Staatliche Gesetze


Durch das repräsentative Stimmrecht können wir uns zwar neue politische Herren wählen, aber nur so, wie wir durch Kündigung und Arbeitsplatzsuche uns einen neuen Arbeitsherrn wählen können. Mit der jeweiligen Wahlentscheidung geben wir gleichzeitig unsere Entscheidungsfreiheit an die gewählten politischen Herren wie an die gesuchten Arbeitsherrn ab.
Die politische Opposition der Lohnarbeiter oder anderer Volksklassen gegenüber dem Staatsapparat kann auch in einer parlamentarischen Opposition zum Ausdruck kommen, wird sich aber nicht darin erschöpfen.

„Die moderne Staatsgewalt ist nur ein Ausdruck, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Kapitalistenklasse verwaltet.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 464.

Zur politischen Bewegung:
Die politische Bewegung hat natürlich zum Endzweck die Eroberung der politischen Macht für sie, und dazu ist natürlich eine bis zu einem gewissen Punkt entwickelte vorherige Organisation der Arbeiterklasse nötig, die aus ihren ökonomischen Kämpfen selbst erwächst.
Andererseits ist aber jede Bewegung, worin die Arbeiterklasse als Klasse den herrschenden Klassen gegenübertritt und sie durch Druck von der Straße und aus den Betrieben zu zwingen sucht, eine politische Bewegung.“ K. Marx an F. Bolte, 23.11.1871. MEW 33,332.

„In jedem Kampf von Klasse gegen Klasse ist das unmittelbare Ziel, um das gekämpft wird, die politische Macht; die herrschende Klasse verteidigt ihre politische Vorherrschaft, das heißt ihre sichere Mehrheit in den gesetzgebenden Körperschaften; die untere Klasse kämpft zuerst um einen Anteil an dieser Macht, später um die ganze Macht, um in die Lage zu kommen, die bestehenden Gesetze entsprechend ihren eigenen Interessen und Bedürfnissen zu ändern.“ F. Engels, Gewerkschaften, MEW 19, 258.

„Mit einem Wort, die Kommunisten unterstützen überall jede revolutionäre Bewegung gegen die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Zustände.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 493.

1. Gesetze sind juristischer Ausdruck der Machtverhältnisse, diese wiederum ruhen auf bestimmten Produktionsverhältnissen. Wer an das ‚Primat der Politik’ glaubt, glaubt an eine Illusion.
„In der ... Geschichte bildeten diejenigen Theoretiker, die die Macht als die Grundlage des Rechts betrachteten, den direktesten Gegensatz gegen diejenigen, die den Willen für die Basis des Rechts ansehen...
Wird die Macht als die Basis des Rechts angenommen, wie es Hobbes etc. tun, so sind Recht, Gesetz usw. nur Symptom, Ausdruck anderer Verhältnisse, auf denen die Staatsmacht beruht. Das materielle Leben der Individuen, welches keineswegs von ihrem bloßen ‚Willen’ abhängt, ihre Produktionsweise und die Verkehrsform, die sich wechselseitig bedingen, ist die reelle Basis des Staats und bleibt es auf allen Stufen, auf denen die Teilung der Arbeit und das Privateigentum noch nötig sind, ganz unabhängig vom Willen der Individuen.
Diese wirklichen Verhältnisse sind keineswegs von der Staatsmacht geschaffen, sie sind vielmehr die sie schaffende Macht. Die unter diesen Verhältnissen herrschenden Individuen müssen, abgesehen davon, dass ihre Macht sich als Staat konstituieren muss, ihrem durch diese bestimmten Verhältnisse bedingten Willen einen allgemeinen Ausdruck als Staatswillen geben, als Gesetz - einen Ausdruck, dessen Inhalt immer durch die Verhältnisse dieser Klasse gegeben ist, wie das Privat- und Kriminalrecht aufs Klarste beweisen.
So wenig es von ihrem idealistischen Willen oder Willkür abhängt, ob ihre Körper schwer sind, so wenig hängt es von ihm ab, ob sie ihren eigenen Willen in der Form des Gesetzes durchsetzen und zugleich von der persönlichen Willkür jedes Einzelnen unter ihnen unabhängig setzen. ...
Ihre persönliche Macht beruht auf Lebensbedingungen, die sich als Vielen gemeinschaftliche entwickeln, deren Fortbestand sie als Herrschende gegen andere und zugleich als für Alle geltende zu behaupten haben. Der Ausdruck dieses durch ihre gemeinschaftlichen Interessen bedingten Willens ist das Gesetz.
Gerade das Durchsetzen der voneinander unabhängigen Individuen (der herrschenden Klasse) und ihrer eigenen Willen, das auf dieser Basis in ihrem Verhalten gegeneinander notwendig egoistisch ist, macht die Selbstverleugnung im Gesetz und Recht nötig, Selbstverleugnung im Ausnahmefall, Selbstbehauptung ihrer Interessen im Durchschnittsfall...
Dasselbe gilt von den beherrschten Klassen, von deren Willen es ebenso wenig abhängt, ob Gesetz und Staat bestehen. ...
Nicht der Staat besteht also durch den herrschenden Willen, sondern der aus der materiellen Lebensweise der Individuen hervorgehende Staat hat auch die Gestalt eines herrschenden Willens. Verliert dieser die Herrschaft, so hat sich nicht nur der Wille, sondern auch das materielle Dasein und Leben der Individuen, und bloß deswegen ihr Wille, verändert. Es ist möglich, dass Rechte und Gesetze sich ‚forterben’, aber sie sind dann auch nicht mehr herrschend, sondern nominell, wovon die altrömische und englische Rechtsgeschichte eklatante Beispiele liefern....
Die oberflächlichste Betrachtung der Gesetzgebung, z.B. der Armengesetzgebung in allen Ländern, wird zeigen, wie weit es die Herrschenden brachten, wenn sie durch ihren bloßen ‚Herrscherwillen’, d.h. als nur Wollende, irgendetwas durchsetzen zu können sich einbildeten.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 311 - 313.

Wer an das „Primat der Politik“ glaubt, der betrachtet „nicht das Gesetz als Produkt der materiellen Produktionsverhältnisse, sondern umgekehrt die Produktionsverhältnisse als Produkt des Gesetzes.“ K. Marx, Kapital I., MEW 23, 643, Anm. 73.

2. Jede politische Opposition schafft ein Machtgegengewicht und verändert damit die herrschenden Machtverhältnisse. Im politischen Spannungsverhältnis zwischen herrschenden und unterdrückten Klassen entwickeln sich drei Arten von Gesetzen:
- Gesetze, durch die die herrschende Klasse ihr eigenes Interesse direkt geltend macht;
- Gesetze, die der herrschenden Klasse von der ökonomischen Entwicklung diktiert werden;
- Gesetze, die die Arbeiterbewegung und das unterdrückte Volk den Herrschenden aufzwingen.

2.1. Gesetze, durch die die herrschende Klasse ihr eigenes Interesse geltend macht: z.B. Eigentumsrecht (BGB), Strafrecht, Notstandsgesetze, Anti-Terror-Gesetze etc. wird eine emanzipatorische Opposition zunächst zu verhindern suchen und später soweit als möglich ignorieren und damit außer Kraft setzen.
Der Staat ist „die Form der Organisation, welche sich die Bourgeois sowohl nach Außen als nach Innen hin zur gegenseitigen Garantie ihres Eigentums und ihrer Interessen notwendig geben.“ K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 3, 62.

 „Das materielle Leben der Individuen, welches keineswegs von ihrem bloßen ‚Willen’ abhängt, ihre Produktionsweise und die Verkehrsform, die sich wechselseitig bedingen, ist die reelle Basis des Staats und bleibt es auf allen Stufen, auf denen die Teilung der Arbeit und das Privateigentum noch nötig sind, ganz unabhängig vom Willen der Individuen.
Diese wirklichen Verhältnisse sind keineswegs von der Staatsmacht geschaffen, sie sind vielmehr die sie schaffende Macht.
Die unter diesen Verhältnissen herrschenden Individuen müssen, abgesehen davon, dass ihre Macht sich als Staat konstituieren muss, ihrem durch diese bestimmten Verhältnisse bedingten Willen einen allgemeinen Ausdruck als Staatswillen geben, als Gesetz - einen Ausdruck, dessen Inhalt immer durch die Verhältnisse dieser Klasse gegeben ist, wie das Privat- und Strafrecht aufs Klarste beweisen. ...
Ihre persönliche Macht beruht auf Lebensbedingungen, die sich als Vielen gemeinschaftliche entwickeln, deren Fortbestand sie als Herrschende gegen andere und zugleich als für Alle geltende zu behaupten haben. Der Ausdruck dieses durch ihre gemeinschaftlichen Interessen bedingten Willens ist das Gesetz.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 311.

„Die Steuern sind die wirtschaftliche Grundlage der Regierungsmaschine und von sonst nichts.“ K. Marx, Gothaer Programm, MEW 19, 30.

2.2. Gesetze, die der herrschenden Klasse von der ökonomischen Entwicklung diktiert werden (z.B. Schulpflicht, Sozialversicherungen, Frauenstimmrecht, Scheidungsrecht etc.,), versucht die emanzipatorische Opposition zu beschleunigen und gleichzeitig darin die Interessen der Lohnarbeiter geltend zu machen.
Sogar „in despotischen Staaten umgreift die Arbeit der Oberaufsicht und allseitigen Einmischung der Regierung beides ...: sowohl die Verrichtung der gemeinsamen Geschäfte, die aus der Natur aller Gemeinwesen hervorgehen, wie die spezifischen Funktionen, die aus dem Gegensatz der Regierung zu der Volksmasse entspringen.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 397.

„Änderungen, die von einer gesellschaftlichen Notwendigkeit diktiert werden, bahnen sich früher oder später ihren Weg;
wenn sie zu einem dringenden Bedürfnis geworden sind, müssen sie befriedigt werden, und die Gesetzgebung wird immer gezwungen sein, sich ihnen anzupassen.“ Karl Marx, Nationalisierung des Bodens, MEW 18, 60.

„Der Paragraf im SPD-Parteiprogramm von Gotha über die Schulen hätte wenigstens technische Schulen (theoretische und praktische) in Verbindung mit der Volksschule verlangen sollen.
Ganz verwerflich ist eine ‚Volkserziehung durch den Staat’.
Durch ein allgemeines Gesetz die Mittel der Volksschulen bestimmen, die Qualifizierung des Lehrerpersonals, die Unterrichtszweige etc., und, wie es in den Vereinigten Staaten geschieht, durch Staatsinspektoren die Erfüllung dieser gesetzlichen Vorschriften überwachen, ist etwas ganz anderes, als den Staat zum Volkserzieher zu ernennen!
Vielmehr sind Regierung und Kirche gleichermaßen von jedem Einfluss auf die Schule auszuschließen. Im preußisch-deutschen Reich nun gar ... bedarf umgekehrt der Staat einer sehr rauen Erziehung durch das Volk.” K. Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, 30f.

2.3. Gesetze zur Verkürzung der Arbeitszeit, zum Schutz besserer Arbeitsbedingungen und konkrete Rechte zur Selbstbestimmung des Volkes versucht das Volk der herrschenden Klasse aufzuzwingen: z.B. 8-Stunden-Tag, Organisationsfreiheit, Mitbestimmungsgesetze etc., Freiheit der Meinungsäußerung, Amnestie der 68er Bewegung, Verbot der Nutzung von Kernenergie usw.
„Diese Organisation der Proletarier zur Klasse, und damit zur politischen Partei, wird jeden Augenblick wieder gesprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern selbst. Aber sie ersteht immer wieder, stärker, fester, mächtiger. Sie erzwingt die Anerkennung einzelner Interessen der Arbeiter in Gesetzesform, indem sie die Spaltungen der Bourgeoisie unter sich benutzt. So das Gesetz zum Zehnstundentag in England.“ K. Marx, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW 4, 471.

„Die grausamen Gesetze gegen die Gewerkschaften fielen in England 1825 vor der drohenden Haltung des Proletariats. Trotzdem fielen sie nur zum Teil. Einige schöne Überbleibsel der alten Bestimmungen verschwanden erst 1859.
Endlich beanspruchte der Parlamentsakt vom 29. Juni 1871 die letzten Spuren dieser Klassengesetzgebung zu beseitigen durch gesetzliche Anerkennung der Gewerkschaften. Aber ein Parlamentsakt vom selben Datum ... stellte tatsächlich den vorigen Stand in neuer Form wieder her. Durch diesen parlamentarischen Trick wurden die Mittel, deren sich die Arbeiter bedienen können bei einem Streik oder einer Aussperrung ... für illegal erklärt und unter eine Ausnahme-Strafgesetzgebung gestellt...
Man sieht, nur widerwillig und unter dem Druck der Massen verzichtete das englische Parlament auf die Gesetze gegen Streiks und Gewerkschaften, nachdem es selbst, fünf Jahrhunderte hindurch, mit schamlosem Egoismus die Stellung einer permanenten Gewerkschaft der Kapitalisten gegen die Arbeiter eingenommen hatte.“ K. Marx, Kapital I. MEW 23, 768f.

„Wir schlagen 8 Arbeitstunden als gesetzliche Schranke des Arbeitstages vor. ...
Zur Information der Mitglieder auf dem Kontinent, deren Erfahrungen auf dem Gebiete der Fabrikgesetzgebung relativ gering sind, fügen wir hinzu, dass alle gesetzlichen Beschränkungen misslingen und vom Kapital durchbrochen werden, wenn nicht die Tageszeit bestimmt wird, in die die 8 Arbeitsstunden zu fallen haben. ...
Die Tendenz muss dahin gehen, jede Nachtarbeit abzuschaffen.“ K. Marx, Vorschläge für das Programm der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA), MEW 16, 194.

„Die Verwandlung gesellschaftlicher Einsicht in gesellschaftliche Gewalt... (kann) unter den gegebenen Umständen ... nur durch allgemeine Gesetze geschehen, durchgesetzt durch die Staatsgewalt. Bei der Durchsetzung solcher Gesetze (, die in ihrem Interesse liegen,) stärkt die Arbeiterklasse keineswegs die Macht der Regierung. Im Gegenteil, sie verwandelt jene Macht, die jetzt gegen sie gebraucht wird, in ihre eigenen Diener. Sie erreicht durch einen allgemeinen Gesetzesakt, was sie durch eine Vielzahl isolierter individueller Anstrengungen vergeblich erstreben würde.“ K. Marx, Vorschläge für das Programm der Internationalen Arbeiterassoziation (IAA), MEW 16, 194.

Wo es dem Verständnis dient, habe ich die Rechtschreibung, veraltete Fremdwörter, Maßeinheiten und Zahlenangaben modernisiert. Diese und alle erklärenden Textteile, die nicht wörtlich von Marx stammen, stehen in kursiver Schrift.
Wal Buchenberg, 8.7.2002.