Denken
1. Unser Denken stammt aus der Erfahrung der Wirklichkeit und ihrer praktischen Umgestaltung ...
„... Zweitens kann das Denken, ohne Böcke zu schießen, nur diejenigen Bewusstseinselemente zu einer Einheit zusammenfassen, in denen ... diese Einheit schon vorher bestanden hat.
Wenn ich eine Schuhbürste unter die Einheit ‚Säugetier’ zusammenfasse, so bekommt sie damit noch lange keine Milchdrüsen.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 39.
„Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“ K. Marx, Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 9.
 „Bedarf es tiefer Einsicht, um zu begreifen, dass mit den Lebensverhältnissen der Menschen, mit ihren gesellschaftlichen Beziehungen, mit ihrem gesellschaftlichen Dasein, auch ihre Vorstellungen, Anschauungen und Begriffe, mit einem Worte auch ihr Bewusstsein sich ändert? Was beweist die Geschichte der Ideen anderes, als dass die geistige Produktion sich mit der materiellen umgestaltet?“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 480.
„Naturwissenschaft wie Philosophie haben den Einfluss der Tätigkeit des Menschen auf sein Denken bisher ganz vernachlässigt, sie kennen nur Natur einerseits, Gedanken andererseits. Aber gerade die Veränderung der Natur durch den Menschen, nicht die Natur als solche allein, ist die wesentlichste und nächste Grundlage des menschlichen Denkens, und im Verhältnis, wie der Mensch die Natur verändern lernte, in dem Verhältnis wuchs seine Intelligenz.“ F. Engels, Naturdialektik, MEW 20, 498.
„... Wo wäre ohne Industrie und Handel die Naturwissenschaft? Selbst diese ‚reine’ Wissenschaft erhält ja ihren Zweck sowohl wie ihr Material erst durch Handel und Industrie, durch sinnliche Tätigkeit der Menschen.“ K. Marx, F. Engels, Deutsche Ideologie, MEW 3, 44.
„Die Entwicklung dieser Wissenschaft, besonders der Naturwissenschaft, und mit ihr aller anderen, steht selbst wieder im Verhältnis zur Entwicklung der materiellen Produktion.“ K. Marx, Grundrisse, 592.
“Die Tatsache, dass unser subjektives Denken und die objektive Welt denselben Gesetzen unterworfen sind und daher auch beide in ihren Resultaten sich schließlich nicht widersprechen können, sondern übereinstimmen müssen, beherrscht absolut unser gesamtes theoretisches Denken. Sie ist seine unbewusste und unbedingte Voraussetzung .... Andererseits hat die moderne Naturwissenschaft den Satz vom erfahrungsmäßigen Ursprung alles Denkinhalts in einer Weise erweitert, die seine alte metaphysische Begrenzung und Formulierung über den Haufen wirft. Indem sie die Vererbung erworbener Eigenschaften anerkennt, erweitert sie das Subjekt der Erfahrung vom Individuum auf die Gattung; es ist nicht mehr notwendig das einzelne Individuum, das erfahren haben muss. Seine Einzelerfahrung kann bis auf einen gewissen Grad ersetzt werden durch die Resultate der Erfahrungen einer Reihe seiner Vorfahren. Wenn bei uns z.B. die mathematischen Axiome jedem Kind von acht Jahren als selbstverständlich, keines Erfahrungsbeweises bedürftig erscheinen, so ist das lediglich Resultat ‚gehäufter Vererbung’.“ F. Engels, Naturdialektik, MEW 20, 529.
„Es kommt überall nicht mehr darauf an, Zusammenhänge im Kopf auszudenken, sondern sie in den Tatsachen zu entdecken.“ F. Engels, Feuerbach, MEW 21, 306.
„alle Wissenschaft wäre überflüssig, wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen...“ K. Marx, Kapital III., S. 825.
„Bei der Analyse ökonomischer Formen kann außerdem weder das Mikroskop dienen noch chemische Reagenzien. Die Abstraktionskraft muss beide ersetzen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 12.
„Dies Begreifen besteht aber nicht, wie Hegel meint, darin, die Bestimmungen des logischen Begriffs überall wiederzuerkennen, sondern die eigentümliche Logik des eigentümlichen Gegenstandes zu fassen.“ K. Marx, Kritik des Hegelschen Staatsrechts, MEW 1, 296.
„Herr Heinzen bildet sich ein, der Kommunismus sei eine gewisse Doktrin, die von einem bestimmten theoretischen Prinzip als Kern ausgehe und daraus weitere Konsequenzen ziehe. Herr Heinzen irrt sich sehr. Der Kommunismus ist keine Doktrin, sondern eine Bewegung; er geht nicht von Prinzipien, sondern von Tatsachen aus. Die Kommunisten haben nicht diese oder jene Philosophie, sondern die ganze bisherige Geschichte und speziell ihre gegenwärtigen tatsächlichen Resultate in den zivilisierten Ländern zur Voraussetzung.“ F. Engels, Karl Heinzen, 1847, MEW 4, 321f.

2. ... und unser Denken verarbeitet die geschichtlich-gesellschaftliche Wirklichkeit und führt damit zu einer verbesserten gesellschaftlichen Praxis.
„Die Natur baut keine Maschinen, keine Lokomotiven, Eisenbahnen, Telegraphen, Spinnautomaten. Sie sind Produkte der menschlichen Industrie; natürliches Material, verwandelt in Organe des menschlichen Willens über die Natur oder seiner Betätigung in der Natur. Sie sind von der menschlichen Hand geschaffene Organe des menschlichen Hirns; vergegenständliche Wissenskraft. Die Entwicklung des fixen Kapitals zeigt an, bis zu welchem Grad das allgemeine gesellschaftliche Wissen, zur unmittelbaren Produktivkraft geworden ist und daher die Bedingungen des gesellschaftlichen Lebensprozesses selbst unter die Kontrolle des allgemeinen Intellekts gekommen, und ihm gemäß umgeschaffen sind.
Die Entwicklung des fixen Kapitals (d. h. der Maschinerie und Technologie) zeigt an, bis zu welchem Grad die gesellschaftlichen Produktivkräfte produziert sind, nicht nur in der Form des Wissens, sondern als unmittelbare Organe der gesellschaftlichen Praxis; des realen Lebensprozesses.“ K. Marx, Grundrisse, 594
„Die bloße Erkenntnis, und ginge sie weiter und tiefer als die der bürgerlichen Ökonomie, genügt nicht, um gesellschaftliche Mächte der Herrschaft der Gesellschaft zu unterwerfen. Dazu gehört vor allem eine gesellschaftliche Tat.“ F. Engels, Naturdialektik, MEW 20, 295.

3. Unser Denken ist richtig, wenn es mit der gesamten geschichtlich-gesellschaftlichen Wirklichkeit übereinstimmt. Richtiges Denken kann also nur das Produkt der Erfahrung und des Denkens ALLER Menschen sein. Richtiges Denken ist also immer nur als Annäherung zu erreichen und immer mit Irrtum durchmischt.
„Allgemeine Arbeit ist alle wissenschaftliche Arbeit, alle Entdeckung, alle Erfindung. Sie ist bedingt teils durch Kooperation mit Lebenden, teils durch Benutzung der Arbeiten Früherer.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 125f.

„Eine kritische Geschichte der Technologie würde überhaupt nachweisen, wie wenig irgendeine Erfindung des 18. Jahrhunderts einem einzelnen Individuum gehört.“ K. Marx, Kapital I, 392, Anm. 89.
„Wie die Unendlichkeit des erkennbaren Stoffs aus lauter Endlichkeiten sich zusammensetzt, so setzt sich auch die Unendlichkeit des absolut erkennenden Denkens zusammen aus einer unendlichen Anzahl endlicher Menschenköpfe, die neben- und nacheinander an dieser unendlichen Erkenntnis arbeiten, praktische und theoretische Böcke schießen, von schiefen, einseitigen, falschen Voraussetzungen ausgehen, falsche, krumme, unsichere Bahnen verfolgen und oft nicht einmal das Richtige treffen, wenn sie mit der Nase darauf stoßen.“ F. Engels, Naturdialektik, 20, 501f.
“Was aber die souveräne Geltung der Erkenntnisse jedes Einzeldenkers angeht, so wissen wir alle, dass davon gar keine Rede sein kann, und dass nach aller bisherigen Erfahrung sie ohne Ausnahme stets viel mehr Verbesserungsfähiges als ... Richtiges enthalten.
Mit anderen Worten: die Souveränität des Denkens verwirklicht sich in einer Reihe höchst unsouverän denkender Menschen; die Erkenntnis, welche unbedingten Anspruch auf Wahrheit hat, in einer Reihe von relativen Irrtümern;
weder die eine noch die andere kann anders als durch eine unendliche Lebensdauer der Menschheit vollständig verwirklicht werden.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 80.
„Ein allumfassendes, ein für allemal abschließendes System der Erkenntnis von Natur und Geschichte steht im Widerspruch mit den Grundgesetzen des dialektischen Denkens.“ F. Engels, Entwicklung des Sozialismus, MEW 19, 206.

4. Die gesellschaftliche Praxis und ihre Resultate sind das einzige Kriterium für die Wahrheit und Richtigkeit des Denkens.
“Um zu wissen, was unser Denken ergründen kann, nützt es nichts, 100 Jahre nach Kant die Tragweite des Denkens aus der Kritik der Vernunft, der Untersuchung des Erkenntnis-Instruments, entdecken zu wollen; ... Was unser Denken ergründen kann, sehen wir vielmehr aus dem, was es bereits ergründet hat und noch täglich ergründet.“ F. Engels, Naturdialektik, 20, 506 - 507.
„Die Empirie der Beobachtung allein kann nie die Notwendigkeit genügend beweisen. ...  Dies ist so sehr richtig, dass aus dem steten Aufgehen der Sonne des Morgens nicht folgt, sie werde morgen wieder aufgehen, und in der Tat wissen wir jetzt, dass ein Moment kommen wird, wo die Sonne eines Morgens nicht aufgeht.
Aber der Beweis der Notwendigkeit liegt in der menschlichen Tätigkeit, im Experiment, in der Arbeit ...“ F. Engels, Naturdialektik, MEW 20, 497.
“Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme - ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muss der Mensch die Wahrheit, i.e. Wirklichkeit und Macht, ... beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit (= Wahrheit) oder Nichtwirklichkeit (=Unwahrheit) des Denkens - das von der Praxis isoliert ist - ist eine rein scholastische Frage.“ K. Marx, Thesen über Feuerbach, MEW 3, 5.

Wo es dem Verständnis dient, habe ich die Rechtschreibung, veraltete Fremdwörter, Maßeinheiten und Zahlenangaben modernisiert. Diese und alle erklärenden Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Wal Buchenberg, 13.09.2001