Lügen über die US-Wirtschaft
Auszugsweise Übersetzung es auf Englisch
gehaltenen Vortrags des Ökonomen Dr. Kurt Richebächer vom 19.11.2005 in
München über die US-Wirtschaft. Meine Damen und Herren, ... Was genau ist die Besonderheit der
angelsächsischen Wirtschaften? In all diesen Ländern gibt es
kapitalistische Scheinblüten, inflationäre Blasen ("asset bubbles"). Das
heißt, das Wirtschaftswachstum in diesen Ländern beruhte in den letzten
Jahren ohne Ausnahme auf inflationären Blasen, vor allem einer Inflation
der Immobilienpreise. Die Inflation der Immobilienpreise förderte eine
Inflation des Kredits ("credit bubble") ... Das ins Auge springende Symptom dieses
Blasen-Wachstums ist ein großes Außenhandelsdefizit. Alle angelsächsischen
Staaten, mit Ausnahme Kanada haben ein riesiges Außenhandelsdefizit bei
gleichzeitig verschwindender Sparquote. In allen diesen Ländern boomt der
Konsum und nur der Konsum. ... Das Wirtschaftswachstum ist höher als in
Europa, aber die Qualität dieses Wachstums ist miserabel wie nie zuvor.
... In der Weltwirtschaft spielten die USA die
Hauptrolle. In den letzten Jahren spielten sie diese Rolle, weil ihr
Handelsdefizit seit dem Jahr 2000 von rund 400 Mrd. Dollar Jahr für Jahr
stieg, bis auf gegenwärtig rund 800 Mrd. Dollar. 800 Mrd. US-Dollar ist
eine riesige Summe, sogar für einen so großen Wirtschaftsraum wie die USA.
... In den USA bläht sich die größte Kreditblase seit
Menschengedenken auf. ... Als Greenspan Chef der FED wurde, betrug die
Gesamtverschuldung der USA 10 Billionen USD, heute sind es mehr als 37
Billionen. Das heißt, die US-Verschuldung hat sich mehr als verdreifacht,
und die Frage ist: Wohin floss all dieses Geld? In den Preisindizes taucht es nicht auf. Die
amerikanischen Führungskräfte schauen wirklich nur auf den Preisindex. Ein
stabiler Preisindex heißt für sie stabile Finanzen und das bedeutet für
sie stabiles Wachstum. Gut, überprüfen wir einmal diese Zahlen.
Kreditwachstum ist immer ein Schlüsselelement, wenn man eine
Volkswirtschaft analysiert. Wenn man auf das Kreditwachstum in den USA
seit den späten 70er und den folgenden Jahren schaut, so hatten die USA
anfangs ein Kreditwachstum von 1,4 Dollars für jeden zusätzlichen Dollar
im BSP. Unlängst betrug dieses Verhältnis 4 zu 1. Jeder zusätzliche Dollar
im Wirtschaftswachstum verursacht vier Dollar Schulden. Das ist das
miserabelste Verschuldungs-Verhältnis der Wirtschaftsgeschichte - auch im
Vergleich zu jedem anderen Land. Die Frage ist: Wie ist das möglich? Die Antwort
darauf liegt in der Frage: Wohin floss all dieses Geld? ... In früherer
Zeit flossen zusätzliche Kredite in die Ausgaben von Unternehmen oder
privaten Konsumenten. Konsumenten und Firmen borgten Geld für den einzigen
Zweck, um es für Waren der Warenproduktion auszugeben. Das änderte sich in
den 80er Jahren. ... Mehr und mehr geborgtes Geld floss in die
Finanzmärkte. Das führte zuerst zur Inflation der Aktienpreise.
Andererseits löste sich allmählich die Verbindung zwischen Kreditwachstum
und Einkommenswachstum, schließlich wurde diese Verbindung ganz
unterbrochen. ... Mehr und mehr geliehenes Geld floss in andere
Kanäle als in das reale Wirtschaftswachstum. (Karl Marx erklärte dieses
Phänomen als
Überproduktion von Kapital - Geldkapital, das in der Warenproduktion keine
profitable Anlage mehr findet. w.b.). Das führte zu der Krise von
1998. Man wird sich an dieses Jahr erinnern, als das
Jahr der Asien-Krise, der russischen Krise und der Krise des
Investmentfonds LTCM. Das war die Zeit, als die Federal Reserve in die
Finanzmärkte intervenierte, um LTCM zu retten. Seit diesem Jahr 1998
explodierten die Finanzkredite. Das heißt, mehr und mehr geborgtes Geld
floss in die Finanzmärkte, vor allem in den
Aktienmarkt. Gleichzeitig vergrößerte sich das Handelsdefizit.
Ein Handelsdefizit bedeutet eigentlich eine Schrumpfung des
Inlandseinkommens. Die Konsumentenausgaben fließen nicht mehr zu
heimischen Produzenten, um deren Profite zu erhöhen. Statt dessen fließen
sie zu ausländischen Produzenten und bringt denen Profite. Das
amerikanische Außenhandelsdefizit vergrößert die Profite in Asien. Als
Resultat schrumpfen die US-Profite. Jedes Handelsdefizit bedeutet Dollar
für Dollar einen Einkommensverlust im Inland und einen Einkommensgewinn
für das Exportland. Zur Zeit verliert die US-Wirtschaft in jedem Jahr 800
Mrd. Dollar an ausländische Produzenten ... Die gewöhnliche Argumentation in Amerika geht
ungefähr so: "Unser Handelsdefizit spielt keine Rolle! Wir haben trotz
dieses Handelsdefizit ein höheres Wirtschaftswachstum als die Europäer,
also wo liegt das Problem?" Diese Antwort zeigt, dass die US-Ökonomen
nicht die geringste Ahnung haben, wie das Handelsdefizit ihrer Ökonomie
schadet. ... Die Sache verläuft ungefähr so: Ein Handelsdefizit
entsteht aus "billigem Geld" und die Federal Reserve reagiert auf das
Defizit mit beschleunigtem Gelddrucken, um die heimischen
Einkommensverluste auszugleichen. Im weiteren Fortgang muss das
Handelsdefizit weiter wachsen, und ebenso muss die Kreditexpansion mit dem
billigen Geld wachsen, um den Geldfluss ins Ausland aufrechtzuerhalten.
... In den USA werden schlechte Wirtschaftsmeldungen
vom Tisch gewischt mit der Reaktion: "Das ist besser als erwartet!"
So werden schlechte Nachrichten in gute Nachrichten umgelogen.
... Nach dem Aktiencrash von 2001 wurden die
Bankzinsen von 6,5% auf 2% und dann noch auf 1% gesenkt, in der Erwartung,
das würde in Kombination mit den Steuererleichterungen die Wirtschaft
wieder in Gang bringen. Aber das geschah nicht wirklich. Die
Arbeitslosenrate stieg ...Soweit die Wirtschaft wuchs, wuchs sie durch
vermehrte Konsumtion, und alles das basierte auf Blasen ...
Die amerikanischen Ökonomen haben in den letzten
zehn Jahren erhebliche Veränderungen in ihren statistischen Erhebungen
vorgenommen. Vor allem in den Daten, die die größten
wirtschaftspolitischen Auswirkungen haben. So zum Beispiel änderten sie
die Messlatte zur Messung der Inflation. ... Das Argument der Fachleute
war: Wir müssen die Verbesserungen der Gebrauchswerte als Preisrückgang
darstellen. Ursprünglich wurde dies bei nur bei verkauften Computern in
die Preisstatistik eingerechnet, inzwischen wurde diese Berechnung auf die
gesamte Wirtschaftsstatistik ausgedehnt. ... (als Beispiel: Verdoppelte
sich innerhalb eines Jahres die Leistung bei einem 1000-Dollar-Computer,
dann wanderten die für 1000 Dollar bezahlten Computernur mit 500 Dollar in die
"hedonistische" offizielle Statistik., w.b.) Konservative Schätzungen nehmen an, dass diese
Änderungen der Indizes die Inflationsrate um 1,5 Punkte senken. Andere
gehen von 3 Punkten aus. Was wir auch immer ansetzen, wenn wir diese Zahl
der offiziellen Inflationszahl hinzurechnen, dann bleibt keinerlei
Wirtschaftswachstum übrig. Haben Sie das verstanden? Nach Abzug der
wirklichen Inflation gibt es in den USA, so denke ich, seit Jahren so gut
wie kein reales Wirtschaftswachstum. ... Die andere Sache von Wichtigkeit: Die Messzahlen
zur Erhebung der Arbeitslosigkeit wurden verändert. Vor seiner Wiederwahl
wollte Bill Clinton niedrigere Arbeitslosenzahlen. Zu diesem Zweck fügten
sie eine zusätzliche Frage bei der Erfassung der Arbeitslosen ein. Es ist
kaum bekannt, dass in den USA die Arbeitslosenzahlen dadurch erfasst
werden, dass jeden Monat 50.000 Menschen gefragt werden: "Haben Sie
ihren Job verloren?", "Sind Sie arbeitslos?" und so weiter. In
diesen Fragebogen wurde die Frage eingefügt: "Haben Sie aktiv nach
einer neuen Arbeit gesucht?" Auf Deutsch: "Haben Sie eine Bewerbung
für einen Arbeitsplatz losgeschickt, bzw. hat Ihnen eine Firma einen neuen
Job angeboten?" Man glaubt es kaum, aber wer auf diese Frage mit
"Ja" antwortet, wird nicht mehr als Arbeitsloser gezählt.
Andererseits, wer es aufgeben hat, nach Arbeit zu suchen, auch der wird
nicht mehr als Arbeitsloser gezählt. ... Man schätzt diese "frustrierten
Arbeitslosen" auf mehr als 5 Millionen. Wenn man sie in die
Arbeitslosenzahlen einrechnet, dann liegt die Arbeitslosenrate in den USA
bei rund 8% bis 9% und nicht bei den behaupteten 5%.
... Als Ergebnis bekommt man eine geringe
Beschäftigungsrate bei einem geringen Wirtschaftswachstum. ... Aber die
Betrügereien bei der Festlegung der Arbeitslosenzahlen sind nicht einmal
das Schwerwiegendste. ... Tatsache ist, dass der größte Betrug passiert
bei der Festlegung des BSP und daraus folgt eine Unterschätzung der
Inflation. Es hängt alles davon ab, ob man behauptet, die Inflationsrate
sei 1% oder 2% oder 3%. ... Die Ausweitung des billigen Geldes läuft seit dem
Jahr 2000 auf vollen Touren, aber die Investitionsrate ging deutlicher
zurück als sonst. ... Tatsache ist, dass bis heute die
Unternehmensinvestitionen nicht angesprungen sind. Produktive
Investitionen liegen kaum auf dem Niveau des Jahres 2000. ... Die
(öffentliche und private) Konsumtion nimmt einen immer größeren Anteil des
BSP ein und erreicht mittlerweile 81%, gegenüber des langfristigen
Durchschnitts von 67%. ... Die übliche Erklärung für das Wirtschaftswachstum
trotz schlechter Beschäftigungslage ist das Produktivitätswachstum. Auf
den ersten Blick scheint das plausibel. Aber wenn man in den
Strukturwandel der US-Wirtschaft blickt, macht das spektakuläre
Produktivitätswachstum keinen Sinn, wo doch gleichzeitig das produktive
Kapital schrumpft. Wenn man sich die Sache genau anschaut, dann ist der
industrielle Sektor der Hauptverlierer der US-Wirtschaft. Im
verarbeitenden Gewerbe gingen 3 Millionen von 70 Millionen Jobs seit 2000
verloren. Das verarbeitende Gewerbe ist gleichzeitig der Sektor mit der
höchsten Kapitalzusammensetzung (dem höchsten Anteil konstantem Kapital am
Gesamtkapital). In diesem Sektor gibt es so gut wie keine Neuinvestitionen
mehr, da geht nichts mehr. Die größte Jobmaschine in den USA bildete der
Immobiliensektor. ... Rund 40% dieser armseligen neuen Jobs geht auf das
Konto der Immobilienblase. Die US-Wirtschaft ist eine Wirtschaft, wo die
verarbeitende Industrie rasch und unaufhörlich schrumpft. Und während dort
Monat für Monat Jobs verloren gehen, entstehen die neuen Jobs auf dem
Immobiliensektor und in Dienstleistungsbranchen wie das Gesundheitswesen.
Das sind schlecht bezahlte Jobs, vielleicht nicht alle, aber die meisten
davon - verglichen mit den gut bezahlten Jobs, die in der verarbeitenden
Industrie verloren gingen. Ich behaupte: Die Zahlen über das amerikanische
Bruttosozialprodukt sind gefälscht. Sie sind aufgeblasen, weil die
wirkliche Inflationsrate unterschätzt wird. Man kann sagen: Wenn man das
Bruttosozialprodukt der USA mit den Beschäftigungszahlen abgleicht, dann
muss man feststellen, dass es nach 2000 keine wirtschaftliche Erholung
gegeben hat. Die offiziellen Zahlen über das BSP geben ein völlig falsches
Bild vom realen Wirtschaftswachstum und von der realen
Wirtschaftsentwicklung in den USA. ... Nach meiner Meinung liegt das Problem der
US-Wirtschaft gerade darin, dass der FED die US-Wirtschaft für gesund
hält. Ich meine, sie fallen auf ihre eigene Propaganda herein. ... Zur
Zeit haben Ökonomen in aller Welt die Vorstellung, dass die US-Wirtschaft
in hervorragender Verfassung sei. Das zeigen die aktuellen Zinsraten und
der diesjährige Boom auf den Aktienmärkten. Ich meine aber, dass sich die
US-Wirtschaft in der kritischsten Lage seit dem II. Weltkrieg befindet
... Noch eine Bemerkung zu US-Einkommensstatistik. Die
US-Ökonomen sprechen von "Imputed Incomes" ("zugerechnete Einkommen"). Die
Statistiker behaupten, dass Konsumenten und Unternehmen eine Reihe von
Dingen erhalten, für die sie nichts zahlen. Das rechnen sie als
"Einkommen". Zum Beispiel die Hausbesitzer. Die US-Statistiker sagen:
"Wer ein Haus hat, der zahlt keine Miete, also rechnen wir ihm ein
Mieteinkommen zu." Rund 600 bis 700 Mrd. Dollar bestehen jährlich aus
solchen "zugerechneten Einkommen". ... Ist das nicht verrückt? Ganz
bestimmt! ... Unter den US-Ökonomen wird das alles nicht in
Frage gestellt. Warum nicht?
... Die US-Ökonomen sagen: "Wir brauchen keine
Wirtschaftstheorie, wir haben Statistik." ... Die US-Ökonomen verfügen
über mehr Statistiken als irgendwer sonst. Das ist ihr Theorieersatz. ...
Ohne vernünftige Theorie sind die Ökonomen jedoch nicht in der Lage
zwischen wichtigen und unwichtigen statistischen Daten zu unterscheiden.
Ich persönlich denke, dass alle diese Umfragen als statistische Basis
kompletter Unsinn sind, denn die befragten Leute geben dir nichts anderes
zur Antwort, als was sie in den Zeitungen lesen - und das ist ziemlich
wertlos. ... Wenn dir jeder sagt, er sei optimistisch, dann leben wir
angeblich in einer boomenden Wirtschaft. ... Ich würde auch behaupten, dass diese Wall Street
Ökonomen korrupt sind. Sie sind korrupt in dem Sinne, dass ihnen nicht
erlaubt ist, etwas Kritisches zu äußern.... Vielen Dank für ihre
Aufmerksamkeit! Dr. Kurt Richebächer, Vortrag vom 19.November 2005
in München.
Auszugsweise übersetzt von Wal Buchenberg, 11.
Dezember 2005 Originaltext:
http://www.gold-eagle.com/research/richebacherndx.html |