan ist eine Tyrannei, die den meisten Menschen ungerecht erscheint. Aber diese Herrschaft loszulassen, könnte gefährlich für die fremden Herren enden.

Wal Buchenberg, 28.10.2007.