Deflation, Inflation und Staatsschuld in den USA

Unter den Beobachtern und Kritikern der kapitalistischen Wirtschaft gibt es seit einiger Zeit Streit um die Frage, ob uns Inflation oder Deflation ins Haus steht. Die jeweiligen Argumente sind einfach:
Die einen sagen: (Absatz)Krise verursacht Deflation (allgemeinen Preisrückgang)
Die anderen sagen: (Übermäßige) Staatsschulden verursachen Inflation (allgemeine Preissteigerung).

Ich hatte schon darauf hingewiesen, dass unter Deflation vor allem die Kapitalisten leiden, denn erzwungene Preissenkungen ihrer Waren beschneiden ihren Profit.
Unter Inflation leiden vor allem die Lohnarbeiter und andere „kleinen Leute“, denn Preissteigerungen beschneiden ihren Konsum.
Deshalb ist nicht verwunderlich, wenn kapitalnahe Beobachter ständig vor Deflation warnen, während andere ständig Inflation befürchten.

Klar ist auch, dass inflationäre und deflationäre Kräfte gleichzeitig und gegeneinander wirken, so dass letztlich nur die Preisveränderung messbar ist, welche sich als Summe von minus x-Deflation und plus y-Inflation ergibt.


Kommen wir zu historischen Daten am Beispiel der USA.


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Beschreibung der Preisbewegung (blaues Feld):
- Die unteren Deflationsspitzen erreichen minus 10 Prozent. Die oberen Inflationsspitzen erreichen 15 Prozent.
- Bis 1940 gab es ein ständiges Wechselspiel zwischen Inflation und Deflation. Seit dem 2. Weltkrieg herrschte mehr oder minder starke Inflation vor. Deflation verschwand bis auf eine kurze Ausnahme von 1948 ganz.
1. Resümee: Seit 1940 ist mehr oder minder starke Inflation die vorherrschende Preisbewegung.

Beschreibung der Staatsschuld (rote Linie):
- Die US-Staatsschulden fallen (relativ zur Wirtschaftsleistung) bis zum Kriegseintritt der USA in den ersten Weltkrieg. Anders gesagt: Die US-Wirtschaftsleistung bis zum 1. Weltkrieg steigt schneller als die Staatsschulden. Bis zum zweiten Weltkrieg und kurz darnach steigen die Staatsschulden schneller als die Wirtschaftsleistung. In der Spitze erreichen die Staatsschulden mehr als 100 Prozent des BSP. In der Nachkriegszeit fallen die Staatsschulden wieder (relativ zur Wirtschaftsleistung). Seit 1975 steigen die Staatsschulden wieder an und erreichen fast das Niveau des 2. Weltkrieges.
2. Resümee: Eine eindeutige Beziehung zwischen der (relativen) Höhe der Staatsschulden und der Höhe der Inflation ist nicht zu erkennen. Eine Parallelbewegung zeigen beide Kurven zwischen 1937 und 1957. Also nur in 20 von 130 Jahren.

Schlussfolgerung: Die einfache Gleichung „mehr Staatsschulden = mehr Inflation“ kann als widerlegt gelten.
Andererseits gilt: Die inflationären Spitzen wurden immer in großen Kriegen erreicht, wenn die Staatsausgaben in die Höhe schossen und eine zusätzliche Nachfrage auf dem Warenmarkt schufen, die das Warenangebot nachhaltig überstieg.

Zur Zeit steigt jedoch die US-Staatsschuld auch ohne Beteiligung an einem großen Krieg an. Der Irakkrieg und der Krieg in Afghanistan haben (noch) nicht die Dimensionen des Vietnamkrieges erreicht.

Ich stelle fest, dass erhöhte Staatsausgaben (zusätzliche Nachfrage auf dem Warenmarkt) in der Vergangenheit erhöhte Inflation verursachten, während in der Gegenwart die erhöhte Staatsverschuldung, die eine erhöhte staatliche Nachfrage vermuten lässt, (noch?) nicht zu sichtbarer Inflation geführt haben.

Ich lasse dabei außer Acht, dass die US-Regierung die offizielle Inflationsrate durch die „hedonische“ Berechnung künstlich um 2-3 Prozentpunkte herunterrechnet. Bei dieser Inflations-Berechnung werden nicht wirkliche Preise für wirkliche Produkte zugrunde gelegt, sondern fiktive Preise für fiktive Produkte.

Jedenfalls sind die Zusammenhänge zwischen Inflation und Staatsausgaben komplex und ich kann von mir nicht sagen, dass ich diese Zusammenhänge durchschaut hätte.

Wal Buchenberg, 11.11.2009