Akkumulation des Kapitals

1. Rückverwandlung von Mehrwert in vermehrtes Kapital

„Früher hatten wir zu betrachten, wie der Mehrwert aus dem Kapital, jetzt wie das Kapital aus dem Mehrwert entspringt. Anwendung von Mehrwert als Kapital oder Rückverwandlung von Mehrwert in Kapital heißt Akkumulation des Kapitals.

Betrachten wir diesen Vorgang zunächst vom Standpunkt des einzelnen Kapitalisten. Ein Spinnereikapitalist z. B. habe ein Kapital von 1.000.000 Euro vorgeschossen, wovon vier Fünftel in Baumwolle, Maschinen etc. (800.000 c), das letzte Fünftel in Arbeitslohn (200.000 v) vorgeschossen ist. Er produziere jährlich 240.000 kg Garn zum Wert von 1,2 Millionen Euro. Bei einer Rate des Mehrwerts von 100 % steckt der Mehrwert im Mehrprodukt des Nettoprodukts von 40.000 kg Garn, einem Sechstel des Bruttoprodukts, zum Wert von 200.000 Euro, den der Verkauf realisieren wird. ... Man riecht und sieht diesem Gelde nicht an, dass es Mehrwert ist. Der Charakter eines Werts als Mehrwert zeigt, wie er zu seinem Eigner kam, ändert aber nichts an der Natur des Werts oder des Geldes.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 605.

Also:

1. Kreislauf: 800.000 c + 200.000 v + 200.000 m = 1.200.000 G'

2. Kreislauf: „Um die neu hinzugekommene Summe von 200.000 Euro in Kapital zu verwandeln, wird also der Spinnereikapitalist, alle anderen Umstände gleich bleibend, vier Fünftel davon vorschießen im Ankauf von Baumwolle usw. (= 160.000) und ein Fünftel (= 40.000) im Ankauf neuer Spinnarbeiter ...

Dann fungiert das neue Kapital von 200.000 Euro in der Spinnerei und bringt seinerseits einen Mehrwert von 40.000 Euro ein.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 605f.


a) als besonderer Kreislauf des akkumulierten Mehrwerts:

160.000 c + 40.000 v + 40.000 m = 240.000 G''.

Oder:

b) als gemeinsamer Kreislauf von Anfangskapital plus verwertetem Kapital:

960.000 c + 240.000 v + 240.000 m = 1.440.000 G''

„Konkret betrachtet löst sich die Akkumulation auf in Reproduktion des Kapitals auf progressiver Stufenleiter. Der Kreislauf der einfachen Reproduktion verändert sich und verwandelt sich ... in eine Spirale.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 607.

 

„Um zu akkumulieren, muss man einen Teil des Mehrprodukts in Kapital verwandeln.

Aber, ohne Wunder zu tun, kann man nur solche Dinge in Kapital verwandeln, die im Arbeitsprozess verwendbar sind, d. h. Produktionsmittel, und des ferneren Dinge, von denen der Arbeiter sich erhalten kann, d. h. Lebensmittel.

Folglich muss ein Teil der jährlichen Mehrarbeit verwandt worden sein zur Herstellung zusätzlicher Produktions- und Lebensmittel, im Überschuss über das Quantum, das zum Ersatz des vorgeschossenen Kapitals erforderlich war. Mit einem Wort: der Mehrwert ist nur deshalb in Kapital verwandelbar, weil das Mehrprodukt, dessen Wert er ist, bereits die sachlichen Bestandteile eines neuen Kapitals enthält.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 606f.

 

Anm. 21a: „Es wird hier abstrahiert vom Ausfuhrhandel, vermittelst dessen eine Nation Luxusartikel in Produktions- oder Lebensmittel umsetzen kann und umgekehrt.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 607.

 

„Um nun diese Bestandteile tatsächlich als Kapital fungieren zu lassen, bedarf die Kapitalistenklasse eines Zuschusses von Arbeit. Soll nicht die Ausbeutung der schon beschäftigten Arbeiter extensiv oder intensiv wachsen, so müssen zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 607.

 

„Kehren wir jetzt zu unserem Beispiel zurück. ... Das ursprüngliche Kapital von 1.000.000 Euro bringt einen Mehrwert von 200.000 Euro, der kapitalisiert wird. Das neue Kapital von 200000 Euro bringt einen Mehrwert von 40.000 Euro; dieser, wiederum kapitalisiert, also in ein zweites zusätzliches Kapital verwandelt, bringt einen neuen Mehrwert von 8.000 Euro usw. Wir sehen hier ab von dem vom Kapitalisten verzehrten Teil des Mehrwerts. Ebenso wenig interessiert es uns für den Augenblick, ob die Zusatzkapitale zum ursprünglichen Kapital geschlagen oder von ihm zu selbständiger Verwendung getrennt werden; ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 607.

 

„Das ursprüngliche Kapital bildete sich durch den Vorschuss von 100.000 Euro. Woher hat sie ihr Besitzer? Durch seine eigene Arbeit und die seiner Vorfahren! antworten uns einstimmig die Wortführer der politischen Ökonomie, und ihre Annahme scheint in der Tat die einzige, die zu den Gesetzen der Warenproduktion stimmt.

Ganz anders verhält es sich mit dem Zusatzkapital von 200.000 Euro. Seinen Entstehungsprozess kennen wir ganz genau. Es ist kapitalisierter Mehrwert. Von Ursprung an enthält er nicht ein einziges Wertatom, das nicht aus unbezahlter fremder Arbeit herstammt.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 608.

 

„Die Voraussetzung der Akkumulation des ersten Zusatzkapitals von 200.000 Euro war eine vom Kapitalisten vorgeschossene, ihm kraft seiner ‚ursprünglichen Arbeit‘ gehörige Wertsumme von 1.000.000 Euro. Die Voraussetzung des zweiten Zusatzkapitals von 40.000 Euro dagegen ist nichts anderes als die vorhergegangene Akkumulation des ersten, der 200.000 Euro, dessen kapitalisierter Mehrwert es ist.

Eigentum an vergangener unbezahlter Arbeit erscheint jetzt als die einzige Bedingung für gegenwärtige Aneignung lebendiger unbezahlter Arbeit in stets wachsendem Umfang. Je mehr der Kapitalist akkumuliert hat, desto mehr kann er akkumulieren.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 609.

 

„Insofern der Mehrwert, woraus Zusatzkapital Nr. I besteht, das Resultat des Ankaufs der Arbeitskraft durch einen Teil des Originalkapitals war, ein Kauf, der den Gesetzen des Warenaustausches entsprach ...; sofern Zusatzkapital Nr. II ... bloß Resultat von Zusatzkapital Nr. I, ...; sofern jede einzelne Transaktion fortwährend dem Gesetz des Warenaustausches entspricht, der Kapitalist stets die Arbeitskraft kauft, der Arbeiter sie stets verkauft, und wir wollen annehmen selbst zu ihrem wirklichen Wert, schlägt offenbar das auf Warenproduktion und Warenzirkulation beruhende Gesetz der Aneignung oder Gesetz des Privateigentums durch seine eigene, innere, unvermeidliche Dialektik in sein direktes Gegenteil um.

Der Austausch von Äquivalenten (gleichen Werten), der als die ursprüngliche Operation erschien, hat sich so gedreht, dass nur zum Schein ausgetauscht wird, indem erstens der gegen Arbeitskraft ausgetauschte Kapitalteil selbst nur ein Teil des ohne Äquivalent (Gegenwert) angeeigneten fremden Arbeitsproduktes ist und zweitens von seinem Produzenten, dem Arbeiter, nicht nur ersetzt, sondern mit neuem Mehrwert ersetzt werden muss. ...

Der beständige Kauf und Verkauf der Arbeitskraft ist die Form. Der Inhalt ist, dass der Kapitalist einen Teil der bereits vergegenständlichten fremden Arbeit, die er sich unaufhörlich ohne Äquivalent (Gegenwert) aneignet, stets wieder gegen größeres Quantum lebendiger fremder Arbeit umsetzt.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 609.

 

„Ursprünglich erschien uns das Eigentumsrecht gegründet auf eigene Arbeit. ...

Eigentum erscheint jetzt auf Seite des Kapitalisten als das Recht, fremde unbezahlte Arbeit oder ihr Produkt anzueignen, auf Seite des Arbeiters als Unmöglichkeit, sich sein eigenes Produkt anzueignen. Die Scheidung zwischen Eigentum und Arbeit wird zur notwendigen Konsequenz eines Gesetzes, das scheinbar von ihrer Identität ausging.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 609f.

 

„So sehr die kapitalistische Aneignungsweise also den ursprünglichen Gesetzen der Warenproduktion ins Gesicht zu schlagen scheint, so entspringt sie doch keineswegs aus der Verletzung, sondern im Gegenteil aus der Anwendung dieser Gesetze.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 610.

 

„Man sah, dass selbst bei einfacher Reproduktion alles vorgeschossene Kapital, wie immer ursprünglich erworben, sich in akkumuliertes Kapital oder kapitalisierten Mehrwert verwandelt. Aber im Strom der Produktion wird überhaupt alles ursprünglich vorgeschossene Kapital eine verschwindende Größe (ein Grenzwert, der gegen Null geht, im mathematischen Sinn), verglichen mit dem direkt akkumulierten Kapital, ...

Die politische Ökonomie stellt das Kapital daher überhaupt dar als ‚akkumulierten Reichtum‘ (verwandelten Mehrwert oder Revenue)‚ der von neuem zur Produktion von Mehrwert verwandt wird, oder auch den Kapitalisten als ‚Besitzer des Mehrprodukts‘.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 613f.

 

2. Methoden der Akkumulation

„Das Verhältnis, wonach der Mehrwert sich in Kapital und Revenue spaltet, als gegeben vorausgesetzt, richtet sich die Größe des akkumulierten Kapitals offenbar nach der absoluten Größe des Mehrwerts. ... Demnach wirken bei Bestimmung der Größe der Akkumulation alle die Umstände mit, die die Masse des Mehrwerts bestimmen. Wir fassen sie hier nochmals zusammen, aber nur insofern sie mit Bezug auf die Akkumulation neue Gesichtspunkte bieten.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 625f.

 

2.1. Akkumulation ohne entsprechenden Kapitalvorschuss

2.1.1. Akkumulation durch Senkung des Lohns

„Man erinnert sich, dass die Rate des Mehrwerts in erster Instanz abhängt vom Ausbeutungsgrad der Arbeitskraft. ...

In den Abschnitten über die Produktion des Mehrwerts wurde beständig unterstellt, dass der Arbeitslohn wenigstens gleich dem Wert der Arbeitskraft ist. Die gewaltsame Herabsetzung des Arbeitslohns unter diesen Wert spielt jedoch in der praktischen Bewegung eine zu wichtige Rolle, um uns nicht einen Augenblick dabei aufzuhalten. Sie verwandelt faktisch, innerhalb gewisser Grenzen, den notwendigen Konsumtionsfonds des Arbeiters in einen Akkumulationsfonds von Kapital.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 626.

 

2.1.2. Akkumulation durch Verlängerung des Arbeitstags

„In einer Fabrikanlage mögen hundert Arbeiter bei achtstündiger Arbeit 800 Arbeitsstunden liefern. Will der Kapitalist diese Summe um die Hälfte steigern, so kann er 50 neue Arbeiter anstellen; dann muss er aber auch neues Kapital vorschießen, nicht nur für Löhne, sondern auch für Arbeitsmittel.

Er kann aber auch die alten 100 Arbeiter 12 Stunden arbeiten lassen statt 8, und dann genügen die schon vorhandenen Arbeitsmittel, die sich dann bloß rascher verschleißen. So kann durch höhere Anspannung der Arbeitskraft erzeugte, zusätzliche Arbeit das Mehrprodukt und den Mehrwert, die Substanz der Akkumulation, steigern ohne verhältnismäßige Steigerung des konstanten Kapitalteils.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 629f.

 

2.1.3. Akkumulation
durch verstärkte Ausbeutung der Natur

„In der extraktiven Industrie, den Bergwerken z. B., bilden die Rohstoffe keinen Bestandteil des Kapitalvorschusses. Der Arbeitsgegenstand ist hier nicht Produkt vorhergegangener Arbeit, sondern von der Natur gratis geschenkt. So Metallerz, Minerale, Steinkohlen, Steine etc.

Hier besteht das konstante Kapital fast ausschließlich in Arbeitsmitteln, die ein vermehrtes Arbeitsquantum sehr gut vertragen können (Tag- und Nachtschicht von Arbeitern z. B.). Alle anderen Umstände gleichgesetzt, wird aber Masse und Wert des Produkts steigen in direktem Verhältnis der angewandten Arbeit. ... Dank der Elastizität der Arbeitskraft hat sich das Gebiet der Akkumulation erweitert ohne vorherige Vergrößerung des konstanten Kapitals ...

Endlich in der eigentlichen Industrie setzt jede zusätzliche Ausgabe an Arbeit eine entsprechende Zusatzausgabe an Rohstoffen voraus, aber nicht notwendig auch n Arbeitsmitteln.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 630.

 

2.1.4. Akkumulation durch Steigerung der Produktivität

„Ein anderer wichtiger Faktor in der Akkumulation des Kapitals ist der Produktivitätsgrad der gesellschaftlichen Arbeit. Mit der Produktivkraft der Arbeit wächst die Produktenmasse, worin sich ein bestimmter Wert, also auch Mehrwert von gegebener Größe, darstellt. Bei gleich bleibender und selbst bei fallender Rate des Mehrwerts, sofern sie nur langsamer fällt, als die Produktivkraft der Arbeit steigt, wächst die Masse des Mehrprodukts. Bei gleich bleibender Teilung desselben in Revenue und Zusatzkapital kann daher die Konsumtion des Kapitalisten wachsen ohne Abnahme des Akkumulationsfonds.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 631.

 

„Aber mit der wachsenden Produktivität der Arbeit geht, wie man gesehen, die Verbilligung des Arbeiters, also wachsende Rate des Mehrwerts, Hand in Hand, selbst wenn der reelle Arbeitslohn steigt. Er steigt nie verhältnismäßig mit der Produktivität der Arbeit. Derselbe variable Kapitalwert setzt also mehr Arbeitskraft und daher mehr Arbeit in Bewegung.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 631.

 

„Derselbe konstante Kapitalwert stellt sich in mehr Produktionsmitteln ... dar, liefert also sowohl mehr Produktbildner als Wertbildner oder Arbeitseinsauger. Bei gleich bleibendem und selbst abnehmendem Wert des Zusatzkapitals findet daher beschleunigte Akkumulation statt.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 631.

 

2.1.5. Akkumulation
durch wissenschaftlich-technischen Fortschritt

„Hat die Produktivkraft der Arbeit sich ... erweitert, und sie entwickelt sich fortwährend mit dem ununterbrochenen Fluss der Wissenschaft und der Technik, so tritt wirkungsvollere und, ihren Leistungsumfang betrachtet, wohlfeilere Maschine, Werkzeug, Apparat usw. an die Stelle der alten. Das alte Kapital wird in einer produktiveren Form reproduziert ...

Jeder Fortschritt der Chemie vermannigfacht nicht nur die Zahl der nützlichen Stoffe und die Nutzanwendungen der schon bekannten, und dehnt daher mit dem Wachstum des Kapitals seine Anlagesphären aus.

Er lehrt zugleich die Exkremente des Produktions- und Konsumtionsprozesses in den Kreislauf des Reproduktionsprozesses zurückschleudern, schafft also ohne vorherige Kapitalauslage neuen Kapitalstoff.

Gleich vermehrter Ausbeutung des Naturreichtums durch bloß höhere Spannung der Arbeitskraft, bilden Wissenschaft und Technik eine von der gegebenen Größe des funktionierenden Kapitals unabhängige Potenz seiner Expansion. ...

Allerdings ist diese Entwicklung der Produktivkraft zugleich begleitet von teilweiser Entwertung funktionierender Kapitale.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 631f.

 

2.1.6. Wachsende Differenz
zwischen konstantem und variablem Kapital –
zwischen toter Arbeit (Produktionsmittel) und lebendiger Arbeit

„Die Arbeit überträgt auf das Produkt den Wert der von ihr konsumierten Produktionsmittel. Andererseits wächst Wert und Masse der durch gegebene Arbeitsmenge in Bewegung gesetzten Produktionsmittel im Verhältnis, wie die Arbeit produktiver wird.

Setzt also auch dieselbe Arbeitsmenge ihren Produkten immer nur dieselbe Summe Neuwert zu, so wächst doch der alte Kapitalwert, den sie ihnen gleichzeitig überträgt, mit steigender Produktivität der Arbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 632.

„Ein englischer und ein chinesischer Spinner z. B. mögen dieselbe Stundenzahl mit derselben Intensität arbeiten, so werden beide in einer Woche gleiche Werte erzeugen. Trotz dieser Gleichheit besteht ein ungeheurer Unterschied zwischen dem Wert des Wochenprodukts des Engländers, der mit einem gewaltigen Automaten arbeitet, und des Chinesen, der nur ein Spinnrad hat.

In derselben Zeit, wo der Chinese ein Pfund Baumwolle, verspinnt der Engländer mehrere hundert Pfund. Eine um mehrere hundert Mal größere Summe alter Werte schwellt den Wert seines Produkts an, in welchem sie in neuer nutzbarer Form erhalten werden und so von neuem als Kapital funktionieren können.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 632f.

 

„Es ist die Naturgabe der lebendigen Arbeit, alten Wert zu erhalten, während sie Neuwert schafft. Mit dem Wachstum von Wirksamkeit, Umfang und Wert ihrer Produktionsmittel, also mit der die Entwicklung ihrer Produktivkraft begleitenden Akkumulation erhält und verewigt die Arbeit daher in stets neuer Form einen stets schwellenden Kapitalwert. Diese Naturkraft der Arbeit erscheint als Selbsterhaltungskraft des Kapitals ... Alle Kräfte der Arbeit stellen sich als Kräfte des Kapitals dar ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 633f.

 

„Mit dem Wachstum des Kapitals wächst die Differenz zwischen angewandtem und konsumiertem Kapital. In anderen Worten: Es wächst die Wert- und Stoffmasse der Arbeitsmittel, wie Baulichkeiten, Maschinerie, ..., Apparate jeder Art, ... Im Verhältnis, worin diese Arbeitsmittel als Produktbildner dienen, ohne dem Produkt Wert zuzusetzen, also ganz angewandt, aber nur teilweise konsumiert werden, leisten sie, wie früher erwähnt, denselben Gratisdienst wie Naturkräfte, Wasser, Dampf, Luft, Elektrizität usw. Dieser Gratisdienst der vergangenen Arbeit, wenn ergriffen und beseelt von der lebendigen Arbeit, akkumuliert mit wachsender Stufenleiter der Akkumulation.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 635.

 

„Bei gegebenem Ausbeutungsgrad der Arbeitskraft ist die Masse des Mehrwerts bestimmt durch die Anzahl der gleichzeitig ausgebeuteten Arbeiter, und diese entspricht, obgleich in wechselndem Verhältnis, der Größe des Kapitals. Je mehr also das Kapital vermittelst sukzessiver Akkumulationen wächst, desto mehr wächst auch die Wertsumme, die sich in Konsumtionsfonds und Akkumulationsfonds spaltet. Der Kapitalist kann daher flotter leben und zugleich mehr ‚entsagen‘.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 635f.

 

„Allgemeines Resultat: Indem das Kapital sich die beiden Urbildner des Reichtums, Arbeitskraft und Erde, einverleibt, erwirbt es eine Expansionskraft, die ihm erlaubt, die Elemente seiner Akkumulation auszudehnen jenseits der scheinbar durch seine eigene Größe gesteckten Grenzen ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 630f.

 

3. Folgen der Akkumulation

3.1. Konzentration und Zentralisation des Kapitals

„Nach den Ökonomen selbst ist es weder der vorhandene Umfang des gesellschaftlichen Reichtums noch die Größe des bereits erworbenen Kapitals, die eine Lohnerhöhung herbeiführen, sondern lediglich das fortgesetzte Wachsen der Akkumulation und der Geschwindigkeitsgrad ihres Wachstums (A. Smith, Buch I, Kap. 8). Bisher haben wir nur eine besondere Phase dieses Prozesses betrachtet, diejenige, in der der Kapitalzuwachs stattfindet bei gleich bleibender technischer Zusammensetzung des Kapitals. Aber der Prozess schreitet über diese Phase hinaus. Die allgemeinen Grundlagen des kapitalistischen Systems einmal gegeben, tritt im Verlauf der Akkumulation jedes Mal ein Punkt ein, wo die Entwicklung der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit der mächtigste Hebel der Akkumulation wird.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 650.

 

„Abgesehen von Naturbedingungen ... drückt sich der gesellschaftliche Produktivgrad der Arbeit aus im relativen Größenumfang der Produktionsmittel, welche ein Arbeiter, während gegebener Zeit, mit derselben Anspannung von Arbeitskraft, in Produkt verwandelt. Die Masse der Produktionsmittel, womit er funktioniert, wächst mit der Produktivität seiner Arbeit.

Diese Produktionsmittel spielen dabei eine doppelte Rolle. Das Wachstum der einen ist Folge, das der anderen Bedingung der wachsenden Produktivität der Arbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 650. Vermehrter Rohstoffverbrauch ist z. B. Folge, vermehrte und verbesserte Maschinerie Vorbedingung der wachsenden Produktivität der Arbeit.

„Ob aber Bedingung oder Folge, der wachsende Größenumfang der Produktionsmittel im Vergleich zu der ihnen einverleibten Arbeitskraft drückt die wachsende Produktivität der Arbeit aus.

Die Zunahme der letzteren erscheint also in der Abnahme der Arbeitsmasse verhältnismäßig zu der von ihr bewegten Masse von Produktionsmitteln oder in der Größenabnahme des subjektiven Faktors des Arbeitsprozesses, verglichen mit seinen objektiven Faktoren.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 651.

 

„Diese Veränderung in der technischen Zusammensetzung des Kapitals, das Wachstum in der Masse der Produktionsmittel, verglichen mit der Masse der sie belebenden Arbeitskraft, spiegelt sich wider in seiner Wertzusammensetzung, in der Zunahme des konstanten Bestandteils des Kapitalwerts auf Kosten seines variablen Bestandteils.

Es werden z. B. von einem Kapital ... ursprünglich je 50 % in Produktionsmittel und je 50 % in Arbeitskraft ausgelegt, später, mit der Entwicklung des Produktivgrads der Arbeit, je 80 % in Produktionsmitteln und je 20 % in Arbeitskraft usw. Dies Gesetz des steigenden Wachstums des konstanten Kapitalteils im Verhältnis zum variablen wird auf jedem Schritt bestätigt (...) durch die vergleichende Analyse der Warenpreise, gleichviel, ob wir verschiedene ökonomische Epochen bei einer einzigen Nation vergleichen oder verschiedene Nationen in derselben Epoche.

Die relative Größe des Preiselements, welches nur den Wert der verzehrten Produktionsmittel oder den konstanten Kapitalteil vertritt, wird in direktem, die relative Größe des anderen, die Arbeit bezahlenden oder den variablen Kapitalteil vertretenden Preiselements, wird im Allgemeinen in umgekehrtem Verhältnis stehen zum Fortschritt der Akkumulation.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 651.

 

„Die Abnahme des variablen Kapitalteils gegenüber dem konstanten ... zeigt jedoch nur annähernd den Wechsel in der Zusammensetzung seiner stofflichen Bestandteile an.

Wenn z. B. heute der in der Spinnerei angelegte Kapitalwert zu 7/8 konstant und 1/8 variabel ist, während er Anfang des 18. Jahrhunderts 1/2 konstant und 1/2 variabel war, so ist dagegen die Masse von Rohstoff, Arbeitsmitteln usw., die ein bestimmtes Quantum Spinnarbeit heute produktiv konsumiert, vielhundertmal größer als im Anfang des 18. Jahrhunderts.

Der Grund ist einfach der, dass mit der wachsenden Produktivität der Arbeit nicht nur der Umfang der von ihr vernutzten Produktionsmittel steigt, sondern deren Wert, verglichen mit ihrem Umfange, sinkt. Ihr Wert steigt also absolut, aber nicht proportional mit ihrem Umfang.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 651.

 

„Das Wachstum der Differenz zwischen konstantem und variablem Kapital ist daher viel kleiner als das der Differenz zwischen der Masse der Produktionsmittel, worin das konstante, und der Masse Arbeitskraft, worin das variable Kapital umgesetzt wird. Die erstere Differenz nimmt zu mit der letzteren, aber in geringerem Grad.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 651f.

 

„Übrigens, wenn der Fortschritt der Akkumulation die relative Größe des variablen Kapitalteils vermindert, schließt er damit die Steigerung ihrer absoluten Größe keineswegs aus.

Gesetzt, ein Kapitalwert spalte sich anfangs in 50 % konstantes und 50 % variables Kapital, später in 80 % konstantes und 20 % variables.

Ist inzwischen das ursprüngliche Kapital, sage 6.000.000 Euro gewachsen auf 18.000.000 Euro, so ist sein variabler Bestandteil auch um 1/5 gewachsen. Er war 3.000.000 Euro, er beträgt jetzt 3.600.000 Euro.

Wo aber früher ein Kapitalzuwachs von 20 % genügt hätte, die Nachfrage nach Arbeit um 20 % zu steigern, erfordert das jetzt Verdreifachung des ursprünglichen Kapitals.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 652.

 

3.1.1. Konzentration des Kapitals

„Im vierten Abschnitt wurde gezeigt, wie die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit Kooperation auf großer Stufenleiter voraussetzt, wie unter dieser Voraussetzung Teilung und Kombination der Arbeit organisiert, Produktionsmittel durch massenhafte Konzentration ökonomisiert, schon stofflich nur gemeinsam anwendbare Arbeitsmittel ... ins Leben gerufen, ungeheure Naturkräfte in den Dienst der Produktion gepresst und die Verwandlung des Produktionsprozesses in technologische Anwendung der Wissenschaft vollzogen werden können.

Auf Grundlage der Warenproduktion ... realisiert sich jene Voraussetzung nur durch das Wachstum der individuellen Kapitale oder im Maße, worin die gesellschaftlichen Produktions- und Lebensmittel in das Privateigentum von Kapitalisten verwandelt werden. Der Boden der Warenproduktion kann die Produktion auf großer Stufenleiter nur in kapitalistischer Form tragen.

Eine gewisse Akkumulation von Kapital in den Händen individueller Warenproduzenten bildet daher die Voraussetzung der spezifisch kapitalistischen Produktionsweise. Wir mussten sie deshalb unterstellen bei dem Übergang aus dem Handwerk in den kapitalistischen Betrieb. Sie mag die ursprüngliche Akkumulation heißen, weil sie statt historisches Resultat historische Grundlage der spezifisch kapitalistischen Produktion ist. Wie sie selbst entspringt, brauchen wir hier noch nicht zu untersuchen. Genug, sie bildet den Ausgangspunkt.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 652.

Vergleiche den Artikel: Ursprüngliche Akkumulation

 

„Aber alle Methoden zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit, die auf dieser Grundlage erwachsen, sind zugleich Methoden der gesteigerten Produktion des Mehrwerts oder Mehrprodukts, welches seinerseits das Bildungselement der Akkumulation ist. Sie sind also zugleich Methoden der Produktion von Kapital durch Kapital oder Methoden seiner beschleunigten Akkumulation. Die kontinuierliche Rückverwandlung von Mehrwert in Kapital stellt sich dar als wachsende Größe des in den Produktionsprozess eingehenden Kapitals. ...

Wenn also ein gewisser Grad der Kapitalakkumulation als Bedingung der spezifisch kapitalistischen Produktionsweise erscheint (= ursprüngliche Akkumulation), verursacht die letztere rückschlagend eine beschleunigte Akkumulation des Kapitals.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 652f.

 

„Jedes individuelle Kapital ist eine größere oder kleinere Konzentration von Produktionsmitteln mit entsprechendem Kommando über eine größere oder kleinere Arbeiterarmee. Jede Akkumulation wird das Mittel neuer Akkumulation. ...

Das Wachstum des gesellschaftlichen Kapitals vollzieht sich im Wachstum vieler individuellen Kapitale. ...

Zugleich reißen sich Ableger von den Originalkapitalen los und funktionieren als neue selbständige Kapitale. Eine große Rolle spielt dabei unter anderem die Teilung des Vermögens in Kapitalistenfamilien. Mit der Akkumulation des Kapitals wächst daher auch mehr oder minder die Anzahl der Kapitalisten.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 653.

 

„Zwei Punkte charakterisieren diese Art Konzentration, ...

Erstens: Die wachsende Konzentration der gesellschaftlichen Produktionsmittel in den Händen individueller Kapitalisten ist, unter sonst gleich bleibenden Umständen, beschränkt durch den Wachstumsgrad des gesellschaftlichen Reichtums.

Zweitens: Der in jeder besonderen Produktionssphäre ansässige Teil des gesellschaftlichen Kapitals ist verteilt unter viele Kapitalisten, welche einander als unabhängige und miteinander konkurrierende Warenproduzenten gegenüberstehen.

Die Akkumulation und die sie begleitende Konzentration sind also nicht nur auf viele Punkte zersplittert, sondern das Wachstum der funktionierenden Kapitale ist durchkreuzt durch die Bildung neuer und die Spaltung alter Kapitale.

Stellt sich die Akkumulation daher einerseits dar als wachsende Konzentration der Produktionsmittel und des Kommandos über Arbeit, so andererseits als Abstoßung vieler individueller Kapitale voneinander.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 653f.

 

3.1.2. Zentralisation des Kapitals

„Dieser Zersplitterung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals in viele individuelle Kapitale ... wirkt entgegen ihre Attraktion. Es ist dies nicht mehr einfache, mit der Akkumulation identische Konzentration von Produktionsmitteln und Kommando über Arbeit. Es ist Konzentration bereits gebildeter Kapitale, Aufhebung ihrer individuellen Selbständigkeit, Enteignung von Kapitalist durch Kapitalist, Verwandlung vieler kleineren in weniger größere Kapitale.

Dieser Prozess unterscheidet sich von dem ersten dadurch, dass er nur veränderte Verteilung der bereits vorhandenen und funktionierenden Kapitale voraussetzt, sein Spielraum also durch das absolute Wachstum des gesellschaftlichen Reichtums oder die absoluten Grenzen der Akkumulation nicht beschränkt ist. Das Kapital schwillt hier in einer Hand zu großen Massen, weil es dort in vielen Händen verloren geht. Es ist die eigentliche Zentralisation im Unterschied zur Akkumulation und Konzentration.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 654.

 

„..., so hängt doch der Fortschritt der Zentralisation keineswegs ab von dem positiven Größenwachstum des gesellschaftlichen Kapitals. Und dies speziell unterscheidet die Zentralisation von der Konzentration, ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 655.

 

„Es ist ... klar, dass die Akkumulation, die allmähliche Vermehrung des Kapitals durch die aus der Kreisform in die Spirale übergehende Reproduktion ein gar langsames Verfahren ist, im Vergleich mit der Zentralisation ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 656.

 

„Die Zentralisation kann erfolgen durch bloße veränderte Verteilung schon bestehender Kapitale, durch einfache Veränderung der quantitativen Gruppierung der Bestandteile des gesellschaftlichen Kapitals. ... In einem gegebenen Geschäftszweig hätte die Zentralisation ihre äußerste Grenze erreicht, wenn alle darin angelegten Kapitale zu einem Einzelkapital verschmolzen wären.

In einer gegebenen Gesellschaft wäre diese Grenze erreicht erst in dem Augenblick, wo das gesamte gesellschaftliche Kapital vereinigt wäre in der Hand, sei es eines einzelnen Kapitalisten, sei es einer einzigen Kapitalistengesellschaft.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 655f.

„Die Zentralisation ergänzt das Werk der Akkumulation, indem sie die industriellen Kapitalisten instand setzt, die Stufenleiter ihrer Operationen auszudehnen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 656.

„Die durch die Zentralisation über Nacht zusammengeschweißten Kapitalmassen reproduzieren und vermehren sich wie die anderen, nur rascher, und werden damit zu neuen mächtigen Hebeln der gesellschaftlichen Akkumulation.“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 656f.

 

„Die gewachsene Ausdehnung der Industriebetriebe bildet überall den Ausgangspunkt für eine umfassendere Organisation der Gesamtarbeit vieler, für eine breitere Entwicklung ihrer materiellen Triebkräfte, d. h. für die fortschreitende Umwandlung vereinzelter und gewohnheitsmäßig betriebener Produktionsprozesse in gesellschaftlich kombinierte und wissenschaftliche eingerichtete Produktionsprozesse.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 656.

„Die Welt wäre noch ohne Eisenbahnen, hätte sie so lange warten müssen, bis die Akkumulation einige Einzelkapitale dahin gebracht hätte, dem Bau einer Eisenbahn gewachsen zu sein. Die Zentralisation dagegen hat dies, vermittelst der Aktiengesellschaften, im Handumdrehen fertig gebracht.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 656.

 

„Die Gesetze dieser Zentralisation der Kapitale ... können hier nicht entwickelt werden. Kurze tatsächliche Andeutung genügt.

Der Konkurrenzkampf wird durch Verbilligung der Waren geführt. Die Billigkeit der Waren hängt, unter sonst gleichen Bedingungen, von der Produktivität der Arbeit, diese aber von der Stufenleiter des Produktion ab.

Die größeren Kapitale schlagen daher die kleineren. ...

Siehe den Artikel: Ungleicher Tausch
Die kleineren Kapitale drängen sich daher in Produktionssphären, deren sich die große Industrie nur noch sporadisch oder unvollkommen bemächtigt hat.

Die Konkurrenz rast hier im direkten Verhältnis zur Anzahl und im umgekehrten Verhältnis zur Größe der rivalisierenden Kapitale. Sie endet stets mit dem Untergang vieler kleinerer Kapitalisten, deren Kapitale teils in die Hand des Siegers übergehen, teils untergehen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 654f.

 

„Abgesehen hiervon bildet sich mit der kapitalistischen Produktion eine ganz neue Macht, das Kreditwesen, das in seinen Anfängen verstohlen, als bescheidene Beihilfe der Akkumulation, sich einschleicht, durch unsichtbare Fäden die über die Oberfläche der Gesellschaft in größeren oder kleineren Massen zersplitterten Geldmittel in die Hände individueller oder assoziierter Kapitalisten zieht, aber bald eine neue und furchtbare Waffe im Konkurrenzkampf wird und sich schließlich in einen ungeheuren sozialen Mechanismus zur Zentralisation der Kapitale verwandelt.

Im Maß wie die kapitalistische Produktion und Akkumulation, im selben Maß entwickeln sich Konkurrenz und Kredit, die beiden mächtigsten Hebel der Zentralisation.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 655.

 

„Die im Lauf der normalen Akkumulation gebildeten Zusatzkapitale (s. Kapitel XXII,1) dienen vorzugsweise als Vehikel zur Ausbeutung neuer Erfindungen und Entdeckungen, überhaupt industrieller Vervollkommnungen.

Aber auch das alte Kapital erreicht mit der Zeit den Moment, wo es sich eine technisch modernisierte Form gibt, worin eine geringere Masse Arbeit genügte, eine größere Masse Maschinerie und Rohstoffe in Bewegung zu setzen. Die hieraus notwendig folgende absolute Abnahme der Nachfrage nach Arbeit wird selbstredend umso größer, je mehr die diesen Erneuerungsprozess durchmachenden Kapitale bereits zu Massen angehäuft sind ...

Einerseits zieht also das im Fortgang der Akkumulation gebildete Zuschusskapital, verhältnismäßig zu seiner Größe, weniger und weniger Arbeiter an.

Andererseits stößt das periodisch in neuer Zusammensetzung reproduzierte alte Kapital mehr und mehr früher von ihm beschäftigte Arbeiter aus.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 657.

 

3.2. Akkumulation des Kapitals und wachsende Arbeitslosigkeit

„Die Akkumulation des Kapitals ... vollzieht sich, wie wir gesehen, in fortwährendem qualitativen Wechsel seiner Zusammensetzung, in beständiger Zunahme seines konstanten auf Kosten seines variablen Bestandteils.

Die spezifisch kapitalistische Produktionsweise, die ihr entsprechende Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit, der dadurch verursachte Wechsel in der organischen Zusammensetzung des Kapitals halten nicht nur Schritt mit dem Fortschritt der Akkumulation oder dem Wachstum des gesellschaftlichen Reichtums. Sie schreiten ungleich schneller, weil die einfache Akkumulation ... von der Zentralisation seiner individuellen Elemente, und die technische Umwälzung des Zusatzkapitals von technischer Umwälzung des Originalkapitals begleitet sind.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 657f.

 

„Mit dem Fortgang der Akkumulation wandelt sich also das Verhältnis von konstantem zu variablem Kapitalteil, wenn es ursprünglich 1:1 war, in 2:1, 3:1, 4:1, 5:1, 7:1 usw., so dass, wie das Kapital wächst, statt 1/2 seines Gesamtwerts progressiv nur 1/3, 1/4, 1/5, 1/6, 1/8 usw. in Arbeitskraft, dagegen 2/3, 3/4, 4/5, 5/6, 7/8 usw. in Produktionsmittel umgesetzt wird.

Da die Nachfrage nach Arbeit nicht durch den Umfang des Gesamtkapitals, sondern durch den seines variablen Bestandteils bestimmt ist, fällt sie also progressiv mit dem Wachstum des Gesamtkapitals, statt, wie vorhin unterstellt, verhältnismäßig mit ihm zu wachsen.

Sie fällt relativ zur Größe des Gesamtkapitals und in beschleunigter Progression mit dem Wachstum dieser Größe.

Mit dem Wachstum des Gesamtkapitals wächst zwar auch sein variabler Bestandteil, oder die ihm einverleibte Arbeitskraft, aber in beständig abnehmender Proportion. Die Zwischenpausen, worin die Akkumulation als bloße Erweiterung der Produktion auf gegebener technischer Grundlage wirkt, verkürzen sich.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 658.

 

„Die kapitalistische Akkumulation produziert vielmehr, und zwar im Verhältnis zu ihrer Energie und ihrem Umfang, beständig eine relative, d. h. für die mittleren Verwertungsbedürfnisse des Kapitals überschüssige, daher überflüssige oder Zuschuss-Arbeiterbevölkerung.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 658.

 

„Das gesellschaftliche Gesamtkapital betrachtet, ruft die Bewegung seiner Akkumulation bald periodischen Wechsel hervor, bald verteilen sich ihre Momente gleichzeitig über die verschiedenen Produktionssphären.

In einigen Sphären findet Wechsel in der Zusammensetzung des Kapitals statt ohne Wachstum seiner absoluten Größe, infolge bloßer Konzentration; in anderen ist das absolute Wachstum des Kapitals mit absoluter Abnahme seines variablen Bestandteils oder der von ihm absorbierten Arbeitskraft verbunden; in anderen wächst das Kapital bald auf seiner gegebenen technischen Grundlage fort und saugt zuschüssige Arbeitskraft im Verhältnis seines Wachstums an; bald tritt organischer Wechsel ein und schrumpft sein variabler Bestandteil; in allen Sphären ist das Wachstum des variablen Kapitalteils und daher der beschäftigten Arbeiterzahl stets verbunden mit heftigen Fluktuationen und vorübergehender Produktion von Überbevölkerung (=Massen­arbeitslosigkeit), ob diese nun die auffallendere Form von Ausstoßen bereits beschäftigter Arbeiter annimmt oder die mehr unscheinbare, aber nicht minder wirksame, erschwerter Aufnahme der zuschüssigen Arbeiterbevölkerung in ihre gewohnten Abzugskanäle.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 658f.

 

„Mit der Größe des bereits funktionierenden Gesellschaftskapitals und dem Grad seines Wachstums ... dehnt sich auch die Stufenleiter, worin größere Aufnahme der Arbeiter durch das Kapital mit größerer Ausstoßung derselben verbunden ist, nimmt die Raschheit der Wechsel in der organischen Zusammensetzung ... zu, ... Mit der durch sie selbst produzierten Akkumulation des Kapitals produziert die Arbeiterbevölkerung also in wachsendem Umfang die Mittel ihrer eigenen relativen Überzähligmachung.

Es ist dies ein der kapitalistischen Produktionsweise eigentümliches Bevölkerungsgesetz, ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 659f.

 

„Wenn aber eine Überschussarbeiterbevölkerung notwendiges Produkt der Akkumulation ... ist, wird diese Arbeiter-Übervölkerung umgekehrt zum Hebel der kapitalistischen Akkumulation, ja zu einer Existenzbedingung der kapitalistischen Produktionsweise. Sie bildet eine einsatzbereite industrielle Reservearmee, die dem Kapital ganz so absolut gehört, als ob es sie auf seine eigenen Kosten großgezüchtet hätte.

Sie schafft für seine wechselnden Verwertungsbedürfnisse das stets bereite ausbeutbare Menschenmaterial, unabhängig von den Schranken der wirklichen Bevölkerungszunahme.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 661.

 

3.2.1. Neue Branchen und neue Märkte
machen eine Arbeitslosenarmee systemnotwendig

„Die technischen Bedingungen des Produktionsprozesses selbst, Maschinerie, Transportmittel usw., ermöglichen ... die rascheste Verwandlung von Mehrprodukt in zuschüssige Produktionsmittel. Die mit dem Fortschritt der Akkumulation überschwellende und in Zusatzkapital verwandelbare Masse des gesellschaftlichen Reichtums drängt sich mit Wildheit in alte Produktionszweige, deren Markt sich plötzlich erweitert, oder in neu eröffnete, ... deren Bedürfnis aus der Entwicklung der alten entspringt.

In allen solchen Fällen müssen große Menschenmassen plötzlich und ohne Abbruch der Produktionsleiter in anderen Sphären auf die entscheidenden Punkte werfbar sein. Die Arbeiter-Übervölkerung liefert sie.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 661.

 

3.2.2.Wirtschaftszyklen machen eine Arbeitslosenarmee systemnotwendig

„Der charakteristische Lebenslauf der modernen Industrie, die Form eines durch kleinere Schwankungen unterbrochenen zehnjährigen Zyklus von Perioden mittlerer Lebendigkeit, Produktion unter Hochdruck, Krise und Stagnation, beruht auf der beständigen Bildung, größeren oder geringeren Absorption und Wiederbildung der industriellen Reservearmee oder Arbeiter-Übervölkerung. ...

Dieser eigentümliche Lebenslauf der modernen Industrie, der uns in keinem früheren Zeitalter der Menschheit begegnet, war auch in der Kindheitsperiode der kapitalistischen Produktion unmöglich.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 661.

 

„Die plötzliche und ruckweise Expansion der Produktionsleiter ist die Voraussetzung ihrer plötzlichen Kontraktion; letztere ruft wieder die erstere hervor, aber die erstere ist unmöglich ohne verfügbares Menschenmaterial, ohne eine vom absoluten Wachstum der Bevölkerung unabhängige Vermehrung von Arbeitern.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 662.

 

„Der kapitalistischen Produktion genügt keineswegs das Quantum verfügbarer Arbeitskraft, welches der natürliche Zuwachs der Bevölkerung liefert. Sie bedarf zu ihrem freien Spiel einer von dieser Naturschranke unabhängigen industriellen Reservearmee.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 664.

 

3.2.3. Historische Gesamttendenz der Massenarbeitslosigkeit

„Bisher wurde unterstellt, dass der Zu- oder Abnahme des variablen Kapitals genau die Zu- oder Abnahme der beschäftigten Arbeiterzahl entspricht.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 664.

 

„Man hat gesehen, dass die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise und Produktivkraft der Arbeit ... den Kapitalisten befähigt, mit derselben Auslage von variablem Kapital mehr Arbeit durch größere extensive oder intensive Ausbeutung der individuellen Arbeitskräfte flüssig zu machen. Man hat ferner gesehen, dass er mit demselben Kapitalwert mehr Arbeitskräfte kauft, indem er progressiv geschicktere Arbeiter durch ungeschicktere, reife durch unreife, männliche durch weibliche, erwachsene Arbeitskraft durch jugendliche oder kindliche verdrängt.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 664f. (Oder auch einheimische verbrauchte Arbeitskraft durch immigrierte frische.)

„Einerseits macht also, im Fortgang der Akkumulation, größeres variables Kapital mehr Arbeit flüssig, ohne mehr Arbeiter zu werben, andererseits macht variables Kapital von derselben Größe mehr Arbeit mit derselben Masse Arbeitskraft flüssig und endlich mehr niedere Arbeitskräfte durch Verdrängung höherer. Die Produktion einer relativen Arbeiter-Übervölkerung oder die Freisetzung von Arbeitern geht daher noch rascher voran als die ... entsprechende proportionale Abnahme des variablen Kapitalteils gegen den konstanten. ... Die Überarbeit des beschäftigten Teils der Arbeiterklasse schwellt die Reihen ihrer Reserve, während umgekehrt der vermehrte Druck, den die letztere durch ihre Konkurrenz auf die erstere ausübt, diese zur Überarbeit und Unterwerfung unter die Diktate des Kapitals zwingt.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 665.

 

„Die Nachfrage nach Arbeit ist nicht identisch mit Wachstum des Kapitals, die Zufuhr der Arbeit nicht mit dem Wachstum der Arbeiterklasse ... Das Kapital agiert auf beiden Seiten zugleich. Wenn seine Akkumulation einerseits die Nachfrage nach Arbeit vermehrt, vermehrt sie andererseits die Zufuhr von Arbeitern durch deren ‚Freisetzung‘, während zugleich der Druck der Unbeschäftigten die Beschäftigten zur Flüssigmachung von mehr Arbeit zwingt, also in gewissem Grad die Arbeitszufuhr von der Zufuhr von Arbeitern unabhängig macht.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 669.

 

„Die industrielle Reservearmee drückt während der Perioden der Stagnation und mittleren Prosperität auf die aktive Arbeiterarmee und hält ihre Ansprüche während der Periode der Überproduktion und der übersteigerten Produktion im Zaum. Die relative Arbeiter-Übervölkerung ist also der Hintergrund, worauf das Gesetz der Nachfrage und Zufuhr von Arbeit sich bewegt.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 668.

 

„Im Großen und Ganzen sind die allgemeinen Bewegungen des Arbeitslohns ausschließlich reguliert durch die Expansion und Kontraktion der industriellen Reservearmee, welche dem Periodenwechsel des industriellen Zyklus entsprechen. Sie sind also nicht bestimmt durch die Bewegung der absoluten Anzahl der Arbeiterbevölkerung, sondern durch das wechselnde Verhältnis, worin die Arbeiterklasse in aktive Armee und Reservearmee zerfällt, ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 666.

 

„Sobald daher die Arbeiter hinter das Geheimnis kommen, wie es angeht, dass im selben Maß, wie sie mehr arbeiten, mehr fremden Reichtum produzieren und die Produktivkraft ihrer Arbeit wächst, sogar ihre Funktion als Verwertungsmittel des Kapitals immer prekärer für sie wird; sobald sie entdecken, dass der Intensitätsgrad der Konkurrenz unter ihnen selbst ganz und gar von dem Druck der relativen Arbeiter-Übervölkerung abhängt; sobald sie daher durch Gewerkschaften usw. eine planmäßige Zusammenwirkung zwischen den Beschäftigten und Unbeschäftigten zu organisieren suchen, um die ruinierenden Folgen jenes Naturgesetzes der kapitalistischen Produktion auf ihre Klasse zu brechen oder zu schwächen, zetert das Kapital ... über Verletzung des ‚ewigen‘ und sozusagen ‚heiligen‘ Gesetzes der Nachfrage und Zufuhr. Jeder Zusammenhalt zwischen den Beschäftigten und Unbeschäftigten stört nämlich das ‚reine‘ Spiel jenes Gesetzes.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 669f.

 

„Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. Die überall einsetzbare Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums.

Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die chronische Arbeiter-Übervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Armenschicht in der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer die offizielle Zahl der Armen.

Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Es wird gleich allen anderen Gesetzen in seiner Verwirklichung durch mannigfache Umstände modifiziert, deren Analyse nicht hierher gehört.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 673f.

 

„Wir sahen im vierten Abschnitt bei der Analyse der Produktion des relativen Mehrwerts: innerhalb des kapitalistischen Systems vollziehen sich alle Methoden zur Steigerung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit auf Kosten des individuellen Arbeiters; alle Mittel zur Entwicklung der Produktion schlagen um in Beherrschungs- und Ausbeutungsmittel des Produzenten, verstümmeln den Arbeiter in einen Teilmenschen, entwürdigen ihn zum Anhängsel der Maschine, vernichten mit der Qual seiner Arbeit ihren Inhalt, entfremden ihm die geistigen Potenzen des Arbeitsprozesses im selben Maße, worin letzterem die Wissenschaft als selbständige Potenz einverleibt wird; sie verunstalten die Bedingungen, innerhalb deren er arbeitet, unterwerfen ihn während des Arbeitsprozesses der kleinlichst gehässigen Despotie, verwandeln seine Lebenszeit in Arbeitszeit, schleudern Frau und Kind in die Mühle des Kapitals.

Aber alle Methoden zur Produktion des Mehrwerts sind zugleich Methoden der Akkumulation, und jede Ausdehnung der Akkumulation wird umgekehrt Mittel zur Entwicklung jener Methoden. Es folgt daher, dass im Maße wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muss.

Das Gesetz endlich, welches die relative Arbeiter-Übervölkerung oder industrielle Reservearmee stets mit Umfang und Energie der Akkumulation im Gleichgewicht hält, schmiedet den Arbeiter fester an das Kapital als den Prometheus die Keile des Hephaistos an den Felsen. Es bedingt eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation von Elend. Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Verkommenheit auf dem Gegenpol, d. h. auf Seite der Klasse, die ihr eigenes Produkt als Kapital produziert.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 674f.

 

Anm. 88: „,Von Tag zu Tag wird es somit klarer, dass die Produktionsverhältnisse, in denen sich die Bourgeoisie bewegt, nicht einen einheitlichen, einfachen Charakter haben, sondern einen widersprüchlichen; dass in denselben Verhältnissen, in denen der Reichtum produziert wird, auch das Elend produziert wird; ...; dass diese Verhältnisse den bürgerlichen Reichtum ... nur erzeugen unter fortgesetzter Vernichtung des Reichtums einzelner Glieder dieser Klasse und unter Schaffung eines stets wachsenden Proletariats.‘ K. Marx, ‚Das Elend der Philosophie‘.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 675.

 

Anmerkung:

Dieses „allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation“ – Zunahme des Lohnarbeiterelends mit Zunahme des kapitalistischen Reichtums – ist die Kernaussage von Karl Marx, die seit Erscheinen seines „Kapitals“ verharmlost, verdreht und verleugnet worden ist. Es sind daher drei grundlegende Erläuterungen nötig:

1) Im Marxismus wurde diese These von Marx verflachend „Verelendungstheorie“ genannt. Noch weiter verfälscht wurde aus der „Verelendungstheorie“ eine „Verarmungstheorie“. Keinesfalls ist jedoch „Elend“ im Sinne von Marx gleich „Armut“. [Vergleiche auch den Artikel: Armut]

 

Marx schrieb ausdrücklich in diesem Zusammenhang: „Es folgt daher, dass im Maße wie Kapital akkumuliert wird, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muss.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 675.

Armut ist ein notwendiger Teil des Elends der Lohnarbeiter, der vor allem die aus der regelmäßigen Lohnarbeit Ausgegrenzten trifft (vgl. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 673). Aber das Elend der Lohnarbeit, ist keineswegs beschränkt auf Armut: „Es bedingt eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation von Elend. Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Verkommenheit auf dem Gegenpol, d. h. auf Seite der Klasse, die ihr eigenes Produkt als Kapital produziert.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 675.

 

Das Elend, das die Lohnarbeit kennzeichnet, erstreckt sich also auf Fremdbestimmtheit und Unfreiheit, auf das Einkommen, auf die Arbeitsbedingungen, auf die mangelnden Entfaltungsmöglichkeiten und vieles mehr. Aber unterschiedliche Formen des Lohnarbeiterelends sind mehr oder minder auf unterschiedliche Schichten oder Gruppen der Lohnarbeiter verteilt. Gemeinsam ist der Lohnarbeit jedoch, dass alles Elend in jeder Gestalt die Verwertungsbedürfnisse des Kapitals zur Ursache hat.

 

2) Eine der Vorstellungen, die z. T. auch von Marxisten verbreitet werden und die leicht anhand der Tatsachen widerlegt werden können, ist die Erwartung, dass sich die „Lebenslage der Lohnarbeiter immer mehr angleichen“ würde.

Wie man in den Passagen dieses Kapitels sehen kann, sind die Lebenslagen der Lohnarbeiter höchst verschieden. Gemeinsam sind ihnen nur so abstrakte Dinge wie Existenzunsicherheit und Unterworfenheit unter einen fremden Willen und unter die Verwertungsbedürfnisse des Kapitals.

Diese abstrakte Gemeinsamkeit der Lohnarbeit stellt sich anders dar für den, der Arbeit hat, als für den, der arbeitslos ist, für den der gesund ist anders als für den, der krank ist, für den, dessen Qualifikation vom Kapital gerade nachgefragt wird, anders als für den, dessen Qualifikation nicht gebraucht wird oder der keine Qualifikationen hat.

Selbst modernes Elend in der Reproduktion der Lohnarbeit Gesundheitsbedrohungen durch BSE, Hormonmast oder Castorstrahlung wirkt sich anders aus auf den, der ein ordentliches Gehalt bezieht, als für den der sich Biokost nicht leisten kann.

 

3) Von den Gegnern dieser Theorie innerhalb wie außerhalb des Marxismus (innerhalb des Marxismus war Eduard Bernstein der erste) wurde immer wieder behauptet, dieses allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation existiere nicht, weil seine Wirkungen nicht statistisch festgestellt werden können.

Diese Behauptung beruht auf einer unwissenschaftlichen Vorstellung der Nachprüfbarkeit von Kräften und ihren Wirkungen.

Marx betonte ausdrücklich:Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Es wird gleich allen anderen Gesetzen in seiner Verwirklichung durch mannigfache Umstände modifiziert, deren Analyse nicht hierher gehört.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 674. Was heißt, ein ökonomisches Gesetz „wird durch mannigfache Umstände modifiziert“?

Zum Beispiel kann man die Erdanziehung als die Kraft beschreiben, die alle Körper auf der Erde zum Erdmittelpunkt zieht. Die Existenz dieser Kraft wird nicht bezweifelt, obwohl noch kein Mensch je beobachtet hat, dass tatsächlich ein Körper durch die Erdanziehung zum Mittelpunkt der Erde gelangt ist, weil andere Kräfte, z. B. die feste Erdkruste, der Gravitation entgegenwirken.

So wie kein Naturgesetz rein beobachtet werden kann, so kann kein ökonomisches Gesetz rein beobachtet werden, weil es durch mannigfache Umstände modifiziert wird. Diese reine Wirkung wird aber von den Gegnern dieser Theorie unterstellt.

Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation lässt sich deshalb nicht rein beobachten, weil andere Kräfte, wie zum Beispiel der gewerkschaftliche und politische Klassenkampf, dem entgegenwirken. Was beobachtet werden kann ist – wie in der Physik – nur eine Kräfteresultante.

Die Lage einzelner Teile der Lohnarbeiter oder ihre Lage insgesamt kann sich also zeitweilig verbessern trotz der Wirkung des allgemeinen Gesetzes der kapitalistischen Akkumulation - genauso wie Berge und Gebirge in die Höhe wachsen können trotz der Wirkung der Erdanziehungskraft.

 

Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.

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