Abstrakte Arbeit

 

1. Abstrakte Arbeit ist menschliche Arbeit schlechthin

„Obst“ ist das Abstraktum von Birnen, Äpfeln, Bananen usw, „Gemüse“ das Abstraktum von Kohl, Tomaten, Zucchini etc. So ist „abstrakte Arbeit“ das übergreifend Gemeinsame aller konkreten Arbeiten wie Ackern, Rohstoffe fördern, Transportieren, Verarbeiten etc. Sehen und spüren können wir immer nur konkrete Früchte und konkrete Arbeiten. Der menschliche Verstand sucht und findet aber im Konkreten (Besonderen) ein übergreifendes Abstraktum (Allgemeines).

„Sieht man ab von der Bestimmtheit der produktiven Tätigkeit und daher vom nützlichen Charakter der Arbeit, so bleibt das an ihr, dass sie eine Verausgabung menschlicher Arbeitskraft ist, ... produktive Verausgabung von menschlichem Hirn, Muskel, Nerv, Hand usw. und in diesem Sinn menschliche Arbeit ... Der Wert der Ware aber stellte menschliche Arbeit schlechthin dar, Verausgabung menschlicher Arbeit überhaupt...

Wenn also mit Bezug auf den Gebrauchswert die in der Ware enthaltene Arbeit nur qualitativ gilt, gilt sie mit Bezug auf die Wertgröße nur quantitativ ... Dort handelt es sich um das Wie und Was der Arbeit, hier um ihr Wieviel, ihre Zeitdauer.“ K. Marx, Kapital I. MEW 23, 58 – 60.

„Alle Arbeit ist einerseits Verausgabung menschlicher Arbeit im physiologischen Sinn, und in dieser Eigenschaft gleicher menschlicher Arbeit oder abstrakt menschlicher Arbeit bildet sie den Warenwert. Alle Arbeit ist andererseits Verausgabung menschlicher Arbeitskraft in besonderer zweckmäßiger Form, und in dieser Eigenschaft konkreter nützlicher Arbeit produziert sie Gebrauchswerte..“ K. Marx, Kapital I. MEW 23, 61.

 

2. Zunehmender Wechsel der Tätigkeiten macht Lohnarbeit zur abstrakten Arbeit

„Der letzte Punkt, worauf noch aufmerksam zu machen ist, in der Arbeit, wie sie dem Kapital gegenübersteht, ist der, dass sie ... nicht diese oder jene Arbeit, sondern Arbeit schlechthin, abstrakte Arbeit ist; absolut gleichgültig gegen ihre besondere Bestimmtheit, aber jeder Bestimmtheit fähig.

Der besonderen Substanz, worin ein bestimmtes Kapital besteht, muss natürlich die Arbeit als besondere entsprechen; aber da das Kapital als solches gleichgültig ist gegen jede Besonderheit seiner Substanz, und sowohl als die Totalität derselben, wie als Abstraktion von allen ihren Besonderheiten ist, so (hat) die ihm gegenüberstehende Arbeit ... subjektiv dieselbe Totalität und Abstraktion an sich.

In der zunftmäßigen, handwerksmäßigen Arbeit z.B., wo das Kapital .... noch nicht Kapital als solches ist, erscheint auch die Arbeit noch als versenkt in ihre besondere Bestimmtheit: nicht in der Totalität und Abstraktion, als die Arbeit, wie sie dem Kapital gegenübersteht;

Das heißt, die Arbeit ist zwar in jedem einzelnen Fall eine bestimmte; aber das Kapital kann sich jeder bestimmten Arbeit gegenüberstellen; die Totalität aller Arbeiten steht dem Kapital der Möglichkeit nach gegenüber und es ist zufällig, welche ihm gerade gegenübersteht.

Andererseits ist der Arbeiter selbst absolut gleichgültig gegen die Bestimmtheit seiner Arbeit; sie hat als solche nicht Interesse für ihn, sondern nur soweit sie überhaupt Arbeit und als solche Gebrauchswert für das Kapital ist. Träger der Lohnarbeit als solcher – d.h. der Arbeit als Gebrauchswert für das Kapital – zu sein, macht daher seinen ökonomischen Charakter aus; er ist Arbeiter im Gegensatz zum Kapitalisten.

Dies ist nicht der Charakter der Handwerker, Zunftgenossen etc, deren ökonomischer Charakter gerade in der Bestimmtheit ihrer Arbeit und dem Verhältnis zu einem bestimmten Meister liegt etc.

Dies ökonomische Verhältnis – der Charakter, den Kapitalist und Arbeiter als von einander abhängige Widerparte ihres Produktionsverhältnisses tragen – wird daher desto reiner und adäquater entwickelt, je mehr die Arbeit allen Kunstcharakter verliert; ihre besondere Fertigkeit immer mehr etwas Abstraktes, Gleichgültiges wird, und sie mehr und mehr rein abstrakte Tätigkeit, ... daher ... gleichgültige, gegen ihre besondere Form indifferente Tätigkeit wird." K. Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie, S. 204.

„Die moderne Industrie betrachtet und behandelt die vorhandene Form eines Produktionsprozesses nie als endgültig. Ihre technische Basis ist daher revolutionär, während die aller früheren Produktionsweisen wesentlich konservativ war.

Durch Maschinerie, chemische Prozesse und andere Methoden wälzt sie beständig mit der technischen Grundlage der Produktion die Funktionen der Arbeiter und die gesellschaftlichen Kombinationen des Arbeitsprozesses um.

Sie revolutioniert damit ebenso beständig die Teilung der Arbeit im Innern der Gesellschaft und schleudert unaufhörlich Kapital-massen und Arbeitermassen aus einem Produktionszweig in den anderen. Die Natur der großen Industrie bedingt daher Wechsel der Arbeit, Fluss der Funktionen, allseitige Beweglichkeit des Arbeiters. ... Die große Industrie (macht es) durch ihre Katas-trophen selbst ... zur Frage von Leben oder Tod, den Wechsel der Arbeiten und daher möglichste Vielseitigkeit der Arbeiter als allgemeines gesellschaftliches Produktionsgesetz anzupassen. Sie macht es zu einer Frage von Leben oder Tod, die Ungeheuer-lichkeit einer elenden, für das wechselnde Ausbeutungsbedürfnis des Kapitals in Reserve gehaltenen, verfügbaren und arbeitslosen Arbeiterbevölkerung zu ersetzen durch die absolute Verfügbarkeit des Menschen für wechselnde Arbeitserfordernisse; das Teil-individuum, den bloßen Träger einer gesellschaftlichen Detail-funktion, durch das total entwickelte Individuum, für welches verschiedene gesellschaftliche Aufgaben einander ablösende Betätigungsweisen sind. ...

Es unterliegt ebenso wenig einem Zweifel, dass die kapitalistische Form der Produktion und die ihr entsprechenden ökonomischen Arbeiterverhältnisse im diametralen Widerspruch stehen mit solchen Umwälzungselementen und ihrem Ziel, der Aufhebung der alten Teilung der Arbeit.“ K. Marx, Kapital I. MEW 23, 510 - 512.

„Das ‚Schuster bleib bei deinem Leisten!’, der Gipfelpunkt handwerksmäßiger Weisheit, wurde zur furchtbaren Narrheit von dem Moment, wo der Uhrmacher Watt die Dampfmaschine, der Barbier Arkwright den Kettenstuhl, der Juwelierarbeiter Fulton das Dampfschiff erfunden hatte.“ K. Marx, Kapital I. MEW 23, 512.

„Jobdenken“ ist notwendiger Bestandteil des modernen Lohnarbeiterbewusstsein - nicht der bornierte Berufsstolz des traditionellen Einzelarbeiters mit eigenen Produktionsmitteln (Bauer, Handwerker, Arzt, Gelehrter usw.).

 

3. Ständiger Wechsel der Tätigkeiten ist das Arbeitsprinzip der künftigen Gesellschaft

„Die Gesellschaft kann sich selbstredend nicht befreien, ohne dass jeder Einzelne befreit wird. Die alte Produktionsweise muss also von Grund aus umgewälzt werden, und namentlich muss die alte Teilung der Arbeit verschwinden.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 273.

„Bei einer kommunistischen Organisation der Gesellschaft fällt jedenfalls fort die Gebundenheit des Künstlers an die lokale und nationale Borniertheit, die rein aus der Teilung der Arbeit hervorgeht, und die Gebundenheit des Individuums an diese bestimmte Kunst, so dass es ausschließlich Maler, Bildhauer usw. ist und schon der Name die ... Abhängigkeit von der Teilung der Arbeit hinlänglich ausdrückt.

In einer kommunistischen Gesellschaft gibt es keine Maler, sondern höchstens Menschen, die unter anderem auch malen.“ K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 3, 379.

„Der ... Denkweise der gelehrten Klassen muss es allerdings als eine Ungeheuerlichkeit erscheinen, dass es einmal keine Karrenschieber und keine Architekten von Beruf mehr geben soll und dass der Mann, der eine halbe Stunde lang als Architekt Anweisungen gegeben hat, auch eine Zeitlang die Karre schiebt, bis seine Tätigkeit als Architekt wieder in Anspruch genommen wird. Ein schöner Sozialismus, der die Karrenschieber von Beruf verewigt!“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 186.

„Sowie nämlich die Arbeit naturwüchsig verteilt zu werden anfängt, hat Jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muss es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will - während in der kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.“ K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 3, 33.

 

Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.

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