Durchschnittsprofitrate

1. Problemstellung

Bei unterschiedlicher Umschlagszeit und Zusammensetzung müssen gleich große Kapitale unterschiedlich große Profite erzielen. Die Erfahrung zeigt aber, dass im Allgemeinen gleich große Kapitale in gleichen Zeiträumen gleich große Profite abwerfen, ganz gleich wie sie umschlagen und zusammengesetzt sind.

„Außer der verschiedenen organischen Zusammensetzung der Kapitale, also au­ßer den verschiedenen Massen von Arbeit und damit auch ... von Mehrarbeit, die Kapitale von gleicher Größe in verschiedenen Produktionssphären in Bewegung setzen, besteht noch eine andere Quelle der Ungleichheit der Profitraten: die Ver­schiedenheit in der Länge des Umschlags des Kapitals in verschiedenen Produk­tionssphären.

Wir haben im IV. Kapitel gesehen, dass bei gleicher Zusammensetzung der Ka­pitale und bei sonst gleichen Umständen die Profitraten sich umgekehrt verhalten wie die Umschlagszeiten, und ebenso, dass dasselbe variable Kapital, wenn es in verschiedenen Zeiträumen umschlägt, ungleiche Massen von jährlichem Mehr­wert zuwege bringt. Die Verschiedenheit der Umschlagszeiten ist also ein anderer Grund, warum gleich große Kapitale in verschiedenen Produktionssphären nicht gleich große Profite in gleichen Zeiträumen produzieren und warum daher die Profitraten in diesen verschiedenen Sphären verschieden sind.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 160.

„Wir haben also gezeigt: dass in verschiedenen Industriezweigen, entsprechend der verschiedenen organischen Zusammensetzung der Kapitale, und innerhalb der angegebenen Grenzen auch entsprechend ihren verschiedenen Umschlagszeiten, ungleiche Profitraten herrschen und dass daher auch bei gleicher Mehrwertrate nur für Kapitale von gleicher organischer Zusammensetzung – gleiche Um­schlagszeiten vorausgesetzt – das Gesetz (der allgemeinen Tendenz nach) gilt, dass die Profite sich verhalten wie die Größen der Kapitale und daher gleich gro­ße Kapitale in gleichen Zeiträumen gleich große Profite abwerfen.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 162.

„Wenn ... also gleich große Kapitale in verschiedenen Produktionssphären un­gleiche Profite erzeugen, infolge ihrer verschiedenen organischen Zusammenset­zung, so folgt, dass die Profite ungleicher Kapitale in verschiedenen Produk­tionssphären nicht im Verhältnis zu ihren respektiven Größen stehen können, dass also die Profite in verschie­denen Produktionssphären nicht den Größen der je­weils in ihnen angewandten Kapitale proportional sind.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 159.

„Andererseits unterliegt es keinem Zweifel, dass in der Wirklichkeit, von unwesentlichen, zufälligen und sich ausgleichenden Unterschieden abgesehen, die Ver­schie­denheit der durchschnitt-lichen Profitraten für die verschiedenen Industrie­zweige nicht exis­tiert und nicht existieren könnte, ohne das ganze System der kapitalistischen Produktion aufzuheben.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 162.

Wenn die Profitraten verschiedener Branchen große Unterschiede aufweisen würden, dann würde alles Kapital in die profitableren Branchen strömen, was den Gesamtzusam-menhang der gesellschaftlichen Produktion aufheben würde. Die unprofitableren Branchen würden aussterben, in den profitableren Branchen gäbe es eine große Überproduktion und die Profite würden insgesamt zusammenbre­chen.

„Es scheint also, dass die Werttheorie hier unvereinbar ist mit der wirklichen Be­wegung, unvereinbar mit den tatsächlichen Erscheinungen der Produktion und dass daher überhaupt darauf verzichtet werden muss, die letzteren zu begreifen.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 162.

2. Bildung der Durchschnittsprofitrate

„Die organische Zusammensetzung des Kapitals hängt in jedem aktuellen Mo­ment von zwei Umständen ab: erstens vom technischen Verhältnis der ange­wandten Arbeitskraft zur Masse der angewandten Produktionsmittel; zweitens vom Preis dieser Produk-tionsmittel.

Sie muss, wie wir gesehen, nach ihrem Prozentverhältnis be-trachtet werden.

Die organische Zusammensetzung eines Kapitals, das aus 4/5 konstantem und 1/5 variablem Kapital besteht, drücken wir aus durch die Formel 80 c + 20 v.

Ferner wird bei der Vergleichung eine unveränderliche Rate des Mehrwerts ange­nommen, und zwar eine irgend beliebige Rate, z. B. 100 %.

Das Kapital von 80 c + 20 v wirft also einen Mehrwert von 20 m ab, was auf das Gesamtkapital eine Profitrate von 20 % bildet.

Wie groß nun der wirkliche Wert seines Produkts, hängt davon ab, wie groß der fixe Teil des konstanten Kapitals und wie viel davon als Verschleiß in das Pro­dukt eingeht, wie viel nicht.

Da dieser Umstand aber völlig gleichgültig für die Profitrate und also für die vor­liegende Untersuchung, wird der Vereinfachung halber (zunächst) angenommen, dass das konstante Kapital überall gleichmäßig ganz in das jährliche Produkt die­ser Kapitale eingeht.

Es wird ferner angenommen, dass die Kapitale in den verschiedenen Produk­tionssphären, im Verhältnis zur Größe ihres variablen Teils, jährlich gleich viel Mehrwert realisieren; es wird also vorläufig abgesehen von dem Unterschied, den die Ver-schiedenheit der Umschlagszeiten in dieser Beziehung hervor-bringen kann.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 164.

„Nehmen wir fünf verschiedene Produktionssphären mit jedes Mal verschiede­ner organischer Zusammensetzung der in ihnen angelegten Kapitale, etwa wie folgt: (alle Mehrwertraten = 100 %)“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 164.

Profitraten bei unterschiedlicher Zusammensetzung des Kapitals

Kapital

c + v

Mehrwert

m

Produktenwert

c + v + m

Profitrate

p'

1.

60 c + 40 v

40 m

= 140

p' = 40 %

2.

70 c + 30 v

30 m

= 130

p' = 30 %

3.

80 c + 20 v

20 m

= 120

p' = 20 %

4.

85 c + 15 v

15 m

= 115

p' = 15 %

5.

95 c + 5 v

5 m

= 105

p' = 5 %

1.–5.

390 c +110 v

110 m

= 610

p' = 22 %

Vgl. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 165.

„Wir haben hier für verschiedene Produktionssphären bei gleichmäßiger Aus­beutung der Arbeit sehr verschiedene Profit-raten, entsprechend der verschiedenen organischen Zusammen-setzung der Kapitale.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 165.

„Die Gesamtsumme der in den fünf Sphären angelegten Kapitale (C = c + v) ist = 500; die Gesamtsumme des von ihnen produzierten Mehrwerts = 110; der Ge­samtwert der von ihnen produzierten Waren = 610.

Betrachten wir die 500 als ein einziges Kapital, von dem 1–5 nur verschiedene Teile bilden ...; so wäre erstens die Durchschnittszusammensetzung des Kapitals von 500 = 390 c + 110 v, oder prozentual 78 c + 22 v; ...

ebenso fielen auf jedes 100 als durchschnittlicher Mehrwert 22; daher wäre die Durchschnittsrate des Profits = 22 %, und endlich wäre der Preis von jedem Fünftel des von den 500 produzierten Gesamtprodukts = 122.

Das Produkt von jedem Fünftel des vorgeschossenen Gesamt-kapitals müsste also zu 122 verkauft werden.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 165.

„Es ist ... klar: das gesellschaftliche Gesamtkapital betrachtet, ist die Wertsumme der von ihm produzierten Waren (oder in Geld ausgedrückt ihr Preis) = Wert des konstanten Kapitals + Wert des variablen Kapitals + Mehrwert.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 176.

Warenpreis und Warenwert stimmen nur dann überein, wenn alle Kapitale als ein einziges Gesamtkapital betrachtet werden.

„Es ist klar, dass der Durchschnittsprofit nichts sein kann, als die Gesamtmasse des Mehrwerts, verteilt auf die Kapitalmassen in jeder Produktionssphäre nach Verhältnis ihrer Größen.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 183.

„Dass die Profite ungleich großer Kapitale im Verhältnis ihrer Größen sind, heißt überhaupt nichts, als dass gleich große Kapi-tale gleich große Profite abwerfen oder dass die Profitrate für alle Kapitale gleich ist, welches immer ihre Größe und ihre organische Zusammensetzung.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 159.

„Infolge der verschiedenen organischen Zusammensetzung der in verschiedenen Produktionszweigen angelegten Kapitale; infolge daher des Umstandes, dass je nach dem verschiedenen Prozent-satz, den der variable Teil in einem Gesamtka­pital von gegebener Größe hat, sehr verschiedene Mengen Arbeit von Kapitalen gleicher Größe in Bewegung gesetzt werden, werden auch sehr verschiedene ... Massen Mehrwert von ihnen produziert.

Demgemäss sind die Profitraten, die in verschiedenen Produk-tionszweigen herr­schen, ursprünglich sehr verschieden.

Diese verschiedenen Profitraten werden durch die Konkurrenz zu einer allgemei­nen Profitrate ausgeglichen, welche der Durchschnitt aller dieser verschiedenen Profitraten ist.

Der Profit, der entsprechend dieser allgemeinen Profitrate auf ein Kapital von ge­gebener Größe fällt, welches immer seine organische Zusammensetzung, heißt der Durch­schnittsprofit.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 167.

„Da die allgemeine Profitrate gebildet wird durch den Durchschnitt der verschie­denen Profitraten auf je 100 vom vorgeschossenen Kapital in einem bestimmten Zeitraum, sage einem Jahr, so ist darin auch der durch den Unterschied der Um­schlagszeiten für verschiedene Kapitale hervorgebrachte Unterschied ausgelöscht. Aber diese Unterschiede gehen bestimmend ein in die ver-schiedenen Profitraten der verschiedenen Produktionssphären, durch deren Durchschnitt die allgemeine Profitrate gebildet wird.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 171.

„Man hat im ersten Abschnitt gesehen: Mehrwert und Profit waren identisch, der Masse nach betrachtet. ... Ein Größenunterschied ... war nur zwischen Mehrwerts­rate und Profitrate, nicht zwischen Mehrwert und Profit selbst. ...

Anders verhält es sich, sobald eine allgemeine Profitrate ... hergestellt ist.

Es ist jetzt nur noch Zufall, wenn der in einer besonderen Produktionssphäre wirklich erzeugte Mehrwert und daher Profit mit dem im Verkaufspreis enthalte­nen Profit zusammenfällt.

In der Regel sind Profit und Mehrwert, und nicht bloß ihre Raten, nun wirklich verschiedene Größen.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 176f.

Siehe auch die Artikel:

Profit und Mehrwert

Umschlag und Umschlagszeit des Kapitals

 

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Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.