Ideologie

Aus: Conversations-Hand-Lexikon von 1831:
Ideologie - Ideenlehre, Metaphysik.“ (314.)
Aus: Meyers Hand-Lexikon von 1878:
Ideologie (gr.) Ideenlehre, bei den Franzosen ... Metaphysik; auch unfruchtbares systematisches Denken und Grübeln, namentlich über politische und soziale Verhältnisse. Ideolog, Grübler, Träumer.“ (898).

1. Marx gebrauchte das Wort „Ideologie“ nie anders als in negativem Sinn. Sein erstes (unveröffentlichtes) Buch war gegen die „deutsche Ideologie“ gerichtet:
K. Marx, F. Engels: Die deutsche Ideologie. MEW 3, 12 - 530.

„... Die Welt im Kopf rekonstruieren ist Ideologie.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 574.

„Die Ideologie ist ein Prozess, der zwar mit Bewusstsein vom sogenannten Denker vollzogen wird, aber mit einem falschen Bewusstsein. Die eigentlichen Triebkräfte, die ihn bewegen, bleiben ihm unbekannt, sonst wäre es eben kein ideologischer Prozess. ...
Er arbeitet mit bloßem Gedankenmaterial, das er unbesehen als durchs Denken erzeugt hinnimmt und sonst nicht weiter auf einen entfernteren, vom Denken unabhängigen Ursprung untersucht, und zwar ist ihm dies selbstverständlich, da ihm alles Handeln, weil durchs Denken vermittelt, auch in letzter Instanz im Denken begründet erscheint.
Der historische Ideolog (historisch soll hier einfach zusammenfassend stehen für politisch, juristisch, philosophisch, theologisch, kurz für alle Gebiete, die der Gesellschaft angehören und nicht bloß der Natur) - der historische Ideolog hat also auf jedem wissenschaftlichen Gebiet einen Stoff, der sich selbständig aus dem Denken früherer Generationen gebildet und im Gehirn dieser einander folgenden Generationen eine selbständige, eigene Entwicklungsreihe durchgemacht hat. ...
Es ist dieser Schein einer selbständigen Geschichte der Staatsverfassungen, der Rechtssysteme, der ideologischen Vorstellungen auf jedem Sondergebiet, der die meisten Leute vor allem blendet.
Wenn Luther und Calvin die offizielle katholische Religion, wenn Hegel den Fichte und Kant, Rousseau indirekt mit seinem republikanischen ‚Gesellschaftsvertrag’ den konstitutionellen Montesquieu ‚überwindet’, so ist das ein Vorgang, der innerhalb der Theologie, der Philosophie, der Staatswissenschaft bleibt, eine Etappe in der Geschichte dieser Denkgebiete darstellt und gar nicht aus dem Denkgebiet herauskommt.
Und seitdem die bürgerliche Illusion von der Ewigkeit und Letztinstanzlichkeit der kapitalistischen Produktion dazugekommen ist, gilt ja sogar die Überwindung der Merkantilisten durch die Physiokraten und A. Smith für einen bloßen Sieg des Gedankens; nicht für den Gedankenreflex veränderter ökonomischer Tatsachen....“ F. Engels an F. Mehring, 14.7.1893. MEW 39, 97.

„Im Staate stellt sich uns die erste ideologische Macht über den Menschen dar. ... Der Staat aber, einmal eine selbständige Macht geworden gegenüber der Gesellschaft, erzeugt alsbald eine ... Ideologie. Bei den Politikern von Profession, bei den Theoretikern des Staatsrechts und den Juristen des Privatrechts nämlich geht der Zusammenhang mit den ökonomischen Tatsachen erst recht verloren. Weil in jedem einzelnen Falle die ökonomischen Tatsachen die Form juristischer Motive annehmen müssen, um in Gesetzesform sanktioniert zu werden, und weil dabei auch selbstverständlich Rücksicht zu nehmen ist auf das ganze schon geltende Rechtssystem, deswegen soll nun die juristische Form alles sein und der ökonomische Inhalt nichts. ...
Noch höhere, d.h. noch mehr von der materiellen, ökonomischen Grundlage sich entfernende Ideologien nehmen die Form der Philosophie und der Religion an. Hier wird der Zusammenhang der Vorstellungen mit ihren materiellen Daseinbedingungen immer verwickelter, immer mehr durch Zwischenglieder verdunkelt. Aber er existiert.“ F. Engels, Feuerbach, MEW 21, 302.

„Das Prinzip der Politik ist der Wille. Je einseitiger ... politische Verstand ist, um so mehr glaubt er an die Allmacht des Willens, umso ... unfähiger ist er also, die Quelle sozialer Gebrechen zu entdecken.“ K. Marx, Randglossen, MEW 1, 402.

2. Ideologen sind also ganz müßige und überflüssige Gestalten
„Indem Dühring von `Prinzipien’ ausgeht, statt von Tatsachen, ist er Ideolog.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 574.

„‘ideologische‘ Stände, wie Regierung, Pfaffen, Juristen, Militär usw.“,  K. Marx, Kapital I, MEW 23, 469.

„...der Kapitalist und sein Ideologe, der politische Ökonom...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 598.

„...Regierung, Richter, Offiziere, Pfaffen etc. die Gesamtheit der alten ideologischen Stände, ... ihre Gelehrten, Magister und Pfaffen... sie leben von dem Produkt des Fleißes anderer Leute, müssen also auf das unvermeidliche Maß reduziert werden.“  K. Marx, Theorien über produktive und unproduktive Arbeit, MEW 26.1, 273.

Wo es dem Verständnis dient, habe ich veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenangaben  modernisiert. Alle diese und die kommentierenden Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Wal Buchenberg, 8.2.2002

Anmerkung zu den „Lehren des Marxismus-Leninismus“:
„Die sozialistische Ideologie, der Marxismus-Leninismus, wurde von K. Marx, F. Engels und W. I. Lenin ... geschaffen.“ Wörterbuch des wissenschaftlichen Kommunismus, Berlin 1984, 162f.