Revolution

 

1. Wann kommen Revolutionen?

1.1. Revolutionen benötigen bestimmte materielle und soziale Bedingungen

Eine radikale soziale Revolution ist an gewisse historische Bedingungen der ökonomischen Entwicklung geknüpft; letztere sind ihre Voraussetzung. Sie ist also nur möglich, wo mit der kapitalistischen Produktion das industrielle Proletariat wenigstens eine bedeutende Stellung in der Volksmasse einnimmt. K. Marx, Konspekt zu Bakunin, MEW 8, 633.

 

Die Revolutionen bedürfen nämlich eines passiven Elements, einer materiellen Grundlage. Die Theorie wird in einem Volke immer nur so weit verwirklicht, als sie die Verwirklichung seiner Bedürfnisse ist. ... Es genügt nicht, dass der Gedanke zur Verwirklichung drängt, die Wirklichkeit muss sich selbst zum Gedanken drängen. K. Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, MEW 1, 386.

 

Wir erhalten folgende Resultate aus der entwickelten Geschichts-betrachtung:

1. In der Entwicklung der Produktivkräfte tritt eine Stufe ein, auf welcher Produktionskräfte und Verkehrsmittel hervorgerufen werden, welche unter den bestehenden Verhältnissen nur Unheil anrichten, welche keine Produktionskräfte mehr sind, sondern Destruktions-kräfte ... und was damit zusammenhängt, dass eine Klasse hervorgerufen wird, welche alle Lasten der Gesellschaft zu tragen hat, ohne ihre Vorteile zu genießen, welche aus der Gesellschaft herausgedrängt, in den entschiedensten Gegensatz zu allen anderen Klassen gezwungen wird; eine Klasse, die die Mehrheit aller Gesellschaftsmitglieder bildet und von der das Bewusstsein über die Notwendigkeit einer gründlichen Revolution, das kommunistische Bewusstsein, ausgeht, das sich natürlich auch unter den anderen Klassen vermittels der Anschauung der Stellung dieser Klasse bilden kann;

2. dass die Bedingungen, innerhalb deren bestimmte Produktionskräfte angewandt werden können, die Bedingungen der Herrschaft einer bestimmten Klasse der Gesellschaft sind, deren soziale, aus ihrem Besitz hervorgehende Macht in der jedesmaligen Staatsform ihren praktischen ... Ausdruck hat, und deshalb jeder revolutionäre Kampf gegen eine Klasse, die bisher geherrscht, sich richtet;

3. dass in allen bisherigen Revolutionen die Art der Tätigkeit stets unangetastet blieb und es sich nur um eine andere Verteilung dieser Tätigkeit, um eine neue Verteilung der Arbeit an andere Personen handelte, während die kommunistische Revolution sich gegen die bisherige Art der Tätigkeit richtet, die (Lohn-)Arbeit beseitigt und die Herrschaft aller Klassen mit den Klassen selbst aufhebt .... K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 69f.

 

Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischem Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um.

Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind.

Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, dass die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozess ihres Werdens begriffen sind. K. Marx, Kritik der politischen Ökonomie, MEW 13, 9.

 

Die Spaltung der Gesellschaft in eine ausbeutende und eine ausge-beutete, eine herrschende und eine unterdrückte Klasse war die notwendige Folge der früheren geringeren Entwicklung der Produktion. Solange die gesellschaftliche Gesamtarbeit nur einen Ertrag liefert, der das zur notdürftigen Existenz aller Erforderliche nur um wenig übersteigt, solange also die Arbeit alle oder fast alle Zeit der großen Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder in Anspruch nimmt, solange teilt sich diese Gesellschaft notwendig in Klassen. Neben der ausschließlich zur Arbeit gezwungenen großen Mehrheit bildet sich eine von direkt-produktiver Arbeit befreite Klasse, die die gemeinsamen Angelegen-heiten der Gesellschaft besorgt: Arbeitsleitung, Staatsgeschäfte, Justiz, Wissenschaften, Künste usw. Es ist also das Gesetz der Arbeitsteilung, das der Klassenteilung zugrunde liegt. ...

Aber wenn hiernach die Einteilung in Klassen eine gewisse geschicht-liche Berechtigung hat, so hat sie eine solche nur für einen gegebenen Zeitraum, für gegebene gesellschaftliche Bedingungen. Sie gründet sich auf die Unzulänglichkeit der Produktion; sie wird weggefegt werden durch die volle Entfaltung der modernen Produktivkräfte.

Und in der Tat hat die Abschaffung der gesellschaftlichen Klassen zur Voraussetzung einen geschichtlichen Entwicklungsgrad, auf dem das Bestehen nicht bloß dieser oder jener bestimmten herrschenden Klasse, sondern einer herrschenden Klasse überhaupt ... ein Anachronismus geworden ... ist. Die Abschaffung der gesellschaftlichen Klassen hat also zur Voraussetzung einen Höhegrad der Entwicklung der Produktion, auf dem Aneignung der Produktionsmittel und Produkte und damit der politischen Herrschaft, des Monopols der Bildung und der geistigen Leitung durch eine besondere Gesellschaftsklasse nicht nur überflüssig, sondern auch ökonomisch, politisch und intellektuell ein Hindernis der Entwicklung geworden ist. Dieser Punkt ist jetzt erreicht. F. Engels, Entwicklung des Sozialismus, MEW 19, 225.

 

1.2. Revolutionen benötigen bestimmte aktuelle Situationen

Bei einer allgemeinen Wirtschaftsblüte, worin die Produktivkräfte der bürgerlichen Gesellschaft sich so üppig entwickeln, wie dies innerhalb der bürgerlichen Verhältnisse überhaupt möglich ist, kann von einer wirklichen Revolution keine Rede sein.

Eine solche Revolution ist nur in den Perioden möglich, wo diese beiden Faktoren, die modernen Produktivkräfte und die bürger-lichen Produktionsformen, miteinander in Widerspruch geraten. Eine neue Revolution ist nur möglich im Gefolge einer neuen Krise. Sie ist aber auch ebenso sicher wie diese. K. Marx, Klassenkämpfe in Frankreich, MEW 7, 98.

 

2. Wer macht die soziale Revolution?

2.1. Nicht Revolutionäre machen Revolution,

Revolutionen machen vielmehr die Revolutionäre

Die Kommunisten wissen zu gut, dass alle Verschwörungen nicht nur nutzlos, sondern sogar schädlich sind. Sie wissen zu gut, dass Revolutionen nicht absichtlich und willkürlich gemacht werden, sondern dass sie überall und zu jeder Zeit die notwendige Folge von Umständen waren, welche von dem Willen und der Leitung einzelner Parteien und ganzer Klassen durchaus unabhängig sind. F. Engels, Grundsätze des Kommunismus, MEW 4, 372.

 

Die Zeiten jenes Aberglaubens, der Revolutionen auf die Bösartigkeit einer Handvoll Agitatoren zurückführt, sind längst vorüber. Alle Welt weiß heutzutage, dass jeder revolutionären Erschütterung ein gesellschaftliches Bedürfnis zugrunde liegen muss, dessen Befriedigung durch überlebte Einrichtungen verhindert wird. Das Bedürfnis mag noch nicht so dringend, so allgemein empfunden werden, um einen unmittelbaren Erfolg zu sichern; aber jeder Versuch einer gewaltsamen Unterdrückung wird es nur immer stärker hervortreten lassen, bis es seine Fesseln zerbricht. F. Engels, Revolution in Deutschland, MEW 8, 5.

 

Man spricht von Ideen, welche eine ganze Gesellschaft revolutionieren; man spricht damit nur die Tatsache aus, dass sich innerhalb der alten Gesellschaft die Elemente einer neuen gebildet haben, dass mit der Auflösung der alten Lebensverhältnisse die Auflösung der alten Ideen gleichen Schritt hält. K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 480.

 

Die Geschichte zeigt, dass sowohl zur massenhaften Erzeugung des kommunistischen Bewusstseins wie zur Durchsetzung der Sache selbst eine massenhafte Veränderung der Menschen nötig ist, die nur in einer praktischen Bewegung, in einer Revolution vor sich gehen kann; dass also die Revolution nicht nur nötig ist, weil die herrschende Klasse auf keine andere Weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen alten Dreck vom Halse zu schaffen und zu einer neuen Begründung der Gesellschaft befähigt zu werden. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 70.

 

Schließlich erhalten wir noch folgende Resultate ..., dass sowohl zur massenhaften Erzeugung dieses kommunistischen Bewusstseins wie zur Durchsetzung der Sache selbst eine massenhafte Veränderung der Menschen nötig ist, die nur in einer praktischen Bewegung, in einer Revolution vor sich gehen kann; dass also die Revolution nicht nur nötig ist, weil die herrschende Klasse auf keine andere Weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen alten Dreck vom Halse zu schaffen und zu einer neuen Begründung der Gesellschaft befähigt zu werden. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 69f.

 

Gerade die rasche, heftige Entwicklung des Klassenwiderspruchs macht in alten, komplizierten gesellschaftlichen Organismen die Revolution zu einer so mächtigen Triebkraft des sozialen und politi-schen Fortschritts; gerade das unaufhörliche, schnelle Emporschießen neuer Parteien, die nacheinander an der Macht sind, lässt eine Nation in Zeiten so heftiger Erschütterungen in fünf Jahren weiter vorankommen als unter normalen Verhältnissen in einem Jahrhundert. F. Engels, Revolution und Konterrevolution in Deutschland, MEW 8, 36.

 

In der revolutionären Tätigkeit fällt das Sich-Verändern mit dem Verändern der Umstände zusammen. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 195.


 

2.2. Eine freie Gesellschaft selbstbestimmter Individuen wird durch bewusstes Handeln der großen Mehrheit geschaffen

Der Proletarier z. B., der ... seine Bedürfnisse ... befrieden will, wie jeder andere Mensch, und der nicht einmal die ihm mit jedem anderen Menschen gemeinsamen Bedürfnisse befriedigen kann, den die Notwendigkeit einer vierzehnstündigen Arbeit zu gleicher Stufe mit dem Lasttier herabdrückt, den die Konkurrenz zu einer Sache, einem Handelsartikel herabdrückt, der aus seiner Stellung als bloße Produktivkraft, der einzigen, die ihm übrig gelassen wurde, durch andere gewaltigere Produktivkräfte verdrängt wird dieser Proletarier hat schon hierdurch die wirkliche Aufgabe, seine Verhältnisse zu revolutionieren. ...

Wenn übrigens z. B. der Kapitalist dem Lohnarbeiter vorhält, Er, Lohnarbeiter habe die menschliche Aufgabe, vierzehn Stunden täglich zu arbeiten, so hat der Lohnarbeiter ganz recht, in derselben Sprache zu antworten: seine Aufgabe sei vielmehr, das ganze Kapitalistenregime zu stürzen. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 270f.

 

Alle bisherigen Revolutionen liefen hinaus auf die Verdrängung einer bestimmten Klassenherrschaft durch eine andere; alle bisherigen herrschenden Klassen waren aber nur kleine Minderheiten gegenüber der beherrschten Volksmasse. Eine herrschende Minderheit wurde so gestürzt, eine andere Minderheit ergriff an ihrer Stelle das Staatsruder und formte die Staatseinrichtungen nach ihren Interessen um. Es wurde dies jedes Mal die durch den Stand der ökonomischen Entwicklung zur Herrschaft befähigte und berufene Minderheitsgruppe, und gerade deshalb und nur deshalb geschah es, dass die beherrschte Mehrheit sich bei der Umwälzung entweder zugunsten jener beteiligte oder sich doch die Umwälzung ruhig gefallen ließ.

Aber wenn wir vom jedesmaligen konkreten Inhalt absehen, war die gemeinsame Form aller dieser Revolutionen die, dass sie Minderheitenrevolutionen waren. Selbst wenn die Mehrheit dazu mittat, geschah es wissentlich oder nicht nur im Dienst einer Minderheit; diese aber erhielt dadurch, oder auch schon durch die passive widerstandslose Haltung der Mehrheit, den Anschein, als sei sie die Vertreterin des ganzen Volkes. ...

Alle Revolutionen der neueren Zeit, angefangen von der großen englischen des siebzehnten Jahrhunderts, zeigten diese Züge ... Sie schienen anwendbar auch auf die Kämpfe des Proletariats um seine Emanzipation. ...

Die proletarischen Massen ... waren 1848 sogar in Paris noch nach dem Sieg absolut im Unklaren über den einzuschlagenden Weg. Und doch war die Bewegung da, instinktiv, spontan, ununterdrückbar. War das nicht gerade die Lage, worin eine Revolu-tion gelingen musste, geleitet zwar von einer Minderheit, aber diesmal nicht im Interesse der Minderheit, sondern im eigentlichsten Interesse der Mehrheit? ... War da nicht alle Aussicht vorhanden für den Umschlag der Revolution der Minderheit in die Revolution der Mehrheit?

Die Geschichte hat uns und allen, die ähnlich dachten, Unrecht gegeben. Sie hat klar gemacht, dass der Stand der ökonomischen Entwicklung auf dem Kontinent damals noch bei weitem nicht reif war für die Beseitigung der kapitalistischen Produktion; ...

Die Zeit der Überrumpelungen, der von kleinen bewussten Minder-heiten an der Spitze bewusstloser Massen durchgeführten Revolution ist vorbei. Wo es sich um eine vollständige Umgestaltung der gesellschaftlichen Organisation handelt, da müssen die Massen selbst mit dabei sein, selbst schon begriffen haben, worum es sich handelt, für was sie mit Leib und Leben eintreten. ...

Selbst in Frankreich sehen die Sozialisten mehr und mehr ein, dass für sie kein dauernder Sieg möglich ist, es sei denn, sie gewinnen vorher die große Masse des Volks ... F. Engels, Einleitung zu Marx Klassen-kämpfe (6.3.1895), MEW 22, 513523 und MEW 7, 514ff.

 

Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl. K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 473.

 

Revolutionen werden nicht von einer Partei gemacht, sondern vom ganzen Volk. K. Marx, MEW 34, 514.

 

... Die Emanzipation der Arbeiterklasse (muss) durch die Arbeiterklasse selbst erobert werden ... K. Marx, Gründungserklärung der IAA, MEW 16, 14.

 

Es ist also jetzt so weit gekommen, dass die Individuen sich die vorhandene Gesamtheit von Produktivkräften aneignen müssen, nicht nur um zu ihrer Selbstbestimmung zu kommen, sondern schon überhaupt um ihre Existenz sicherzustellen. Diese Aneignung ist zuerst bedingt durch den anzueignenden Gegenstand die zu einer Totalität entwickelten und nur innerhalb eines universellen (globalen) Verkehrs existierenden Produktivkräfte. Diese Aneignung muss also schon von dieser Seite her einen den Produktivkräften und dem Verkehr entsprechenden universellen Charakter haben. Die Aneignung dieser Kräfte ist selbst nichts als die Entwicklung der den materiellen Produktionsinstrumenten entsprechenden individuellen Fähigkeiten. Die Aneignung einer Totalität von Produktionsinstrumenten ist schon deshalb die Entwicklung einer Totalität von Fähigkeiten in den Individuen selbst. Diese Aneignung ist ferner bedingt durch die aneignenden Individuen. Nur die von aller Selbstbestimmung ausge-schlossenen Lohnarbeiter der Gegenwart sind imstande, ihre voll-ständige, nicht mehr beschränkte Selbstbestimmung, die in der Aneig-nung einer Totalität von Produktivkräften und der damit gesetzten Entwicklung einer Totalität von Fähigkeiten besteht, durchzusetzen. ...

Bei der Aneignung der Lohnarbeiter müssen eine Masse von Produktionsinstrumenten unter jedes Individuum und das Eigentum unter alle untergeordnet werden. Der moderne universelle (= globale) Verkehr kann nicht anders unter die Individuen untergeordnet werden, als dass er unter alle untergeordnet wird.

Die Aneignung ist ferner bedingt durch die Art und Weise, wie sie vollzogen werden muss. Sie kann nur vollzogen werden durch ein Vereinigung, die durch den Charakter der Lohnarbeit selbst wieder nur eine universelle (= globale) sein kann, und durch eine Revolution, in der einerseits die Macht der bisherigen Produktions- und Verkehrsweise und gesellschaftlichen Gliederung gestürzt wird und andererseits der universelle Charakter und die zur Durchführung der Aneignung nötige Energie der Lohnarbeiter sich entwickelt, ferner der Lohnarbeiter alles abstreift, was ihm noch aus seiner bisherigen Gesellschaftsstellung geblieben ist. K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 67f.

 

3. Welche Art von Revolution kommt auf uns zu?

3.1. Kommende Revolutionen sind Fortentwicklungen des Kapitalismus

Die Menschen verzichten nie auf das, was sie gewonnen haben, aber das bedeutet nicht, dass sie nie auf die Gesellschaftsform verzichten, in der sie bestimmte Produktivkräfte erworben haben. Ganz im Gegenteil.

Um das erzielte Resultat nicht zu verlieren, um die Früchte der Zivilisation nicht zu verlieren, sind die Menschen gezwungen, sobald die Art und Weise ihrer Wirtschaftsweise den erworbenen Produktivkräften nicht mehr entspricht, alle ihre überkommenen Gesellschaftsformen zu ändern. K. Marx, Brief an Annenkow (1848), MEW 4, 549.

 

Die Menschen bauen sich eine neue Welt ... aus den geschichtlichen Errungenschaften ihrer untergehenden Welt. Sie müssen sich im Lauf ihrer Entwicklung die materiellen Bedingungen einer neuen Gesellschaft selber erst produzieren und keine Kraftanstrengung der Gesinnung oder des Willens kann sie von diesem Schicksal befreien. K. Marx, Moralisierende Kritik, MEW 4, 339.

 

Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktions-verhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die Existenzbedingung des Klassengegensatzes, der Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf. An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt ein freiwilliger Zusammenschluss, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist. K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 482.

 

"Zunächst wird aber jede soziale Revolution die Dinge nehmen müssen, wie sie sie findet, und den schreiendsten Übeln mit den vorhandenen Mitteln abhelfen müssen." F. Engels, Wohnungsfrage, MEW 18, 243.

 

 

3.2. Kommende Revolutionen nehmen die Pariser Kommune zum Vorbild, nicht die russische Oktoberrevolution

Das, was ich über die Lage in Russland weiß oder zu wissen glaube, veranlasst mich anzunehmen, dass man sich dort seinem 1789 (dem Ausbruch der Französischen Revolution) nähert. Die Revolution muss zu gegebener Zeit ausbrechen; sie kann jeden Tag ausbrechen. Unter diesen Umständen ist das Land wie eine geladene Mine, an die man nur noch die Lunte zu legen braucht. ... Dies ist einer der Ausnahmefälle, in denen es einer Handvoll Leute möglich ist, eine Revolution zu machen, d. h. durch einen kleinen Anstoß ein ganzes System zu stürzen, dessen Gleichgewicht mehr als labil ist ..., und durch einen an sich unbedeutenden Akt Explosivkräfte freizusetzen, die dann nicht mehr zu zähmen sind. Nun, wenn jemals der Blanquismus die Phantasie, eine ganze Gesellschaft durch die Aktion einer kleinen Verschwörergruppe umzuwälzen eine gewisse Daseinsberechtigung gehabt hat, dann sicherlich in Petersburg (der damaligen russischen Hauptstadt). F. Engels an V.I. Sassulitsch (1885), MEW 36, 304.

Vergleiche dazu auch Lenin: Wir sind unter Ausnahmeverhältnissen zur Macht gelangt, als das Joch des Zarismus dazu zwang, mit großem Elan einen grundlegenden und schnellen Wechsel vorzunehmen ... Es wäre lächerlich, unsere Revolution als eine Art Ideal für alle Länder hinzustellen ... Lenin, VIII, Parteitag, 19.3.1919. Ausgewählte Werke in drei Bänden, Bd. III, Berlin 1970, 206 und 208.

 

Die Kommune von Paris 1871/72 war eine Revolution gegen den Staat selbst, gegen diese übernatürliche Fehlgeburt der Gesellschaft; sie war eine Wiederbelebung durch das Volk und des eigenen gesellschaftlichen Lebens. Sie war nicht eine Revolution, um die Staatsmacht von einer Fraktion der herrschenden Klassen an die andere zu übertragen, sondern eine Revolution, um diese abscheuliche Maschine der Klassenherrschaft selbst zu zerbrechen. ... Die Kommune war die entschiedene Negation jener Staatsmacht und darum der Beginn der sozialen Revolution des 19. Jahrhunderts. Was daher immer ihr Geschick in Paris ist, sie wird ihren Weg um die Welt machen. K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 541f.

 

 

3.3. Kommende Revolutionen sind international,

mindestens europäisch

... Jede Revolution, um siegreich zu sein, muss europäisch sind ... F. Engels, Geschichte des Bundes der Kommunisten, MEW 21, 210.

... Weder Frankreich noch Deutschland werden endgültig den Sieg sichern können, solange die Weltmacht England in den Händen der Bourgeoisie bleibt. Die Befreiung des Proletariats kann nur eine internationale Aktion sein; wenn ihr in Frankreich daraus eine Aktion der Franzosen zu machen versucht, macht ihr sie unmöglich. F. Engels an Paul Lafargue (1893), MEW 39, 89.

 

Die Emanzipation der Arbeiterklasse (ist) weder eine lokale, noch eine nationale, sondern eine soziale Aufgabe ..., welche alle Länder umfasst, in denen die moderne Gesellschaft besteht, und deren Lösung vom praktischen und theoretischen Zusammenwirken der fortgeschrittensten Länder abhängt; ... K. Marx, Gründungserklärung der IAA, MEW 16, 14.

 

3.4. Kommende Revolutionen sind friedlich oder nicht

„Tatsächlich kann man die unterdrückte Klasse nicht befreien, ohne der Klasse, die von ihrer Unterdrückung lebt, Schaden zu tun und ohne gleichzeitig den ganzen Überbau des Staates, der auf solch einer elenden sozialen Basis ruht, durcheinanderzu bringen.“ K. Marx, Aufhebung der Leibeigenschaft in Russland, MEW 12, 591.

 

"Und die soziale Revolution - was bedeutet sie anderes als Klassenkampf? Es ist möglich, dass der Kampf zwischen den Arbeitern und Kapitalisten weniger grausam und blutig sein wird als einst der Kampf zwischen den Feudalherren und den Kapitalisten in England und Frankreich. Wir wollen es hoffen." K. Marx, MEW 16, 204.

 

Friedlich kann eine historische Entwicklung nur so lange bleiben, als ihr keine gewaltsamen Hindernisse seitens der jedesmaligen gesellschaftlichen Machthaber in den Weg treten. Gewinnt z. B. in England oder in den Vereinigten Staaten die Arbeiterklasse die Mehrheit im Parlament oder Kongress, so könnte sie auf gesetzlichem Weg die ihrer Entwicklung im Weg stehenden Gesetze und Einrichtungen beseitigen ...

Dennoch könnte die friedliche Bewegung in eine gewaltsame umschlagen durch Auflehnung der am alten Zustand Interessierten; ... K. Marx, Konspekt zur Reichstagsdebatte, MEW 34, 498f.

 

Wir wissen, dass man die Institutionen, die Sitten und die Traditionen der verschiedenen Länder berücksichtigen muss, und wir leugnen nicht, dass es Länder gibt, wie Amerika, England, und wenn mir eure Institu-tionen besser bekannt wären, würde ich vielleicht noch Holland hinzufügen, wo die Arbeiter auf friedlichem Wege zu ihrem Ziel gelangen können. Wenn das wahr ist, müssen wir auch anerkennen, dass in den meisten Ländern des Kontinents der Hebel unserer Revolutionen die Gewalt sein muss;  K. Marx, Haager Kongress der IAA, MEW 18, 160.

 

Die Internationale Arbeiterassoziation diktiert keine bestimmte Form der politischen Bewegung; sie verlangt nur, dass diese Bewegung auf ein und denselben Endzweck ausgerichtet ist. ... In England zum Beispiel steht der Arbeiterklasse der Weg offen, wie sie ihre politische Macht entwickeln will. Ein Aufstand wäre eine Dummheit, wo man durch friedliche Agitation rascher und sicher den Zweck erreicht. K. Marx, Interview für The World, MEW 17, 641.

 

3.5. Kommende Revolutionen sind legal oder nicht

Der Name, unter dem eine Revolution begonnen wird, ist niemals der, den das Banner am Tage des Triumphs trägt. Um überhaupt Aussichten auf Erfolg zu haben, müssen revolutionäre Bewegungen in der modernen Gesellschaft anfangs ihre Fahne von jenen Elementen des Volks ausleihen, die, obwohl in Opposition gegen die bestehende Regierung, sich völlig in Harmonie mit der bestehenden Gesellschaftsordnung befinden. Mit einem Wort, Revolutionen müssen ihre Eintrittskarten zur offiziellen Bühne von den herrschenden Klassen selbst empfangen. K. Marx, Lage in Europa, MEW 12, 235.

 

3.6. Kommende Revolutionen richten sich

gegen die Macht des Kapitals

Die produzierende Klasse (nimmt) die Leitung der Produktion und Verteilung der bisher damit betrauten, aber jetzt dazu unfähig gewordenen Klasse ab ..., und das ist eben die sozialistische Revolution. F. Engels an Lawrow (1875), MEW 34, 171.

 

 

Was heißt das: Die Lohnarbeiterklasse nimmt der Kapitalistenklasse die Leitung der Produktion und Verteilung ab?

1) Das Naheliegendste ist, dass die Lohnarbeiter zunächst in jedem Betrieb die Leitung selbst übernehmen in die Chefetage gehen, und den Managern sagen: Wenn ihr weiter für das Kapital arbeiten wollt, dann müsst ihr jetzt gehen. Wer in unserem Auftrag weiterarbeiten will, der kann eventuell weiter Manager bleiben. Unsere Betriebsversammlung und unsere Betriebsräte sind ab sofort euer Aufsichtsrat, der alle Leitungspositionen besetzt und euch sagt, was ihr zu tun habt.

Alle Bilanzen, die Buchhaltung, die Controllingdaten und alle Forschungsunterlagen der Unternehmen und Banken werden ab sofort öffentlich gemacht (zum Beispiel ins Internet gestellt).

2) Alle Betriebe eines Ortes schicken Vertreter, um die örtliche Stadtverwaltung zu bilden, die mit den anderen Stadtverwaltungen Kontakt hält und sich berät. Für die Vertretung nach außen und für die wirtschaftliche Gesamtkoordination braucht es auch eine Landesvertretung. Solche Vertreterfunktionen gelten immer nur für kurze Zeit (z. B. ein Jahr) und sind jederzeit kündbar.

Die heutige Macht basiert vor allem auf dem wirtschaftlichen Kommando über die Lohnarbeiter diese Macht wäre gebrochen wie in Punkt 1) beschrieben. Daneben und darüber steht aber noch die hoch zentralisierte Macht von Polizei, Armee, Gefängnissen etc. Dieser Gewaltapparat ist so spezialisiert und aufgerüstet, dass er nicht im direkten Angriff besiegt werden kann. Was sich gegen diesen Gewaltapparat tun lässt, ist, die Lebensadern und die Versorgung dieses Gewaltapparats zu durchschneiden und den Angriffswillen der Befehlsempfänger zu lähmen.

Natürlich schützen sich die selbstverwalteten und selbstbestimmten Arbeiter auch vor militärischen Angriffen der alten Machthaber. Das geschieht vor allem in den großen Betrieben. Ein zahlenmäßig kleiner selbst organisierter Werkschutz kann jeden arbeitenden Industrie- oder Verwaltungsbetrieb (Banken) ziemlich gut gegen Angriffe von außen schützen. Schon heute traut sich kaum eine Polizeitruppe in einen Industriebetrieb.

Der Machtkampf zwischen Lohnarbeit und Kapital wird in hoch entwickelten Gesellschaften nicht auf der Straße ausgetragen zwischen zwei bewaffneten Armeen. Diesen Kampf würden die Lohnarbeiter immer verlieren. Dieser Klassenkampf wird in und nach der Revolution vielmehr darüber ausgetragen, wer das Gaswerk, das Wasserwerk, die E-Werke, die Fernsehsender und Telefonnetze in Gang halten und Betriebe und Banken gegen Angriffe von außen verteidigen kann und wer die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung sicherstellen kann.

 

Siehe auch die Artikel:

Ausbeutung

Diktatur des Proletariats

Friedlicher Übergang

Illegalität

Klassenlose Gesellschaft

Kommune von Paris 1871

Reformen und Reformismus

Vergesellschaftung

 

-> Diskussionsforum

Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten. Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.