Googelt man „Karl Marx heute“ werden über 2 Millionen Treffer angeboten. Vorrangig und zuerst wird da Marx als „Krisentheoretiker“ gepriesen, obwohl er kapitalistische Krisen nur nebenbei, gewissermaßen in Nebensätzen erwähnt. Auch die Angst der Mächtigen vor dem Riesenwerk dieses Revolutionärs wirkt weiter und mündet in Verurteilungen wie diese: „Wenn je eine Theorie durch die Praxis widerlegt worden ist, dann diese. .... Hier haben die Ungeheuer Lenin, Stalin und Mao ihre geistigen Wurzeln. Wer den Marxismus für eine gute Idee hält, der (sic!) nur schlecht ausgeführt wurde, kennt seinen Marx nicht.“ (Alan Posener in der „Welt“, 09.03.08).
Die Linken von Anarchos über Syndikalisten bis zu den Staatslinken in und um der Partei „Die Linke“ halten – nach meinem Eindruck – halb respektvoll, halb desinteressiert Abstand von Karl Marx und seinem Werk. Gerne streut mal ein Linker ein Marx-Zitat in seine Texte, vielleicht um seine Belesenheit unter Beweis zu stellen, aber noch lieber demonstriert man als Linker seine Eigenständigkeit, die scheinbar mit der gedanklichen Ferne zum Werk von Karl Marx wächst.
Bleiben nur noch eine Handvoll „Gallier“ in einem winzigen „gallischen Dorf“, die sich darüber streiten, ob und wann Begriffe wie „Warenwert“ und „Tauschwert“ den gleichen Inhalt haben. Das Leben und die Probleme außerhalb ihres „gallischen Dorfes“ berührt ihr Streit nicht.
Wer sich heute noch auf Karl Marx beruft, trägt die Beweislast, dass sein Werk nicht nur aktuell, sondern auch unverzichtbar für unsere Einsicht in die Bedingungen unserer Emanzipation ist. Diese Beweislast wiegt jedoch schwer, so schwer, dass sie nicht von einem Einzelnen zu schultern ist. Vielleicht ermutigen die folgenden Thesen zur Aktualität der Marxschen Theorie, den einen oder die andere, sich ebenfalls neu Gedanken zu machen. Dabei will ich Konfliktlinien nicht aussparen, die die Gedankenwelt von Marx von den Vorstellungen der heutigen Linken (soweit ich sie kenne) trennt.
Karl Marx beginnt sein Hauptwerk, das dreibändige „Kapital“ mit der Analyse der Ware: „Auf den ersten Blick erscheint der bürgerliche Reichtum als eine ungeheure Warensammlung, die einzelne Ware als sein elementarisches Dasein.“ (Karl Marx, MEW 13, 15). Diese Analyse der Ware ergibt sich jedoch nur aus einem „ersten Blick“ auf den Kapitalismus. Ich denke, zentral und wesentlich für die Marxsche Kritik des Kapitalismus ist weniger die Kategorie „Ware“, als seine Analyse der menschlichen Arbeit und ihrer Bedingungen.
Die Marxsche Analyse der menschlichen Arbeit ist deshalb mein roter Faden in der folgenden Darstellung.
Inhalt:
These 1: Arbeit ist die elementare menschliche Betätigung, die Mensch vom Tier trennt.
These 2: Arbeit ist eine gemeinschaftliche Tätigkeit. Die Form der Arbeitskooperation bestimmt die Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Beides zusammen bestimmen das Zusammenleben der Menschen und damit ihre Gesellschaftsform.
These 3: Klassengesellschaften sind eine entwickelte Form der Arbeitsteilung bzw. Arbeitskooperation.
These 4: Die Klassengesellschaften unterscheiden sich je nach ihrer spezifischen Arbeitsteilung und Arbeitskooperation.
These 5: Der Kapitalismus ist die bisher produktivste und rationellste Form der Arbeitsteilung und Arbeitskooperation.
These 6: Die bestimmenden Klassen des Kapitalismus sind einerseits Kapitalisten und andererseits Lohnarbeiter.
These 7: Die Kapitalisten waren nötig als Leiter der produktiven Arbeit. Sie machten sich längst selbst überflüssig.
These 8: Die Lohnarbeiterklasse umfasst notwendig Hand- und Kopfarbeit.
These 9: Die Lohnarbeiter sind als Individuen unwichtig und ohnmächtig. Individuelle Fähigkeiten zählen nicht. Unser Potential und unsere Fähigkeiten zeigen sich nur in der Kooperation.
These 10: Für die Überwindung des Kapitalismus ist eine radikale Reduzierung der allgemeinen Arbeitszeit die Grundbedingung.
These 11: Die Überwindung des Kapitalismus ermöglicht und erfordert die Beteiligung Aller an allen gesellschaftlichen Tätigkeiten und damit die Beseitigung jeder starren Arbeitsteilung.
Text:
These 1: Arbeit ist die elementare menschliche Betätigung, die Mensch vom Tier trennt.
„Der Arbeitsprozess ist ... zunächst unabhängig von jeder bestimmten gesellschaftlichen Form zu betrachten. Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigene Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eigenes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigene Natur.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 192.
„Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. Nicht dass er nur eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt; er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen muss.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 193.
„Als Bildnerin von Gebrauchswerten, als nützliche Arbeit, ist die Arbeit daher eine von allen Gesellschaftsformen unabhängige Existenzbedingung des Menschen, ewige Naturnotwendigkeit, um den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur, also das menschliche Leben zu vermitteln.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 57.
„Wie im Natursystem Kopf und Hand zusammengehören, vereint der Arbeitsprozess Kopfarbeit und Handarbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 531.
„Wie der Wilde mit der Natur ringen muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muss es der Zivilisierte, und er muss es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 828.
Anmerkung 1) Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der kommt gar nicht auf die Idee, dass „uns die Arbeit ausgehen“ könnte.
Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der bildet sich nicht ein, wir Menschen könnten uns „von der Arbeit emanzipieren“, so dass unsere Arbeitszeit Null Minuten am Tag erreicht.
Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der kann auch nicht wie Fourier und seine Anhänger glauben, dass unsere Arbeit zum Spiel werden könne, so dass spaßige Arbeitszeit eventuell unseren ganzen Tag ausfüllt.
Wer wie Marx davon ausgeht, dass der Arbeitsprozess Kopf- und Handarbeit notwendig vereint, teilt nie das allgemeine Vorurteil, dass die „Arbeiterklasse“ nur oder besonders aus sogenannten Handarbeitern bestehen könne.
Hier sind schon auf den ersten Blick einige Konfliktlinien, die Marx von heutigen Linken trennen.
These 2: Arbeit ist eine gemeinschaftliche Tätigkeit. Die Form der Arbeitskooperation bestimmt die Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Beides zusammen bestimmen das Zusammenleben der Menschen und damit ihre Gesellschaftsform.
„Endlich, sobald die Menschen in irgendeiner Weise füreinander arbeiten, erhält ihre Arbeit auch eine gesellschaftliche Form.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 86.
„In der Produktion wirken die Menschen nicht allein auf die Natur, sondern auch aufeinander. Sie produzieren nur, indem sie auf eine bestimmte Weise zusammenwirken und ihre Tätigkeiten gegeneinander tauschen. Um zu produzieren, treten sie in bestimmte Beziehungen und Verhältnisse zueinander, und nur innerhalb dieser gesellschaftlichen Beziehungen und Verhältnisse findet ihre Einwirkung auf die Natur, findet die Produktion statt. Je nach dem Charakter der Produktionsmittel werden natürlich diese gesellschaftlichen Verhältnisse, worin die Produzenten zueinander treten, die Bedingungen, unter welchen sie ihre Tätigkeiten austauschen und an dem Gesamtakt der Produktion teilnehmen, verschieden sein.“ K. Marx, Lohnarbeit und Kapital, MEW 6, 407f.
These 3: Klassengesellschaften sind eine entwickelte Form der Arbeitsteilung bzw. Arbeitskooperation.
„Braucht der Arbeiter alle seine Zeit, um die zur Erhaltung seiner selbst und seiner Rasse nötigen Lebensmittel zu produzieren, so bleibt ihm keine Zeit, um unentgeltlich für dritte Personen zu arbeiten. Ohne einen gewissen Produktivitätsgrad der Arbeit keine solche verfügbare Zeit für den Arbeiter, ohne solche überschüssige Zeit keine Mehrarbeit und daher keine Kapitalisten, aber auch keine Sklavenhalter, keine Feudalbarone, in einem Wort keine Großbesitzerklasse ...Nur sobald die Menschen sich aus ihren ersten Tierzuständen herausgearbeitet haben, ihre Arbeit selbst also schon in gewissem Grad vergesellschaftet ist, treten Verhältnisse ein, worin die Mehrarbeit des einen zur Existenzbedingung des andern wird. In den Kulturanfängen sind die erworbenen Produktivkräfte der Arbeit gering, aber so sind die Bedürfnisse, die sich mit und an den Mitteln ihrer Befriedigung entwickeln. Ferner ist in jenen Anfängen die Proportion der Gesellschaftsteile, die von fremder Arbeit leben, verschwindend klein gegen die Masse der unmittelbaren Produzenten. Mit dem Fortschritt der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit wächst diese Proportion absolut und relativ.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 534f.
Anmerkung 3) Die wachsende Anzahl der Reichen und der wachsende Umfang ihrer Luxusbedürfnisse ist für Marx der Gradmesser für die Entwicklung der Menschheit: "Mit dem Fortschritt der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit wächst die Proportion der Gesellschaftsteile, die von fremder Arbeit leben" (= Kapitalisten plus unproduktive Lohnarbeiter).
These 4: Die Klassengesellschaften unterscheiden sich je nach ihrer spezifischen Arbeitsteilung und Arbeitskooperation.
„Die spezifische ökonomische Form, in der unbezahlte Mehrarbeit aus dem unmittelbaren Produzenten ausgepumpt wird, bestimmt das Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnis, wie es unmittelbar aus der Produktion selbst hervorwächst und seinerseits bestimmend auf sie zurückwirkt. Hierauf aber gründet sich die ganze Gestaltung des ökonomischen, aus den Produktionsverhältnissen selbst hervorwachsenden Gemeinwesens und damit zugleich seine spezifische politische Gestalt. Es ist jedes Mal das unmittelbare Verhältnis der Eigentümer der Produktionsbedingungen zu den unmittelbaren Produzenten ein Verhältnis, dessen jedesmalige Form stets naturgemäß einer bestimmten Entwicklungsstufe der Art und Weise der Arbeit und daher ihrer gesellschaftlichen Produktivkraft entspricht, worin wir das innere Geheimnis, die verborgene Grundlage der ganzen gesellschaftlichen Konstruktion und daher auch der politischen Form des Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnisses, kurz, der jedesmaligen spezifischen Staatsform finden.
Dies hindert nicht, dass dieselbe ökonomische Basis dieselbe den Hauptbedingungen nach durch zahllos verschiedene empirische Umstände, Naturbedingungen, Rassenverhältnisse, von außen wirkende geschichtliche Einflüsse usw., unendliche Variationen und Abstufungen in der Erscheinung zeigen kann, die nur durch Analyse dieser empirisch gegebenen Umstände zu begreifen sind. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 799f.
Anmerkung 4) Marx fordert also, die „verborgene Grundlage der ganzen gesellschaftlichen Konstruktion“ durch eine „Analyse der empirisch gegebenen Umstände zu begreifen.“ Diese Mühe machen sich heute die wenigsten Linken. Meist begnügen sie sich mit abstrakten Begriffen und deren „Ableitung“.
These 5: Der Kapitalismus ist die bisher produktivste und rationellste Form der Arbeitsteilung und Arbeitskooperation.
„Die wissenschaftliche Analyse der kapitalistischen Produktionsweise beweist ..., dass sie eine Produktionsweise von besonderer Art, von spezifischer historischer Bestimmtheit ist;“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 885.
Durch Anwendung arbeitssparender Technologie „wird in der Tat das Quantum zur Produktion eines gewissen Gegenstandes nötige Arbeit auf ein Minimum reduziert, aber nur, damit ein Maximum von Arbeit in dem Maximum solcher Gegenstände verwertet werde. Die erste Seite ist wichtig, weil das Kapital hier – ganz unabsichtlich – die menschliche Arbeit auf ein Minimum reduziert, die Kraftausgabe. Dies wird der emanzipierten Arbeit zugute kommen und ist die Bedingung ihrer Emanzipation.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 589.
„Der Wert der Waren steht in umgekehrtem Verhältnis zur Produktivkraft der Arbeit. Ebenso, weil durch Warenwerte bestimmt, der Wert der Arbeitskraft. Dagegen steht der relative Mehrwert in direktem Verhältnis zur Produktivkraft der Arbeit. Er steigt mit steigender und fällt mit fallender Produktivkraft. ... Es ist daher der innere Trieb und die beständige Tendenz des Kapitals, die Produktivkraft der Arbeit zu steigern, um die Ware und durch die Verbilligung der Ware den Arbeiter selbst zu verbilligen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 338.
„So entscheidend es für die Erkenntnis des Werts überhaupt ist, ihn als bloße Gerinnung von Arbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Arbeit zu begreifen, so entscheidend ist es für die Erkenntnis des Mehrwerts, ihn als bloße Gerinnung von Mehrarbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Mehrarbeit zu begreifen. Nur die Form, worin diese Mehrarbeit dem unmittelbaren Produzenten, dem Arbeiter, abgepresst wird, unterscheidet die ökonomischen Gesellschaftsformationen, z. B. die Gesellschaft der Sklaverei von der der Lohnarbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 231.
„Diese zwiespältige Natur der in der Ware enthaltenen Arbeit ist zuerst von mir kritisch nachgewiesen worden. (...) dieser Punkt (ist) der Springpunkt (...), um den sich das Verständnis der politischen Ökonomie dreht ....“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 56.
„Die Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit ist die historische Aufgabe und Berechtigung des Kapitals. Eben damit schafft es unbewusst die materiellen Bedingungen einer höheren Produktionsform.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 269.
„Die Bourgeoisie hat in ihrer kaum hundertjährigen Klassenherrschaft massenhaftere und kolossalere Produktionskräfte geschaffen als alle vergangenen Generationen zusammen. Unterjochung der Naturkräfte, Maschinerie, Anwendung der Chemie auf Industrie und Ackerbau, Dampfschifffahrt, Eisenbahnen, elektrische Telegrafen, Urbarmachung ganzer Weltteile, Schiffbarmachung der Flüsse, ganze aus dem Boden hervorgestampfte Bevölkerungen – welches frühere Jahrhundert ahnte, dass solche Produktionskräfte im Schoß der gesellschaftlichen Arbeit schlummerten.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 467.
„Wir sahen ...: das Kapital – und der Kapitalist ist nur das personifizierte Kapital ... –, also das Kapital pumpt in dem ihm entsprechenden Produktionsprozess eine bestimmte Menge Mehrarbeit aus den unmittelbaren Produzenten oder Arbeitern heraus, Mehrarbeit, die jenes ohne Gegenwert erhält und die ihrem Wesen nach immer Zwangsarbeit bleibt, wie sehr sie auch als das Resultat freier vertraglicher Übereinkunft erscheinen mag. ... Es ist eine der zivilisatorischen Seiten des Kapitals, dass es diese Mehrarbeit in einer Weise und unter Bedingungen erzwingt, die der Entwicklung der Produktivkräfte, der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Schöpfung der Elemente für eine höhere Neubildung vorteilhafter sind als unter den früheren Formen der Sklaverei, Leibeigenschaft usw. Es führt so einerseits eine Stufe herbei, wo der Zwang und die Monopolisierung der gesellschaftlichen Entwicklung (einschließlich ihrer materiellen und intellektuellen Vorteile) durch einen Teil der Gesellschaft auf Kosten des anderen wegfällt; andererseits schafft sie die materiellen Mittel und den Keim zu Verhältnisses, die in einer höheren Form der Gesellschaft erlauben, diese Mehrarbeit zu verbinden mit einer größeren Beschränkung der materiellen Arbeit überhaupt gewidmeten Zeit.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 827.
„Die große geschichtliche Seite des Kapitals ist diese Mehrarbeit, überflüssige Arbeit vom Standpunkt ... der bloßen Subsistenz aus, zu schaffen, und seine historische Bestimmung ist erfüllt, sobald einerseits die Bedürfnisse soweit entwickelt sind, dass die Mehrarbeit über das Notwendige hinaus selbst allgemeines Bedürfnis ist, aus den individuellen Bedürfnissen selbst hervorgeht, – andererseits die allgemeine Arbeitsamkeit durch die strenge Disziplin des Kapitals, wodurch die sich folgenden Geschlechter durchgegangen sind, entwickelt ist als allgemeine Besitz des neuen Geschlechts, – endlich durch die Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit, die das Kapital in seiner unbeschränkten Bereicherungssucht und den Bedingungen, worin es sie allein realisieren kann, beständig voranpeitscht, soweit gediehen ist, dass der Besitz und die Erhaltung des allgemeinen Reichtums einerseits nur eine geringere Arbeitszeit für die ganze Gesellschaft erfordert und die arbeitende Gesellschaft sich wissenschaftlich zu dem Prozess ihrer fortschreitenden Reproduktion, ihrer Reproduktion in stets größerer Fülle verhält.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 231.
„Und hier liegt der entscheidende Punkt. Sobald die Produktionskraft der menschlichen Arbeit sich bis auf diesen Höhegrad entwickelt hat, verschwindet jeder Vorwand für den Bestand einer herrschenden Klasse. War doch der letzte Grund, womit der Klassenunterschied verteidigt wurde, stets: Es muss eine Klasse geben, die sich nicht mit der Produktion ihres täglichen Lebensunterhalts abzuplacken hat, damit sie Zeit behält, die geistige Arbeit der Gesellschaft zu besorgen. Diesem Gerede, das bisher seine große geschichtliche Berechtigung hatte, ist durch die industrielle Revolution der letzten hundert Jahre ein für allemal die Wurzel abgeschnitten.“ F. Engels, Wohnungsfrage, MEW 18, 220f.
„Auf Schaffen frei verfügbarer Zeit beruht die ganze Entwicklung des Reichtums.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 301.
„Erst die durch die große Industrie erreichte ungeheure Steigerung der Produktivkräfte erlaubt, die Arbeit auf alle Gesellschaftsmitglieder ohne Ausnahme zu verteilen und dadurch die Arbeitszeit eines jeden so zu beschränken, dass für alle hinreichend freie Zeit bleibt, um sich an den allgemeinen Angelegenheiten der Gesellschaft – theoretischen wie praktischen – zu beteiligen.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 169.
Anmerkung 5) Die Mechanismen, mit der sich im Kapitalismus produktive Arbeit als Kombination von nützlicher und abstrakter Arbeit in Ware, Wert und Mehrwert umsetzt, sind vielleicht kompliziert, aber die kurzfristigen und langfristigen Resultate dieses Prozesses liegen vor aller Augen:
Auf Seiten der Kapitalisten wird – neben der Entwicklung neuer Produkte - die Reduktion der nötigen Arbeitszeit pro Wareneinheit mit Extraprofit belohnt und die verschwenderische Verwendung von Arbeitszeit mit Abzug vom Profit bis hin zum Bankrott bestraft.
Die dadurch wachsende Arbeitsproduktivität bringt wachsenden Luxus für die Kapitalisten und andererseits ein Anwachsen der Arbeitslosenzahlen wie der unproduktiven Arbeitsbevölkerung („Dienstleister“). Auf Seiten der aktiven Lohnarbeiter führt das einerseits zu Überarbeit aber auch zu realen Verbesserungen ihres Lebensstandards, auch wenn sie von dem „wachsenden Kuchen“ der Gebrauchswerte nur ihren bisherigen Prozentsatz abbekommen.
Nach dem gängigen linken Vorurteil ist es das „Elend der Massen“, das eine Revolution herbeiführt. Ja, es gibt auch Massenelend im Kapitalismus, aber das unterscheidet den Kapitalismus nicht von früheren Gesellschaften. Was den Kapitalismus von früheren Gesellschaften unterscheidet ist der gewachsene Luxus der Reichen, der anzeigt, welche produktiven Potenzen in einer Gesellschaft verborgen sind und von einer kleinen Schicht monopolisiert werden. Diese produktiven Potenzen gilt es laut Marx dem Kommando von Allen zu unterwerfen, um sie in den Dienst Aller zu stellen.
These 6: Die bestimmenden Klassen des Kapitalismus sind einerseits Kapitalisten und andererseits Lohnarbeiter.
„Die aus dem Untergang der feudalen Gesellschaft hervorgegangene moderne bürgerliche Gesellschaft hat die Klassengegensätze nicht aufgehoben. Sie hat nur neue Klassen, neue Bedingungen der Unterdrückung, neue Gestaltungen des Kampfes an die Stelle der alten gesetzt. –Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klasse: Bourgeoisie und Proletariat.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 463.
Anmerkung 6: Von diesen Marxschen Thesen hat sich die große Mehrzahl der Linken verabschiedet, während eine traditionelle Minderheit sich ohne Verstand noch daran klammert. Alle diese Linken haben weder verstanden, was die Kapitalistenklasse ist, noch was die Lohnarbeiterklasse („Proletariat“) ausmacht.
These 7: Die Kapitalisten waren nötig als Leiter der produktiven Arbeit. Sie machten sich längst selbst überflüssig.
„Mit der Kooperation vieler Lohnarbeiter entwickelt sich das Kommando des Kapitals zum Erfordernis für die Ausführung des Arbeitsprozesses selbst, zu einer wirklichen Produktionsbedingung. Der Befehl des Kapitalisten auf dem Produktionsfeld wird jetzt so unentbehrlich wie der Befehl des Generals auf dem Schlachtfeld. ... Diese Funktion der Leitung, Überwachung und Vermittlung, wird zur Funktion des Kapitals, sobald die ihm untergeordnete Arbeit kooperativ wird.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 350.
„Wie der Kapitalist zunächst entbunden wird von der Handarbeit, sobald sein Kapital jene Minimalgröße erreicht hat, womit die eigentlich kapitalistische Produktion erst beginnt, so tritt er jetzt die Funktion unmittelbarer und fortwährender Beaufsichtigung der einzelnen Arbeiter und Arbeitergruppen selbst wieder ab an eine besondere Sorte von Lohnarbeitern ... (Manager, ... Arbeitsaufseher ...). Die Arbeit der Oberaufsicht befestigt sich zu ihrer ausschließlichen Funktion.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 351.
„Indem ... aber der bloße Manager, der das Kapital unter keinerlei Titel besitzt, weder leihweise noch sonst wie, alle realen Funktionen versieht, die dem fungierenden Kapitalisten als solchem zukommen, bleibt nur der Funktionär und verschwindet der Kapitalist als überflüssige Person aus dem Produktionsprozess.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 401.
„Dass nicht die industriellen Kapitalisten, sondern die industriellen Manager ‚die Seele unseres Industriesystems‘ sind, hat schon Herr Ure bemerkt. ... Die kapitalistische Produktion selbst hat es dahin gebracht, dass die Arbeit der Oberleitung, ganz getrennt vom Kapitaleigentum, auf der Straße herumläuft. Es ist daher nutzlos geworden, dass diese Arbeit der Oberleitung vom Kapitalisten ausgeübt werde. Ein Musikdirektor braucht durchaus nicht Eigentümer der Instrumente des Orchesters zu sein, noch gehört es zu seiner Funktion als Dirigent, dass er irgendetwas mit dem ,Lohn‘ der übrigen Musikanten zu tun hat.
Die Kooperativfabriken liefern den Beweis, dass der Kapitalist als Funktionär der Produktion ebenso überflüssig geworden ...Soweit die Arbeit des Kapitalisten ... sich nicht auf die Funktion beschränkt, fremde Arbeit auszubeuten; soweit sie also aus der Form der Arbeit als gesellschaftlicher hervorgeht, aus der Kombination und Kooperation vieler zu einem gemeinsamen Resultat, ist sie ganz ebenso unabhängig vom Kapital, wie diese Form selbst, sobald sie die kapitalistische Hülle gesprengt hat. ...
Die Aktienunternehmen überhaupt ... haben die Tendenz, diese Verwaltungsarbeit als Funktion mehr und mehr zu trennen von dem Besitz des Kapitals, sei es eigenes oder geborgtes; ...“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 400ff.
„Der Widerspruch zwischen der allgemeinen gesellschaftlichen Macht, zu der sich das Kapital gestaltet, und der Privatmacht der einzelnen Kapitalisten über diese gesellschaftlichen Produktionsbedingungen entwickelt sich immer schreiender und schließt die Auflösung dieses Verhältnisses ein, indem sie zugleich die Herausarbeitung der Produktionsbedingungen zu allgemeinen, gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Produktionsbedingungen einschließt.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 274.
Anmerkung 7: Für die allermeisten Linken ist der Kapitalist einfach ein reicher Geldbesitzer, ein Geldsack. Das ist eine plumpe und unhistorische Sicht auf das Kapital. Für Marx spielt der industrielle Kapitalist die zentrale Rolle im Kapitalismus. Die meisten Linken meinen, die Geldhandels- und Warenhandelskapitalisten seien die entscheidenden Akteure.
These 8): Die Lohnarbeiterklasse umfasst notwendig Hand- und Kopfarbeit.
„Wie im Natursystem Kopf und Hand zusammengehören, vereint der Arbeitsprozess Kopfarbeit und Handarbeit. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 531.
Arbeit ist ... produktive Verausgabung von menschlichem Hirn, Muskel, Nerv, Hand usw. ... K. Marx, Kapital I, MEW 23, 58.
„Wie verschieden die nützlichen Arbeiten oder produktiven Tätigkeiten sein mögen, es ist eine physiologische Wahrheit, dass sie Funktionen des menschlichen Organismus sind und dass jede solche Funktion, welches immer ihr Inhalt und ihre Form, wesentlich Verausgabung von menschlichem Hirn, Nerv, Muskel, Sinnesorgan usw. ist. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 85.
„Die Bourgeoisie hat alle bisher ehrwürdigen und mit frommer Scheu betrachteten Tätigkeiten ihres Heiligenscheins entkleidet. Sie hat den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt. K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 465.
„Steht es frei, ein Beispiel außerhalb der Sphäre der materiellen Produktion zu wählen, so ist ein Schulmeister produktiver Arbeiter, wenn er nicht nur Kinderköpfe bearbeitet, sondern sich selbst abarbeitet zur Bereicherung des Unternehmers. Dass letzterer sein Kapital in einer Lehrfabrik angelegt hat, statt in einer Wurstfabrik, ändert nichts an dem Verhältnis. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 532.
Anmerkung 8 Wer – anders als Marx – meint, die „Arbeiterklasse“ bestünde wesentlich aus den sogenannten Handarbeitern, der kommt notwendig zu dem Schluss, dass die Arbeiter zu dumm seien, um sich selbst zu befreien und deshalb eine Avantgarde, eine intelligente Führung, benötigten. Wohin das führt, haben viele Millionen Arbeiter am eigenen Leib erfahren müssen.
These 9) Die Lohnarbeiter sind als Individuen unwichtig und ohnmächtig. Individuelle Fähigkeiten zählen nicht. Unser Potential und unsere Fähigkeiten zeigen sich nur in der Kooperation.
In der industriellen Produktion ist „,fast jedes Produkt von Kunstfertigkeit und Geschicklichkeit ... das Resultat gemeinsamer und kombinierter Arbeit.‘ (Dies ist ein Resultat der kapitalistischen Produktion.) ‚So abhängig ist der Mensch vom Menschen und so sehr wächst diese Abhängigkeit, je mehr die Gesellschaft fortschreitet, dass kaum die Arbeit irgendeines einzelnen Individuums ... vom geringsten Wert ist, wenn sie nicht einen Teil der großen gesellschaftlichen Arbeit bildet.‘“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 307.
„Wenn der Mensch von Natur gesellschaftlich ist, so entwickelt er seine wahre Natur erst in der Gesellschaft, und man muss die Macht seiner Natur nicht an der Macht des einzelnen Individuums, sondern an der Macht der Gesellschaft messen.“ K. Marx, Hl. Familie, MEW 2, 138.
„Der letzte Punkt, worauf noch aufmerksam zu machen ist, in der Arbeit, wie sie dem Kapital gegenübersteht, ist der, dass sie ... nicht diese oder jene Arbeit, sondern Arbeit schlechthin, abstrakte Arbeit ist; absolut gleichgültig gegen ihre besondere Bestimmtheit, aber jeder Bestimmtheit fähig.Der besonderen Substanz, worin ein bestimmtes Kapital besteht, muss natürlich die Arbeit als besondere entsprechen; aber da das Kapital als solches gleichgültig ist gegen jede Besonderheit seiner Substanz, und sowohl als die Totalität derselben, wie als Abstraktion von allen ihren Besonderheiten ist, so (hat) die ihm gegenüberstehende Arbeit ... subjektiv dieselbe Totalität und Abstraktion an sich. In der zunftmäßigen, handwerksmäßigen Arbeit z.B., wo das Kapital .... noch nicht Kapital als solches ist, erscheint auch die Arbeit noch als versenkt in ihre besondere Bestimmtheit: nicht in der Totalität und Abstraktion, als die Arbeit, wie sie dem Kapital gegenübersteht;Das heißt, die Arbeit ist zwar in jedem einzelnen Fall eine bestimmte; aber das Kapital kann sich jeder bestimmten Arbeit gegenüberstellen; die Totalität aller Arbeiten steht dem Kapital der Möglichkeit nach gegenüber und es ist zufällig, welche ihm gerade gegenübersteht.
Andererseits ist der Arbeiter selbst absolut gleichgültig gegen die Bestimmtheit seiner Arbeit; sie hat als solche nicht Interesse für ihn, sondern nur soweit sie überhaupt Arbeit und als solche Gebrauchswert für das Kapital ist. Träger der Lohnarbeit als solcher – d.h. der Arbeit als Gebrauchswert für das Kapital – zu sein, macht daher seinen ökonomischen Charakter aus; er ist Arbeiter im Gegensatz zum Kapitalisten.Dies ist nicht der Charakter der Handwerker, Zunftgenossen etc, deren ökonomischer Charakter gerade in der Bestimmtheit ihrer Arbeit und dem Verhältnis zu einem bestimmten Meister liegt etc.
Dies ökonomische Verhältnis – der Charakter, den Kapitalist und Arbeiter als von einander abhängige Widerparte ihres Produktionsverhältnisses tragen – wird daher desto reiner und adäquater entwickelt, je mehr die Arbeit allen Kunstcharakter verliert; ihre besondere Fertigkeit immer mehr etwas Abstraktes, Gleichgültiges wird, und sie mehr und mehr rein abstrakte Tätigkeit, ... daher ... gleichgültige, gegen ihre besondere Form indifferente Tätigkeit wird." K. Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie, S. 204.
Anmerkung 9) Die meisten Linken bauen auf individuelle Fähigkeiten und nicht auf Kooperation und stellen dann schmerzlich fest, dass ihre individuellen Fähigkeiten und die ihrer Kontaktpersonen hinten und vorne nicht genügen, um ihre Pläne zu verwirklichen.
Gewerkschaftsvertreter hegen und pflegen den individuellen Handwerksstolz der Facharbeiter. Laut Marx entstammt dieser Stolz vorindustrieller Zeit. Richtiges, zeitgemäßes "Arbeiterbewusstsein" ist das Jobdenken.
These 10: Für die Überwindung des Kapitalismus ist die Reduzierung der allgemeinen Arbeitszeit auf das mögliche Minimum die Grundbedingung.
„Der wirkliche Reichtum der Gesellschaft und die Möglichkeit beständiger Erweiterung ihres Reproduktionsprozesses hängt ... nicht ab von der Länge der Mehrarbeit, sondern von ihrer Produktivität und von den mehr oder minder reichhaltigen Produktionsbedingungen, worin sie sich vollzieht.Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. Wie der Wilde mit der Natur ringen muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muss es der Zivilisierte, und er muss es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen.
Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse sich erweitern; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehen, dass der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur am würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehen. Aber es bleibt dies immer in Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühen kann.Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 828.
„Intensität und Produktivkraft der Arbeit gegeben, ist der zur materiellen Produktion notwendige Teil des gesellschaftlichen Arbeitstags umso kürzer, der für freie, geistige und gesellschaftliche Betätigung der Individuen eroberte Zeitteil also umso größer, je gleichmäßiger die Arbeit unter alle werkfähigen Glieder der Gesellschaft verteilt ist, je weniger eine Gesellschaftsschicht die Naturnotwendigkeit der Arbeit von sich selbst ab- und einer anderen Schicht zuwälzen kann.Die absolute Grenze für die Verkürzung des Arbeitstags ist nach dieser Seite hin die Allgemeinheit der Arbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 552.
„Wenn alle arbeiten müssen, der Gegensatz von Überarbeiteten und Müßiggängern wegfällt – und dies wäre jedenfalls die Konsequenz davon, dass das Kapital aufhörte zu existieren, ... – und außerdem die Entwicklung der Produktivkräfte, wie das Kapital sie hervorgebracht hat, in Betracht gezogen wird, so wird die Gesellschaft den nötigen Überfluss in 6 Stunden produzieren, mehr als jetzt in 12, und zugleich werden alle 6 Stunden ‚Freizeit‘, den wahren Reichtum haben; Zeit, die nicht durch unmittelbar produktive Arbeit absorbiert wird, sondern zum Genuss, zur Muße, so dass sie zur freien Tätigkeit und Entwicklung Raum gibt.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III,, MEW 26.3, 252.
„Einmal die Arbeit emanzipiert, so wird jeder Mensch ein Arbeiter, und produktive Arbeit hört auf, eine Klasseneigenschaft zu sein.“ K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 342.
„Die wirkliche Ökonomie – Ersparung – besteht in Ersparung von Arbeitszeit; ... diese Ersparung ist aber identisch mit Entwicklung der Produktivkraft. Also keineswegs Entsagen vom Genuss, sondern Entwickeln von ... Fähigkeiten zur Produktion und daher sowohl der Fähigkeiten, wie der Mittel des Genusses. Die Fähigkeit des Genusses ist Bedingung für die Entwicklung der Fähigkeit zur Produktion ... Die Ersparung von Arbeitszeit gleich Vermehren der freien Zeit, d. h. Zeit für die volle Entwicklung des Individuums ... Die freie Zeit – die sowohl Mußezeit als Zeit für höhere Tätigkeit ist – hat ihren Besitzer natürlich in ein anderes Subjekt verwandelt und als dies andere Subjekt tritt er dann auch in den unmittelbaren Produktionsprozess.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 599.
„Die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsform erlaubt, den Arbeitstag auf die notwendige Arbeit zu beschränken. Jedoch würde die letztere, unter sonst gleich bleibenden Umständen, ihren Raum ausdehnen. Einerseits weil die Lebensbedingungen des Arbeiters reicher und seine Lebensansprüche größer wären. Andererseits würde ein Teil der jetzigen Mehrarbeit zur notwendigen Arbeit zählen, nämlich die zur Erzielung eines gesellschaftlichen Reserve- und Akkumulationsfonds nötige Arbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 552.
„Es versteht sich von selbst, dass die Arbeitszeit selbst, dadurch, dass sie auf normales Maß beschränkt, ferner nicht mehr für einen anderen, sondern für mich selbst geschieht, zusammen mit der Aufhebung der sozialen Gegensätze zwischen Vorgesetzten und Untergebenen etc., als wirklich gesellschaftliche Arbeit, endlich als Basis der frei verfügbaren Zeit einen ganz anderen, freieren Charakter erhält, und dass die Arbeitszeit eines wirklichen Menschen, der zugleich Mensch mit verfügbarer Zeit ist, viel höhere Qualität besitzen muss als die des Arbeitstieres.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 253.
Aber: „Die Arbeit kann nicht Spiel werden, wie der französische Sozialist Fourier will ...“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 599.
„Der wirkliche Reichtum der Gesellschaft und die Möglichkeit beständiger Erweiterung ihres Reproduktionsprozesses hängt ... nicht ab von der Länge der Mehrarbeit, sondern von ihrer Produktivität und von den mehr oder minder reichhaltigen Produktionsbedingungen, worin sie sich vollzieht.Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion.Wie der Wilde mit der Natur ringen muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muss es der Zivilisierte, und er muss es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen.
Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse sich erweitern; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehen, dass der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur am würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehen. Aber es bleibt dies immer in Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühen kann.Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 828.
Anmerkung 10: Für Marx ist eine radikale Arbeitszeitverkürzung (er erwog 50% kürzere Arbeitszeiten) die Grundbedingung und erste Voraussetzung unserer Emanzipation.
Unsere Gewerkschaftslinken bringen es nur soweit, dass sie eine geringe Arbeitszeitverkürzung zur „Beseitigung der Arbeitslosigkeit“ (!) fordern.
These 11: Die Überwindung des Kapitalismus ermöglicht und erfordert die Beteiligung Aller an allen gesellschaftlichen Tätigkeiten und damit die Beseitigung jeder starren Arbeitsteilung
„Die Gesellschaft kann sich selbstredend nicht befreien, ohne dass jeder Einzelne befreit wird. Die alte Produktionsweise muss also von Grund aus umgewälzt werden, und namentlich muss die alte Teilung der Arbeit verschwinden.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 273.
„Die freie Arbeit entwickelt sich innerhalb der kapitalistischen Produktion als gesellschaftliche Arbeit. Dass sie Eigentümer der Produktionsbedingungen ist, heißt also, dass diese den vergesellschafteten Arbeitern gehören und diese als solche produzieren, ihre eigene Produktion ... sich als vergesellschaftete unterordnen.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 514.
„... Umso mehr stellt sich heraus, dass das Wachstum der Produktivkräfte nicht mehr gebannt sein kann an die Aneignung fremder Mehrarbeit, sondern die Arbeitermasse selbst ihre Mehrarbeit sich aneignen muss ...“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 596.
„... Die ganze, aus lauter Arbeitern bestehende Gesellschaft wird Besitzerin des gesamten Produkts ihrer Arbeit, das sie teilweise zur Konsumtion unter ihre Mitglieder verteilt, teilweise zum Ersatz und zur Vermehrung ihrer Produktionsmittel verwendet und teilweise als Reservefonds der Produktion und Konsumtion aufspeichert.“ F. Engels, Wohnungsfrage, MEW 18, 222.
„Der gemeinschaftliche Charakter der Produktion würde von vornherein das Produkt zu einem gemeinschaftlichen, allgemeinen machen. Der ursprünglich in der Produktion stattfindende Austausch ... von Tätigkeiten, die durch gemeinschaftliche Bedürfnisse bestimmt wären, durch gemeinschaftliche Zwecke – würde von vornherein die Teilnahme des Einzelnen an der gemeinschaftlichen Produktenwelt einschließen ... d. h. eine gemeinschaftliche Produktion, die Gemeinschaftlichkeit als Grundlage der Produktion, ist vorausgesetzt. Die Arbeit des Einzelnen ist von vornherein als gesellschaftliche Arbeit gesetzt.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 88f.
„Gemeinschaftliche Produktion vorausgesetzt, bleibt die Zeitbestimmung natürlich wesentlich. Je weniger Zeit die Gesellschaft bedarf, um Weizen, Vieh etc. zu produzieren, desto mehr Zeit gewinnt sie zu anderer Produktion, materieller oder geistiger. Wie bei einem einzelnen Individuum, hängt die Allseitigkeit ihrer Entwicklung, ihres Genusses und ihrer Tätigkeit von Zeitersparnis ab. Ökonomie der Zeit, darein löst sich schließlich alle Ökonomie auf.Ebenso muss die Gesellschaft ihre Zeit zweckmäßig einteilen, um eine ihren Gesamtbedürfnissen gemäße Produktion zu erzielen; wie jeder Einzelne seine Zeit richtig einteilen muss, um sich Kenntnisse in angemessenen Proportionen zu erwerben oder um den verschiedenen Anforderungen an seine Tätigkeit Genüge zu leisten. Ökonomie der Zeit, sowohl wie planmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf die verschiedenen Zweige der Produktion, bleibt also erstes ökonomisches Gesetz auf Grundlage der gemeinschaftlichen Produktion. Es wird sogar in viel höherem Grade Gesetz.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 89.
Das Ganze in drei Sätzen:
Eine radikale Kürzung der allgemeinen Arbeitszeit (Marx dachte an 50%) ist Bedingung dafür, dass Alle Alles entscheiden und Alle bei Allem mittun können.
Damit diese Verkürzung der Arbeitszeit nicht zu vergrößerter Armut führt, dafür schaffen erst die Kapitalisten durch ihre erzwungene Steigerung der Arbeitsproduktivität die Voraussetzungen.
Das ist das emanzipatorische Konzept von Karl Marx.
Schluss:
„Wir haben ... gezeigt, dass die Aufhebung der Verselbständigung der Verhältnisse gegenüber den Individuen, der Unterwerfung der Individualität unter die Zufälligkeit, der Unterwerfung ihrer persönlichen Verhältnisse unter die allgemeinen Klassenverhältnisse etc. in letzter Instanz bedingt ist durch die Aufhebung der Teilung der Arbeit.
Wir haben ebenfalls gezeigt, dass die Aufhebung der Teilung der Arbeit bedingt ist durch die Entwicklung des Verkehrs und der Produktivkräfte zu einer solchen Universalität, dass das Privateigentum und die Teilung der Arbeit für sie zu einer Fessel wird.
Wir haben ferner gezeigt, dass das Privateigentum nur aufgehoben werden kann unter der Bedingung einer allseitigen Entwicklung der Individuen, weil eben der vorgefundene Verkehr und die vorgefundenen Produktivkräfte allseitig sind und nur von allseitig sich entwickelnden Individuen angeeignet, d. h. zur freien Betätigung ihres Lebens gemacht werden können.
Wir haben gezeigt, dass die gegenwärtigen Individuen das Privateigentum aufheben müssen, weil die Produktivkräfte und die Verkehrsformen sich so weit entwickelt haben, dass sie unter der Herrschaft des Privateigentums zu Destruktivkräften geworden sind, und weil der Gegensatz der Klassen auf seine höchste Spitze getrieben ist.
Schließlich haben wir gezeigt, dass die Aufhebung des Privateigentums und der Teilung der Arbeit selbst die Vereinigung der Individuen auf der durch die jetzigen Produktivkräfte und den Weltverkehr gegebenen Basis ist.
Innerhalb der kommunistischen Gesellschaft, der einzigen, worin die selbständige und freie Entwicklung der Individuen keine Phrase ist, ist die Vereinigung der Individuen bedingt eben durch den Zusammenhang der Individuen, ein Zusammenhang, der teils in den ökonomischen Voraussetzungen besteht, teils in der notwendigen Solidarität der freien Entwicklung Aller, und endlich in der universellen Betätigungsweise der Individuen auf der Basis der vorhandenen Produktivkräfte.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 424.
(zusammengestellt und kommentiert von Wal Buchenberg, 02.02.2014)