Reproduktion Reproduktion ist Wiederherstellung und Erneuerung des Ausgangs-zustandes. Jede Ökonomie ist zum Hauptteil auf Reproduktion ausgerichtet. „Welches immer die
gesellschaftliche Form des Produktionsprozesses, er muss kontinuierlich
sein oder periodisch stets von neuem dieselben Stadien durchlaufen. So
wenig eine Gesellschaft aufhören kann zu konsumieren, so wenig kann sie
aufhören zu produzieren. In einem stetigen Zusammenhang und dem
beständigen Fluss seiner Erneuerung betrachtet, ist jeder
gesellschaftlicher Produktionsprozess daher zugleich Reproduktionsprozess
(= Wiederherstellung des Ausgangs-zustandes).“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 591. 1.
Reproduktion der Produktionsmittel 1.1. Reproduktion der
Produktionsmittel im Kapitalismus „Die Bedingungen der
Produktion sind zugleich die Bedingungen der Reproduktion. Keine
Gesellschaft kann fortwährend produzieren, d. h. reproduzieren, ohne
fortwährend einen Teil ihrer Produkte in Produktionsmittel oder Elemente
der Neuproduktion rückzuverwandeln. Unter sonst gleich bleibenden
Umständen kann sie ihren Reichtum nur auf derselben Stufenleiter
reproduzieren oder erhalten, indem sie die, während des Jahres z. B.
verbrauchten Produktionsmittel, d. h. Arbeitsmittel, Rohmateriale und
Hilfsstoffe, in natura durch eine gleiche Menge neuer
Exemplare ersetzt, welches von der jährlichen Produktenmasse abgeschieden
und von neuem dem Produktionsprozess einverleibt wird. Ein bestimmtes
Quantum des jährlichen Produkts gehört also der Produktion.“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 591. 1.2. Reproduktion der
Produktionsmittel in einer
selbstverwalteten Wirtschaft „Ist die
kapitalistische Form der Reproduktion einmal beseitigt, so kommt die Sache
darauf hinaus, dass die Größe des absterbenden und daher in natura zu
ersetzenden Teils des fixen Kapitals (hier des in der Erzeugung der
Konsumtionsmittel fungierenden) in verschiedenen aufeinander
folgenden Jahren wechselt. Ist er in einem Jahr sehr groß ..., so im
folgenden sicher umso geringer. Die zur jährlichen Produktion der
Konsumtionsmittel nötige Masse von Rohstoffen, Halbfabrikaten und
Hilfsstoffen – sonst gleich bleibende Umstände vorausgesetzt – nimmt
deswegen nicht ab; die Gesamtproduktion der Produktionsmittel müsste also
im einen Fall zunehmen, im anderen abnehmen. Diesem kann nur
abgeholfen werden durch fortwährende relative Überproduktion; einerseits
eine gewisse Menge fixes Kapital, das mehr produziert wird,
als direkt nötig ist; andererseits und vor allem Vorrat von
Rohstoff etc., der über die unmittelbaren Bedürfnisse hinausgeht (dies
gilt ganz besonders von Lebensmitteln). Solche Art
Überproduktion ist gleich mit Kontrolle der Gesellschaft über die
gegenständlichen Mittel ihrer eigenen Reproduktion. Innerhalb der
kapitalistischen Gesellschaft aber ist sie ein anarchisches Element.“
K. Marx,
Kapital II, MEW 24, 464f. 2.
Reproduktion der Klassen bzw. Individuen 2.1. Reproduktion der
Lohnarbeiter und Kapitalisten „Hat die Produktion
kapitalistische Form, so die Reproduktion.“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 591. „Der Produktionsprozess wird eingeleitet mit dem Kauf der Arbeitskraft für eine bestimmte Zeit, ... Gezahlt wird der Arbeiter aber erst, nachdem seine Arbeitskraft gewirkt und sowohl ihren eigenen Wert als den Mehrwert in Waren realisiert hat. ... Es ist ein Teil des vom Arbeiter selbst beständig reproduzierten Produkts, das ihm in der Form des Arbeitslohns beständig zurückfließt. Der Kapitalist zahlt ihm den Warenwert allerdings in Geld. Dies Geld ist aber nur die verwandelte Form des Arbeitsprodukts. Während der Arbeiter einen Teil des Produktionsmittels in Produkt verwandelt, rückverwandelt sich ein Teil seines früheren Produkts in Geld. Es ist seine Arbeit von voriger Woche oder vom letzten halben Jahre, womit seine Arbeit von heute oder vom nächsten halben Jahr gezahlt wird.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 592f. „Die Illusion, welche
die Geldform erzeugt, verschwindet sofort, sobald statt des einzelnen
Kapitalisten und des einzelnen Arbeiters Kapitalis-tenklasse und
Arbeiterklasse betrachtet werden. Die Kapitalistenklasse gibt der
Arbeiterklasse beständig in Geldform Anweisungen auf einen Teil des von
der letzteren produzierten und von der ersteren ange-eigneten Produkts.
Diese Anweisungen gibt
der Arbeiter der Kapitalistenklasse ebenso beständig zurück und entzieht
ihr damit den ihm selbst zufallenden Teil seines eigenen Produkts.
Die Warenform des Produkts und die Geldform der Ware verkleiden die Transaktion. Das variable Kapital ist also nur eine besondere historische Erscheinungsform des Fonds von Lebensmitteln oder des Arbeitsfonds, den der Arbeiter zu seiner Selbsterhaltung und Reproduktion bedarf und den er in allen Systemen der gesellschaftlichen Produktion stets selbst produzieren und reproduzieren muss.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 593. „Einerseits verwandelt
der Produktionsprozess fortwährend den stofflichen Reichtum in Kapital, in
Verwertungs- und Genussmittel für den Kapitalisten. Andererseits kommt der
Arbeiter beständig aus dem Prozess heraus, wie er in ihn eintrat –
persönliche Quelle des Reichtums, aber entblößt von allen Mitteln, diesen
Reichtum für sich zu verwirklichen. ... Der Arbeiter selbst produziert daher beständig den objektiven Reichtum als Kapital, ihm fremde, ihn beherrschende und ausbeutende Macht, und der Kapitalist produziert ebenso beständig die Arbeitskraft als subjektive, von ihren eigenen Vergegenständlichungs- und Verwirk-lichungsmitteln getrennte, abstrakte, in der bloßen Leiblichkeit des Arbeiters existierende Reichtumsquelle, kurz den Arbeiter als Lohnarbeiter. Diese beständige Reproduktion oder Verewigung des Arbeiters ist die unerlässliche Voraussetzung der kapitalistischen Produktion.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 595f. „Die Konsumtion des
Arbeiters ist doppelter Art. In der Produktion selbst konsumiert er durch
seine Arbeit Produktionsmittel und ver-wandelt sie in Produkte von höherem
Wert als dem des vorgeschossenen Kapitals. Dies ist seine produktive
Konsumtion. Sie ist gleichzeitig Konsumtion seiner Arbeitskraft durch den
Kapitalisten, der sie gekauft hat. Andererseits verwendet
der Arbeiter das für den Kauf der Arbeitskraft gezahlte Geld in
Lebensmittel: dies ist seine individuelle Konsumtion. Die produktive und
die individuelle Konsumtion des Arbeiters sind also total verschieden. In
der ersten handelt er als bewegende Kraft des Kapitals und gehört dem
Kapitalisten; in der zweiten gehört er sich selbst und verrichtet
Lebensfunktionen außerhalb des Produktions-prozesses. Das Resultat der
einen ist das Leben des Kapitalisten, das der andern ist das Leben des
Arbeiters selbst. Bei der Betrachtung des ‚Arbeitstags‘ usw. zeigte sich ..., dass der Arbeiter oft gezwungen ist, seine individuelle Konsumtion zu einem bloßen Zusatz des Produktionsprozesses zu machen. In diesem Fall setzt er sich Lebensmittel zu, um seine Arbeitskraft im Gang zu halten, wie der Dampfmaschine Kohle und Wasser, dem Rad Öl zugesetzt wird. Seine Konsumtionsmittel sind dann bloße Konsumtionsmittel eines Produktionsmittels, seine individuelle Konsumtion direkt produktive Konsumtion.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 596f. „Die Reproduktion der Arbeiterklasse schließt zugleich die Überlieferung und Häufung des Geschicks von einer Generation zur anderen ein.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 599. „Wenn der Kapitalist
einen Teil seines Kapitals in Arbeitskraft umsetzt, verwertet er damit
sein Gesamtkapital. Er schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Er
profitiert nicht nur von dem, was er vom Arbeiter empfängt, sondern auch
von dem, was er ihm gibt. Das im Austausch gegen Arbeitskraft veräußerte
Kapital wird in Lebensmittel verwandelt, deren Konsumtion dazu dient,
Muskel, Nerven, Knochen, Hirn vorhandener Arbeiter zu reproduzieren und
neue Arbeiter zu zeugen. Innerhalb der Grenzen des absolut Notwendigen ist
daher die individuelle Konsumtion der Arbeiterklasse Rückverwandlung der
vom Kapital gegen Arbeitskraft veräußerten Lebensmittel in vom Kapital neu
ausbeutbare Arbeitskraft. Sie ist Produktion und Reproduktion des
dem Kapitalisten unent-behrlichsten Produktionsmittels, des Arbeiters
selbst. Die individuelle
Konsumtion des Arbeiters bleibt also ein Moment der Produktion und
Reproduktion des Kapitals, ob sie innerhalb oder außerhalb der Werkstatt,
Fabrik usw., innerhalb oder außerhalb des Arbeitsprozesses vorgeht, ganz
wie die Reinigung der Maschine ein Moment der Produktion und
Reproduktion des Kapitals bleibt, ob sie während des Arbeitsprozesses
oder bestimmter Pausen desselben geschieht. Es tut nichts zur Sache, dass der Arbeiter seine individuelle Konsumtion sich selbst und nicht dem Kapitalisten zuliebe vollzieht. So bleibt der Konsum des Lastviehs nicht minder ein notwendiges Moment des Produktionsprozesses, weil das Vieh selbst genießt, was es frisst.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 597. „Von
gesellschaftlichem Standpunkt ist also die Arbeiterklasse, auch außerhalb
des unmittelbaren Arbeitsprozesses, ebenso sehr Zubehör des Kapitals als
das tote Arbeitsinstrument. ... Der römische Sklave
war durch Ketten, der Lohnarbeiter ist durch unsichtbare Fäden an seinen
Eigentümer gebunden. Der Schein seiner Unabhängigkeit wird durch den
beständigen Wechsel der individuellen Lohnherrn und den rechtlichen
Schein des Kontrakts aufrechterhalten. Früher machte das
Kapital, wo es ihm nötig erschien, sein Eigentums-recht auf den freien
Arbeiter durch Zwangsgesetz geltend. So war z. B. die Emigration der
Maschinenarbeiter in England bis 1815 bei schwerer Strafe verboten.“
K. Marx,
Kapital I, MEW 23, 598f. In der DDR und den anderen Ländern des Sowjetsystems wurde durch Ausreiseverbote und den Bau der Mauer demonstriert, dass die Arbeiter auch im Sowjetsystem nicht sich selbst, sondern den Parteibürokraten gehörten. „Der kapitalistische
Produktionsprozess reproduziert also durch seinen eigenen Vorgang die
Scheidung zwischen Arbeitskraft und Arbeits-bedingungen. Er reproduziert
und verewigt damit die Ausbeutungs-bedingungen des Arbeiters. Er
zwingt beständig den Arbeiter zum Verkauf seiner Arbeitskraft, um zu
leben, und befähigt beständig den Kapitalisten zu ihrem Kauf, um sich zu
bereichern. Es ist nicht mehr der Zufall, welcher Kapitalist und Arbeiter
als Käufer und Verkäufer einander auf dem Warenmarkt gegenüberstellt. Es
ist die Zwickmühle des Prozesses selbst, die den einen stets als Verkäufer
seiner Arbeitskraft auf den Warenmarkt zurückschleudert und sein eigenes
Produkt stets in das Kaufmittel des anderen
verwandelt. In der Tat gehört der
Arbeiter dem Kapital, bevor er sich dem Kapitalisten verkauft. Seine
ökonomische Hörigkeit ist zugleich vermittelt und zugleich versteckt durch
die periodische Erneuerung seines Selbstverkaufs, den Wechsel seiner
individuellen Lohnherrn und die Schwankungen im Marktpreis der
Arbeit.“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 603. „Der kapitalistische
Produktionsprozess, im Zusammenhang betrachtet oder als
Reproduktionsprozess, produziert also nicht nur Ware, nicht nur Mehrwert,
er produziert und reproduziert das Kapitalverhältnis selbst, auf der einen
Seite den Kapitalisten, auf der anderen den Lohnarbeiter.“ K. Marx, Kapital I,
MEW 23, 604. 2.2. Reproduktion der
Individuen einer selbstbestimmten Gesellschaft „Stellen wir uns ...
einen Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen
Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen Arbeitskräfte
selbstbewusst als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben. ... Das
Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil
dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Es bleibt
gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den
Vereinsgliedern verzehrt. Er muss daher unter sie verteilt werden. Die Art
dieser Verteilung wird wechseln mit der besonderen Art des
gesellschaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechenden
geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten. Nur zur Parallele mit
der Warenproduktion setzen wir voraus, der Anteil jedes Produzenten an den
Lebensmitteln sei bestimmt durch seine Arbeitszeit. Die Arbeitszeit würde
also eine doppelte Rolle spielen. Ihre gesellschaftlich planmäßige
Verteilung regelt die richtige Proportion der verschiedenen
Arbeitsfunktionen zu den verschiedenen Bedürfnissen. Andererseits dient
die Arbeitszeit zugleich als Maß des individuellen Anteils des Produzenten
an der Gemeinarbeit und daher auch an dem individuell verzehrbaren Teil
des Gemeinprodukts. Die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu
ihren Arbeiten und ihren Arbeitsprodukten bleiben hier durchsichtig
einfach in der Produktion sowohl als in der Verteilung.“
K. Marx,
Kapital I, MEW 23, 92f.
Siehe auch die Artikel:
|
Zur
Zitierweise: Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete
Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum
Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als
Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder
auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er
selbst hingewiesen: „Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund
Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396. Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff. |