Revenue

 

Revenue ist jedes regelmäßiges Einkommen, das für den eigenen Lebensunterhalt benutzt wird.

In diesem allgemeinen Sinn ist der Lohn für die Lohnarbeiter Revenue. Die Staatsdiener entnehmen ihre Revenue dem Steueraufkommen. Die Grundbesitzer und Kapitalisten entnehmen ihre Revenue dem Mehrwert. Der restliche Mehrwert wird akkumuliert, das heißt in zusätzliches Kapital verwandelt.

 

In einigen Fällen war Revenue bei Karl Marx wie in der klassischen Wirtschaftstheorie auch gleichbedeutend mit dem kapitalistischen Einkommen, also dem gesamten Mehrwert.

Der Leser wird bemerken, dass das Wort kapitalistische Revenue doppelt gebraucht wird, erstens um den Mehrwert als periodisch aus dem Kapital entspringende Frucht, zweitens um den Teil dieser Frucht zu bezeichnen, der vom Kapitalisten periodisch verzehrt oder zu seinem Konsumtionsfonds geschlagen wird. Ich behalte diesen Doppelsinn bei, weil er mit dem Sprachgebrauch der englischen und französischen Ökonomen harmoniert. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 618 Anm. 33.

 

1. Revenue als Konsumtionsfonds der Gesamtgesellschaft - der Kuchen der für privaten Konsum verteilt wird

Bei der Betrachtung der Verteilungsverhältnisse geht man meist von der angeblichen Tatsache aus, dass das jährliche Produkt sich als Arbeitslohn, Profit und Grundrente verteilt. Aber so ausgesprochen ist die Tatsache falsch. Das Produkt verteilt sich auf der einen Seite in Kapital und auf der anderen in Revenuen. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 885.

 

Was den Fundus angeht, woraus die Kapitalisten und Grundbesitzer ihre Revenue ziehen, andererseits der Fundus, woraus die Arbeiter sie ziehen, so ist zunächst das Gesamtprodukt dieser gemeinsame Fundus. Ein großer Teil der Produkte, die in die Konsumtion der Kapitalisten und Grundbesitzer eingehen, geht nicht in die Konsum-tion der Arbeiter ein. Andererseits gehen ... tatsächlich mehr oder minder alle Produkte, die in die Konsumtion der Arbeiter eingehen, auch in die der Grundbesitzer und Kapitalisten, ihre Dienstleute, Schmarotzer, Hunde und Katzen eingerechnet, ein. ...

Das Wichtige ist, welche jeweiligen Anteile jede der Parteien aus diesem gemeinschaftlichen Fundus ziehen. K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 567.

 

Übrigens der Staat selbst und was drum und dran hängt, gehört zu diesen Abzügen von der Revenue, sozusagen den Konsumtionskosten für den Einzelnen, den Produktionskosten für die Gesellschaft. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 430.

 

1.1. Lohn ist die Revenue der Lohnarbeiter

Ich habe bei dem Austausch zwischen Kapital und gesamtgesell-schaftlicher Revenue auch den Arbeitslohn als Revenue betrachtet ... K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 242.

Unterscheiden wir: Die Arbeitskraft ist Ware, nicht Kapital, in der Hand des Arbeiters, und sie konstituiert für ihn eine Revenue, soweit er deren Verkauf beständig wiederholen kann; ... K. Marx, Kapital II, MEW 24, 380.

Das variable Kapital der Teil ihres Produkts, der es darstellt bildet die Lohnsumme, die Revenue des Arbeiters. K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 243.

Einerseits hat der Arbeiter nicht mitzusprechen bei der Teilung des gesellschaftlichen Reichtums in Genussmittel der Nichtarbeiter und in Produktionsmittel. Andererseits kann er nur in günstigen Ausnahmefällen den sog. Arbeitsfonds (= die Gesamtlohnsumme) auf Kosten der Revenue der Reichen erweitern. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 638.

 

1.2. Den aus unbezahlter Arbeit gewonnenen Mehrwert teilt der industrielle Kapitalist mit anderen Kapitalisten und den Grundbesitzern

Der Kapitalist, der den Mehrwert produziert, d. h. unbezahlte Arbeit unmittelbar aus den Arbeitern auspumpt und in Waren fixiert, ist zwar der erste Aneigner, aber keineswegs der letzte Eigentümer dieses Mehrwerts. Er hat ihn hinterher zu teilen mit Kapitalisten, die andere Funktionen im Großen und Ganzen der gesellschaftlichen Produktion vollziehen, mit dem Grundeigentümer usw. Der Mehrwert spaltet sich daher in verschiedene Teile. Seine Bruchstücke fallen verschiedenen Kategorien von Personen zu und erhalten verschiedene, gegeneinander selbständige Formen, wie Profit, Zins, Handelsgewinn, Grundrente usw. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 589.

 

1.2.1. Grundrente

Was der industrielle Kapitalist an den Grundrentner ... abgeben muss, vermindert absolut seinen Reichtum. K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 254.

Das Grundeigentum hat mit dem wirklichen Produktionsprozess nichts zu schaffen. Seine Rolle beschränkt sich darauf, einen Teil des produzierten Mehrwerts aus der Tasche des Kapitals in seine eigene hinüberzuführen. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 829.

Die kapitalistische Produktion ... könnte ... ungestört fortgehen, wenn der Grundrentner verschwände und der Staat an seine Stelle träte. Der Privatgrundeigentümer ... ist kein notwendiger Produktionsagent ... für die kapitalistische Produktion ... K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 148.

 

1.2.2. Handelsgewinn

Da das Kaufmannskapital selbst keinen Mehrwert erzeugt, so ist klar, dass der Mehrwert, der in der Form des Durchschnittsprofits auf es fällt, einen Teil des von dem gesamten produktiven Kapital erzeugten Mehrwerts bildet. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 293.

Der Produktionspreis oder der Preis, wozu der industrielle Kapitalist ... an den Kaufmann verkauft, ist ... kleiner als der wirkliche Produktionspreis der Ware; oder, wenn wir die Gesamtheit der Waren betrachten, so sind die Preise, wozu die industrielle Kapi­talistenklasse sie verkauft, kleiner als ihre Werte ... K. Marx, Kapital III, MEW 25, 297.

Wie das industrielle Kapital nur Profit realisiert, der als Mehrwert schon im Wert der Ware steckt, so das Handelskapital nur, weil der ganze Mehrwert oder Profit noch nicht realisiert ist in dem vom industriellen Kapital realisierten Preis der Ware.

Der Verkaufspreis des Kaufmanns steht so über dem Einkaufspreis, nicht weil der Verkaufspreis über, sondern weil der Einkaufspreis unter dem Totalwert steht. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 297.

 

1.2.3. Zins

Der Zins ... erscheint ur­sprünglich, ist ursprünglich, und bleibt in Wirklichkeit nichts als ein Teil des Pro­fits, d. h. des Mehrwerts, den der fungierende Kapitalist, Industrieller oder Kauf­mann, soweit er nicht sein eigenes Kapital, sondern geliehenes Kapital anwendet, wegzahlen muss an den Eigentümer und Verleiher dieses Kapitals. Wendet er nur eigenes Kapital an, so findet keine solche Teilung des Profits statt; dieser gehört ihm ganz. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 383.

Es ist in der Tat nur die Trennung der Kapitalisten in Geldkapitalisten und in­dus­trielle Kapitalisten, die einen Teil des Profits in Zins verwandelt, die überhaupt die Kategorie des Zinses schafft; ... K. Marx, Kapital III, MEW 25, 383.

 

1.3. Jede individuelle Mehrwertbeute (Grundrente, Handelsgewinn, Zins oder Profit) teilt sich in private Revenue und zusätzliches (akkumuliertes) Kapital

In der Tat zerfällt der Mehrwert, den der Arbeiter schafft, in Revenue und Kapital, d. h. in Konsumtionsmittel und in zusätzliche Produktionsmittel. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 857

Ein Teil des Mehrwerts wird vom Kapitalisten als Revenue verzehrt, ein anderer Teil als Kapital angewandt und akkumuliert.

Bei gegebener Masse des Mehrwerts wird der eine dieser Teile umso größer sein, je kleiner der andere ist. Alle anderen Umstände als gleich bleibend genommen, bestimmt das Verhältnis, worin diese Teilung sich vollzieht, die Größe der Akkumulation.

Wer aber diese Teilung vornimmt, das ist der Eigentümer des Mehrwerts, der Kapitalist. Sie ist also sein Willensakt. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 617f.

 

1.4. Die Revenue aller unproduktiven Dienstleister stammt

aus der Revenue der Lohnarbeiter, Kapitalisten und Grundbesitzer

... Unproduktive Arbeit ... ist Arbeit, die sich nicht gegen Kapital, sondern unmittelbar gegen Revenue austauscht, also gegen Lohn oder Profit (natürlich auch gegen die verschiedenen Rubriken, die als Teilhaber am Profit des Kapitalisten partizipieren, wie Zins und Renten). K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 127.

In der bürgerlichen Gesellschaft selbst gehört in diese Rubrik aller Austausch persönlicher Dienstleistungen auch Arbeit für persönlichen Konsum, Kochen, Nähen etc. Gartenarbeit etc. bis herauf zu den sämtlichen unproduktiven Klassen, Staatsdiener, Ärzte, Advokaten, Gelehrte etc. gegen Revenue in diese Kategorie. Alles Hauspersonal. Alle diese Arbeiter, vom geringsten bis zum höchsten, vermitteln sich durch ihre Dienstleistungen oft aufgezwungene einen Anteil am Mehrprodukt, an der Revenue des Kapitalisten (und zum geringeren Teil auch an der Revenue der Arbeiter). K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, S. 372.

Von der Hure bis zum Papst gibt es eine Masse solchen Gesindels. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 183.

 

Was der industrielle Kapitalist an ... Staat, Staatsgläubiger, Kirche usw. die bloß Revenue verzehren, abgeben muss, vermindert absolut seinen Reichtum. K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 254.

 

Alle nicht direkt in der Reproduktion, mit oder ohne Arbeit, figurierenden Gesellschaftsmitglieder können ihren Anteil am jähr-lichen Warenprodukt also ihre Konsumtionsmittel ... nur beziehen aus den Händen der Klassen, denen das Produkt in erster Hand zufällt produktiven Arbeitern, industriellen Kapitalisten und Grundbesitzern. Insofern sind ihre Revenuen in Wirklichkeit abgeleitet von Arbeitslohn (der produktiven Arbeiter), Profit und Bodenrente und erscheinen daher jenen Originalrevenuen als abgeleitete. K. Marx, Kapital II, MEW 24, 372.

 

Es ist aber unter allen Umständen klar: Je mehr von der Revenue (Lohn und Profit) in den von dem Kapital produzierten Waren verausgabt wird, desto weniger davon kann in den Dienstleistungen der unproduktiven Arbeiter verausgabt werden, und umgekehrt. K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 128.

 

... Dem Schaffen der Mehrarbeit auf der einen Seite entspricht ein Schaffen von Minus-Arbeit, relativem Müßiggang (oder nicht-produktiver Arbeit im besten Fall) auf der anderen. ... also von den vom Mehrprodukt lebenden Verarmten, Diener, Speichellecker etc., kurz dem ganzen Gefolge von Schmarotzern; dem Teil der dienenden Klasse, der nicht von Kapital, sondern von Revenue lebt. K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 304 Anm.

 

... Mit der Akkumulation des Kapitals ... (wächst) die kapitalistische Revenue beständig ..., dem Wert und der Quantität nach. Aber deswegen wird nicht in demselben Verhältnis ein großer Teil des Gesamtprodukts in Arbeitslohn ausgelegt. Die nicht von der Arbeit direkt lebenden Klassen und Unterklassen vermehren sich, leben besser als früher, und ebenso vermehrt sich die Zahl der unproduktiven Arbeiter. K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 564.

 

... Zwischen Arbeiter auf der einen Seite, Kapitalist und Grundbesitzer auf der anderen Seite, vermehren sich beständig die in der Mitte stehenden und sich in stets größerem Umfang, großenteils von der Revenue direkt ernährenden Mittelklassen, die als eine Last auf der arbeitenden Unterlage lasten und die soziale Sicherheit und Macht der oberen Zehntausend vermehren. K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 576.

 

Wenn produktive Arbeiter solche sind, die vom Kapital, und unproduktive solche, die von der Revenue bezahlt werden, so verhält sich offenbar die produktive Klasse zur unproduktiven wie das Kapital zur Revenue.

Indes wird das proportionale Wachsen beider Klassen nicht nur von dem existierenden Verhältnis zwischen der Masse der Kapitalien und der Masse der Revenuen abhängen. Es wird davon abhängen, in welchem Verhältnis die wachsende Revenue (Profit) sich in Kapital verwandelt oder als Revenue verausgabt wird.

Obgleich die Bourgeoisie ursprünglich sehr sparsam ist, macht sie bei wachsender Produktivität des Kapitals, i. e. der Arbeiter, die Klientel-wirtschaft der Feudalen nach. Nach dem letzen Report (1861 oder 1862) über die Fabriken betrug die gesamte Anzahl der in den eigentlichen Fabriken des Vereinigten Königreichs angewandten Personen (Manager eingeschlossen) nur 775.534, während die Anzahl der weiblichen Dienstboten in England allein 1 Million betrug.

Welch schöne Einrichtung, die ein Fabrikmädchen 12 Stunden in der Fabrik schwitzen lässt, damit der Fabrikherr mit einem Teil ihrer unbezahlten Arbeit ihre Schwester als Magd, ihren Bruder als Diener und ihren Vetter als Soldat oder Polizist in seinen persönlichen Dienst nehmen kann! K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 171.

 

Siehe auch die Artikel:

Akkumulation von Kapital

Produktive und unproduktive Arbeit

Distribution (Verteilung)

Grundrente

Handelskapital

Konsum

Zins und zinstragendes Kapital

 

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Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten. Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.