Freizeit

 

Es versteht sich von selbst, dass die Arbeitszeit ... Basis der frei verfügbaren Zeit (ist) ... K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 253.

Arbeitszeit ... bleibt immer die schaffende Substanz des Reichtums und das Maß des Aufwandes, der seine Produktion verlangt. Aber freie Zeit, verfügbare Zeit, ist der Reichtum selbst teils zum Genuss der Produkte, teils zur freien Tätigkeit, die nicht wie die Arbeit durch den Zwang eines äußeren Zwecks bestimmt ist, der erfüllt werden muss ... K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 253.

 

1. Die Kapitalisten verwandeln möglichst alle Lebenszeit der Lohnarbeiter in Arbeitszeit

Tatsache ist, dass der Mensch nicht seine ganze Zeit braucht zur Produktion seiner Lebensbedürfnisse, dass er über die zum Lebensunterhalt notwendige Arbeitszeit hinaus freie Zeit zur Verfügung hat, also auch zur Mehrarbeit anwenden kann. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 535.

Aber: Es ist keineswegs der Entwicklungsgang der Gesellschaft, dass, weil ein Individuum seine Not befriedigt hat, es nun seinen Überfluss schafft; sondern weil ein Individuum oder eine Klasse von Individuen gezwungen wird, mehr zu arbeiten als zur Befriedigung seiner Not nötig weil Mehrarbeit auf der einen Seite geschaffen wird wird Nichtarbeit und Überflussreichtum auf der anderen geschaffen.

Der Wirklichkeit nach existiert die Entwicklung des Reichtums nur in diesen Gegensätzen. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 305 Anm.

In der kapitalistischen Gesellschaft wird freie Zeit für eine Klasse produziert durch Verwandlung aller Lebenszeit der Massen in Arbeitszeit. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 552.

 

Die Schöpfung von viel freier Zeit außer der notwendigen Arbeitszeit für die Gesellschaft überhaupt und jedes Glied derselben ... diese Schöpfung von Nicht-Arbeitszeit erscheint auf dem Standpunkt des Kapitals, wie aller früheren Stufen, als Nicht-Arbeitszeit, freie Zeit für einige. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 595.

 

Der Arbeiter braucht nur einen halben Arbeitstag z. B. zu arbeiten, um einen ganzen zu leben; ... Der Kapitalist, indem er ... den ganzen Arbeitstag sich aneignet, ... schafft so den Mehrwert seines Kapitals im vorausgesetzten Fall einen halben Tag vergegenständlichte Arbeit. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 239.

 

Nur die Form, worin diese Mehrarbeit dem unmittelbaren Produzenten, dem Ar­beiter, abgepresst wird, unterscheidet die ökonomischen Gesellschaftsformatio­nen, z. B. die Gesellschaft der Sklaverei von der der Lohnarbeit. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 231.

 

Die Summe der notwendigen Arbeit und der Mehrarbeit, der Zeitabschnitte, worin der Arbeiter den Ersatzwert seiner Arbeitskraft und den Mehrwert produ­ziert, bildet die absolute Größe seiner Arbeitszeit den Arbeitstag (...). K. Marx, Kapital I, MEW 23, 244.

 

Der Arbeitstag ist also keine konstante, sondern eine variable Größe. Einer sei­ner Teile ist zwar bestimmt durch die zur beständigen Reproduktion des Arbeiters selbst nötige Arbeitszeit, aber seine Gesamtgröße wechselt mit der Länge oder Dauer der Mehrarbeit. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 246.

 

Obgleich nun der Arbeitstag keine feste, sondern eine fließende Größe ist, kann er andererseits nur innerhalb gewisser Schranken variieren. Seine Minimal­schranke ist jedoch unbestimmbar. Allerdings, setzen wir die ... Mehrarbeit ... = 0, so erhalten wir eine Minimalschranke, nämlich den Teil des Tags, den der Ar­beiter notwendig zu seiner Selbsterhaltung arbeiten muss.

Auf Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise kann die notwendige Arbeit aber immer nur einen Teil seines Arbeitstages bilden, der Arbeitstag sich also nie auf dies Minimum verkürzen. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 246.

Dagegen besitzt der Arbeitstag eine Maximalschranke. Er ist über eine gewisse Grenze hinaus nicht verlängerbar. Diese Maximalschranke ist doppelt bestimmt. Einmal durch die physische Schranke der Arbeitskraft. Ein Mensch kann während des natürlichen Tags von 24 Stunden nur eine bestimmte Menge Lebenskraft verausgaben. ... Während eines Teils des Tags muss die Kraft ruhen, schlafen, während eines anderen Teils hat der Mensch andere physische Bedürfnisse zu be­friedigen, sich zu nähren, reinigen, kleiden usw.

Außer dieser rein physischen Schranke stößt die Verlängerung des Arbeitstags auf moralische Schranken. Der Arbeiter braucht Zeit zur Befriedigung geistiger und sozialer Bedürfnisse, deren Umfang und Zahl durch den allgemeinen Kultur­zustand bestimmt sind.

Die Variation des Arbeitstags bewegt sich daher innerhalb physischer und sozia­ler Schranken. Beide Schranken sind aber sehr elastischer Natur und erlauben den größten Spielraum. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 246f.

Der Kapitalist beruft sich ... auf das Gesetz des Warenaustausches. Er, wie jeder andere Käufer, sucht den größtmöglichen Nutzen aus dem Gebrauchswert seiner Ware herauszuschlagen. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 247.

Der Kapitalist behauptet sein Recht als Käufer, wenn er den Arbeitstag so lang als möglich und womöglich aus einem Arbeitstag zwei zu machen sucht.

Andererseits schließt die spezifische Natur der verkauften Ware eine Schranke ih­res Konsums durch den Käufer ein, und der Arbeiter behauptet sein Recht als Verkäufer, wenn er den Arbeitstag auf eine bestimmte Normalgröße beschränken will.

Es findet hier also ein unversöhnlicher Gegensatz statt, Recht wider Recht, beide gleichmäßig durch das Gesetz des Warenaustausches besiegelt. Zwischen glei­chen Rechten entscheidet die Gewalt.

Und so stellt sich in der Geschichte der kapitalistischen Produktion die Normie­rung des Arbeitstags als Kampf um die Schranken des Arbeitstags dar ein Kampf zwischen dem Gesamtkapitalisten, d. h. der Klasse der Kapitalisten, und dem Gesamtarbeiter, oder der Arbeiterklasse. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 249.

 

2. Arbeitsproduktivität und Arbeitszeit

Es liegt in der Natur des Kapitals, einen Teil der Arbeiterbevölkerung zu überarbeiten und einen anderen (durch Arbeitslosigkeit) zu verarmen. K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 300.

Durch Anwendung arbeitssparender Technologie wird in der Tat die Menge zur Produktion eines gewissen Gegenstandes nötige Arbeit auf ein Minimum reduziert, aber nur, damit ein Maximum von Arbeit in dem Maximum solcher Gegenstände verwertet werde.

Die erste Seite ist wichtig, weil das Kapital hier ganz unabsichtlich die menschliche Arbeit auf ein Minimum reduziert, die Kraftausgabe. Dies wird der emanzipierten Arbeit zugute kommen und ist die Bedingung ihrer Emanzipation. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 589.

Das Kapital ... ist so... Instrument zur Schaffung der Möglichkeiten von gesellschaftlich verfügbarer Zeit, um die Arbeitszeit für die ganze Gesellschaft auf ein fallendes Minimum zu reduzieren, und so die Zeit aller frei für ihre eigene Entwicklung zu machen.

Seine Tendenz ist aber immer, einerseits verfügbare Zeit zu schaffen, andererseits diese in Mehrwertproduktion zu verwandeln. Gelingt ihm das ... zu gut, so leidet es an Überproduktion und dann wird die notwendige Arbeit unterbrochen, weil keine Mehrarbeit vom Kapital verwertet werden kann.

Je mehr dieser Widerspruch sich entwickelt, umso mehr stellt sich heraus, dass das Wachstum der Produktivkräfte nicht mehr gebannt sein kann an die Aneignung fremder Mehrarbeit, sondern die Arbeitermasse selbst ihre Mehrarbeit sich aneignen muss. Hat sie das getan, und hört damit die verfügbare Zeit auf, gegensätzliche Existenz zu haben so wird einerseits die notwendige Arbeitszeit ihr Maß an den Bedürfnissen des gesellschaftlichen Individuums haben, andererseits die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft so rasch wachsen, dass... die verfügbare Zeit aller wächst. Denn der wirkliche Reichtum ist die entwickelte Produktivkraft aller Individuen. Es ist dann keineswegs mehr die Arbeitszeit, sondern die verfügbare Zeit das Maß des Reichtums. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 595f.

 

3. In einer selbstverwalteten Wirtschaft selbstbestimmter Individuen kann die Arbeitszeit maximal verkürzt werden

Maximale Verkürzung der Arbeitszeit erfordert sowohl Steigerung der Produktivität als auch Verteilung der Arbeit auf alle Arbeitsfähigen.

Erst die durch die große Industrie erreichte ungeheure Steigerung der Produktivkräfte erlaubt, die Arbeit auf alle Gesellschaftsmitglieder ohne Ausnahme zu verteilen und dadurch die Arbeitszeit eines jeden so zu beschränken, dass für alle hinreichend freie Zeit bleibt, um sich an den allgemeinen Angelegenheiten der Gesellschaft theoretischen wie praktischen zu beteiligen. Erst jetzt also ist jede herrschende und ausbeutende Klasse überflüssig, ja ein Hindernis der gesellschaftlichen Entwicklung geworden ... F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 169.

Die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsform erlaubt, den Arbeitstag auf die notwendige Arbeit zu beschränken. Jedoch würde die letztere, unter sonst gleich bleibenden Umständen, ihren Raum ausdehnen. Einerseits weil die Lebens­bedingungen des Arbeiters reicher und seine Lebensansprüche größer. Anderer­seits würde ein Teil der jetzigen Mehrarbeit zur notwendigen Arbeit zählen, näm­lich die zur Erzielung eines gesellschaftlichen Reserve- und Akkumulationsfonds nötige Arbeit. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 552.

Intensität und Produktivkraft der Arbeit gegeben, ist der zur materiellen Produk­tion notwendige Teil des gesellschaftlichen Arbeitstags umso kürzer, der für freie, geistige und gesellschaftlicher Betätigung der Individuen eroberte Zeitteil also umso größer, je gleichmäßiger die Arbeit unter alle werkfähigen Glieder der Ge­sellschaft verteilt ist, je weniger eine Gesellschaftsschicht die Naturnotwen­digkeit der Arbeit von sich selbst ab- und einer anderen Schicht zuwälzen kann.

Die absolute Grenze für die Verkürzung des Arbeitstags ist nach dieser Seite hin die Allgemeinheit der Arbeit. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 552.

 

Wenn alle arbeiten müssen, der Gegensatz von Überarbeiteten und Müßiggängern wegfällt und dies wäre jedenfalls die Konsequenz davon, dass das Kapital aufhörte zu existieren, ... und außerdem die Entwicklung der Produktivkräfte, wie das Kapital sie hervorgebracht hat, in Betracht gezogen wird, so wird die Gesellschaft den nötigen Überfluss in 6 Stunden produzieren, mehr als jetzt in 12, und zugleich werden alle 6 Stunden Freizeit, den wahren Reichtum haben; Zeit, die nicht durch unmittelbar produktive Arbeit absorbiert wird, sondern zum Genuss, zur Muße, so dass sie zur freien Tätigkeit und Entwicklung Raum gibt. K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 252.

 

Seitdem Karl Marx diese Gedanken niedergeschrieben hat, ist die Arbeitsproduktivität unter der Kapitalherrschaft um rund das 30fache gesteigert worden. Wären wir selbst Herr über unsere Arbeitszeit und wären wir mit dem Lebensstandard von 1850 zufrieden , dann müsste jeder von uns rund zwei Stunden in der Woche arbeiten.

Die wirkliche Ökonomie Ersparung besteht in Ersparung von Arbeitszeit; ...

diese Ersparung ist aber identisch mit Entwicklung der Produktivkraft.

Also keineswegs Entsagen vom Genuss, sondern Entwickeln von ... Fähigkeiten zur Produktion und daher sowohl der Fähigkeiten, wie der Mittel des Genusses. Die Fähigkeit des Genusses ist Bedingung für die Entwicklung der Fähigkeit zur Produktion ...

Die Ersparung von Arbeitszeit ist gleich Vermehren der freien Zeit, d. h. Zeit für die volle Entwicklung des Individuums...

Die freie Zeit die sowohl Mußezeit als Zeit für höhere Tätigkeit ist hat ihren Besitzer natürlich in ein anderes Subjekt verwandelt und als dies andere Subjekt tritt er dann auch in den unmittelbaren Produktionsprozess. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 599.

 

Die freie Entwicklung der Individualitäten, und daher ... die Reduktion der notwendigen Arbeit der Gesellschaft zu einem Minimum, der dann die künstlerische, wissenschaftliche etc. Ausbildung der Individuen durch die für sie alle freigewordene Zeit und geschaffenen Mittel entspricht. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 593.

Der wirkliche Reichtum der Gesellschaft und die Möglichkeit beständiger Er­weite­rung ihres Reproduktionsprozesses hängt ... nicht ab von der Länge der Mehrarbeit, sondern von ihrer Produktivität und von den mehr oder minder reich­haltigen Produktions­bedingungen, worin sie sich vollzieht.

Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sa­che nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion.

Wie der Wilde mit der Natur ringen muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muss es der Zivilisierte, und er muss es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktions­weisen.

Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnot-wendigkeit, weil die Bedürfnisse sich erweitern, aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehen, dass der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoff­wechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehen.

Aber es bleibt dies immer ein Reich der Notwendigkeit.

Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbst­zweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Not­wendigkeit als seiner Basis aufblühen kann. Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 828.

Siehe auch die Artikel:

Arbeitszeit

Arbeitsproduktivität

 

 

-> Diskussionsforum

Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten. Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.