Ursprüngliche Akkumulation
(Geschichte des Frühkapitalismus)
1. Das
Geheimnis der ursprünglichen Akkumulation
„Man hat
gesehen, wie Geld in Kapital verwandelt, durch Kapital Mehrwert gemacht
wird und aus Mehrwert mehr Kapital gemacht wird. Indes setzt die
Akkumulation des Kapitals den Mehrwert, der Mehrwert die kapitalistische
Produktion, dieser aber das Vorhandensein größerer Massen von Kapital und
Arbeitskraft in den Händen von Warenproduzenten
voraus.
Diese
ganze Bewegung scheint sich also in einem fehlerhaften Kreislauf
herumzudrehen, aus dem wir nur hinauskommen, indem wir eine der
kapitalistischen Akkumulation vorausgehende, ‚ursprüngliche‘ Akkumulation
(‚previous accumulation‘ bei Adam Smith) unterstellen, eine Akkumulation,
welche nicht das Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist,
sondern ihr Ausgangspunkt.“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 741.
„Diese
ursprüngliche Akkumulation spielt in der politischen Ökonomie ungefähr
dieselbe Rolle wie der Sündenfall in der Theologie. Adam biss in den
Apfel, und damit kam über das Menschengeschlecht die
Sünde.
Ihr
Ursprung wird erklärt, indem er als Anekdote der Vergangenheit erzählt
wird. In einer längst verflossenen Zeit gab es auf der einen Seite eine
fleißige, intelligente und vor allem sparsame Elite und auf der anderen
faulenzende ... alles ... verjubelnde Lumpen.
Die
Legende vom theologischen Sündenfall erzählt uns allerdings, wie der
Mensch dazu verdammt worden sei, sein Brot im Schweiße seines Angesichts
zu essen; die Historie vom ökonomischen Sündenfall aber enthüllt uns,
wieso es Leute gibt, die das keineswegs nötig haben.
Einerlei.
So kam
es, dass die ersten Reichtum akkumulierten und die letzteren schließlich
nichts zu verkaufen hatten als ihre eigene Haut. Und von diesem Sündenfall
datiert die Armut der großen Masse, die immer noch, aller Arbeit zum
Trotz, nichts zu verkaufen hat als sich selbst, und der Reichtum der
wenigen, der fortwährend wächst, obgleich sie längst aufgehört haben zu
arbeiten.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23,
741f.
„In der
wirklichen Geschichte spielen bekanntlich Eroberung, Unterjochung,
Raubmord, kurz Gewalt die große Rolle. In der sanften politischen Ökonomie
herrschte von jeher die Idylle. ... In der Tat sind die Methoden der
ursprünglichen Akkumulation alles andere, nur nicht idyllisch.“
K. Marx, Kapital I, MEW 23,
742.
„Geld
und Ware sind nicht von vornherein Kapital, so wenig wie Produktions- und
Lebensmittel. Sie bedürfen der Verwandlung in Kapital. Diese Verwandlung
selbst aber kann nur unter bestimmten Umständen vorgehen, die sich dahin
zusammenspitzen: Zweierlei sehr verschiedene Sorten von Warenbesitzern
müssen sich gegenüber und in Kontakt treten, einerseits Eigner von Geld,
Produktions- und Lebensmitteln, denen es gilt, die von ihnen besessene Wertsumme zu verwerten
durch Ankauf fremder Arbeitskraft; andererseits freie Arbeiter, Verkäufer
der eigenen Arbeitskraft und daher Verkäufer von Arbeit. Freie Arbeiter in
dem Doppelsinn, dass sie weder selbst unmittelbar zu den
Produktionsmitteln gehören, wie Sklaven, Leibeigene usw., noch auch die
Produktionsmittel ihnen gehören, wie beim selbst wirtschaftenden Bauern
usw., sie davon vielmehr frei, los und ledig sind.
Mit
dieser Polarisation des Warenmarkts sind die Grundbedingungen der
kapitalistischen Produktion gegeben.
Das
Kapitalverhältnis setzt die Scheidung zwischen Arbeitern und dem Eigentum
an den Verwirklichungsbedingungen der Arbeit voraus. Sobald die
kapitalistische Produktion einmal auf eigenen Füßen steht, erhält sie
nicht nur jene Scheidung, sondern reproduziert sie auf stets wachsender
Stufenleiter.
Der
Prozess, der das Kapitalverhältnis schafft, kann also nichts anderes sein
als der Scheidungsprozess des Arbeiters vom Eigentum an seinen
Arbeitsbedingungen, ein Prozess, der einerseits die gesellschaftlichen
Lebens- und Produktionsbedingungen in Kapital verwandelt, andererseits die
unmittelbaren Produzenten in Lohnarbeiter.
Die sog.
ursprüngliche Akkumulation ist also nichts als der historische
Scheidungsprozess von Produzent und Produktionsmittel. Er erscheint als
‚ursprünglich‘, weil er die Vorgeschichte des Kapitals und der ihm
entsprechenden Produktionsweise bildet.“ K. Marx,
Kapital I, MEW 23, 742.
„Die
ökonomische Struktur der kapitalistischen Gesellschaft ist hervorgegangen
aus der ökonomischen Struktur der feudalen Gesellschaft. Die Auflösung
dieser hat die Elemente jener freigesetzt.
Der
unmittelbare Produzent, der Arbeiter, konnte erst dann über seine Person
verfügen, nachdem er aufgehört hatte, an die Scholle gefesselt und einer
anderen Person leibeigen oder hörig zu sein.
Um
freier Verkäufer von Arbeitskraft zu werden, der seine Ware überall
hinträgt, wo sie einen Markt findet, musste er ferner der Herrschaft der
Zünfte, ihren Lehrlings- und Gesellenordnungen und hemmenden
Arbeitsvorschriften entronnen sein.
Somit
erscheint die geschichtliche Bewegung, die die Produzenten in Lohnarbeiter
verwandelt, einerseits als ihre Befreiung von Dienstbarkeit und
Zunftzwang; und diese Seite allein existiert für unsere bürgerlichen
Geschichtsschreiber.
Andererseits
werden diese Neubefreiten erst Verkäufer ihrer selbst, nachdem ihnen alle
ihre Produktionsmittel und alle durch die alten feudalen Einrichtungen
gebotenen Garantien ihrer Existenz geraubt sind. Und die Geschichte dieser
ihrer Enteignung ist in die
Annalen der Menschheit eingeschrieben mit Zügen von Blut und Feuer.“
K. Marx, Kapital I, MEW 23, 743.
„Die
industriellen Kapitalisten, diese neuen Potentaten, mussten ihrerseits
nicht nur die zünftigen Handwerksmeister verdrängen, sondern auch die im
Besitz der Reichtumsquellen befindlichen Feudalherren. Von dieser Seite
stellt sich ihr Emporkommen dar als Frucht eines siegreichen Kampfes gegen
die Feudalmacht und ihre empörenden Vorrechte sowie gegen die Zünfte und
die Fesseln, die diese der freien Entwicklung der Produktion und der
freien Ausbeutung des Menschen durch den Menschen angelegt hatten.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23,
743.
„Der
Ausgangspunkt der Entwicklung, die sowohl den Lohnarbeiter wie den
Kapitalisten erzeugt, war die Knechtschaft des Arbeiters. Der Fortgang
bestand in einem Formwechsel dieser Knechtung, in der Verwandlung der
feudalen in kapitalistische Ausbeutung.
Um ihren
Gang zu verstehen, brauchen wir gar nicht so weit zurückzugreifen.
Obgleich die ersten Anfänge kapitalistischer Produktion uns schon im 14.
und 15. Jahrhundert in einigen Städten am Mittelmeer sporadisch
entgegentreten, datiert die kapitalistische Ära erst vom 16.
Jahrhundert.
Dort, wo
sie auftritt, ist die Aufhebung der Leibeigenschaft längst vollbracht und
der Glanzpunkt des Mittelalters, der Bestand souveräner Städte, seit
geraumer Zeit im Erbleichen.“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 743.
„Historisch
Epoche machend in der Geschichte der ursprünglichen Akkumulation sind alle
Umwälzungen, die der sich bildenden Kapitalistenklasse als Hebel dienen;
vor allem aber die Momente, worin große Menschenmassen plötzlich und
gewaltsam von ihren Subsistenzmitteln losgerissen und als vogelfreie
Proletarier auf den Arbeitsmarkt geschleudert werden. Die Enteignung des ländlichen
Produzenten, des Bauern, von Grund und Boden bildet die Grundlage des
ganzen Prozesses. Ihre Geschichte nimmt in verschiedenen Ländern
verschiedene Färbung an und durchläuft die verschiedenen Phasen in
verschiedener Reihenfolge und in verschiedenen Geschichtsepochen. Nur in
England, das wir daher als Beispiel nehmen, besitzt sie klassische Form.“
K. Marx, Kapital I, MEW 23,
744.
2.
Enteignung des Landvolks von Grund und Boden
„In
England war die Leibeigenschaft im letzten Teil des 14. Jahrhunderts
faktisch verschwunden. Die ungeheure Mehrzahl der Bevölkerung bestand
damals und noch mehr im 15. Jahrhundert aus freien, selbstwirtschaftenden
Bauern, durch welch feudales Aushängeschild ihr Eigentum immer versteckt
sein mochte. Auf den größeren herrschaftlichen Gütern war der früher
selbst leibeigene Vogt durch
den freien Pächter verdrängt. ...
Solche
Verhältnisse, bei gleichzeitiger Blüte des Städtewesens, wie sie das 15.
Jahrhundert auszeichnet, erlaubten jenen Volksreichtum, den der Kanzler
Fortescue so beredt ... schildert, aber sie schlossen den Kapitalreichtum
aus.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23,
744f.
„Das
Vorspiel der Umwälzung, welche die Grundlage der kapitalistischen
Produktionsweise schuf, ereignete sich im letzten Drittel des 15. und den
ersten Jahrzehnten des 16.
Jahrhunderts. Eine Masse vogelfreier Proletarier ward auf den Arbeitsmarkt
geschleudert durch die Auflösung der feudalen Gefolgschaften,
...
Obgleich
die königliche Macht, selbst ein Produkt der bürgerlichen Entwicklung, in
ihrem Streben nach absoluter Souveränität die Auflösung dieser
Gefolgschaften gewaltsam beschleunigte, war sie keineswegs deren einzige
Ursache.
Vielmehr
im trotzigsten Gegensatz zu Königtum und Parlament schuf der große
Feudalherr ein ungleich größeres Proletariat durch gewaltsame Verjagung
der Bauernschaft von dem Grund und Boden, worauf sie denselben feudalen
Rechtstitel besaß wie er selbst, und durch Raub ihres
Gemeindelandes.
Den
unmittelbaren Anstoß dazu gab in England namentlich das Aufblühen der
flandrischen Wollmanufaktur und das entsprechende Steigen der Wollpreise.
Den alten Feudaladel hatten die großen Feudalkriege verschlungen, der neue
war ein Kind seiner Zeit, für welche Geld die Macht aller Mächte
war. Verwandlung von Ackerland in Schafweide ward also sein
Losungswort.“ K.
Marx, Kapital I, MEW 23, 745f.
„Einen
neuen furchtbaren Anstoß erhielt der gewaltsame Enteignungsprozess der Volksmasse
im 16. Jahrhundert durch die Reformation und, in ihrem Gefolge, den
kolossalen Diebstahl der Kirchengüter.
Die
katholische Kirche war zur Zeit der Reformation Feudaleigentümerin eines
großen Teils des englischen Grund und Bodens. Die Unterdrückung der
Klöster usw. schleuderte deren Einwohner ins Proletariat. Die Kirchengüter
selbst wurden großenteils an raubsüchtige königliche Günstlinge verschenkt
oder zu einem Spottpreis an spekulierende Pächter und Stadtbürger
verkauft, ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23,
748f.
„Der
letzte große Enteignungsprozess
der Ackerbauer von Grund und Boden endlich ist das sog. Clearing of
Estates (Lichten der Güter, in der Tat Wegfegung der Menschen von
denselben).
Alle
bisher betrachteten englischen Methoden gipfelten im ‚Lichten‘. Wie man
... sah, geht es jetzt, wo keine unabhängigen Bauern mehr wegzufegen sind,
bis zum ‚Lichten‘ der Bauernhäuser fort, so dass die
Ackerbauarbeiter auf dem von ihnen bestellten Boden selbst nicht mehr den
nötigen Raum zur eigenen Behausung finden.“ K.
Marx, Kapital I, MEW 23, 756.
„Der
Raub der Kirchengüter, die betrügerische Veräußerung der
Staatsdomänen, der Diebstahl des Gemeindeeigentums, die räuberische und mit
rücksichtslosem Terrorismus vollzogene Verwandlung von feudalem und
Claneigentum in modernes Privateigentum, es waren ebenso viele idyllische
Methoden der ursprünglichen Akkumulation. Sie eroberten das Feld für die
kapitalistische Agrikultur, einverleibten den Grund und Boden dem Kapital
und schufen der städtischen Industrie die nötige Zufuhr von vogelfreiem
Proletariat.“ K. Marx, Kapital I, MEW
23, 760f.
3. Blutgesetzgebung gegen die Enteigneten
seit Ende des 15.
Jahrhunderts.
Gesetze
zur Herabdrückung des Arbeitslohns
„Die
durch Auflösung der feudalen Gefolgschaften und durch stoßweise,
gewaltsame Enteignung von Grund
und Boden Verjagten, dies vogelfreie Proletariat konnte unmöglich ebenso
rasch von der aufkommenden Manufaktur absorbiert werden, als es auf die
Welt gesetzt ward.
Andererseits
konnten die plötzlich aus ihrer gewohnten Lebensbahn Herausgeschleuderten
sich nicht ebenso plötzlich in die Disziplin des neuen Zustandes finden.
Sie verwandelten sich massenhaft in Bettler, Räuber, Vagabunden, zum Teil
aus Neigung, in den meisten Fällen durch den Zwang der Umstände. Ende des
15. und während des ganzen 16. Jahrhunderts gab es daher in ganz Westeuropa
eine Blutgesetzgebung wider das Vagabundenwesen. Die Väter der
jetzigen Arbeiterklasse wurden zunächst gezüchtigt für die ihnen angetane
Verwandlung in Vagabunden und Arme. Die Gesetzgebung behandelte
sie als ‚freiwillige‘ Verbrecher und unterstellte, dass es von ihrem guten
Willen abhinge, in den nicht mehr existierenden alten Verhältnissen
fortzuarbeiten.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23,
761f.
„So
wurde das von Grund und Boden gewaltsam enteignete, verjagte und zum
Vagabunden gemachte Landvolk durch grotesk-terroristische Gesetze in eine
dem System der Lohnarbeit notwendige Disziplin hineingepeitscht,
hineingebrandmarkt, hineingefoltert.“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 765.
„Arbeiterkoalition
wird als schweres Verbrechen behandelt vom 14. Jahrhundert bis 1825, dem
Jahr der Abschaffung der Antikoalitionsgesetze.“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 767.
„Die
grausamen Gesetze gegen die Koalitionen fielen 1825 vor der drohenden
Haltung des Proletariats. Trotzdem fielen sie nur zum Teil.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 768.
„Man
sieht, nur widerwillig und unter dem Druck der Massen verzichtete das
englische Parlament auf die Gesetze gegen Streiks und Gewerkschaften, nachdem es selbst,
fünf Jahrhunderte hindurch, mit schamlosem Egoismus die Stellung einer
permanenten Gewerkschaft der
Kapitalisten gegen die Arbeiter behauptet hatte.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23,
769.
„Im
Fortgang der kapitalistischen Produktion entwickelte sich eine
Arbeiterklasse, die aus Erziehung, Tradition, Gewohnheit die Anforderungen
jener Produktionsweise als selbstverständliche Naturgesetze anerkennt.“
K. Marx, Kapital I, MEW 23,
765.
4.
Entstehung der kapitalistischen Pächter
„Nachdem
wir die gewaltsame Schöpfung vogelfreier Proletarier betrachtet haben, die blutige Disziplin,
welche sie in Lohnarbeiter verwandelt hat, ..., fragt sich, wo kommen
die Kapitalisten ursprünglich her? Denn die Enteignung des Landvolks schafft
unmittelbar nur große Grundeigentümer. Was die Entstehung des Pächters betrifft,
so können wir sie sozusagen mit der Hand greifen, weil sie ein langsamer,
über viele Jahrhunderte sich fortwälzender Prozess
ist.
Die
Leibeigenen selbst, daneben
auch freie kleine Landeigner, befanden sich in sehr verschiedenen
Besitzverhältnissen und wurden daher auch unter sehr verschiedenen
ökonomischen Bedingungen emanzipiert.
In
England ist die erste Form des Pächters der selbst leibeigene Bailiff (ein Verwaltungsbediensteter wie der
deutsche Meier oder Vogt). Seine Stellung ist ähnlich der des
altrömischen Villicus, nur in engerer
Wirkungssphäre.
Während
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird er ersetzt durch einen
Pächter, den der Landbesitzer
mit Samen, Vieh und Ackerwerkzeug versieht. Seine Lage ist nicht sehr
verschieden von der des Bauern. Nur beutet er mehr Lohnarbeit
aus.
Er wird
bald ... Halbpächter. Er stellt einen Teil des Ackerbaukapitals, der Landbesitzer den anderen.
...
Diese
Form verschwindet in England rasch, um der des eigentlichen Pächters Platz
zu machen, welcher sein eigenes Kapital durch Anwendung von Lohnarbeitern
verwertet und einen Teil des Mehrprodukts, in Geld oder in natura, dem Landbesitzer als Grundrente zahlt.
...
Die Aneignung von Gemeindeweiden usw.
erlaubt ihm große Vermehrung seines Viehbestands fast ohne Kosten,
...
Im 16.
Jahrhundert kommt ein entscheidend wichtiges Moment hinzu. ... Der
fortdauernde Fall im Wert der edlen Metalle und daher des Geldes trug den
Pächtern goldene Früchte. Er senkte ... den Arbeitslohn.
...
Das
fortwährende Steigen der Preise von Korn, Wolle, Fleisch, kurz sämtlicher
Agrikulturprodukte, schwellte das Geldkapital des Pächters ohne sein
Zutun, während die Grundrente, die er zu zahlen hatte, im veralteten
Geldwert geschrumpft war. So
bereicherte er sich gleichzeitig auf Kosten seiner Landarbeiter und seines
Landbesitzers.
Kein
Wunder also, wenn England Ende des 16. Jahrhunderts eine Klasse für die
damaligen Verhältnisse reicher ‚Kapitalpächter‘ besaß.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23,
771f.
5. Rückwirkung der landwirtschaftlichen
Revolution auf die Industrie.Herstellung des inneren Markts
für das industrielle Kapital
„Die
stoßweise und stets erneuerte Enteignung und Verjagung des
Landvolks lieferte, wie man sah, der städtischen Industrie wieder und
wieder Massen ganz außerhalb der Zunftverhältnisse stehender Proletarier
... Der Verdünnung des unabhängigen, selbstwirtschaftenden Landvolks
entsprach ... die Verdichtung des industriellen
Proletariats, ...
Trotz
der verminderten Zahl seiner Bebauer trug der Boden nach wie vor gleich
viel oder mehr Produkt, weil die Revolution in den
Grundeigentumsverhältnissen von verbesserten Methoden der Kultur, größerer
Kooperation, Konzentration der Produktionsmittel usw. begleitet war ...
Mit dem freigesetzten Teil des Landvolks werden also auch seine früheren
Nahrungsmittel freigesetzt. Sie verwandeln sich jetzt in stoffliche
Elemente des variablen Kapitals. Der an die Luft gesetzte Bauer muss ihren
Wert von seinem neuen Herrn, dem industriellen Kapitalisten, in der Form
des Arbeitslohns erkaufen. Wie mit den Lebensmitteln verhielt es sich mit
dem heimischen landwirtschaftlichem Rohmaterial
der Industrie. Es verwandelte sich in ein Element des konstanten
Kapitals.“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 773f.
„Die Enteignung und Verjagung eines
Teils des Landvolks setzt mit den Arbeitern nicht nur ihre Lebensmittel
und ihr Arbeitsmaterial für das industrielle Kapital frei, sie schafft den
inneren Markt.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 775.
„Früher
erzeugte und bearbeitete die Bauernfamilie die Lebensmittel und Rohstoffe,
die sie nachher größtenteils selbst verzehrte. Diese Rohstoffe und
Lebensmittel sind jetzt Waren geworden; der Großpächter verkauft sie, in
den Manufakturen findet er seinen Markt. Garn, Leinwand, grobe Wollenzeuge
... verwandeln sich jetzt in Manufakturartikel, deren Absatzmarkt gerade
die Landdistrikte bilden. Die zahlreiche zerstreute Kundschaft, bisher
bedingt durch eine Menge kleiner, für eigene Rechnung arbeitender
Produzenten, konzentriert sich jetzt zu einem großen, vom industriellen
Kapital versorgten Markt.“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 775.
„So geht
Hand in Hand mit der Enteignung
früher selbst wirtschaftender Bauern ... die Vernichtung der
ländlichen Nebenindustrie, der Scheidungsprozess von Manufaktur und
Agrikultur.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23,
776.
6.
Entstehung des industriellen Kapitalisten
„Die Entstehung des industriellen
Kapitalisten ging nicht in derselben allmählichen Weise vor wie die des
Pächters. Zweifelsohne verwandelten sich manche kleine Zunftmeister und
noch mehr selbständige kleine Handwerker oder auch Lohnarbeiter in kleine
Kapitalisten und durch allmählich ausgedehntere Ausbeutung von Lohnarbeit und
entsprechende Akkumulation in Kapitalisten schlechthin.“ K.
Marx, Kapital I, MEW 23, 777.
„Aber
das Mittelalter hatte zwei verschiedene Formen des Kapitals überliefert,
die in den verschiedensten ökonomischen Gesellschaftsformationen reifen
... – das Wucherkapital und das Kaufmannskapital.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 778.
„Das
durch Wucher und Handel gebildete Geldkapital wurde durch die
Feudalverfassung auf dem Land und durch die Zunftverfassung in
den Städten an seiner Verwandlung in industrielles Kapital behindert.
Diese Schranken fielen mit der Auflösung der feudalen Gefolgschaften, mit
der Enteignung und teilweisen
Verjagung des Landvolks. Die neue Manufaktur wurde in See-Exporthäfen errichtet
oder auf Punkten des flachen Landes, außerhalb der Kontrolle des alten
Städtewesens und seiner Zunftverfassung.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23,
778.
„Heutzutage
führt industrielle Vorherrschaft die Vorherrschaft über den
Handel mit sich. In der eigentlichen Manufakturperiode dagegen ist
es die Handelsvormacht, die die
industrielle Vorherrschaft gibt.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23,
782.
„Die
Entdeckung der Gold- und Silberländer in Amerika, die Ausrottung,
Versklavung und Vergrabung der eingeborenen Bevölkerung in die Bergwerke,
die beginnende Eroberung und Ausplünderung von Ostindien, die Verwandlung
von Afrika in ein Gehege zur Handelsjagd auf Schwarzhäute bezeichnen die
Morgenröte der kapitalistischen Produktionsära. Diese idyllischen Prozesse
sind Hauptmomente der ursprünglichen Akkumulation. Auf dem Fuß folgt der
Handelskrieg der europäischen Nationen, mit dem Erdrund als Schauplatz. Er
wird eröffnet durch den Abfall der Niederlande von Spanien, nimmt
Riesenumfang an in Englands Antijakobinerkrieg, spielt noch fort in den
Opiumkriegen gegen China usw. Die verschiedenen Momente der ursprünglichen
Akkumulation verteilen sich nun, mehr oder minder in zeitlicher
Reihenfolge, namentlich auf Spanien, Portugal, Holland, Frankreich und
England. ...
Alle
aber benutzten die Staatsmacht, die konzentrierte und organisierte Gewalt
der Gesellschaft, um den Verwandlungsprozess der feudalen in die
kapitalistische Produktionsweise treibhausmäßig zu fördern und die
Übergänge abzukürzen. Die Staatsgewalt ist der Geburtshelfer
jeder alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht. Sie selbst
ist eine ökonomische Potenz.“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 779.
„Die
öffentliche Schuld wird einer der energischsten Hebel der ursprünglichen
Akkumulation. Wie mit dem Schlag der Wünschelrute begabt sie das
unproduktive Geld mit Zeugungskraft und verwandelt es so in Kapital, ohne
dass es dazu nötig hätte, sich der von industrieller und selbst
wucherischen Anlage unzertrennlichen Mühwaltung und Gefahr auszusetzen.
...
Aber
auch abgesehen von der so geschaffenen Klasse müßiger Rentner und von dem
improvisierten Reichtum der zwischen Regierung und Nation die Mittler
spielenden Finanziers ... hat die Staatsschuld die Aktiengesellschaften,
den Handel mit käuflichen
Effekten aller Art, die Agiotage (Gründergewinn von
Aktiengesellschaften) emporgebracht, in einem Wort: das Börsenspiel
und die moderne Bankokratie.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 782f.
„Mit den
Staatsschulden entstand ein internationales Kreditsystem, das häufig eine
der Quellen der ursprünglichen Akkumulation bei diesem oder jenem Volk
versteckt.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23,
783.
„Da die
Staatsschuld ihren Rückhalt in den Staatseinkünften hat, die die
jährlichen Zins- usw. Zahlungen decken müssen, so wurde das moderne
Steuersystem notwendige Ergänzung des Systems der Nationalanleihen. Die
Anleihen befähigen die Regierung, außerordentliche Ausgaben zu bestreiten,
ohne dass der Steuerzahler es sofort fühlt, aber sie erfordern doch für
die Folge erhöhte Steuern. Andererseits zwingt die durch Anhäufung
nacheinander eingegangener
Schulden verursachte Steuererhöhung die Regierung, bei neuen
außerordentlichen Ausgaben stets neue Anleihen aufzunehmen. Die modernen
Staatsfinanzen, deren
Drehungsachse die Steuern auf die notwendigsten Lebensmittel (also deren
Verteuerung) bilden, trägt daher in sich selbst den Keim automatischer
Progression. Die Überbesteuerung ist nicht ein Zwischenfall, sondern
vielmehr Prinzip. ...
Der
zerstörende Einfluss, den es auf die Lage der Lohnarbeiter ausübt, geht
uns hier jedoch weniger an als die durch es bedingte gewaltsame Enteignung des Bauern, des
Handwerkers, kurz aller Bestandteile der kleinen Mittelklasse.“
K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 784.
„Solcher Mühe bedurfte es, ... den
Scheidungsprozess zwischen Arbeitern und Arbeitsbedingungen zu vollziehen,
auf dem einen Pol die gesellschaftlichen Produktions- und Lebensmittel in
Kapital zu verwandeln, auf dem Gegenpol die Volksmasse in Lohnarbeiter, in
freie ‚arbeitende Arme‘,... Wenn das Geld, nach Augier, ‚mit natürlichen
Blutflecken auf einer Backe zur Welt kommt‘ (Marie Augier: Du Crédit Public,
Paris 1842), so das Kapital von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut-
und schmutztriefend.“ K. Marx,
Kapital I, MEW 23, 787f.
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