Kommunalisierung vs Verstaatlichung

  • Hallo Leute,


    im Bochumer Programm wird ja eine Kommunalisierung und Demokratisierung der Grundversorgung gefordert. Allerdings besteht für mich die Frage, wenn es z.B. um inter-kommunale Dienstleistung wie Post und Regionalbahnverkehr geht, inwieweit hier eine Kommunalisierung sinnvoll ist, da statt viele Gemeinde-Delegierte ja einfach das "nächsthöhere" Gremium auf Ebene des Bundeslandes entscheiden könnte.


    Das Umfeld des Trotzkismus fordert deshalb auch einfach allgemein eine Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle. Denn aus deren Sicht liefe eine Kommunalisierung ja gleichermaßen auf eine de-facto Verstaatlichung nur auf niedrigerer Ebene hinaus. Gerade weil die Gemeinde-Autonomie in Deutschland in vielen Fällen beschränkter sei als z.B. in der Schweiz oder Schweden. Außerdem wäre es beispielsweise nicht sinnvoll das Bildungswesen je nach Gemeinde unterschiedlich zu gestalten, weil es einheitliche Standards verhindern würde, was wiederum Umzüglern erschweren würde sich an Schulen und Unis zurecht zu finden.


    Meine Frage wäre also: Was spricht gegen eine Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle? Wie sähe eine Alternative für gemeinde-übergreifende Dienstleistungen und Produktionsstätten aus? Kommunen als Anteilseigner in Form von "sozialistischen Aktien" an Post und Stahlwerken?


    Wäre wie immer nett von euch was dazu zu hören. :)

  • Hallo Mario,


    eine Vereinheitlichung eines Standards braucht es nur im Verwertungszusammenhang.


    Nur eine Arbeitskraft, die verkauft werden muß, muß unabdingbar auch eine Verwertungsmöglichkeit anderen Orts haben!


    Wie ich das mit dem einheitlichen Bildungswesen in Kommunen im Bochumer Programm meine, hatte ich schon einmal aufgeschrieben.
    Ich verlinke es einfach noch einmal hier:
    Einheitliche und polytechnische Bildung für Alle bis zum 18. Lebensjahr


    Was gegen eine Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle spricht?


    Daß Du es (jeder einzelne), simpel ausgedrückt, nicht schaffst, als Arbeiter ein Staatswesen oder eine Staatsinstitution zu kontrollieren, die dafür da ist, Dich und die anderen zu organisieren.
    Das Dingens muß sich definitiv verselbständigen - es kann gar nicht mit jedem einzelnen zu tun haben - denn es muß ums Verrecken vereinheitlichen, sich selbst am Leben halten, opportunistisch in seinem Sinne usw. sein.
    Du willst da kontrollieren, was Dich kontrollieren (soll/ muß).


    Erinnert sei noch einmal an Robert Schlossers Good bye Lenin, welches ich immer noch beinahe fantastisch in seiner Argumentation finde.



    Liebe Grüße - Wat.

  • Hallo Leute,


    im Bochumer Programm wird ja eine Kommunalisierung und Demokratisierung der Grundversorgung gefordert. Allerdings besteht für mich die Frage ...
    ... liefe eine Kommunalisierung ja gleichermaßen auf eine de-facto Verstaatlichung nur auf niedrigerer Ebene hinaus.
    Meine Frage wäre also: Was spricht gegen eine Verstaatlichung ...

    Hallo Mario,
    das Kommune-Konzept ist keine "Verstaatlichung auf niedrigerer Ebene". Eine Machtergreifung des Volkes in den Kommunen ist der schärfste Angriff auf den kapitalistischen Staat, der von jetzt auf gleich denkbar und möglich ist.
    Karl Marx schrieb über die Pariser Kommune:
    „Die Kommune war eine Revolution gegen den Staat selbst, gegen diese übernatürliche Fehlgeburt der Gesellschaft; sie war eine Wiederbelebung durch das Volk und des eigenen gesellschaftlichen Lebens. Sie war nicht eine Revolution, um die Staatsmacht von einer Fraktion der herrschenden Klassen an die andere zu übertragen, sondern eine Revolution, um diese abscheuliche Maschine der Klassenherrschaft selbst zu zerbrechen. ... Die Kommune war die entschiedene Negation jener Staatsmacht und darum der Beginn der sozialen Revolution des 19. Jahrhunderts. Was daher immer ihr Geschick in Paris ist, sie wird ihren Weg um die Welt machen.“ K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 541f.


    Gruß Wal

  • Ein Gegenargument lautet, dass sich viele Kommunen schnell auf einheitliche Standards und eine gut ineinandergreifende Koordination einigen müssten, weil sonst nichts gewonnen wäre. Auf dem Blog "Stattkapitalismus" heißt es dazu:


    "Ein vom Import zu stark abhängiges Gebiet würde, um eine ausreichende Versorgung gewährleisten zu können, auf die marktwirtschaftlichen Ökonomien anderer Länder angewiesen sein – dies wären keine guten Voraussetzungen für einen Erfolg. Die Beispiele Sowjetunion und Volksrepublik China zeigen, dass eine Abkopplung von der marktwirtschaftlichen Weltwirtschaft nur als autarke Region möglich ist.


    Unvorstellbar ist die Etablierung einer BVW (Anmerkung: "Bedürfnisorientierte Versorgungswirtschaft") ausgehend von einzelnen Kommunen oder Kleinstaaten. Die BVW ist eine Versorgungswirtschaft auf höchstmöglichem Niveau, was die Einbeziehung verschiedener Rohstoffe, Herstellungsverfahren, Fachkräfte etc., kurz eine arbeitsteilige Wirtschaft einer großen Region voraussetzt.


    Kommunen oder kleine Regionen mit einer der BVW ähnlichen Wirtschaft wären Enklaven inmitten der Marktwirtschaft und auf einen Handel angewiesen. Sollten solche Enklaven politisch überhaupt zustande kommen, so hätten sie keinen langen Bestand, da ihnen wahrscheinlich politisch, auf jeden Fall aber ökonomisch das Wasser abgegraben wird (z.B. mit einem Handelsembargo der marktwirtschaftlichen Länder)."

  • Obige Ansichten @Mario 'stimmen dann, wenn nach altem Denkmuster, erst eine politische Revolution stattfindet ohne daß es vorher eine soziale und ökonomische begonnen hat.


    Als Gegenargument ist obiges mE so nicht haltbar. Es setzt mE darauf, daß Menschen Verteilungsgerechtigkeit erwarten und erhalten.


    Sollte dem so sein, bzw. solange das so ist, bewegen wir uns ausschließlich in Verwertungszusammenhängen und dann braucht es selbstverständlich allg. Standards.


    Es braucht sie allerdings ggf. nur in Teilen und nur in den Teilen, die tatsächlich gehandelt werden müssen, weil Kommune-MItglieder diesen Handel wegen einiger Produkte so wollen.


    Wenn aber eigentlich alles so bleiben soll, wie es ist - sich nur der Herr übers Volk ändern soll - dann spricht alles gegen Kommunalisierung und Demokratisierung.


    Geht es um Kommunalisierung und Demokratisierung ist nach heutigem Erkenntnisstand davon ausugehen, daß es sich mit den Herren bald erledigt hätte.


    Um genau letzteres geht es mir.


    Btw. und ich in meiner ganz persönlichen Person ;) mache ums eigene Verrecken nichts anderes mehr mit. :saint:


    Liebe Grüße - Wat.

  • Irgendwie geht deine Entgegnung am Thema vorbei, Wat. Es geht schlicht darum, dass nur die wenigsten Gemeinden autark wirtschaften können und dies wohl nicht wünschenswert ist. Möchte man den bisherigen Grad der Produktivkraftentwicklung für eine befreite Gesellschaft nutzen (wobei, wie ich ja schon einmal anriss, zu fragen wäre welche Technologie aus sozialer und ökologischer Sicht überhaupt verwendbar ist), kommen die Städte und Gemeinden nicht umhin ein (inter-)nationales Netzwerk zur Güterverteilung und Produktionskoordination aufzubauen. Ich sehe nicht weshalb sich daraus zwangsmäßig eine über der Gesellschaft thronende Instanz im Sinne eines abstrakten Allgemeinwillens (siehe moderne Staaten) herausbilden sollte.


    Ich gehe übrigens weiterhin davon aus, dass alledem zuerst ein politischer Prozess vorausgehen wird (möglicherweise denkbar wie der Pariser Mai von 1968) und durch die Aneignung der kommunalen Produktionsmittel und des Bodens sowie eines Aufbaus neuer öffentlicher Gremien eine Transformation der Produktionsweise erst machbar ist. Von einem kleinteiligen "Hindurchrobben" (Robert Kurz) durch die Produktion seitens kleiner Pionier-Initiativen jenseits politischer Auseinandersetzungen gehe ich nicht aus.


    Vor ein paar Tagen habe ich auf dem Blog stattkapitalismus.blogsport.de unter dem Begriff der "Bedürfnisorientierten Versorgungswirtschaft" (BVW) einen Ansatz zu einer geld- und marktlosen Produktions- und Verteilungsweise gefunden, welchen ich für ziemlich realistisch halte, wenn man beispielsweise das von Wal skizzierte Modell der Kommune Bochum und das damit verbundene Bestellsystem für machbar und wünschenswert hält. Auf dem Blog wurden auch Überlegungen zu einem möglichen Übergang in ein kommunistisches Wirtschaften gemacht. Siehe mehr dazu hier:


    Linke Niederlagen - und nun?

  • @Mario, ich gehe sogar davon aus, daß nicht eine einzige Gemeinde autark wirtschaften kann. Auf unserem heutigen Produktivkräftestand scheint mir autonom das Maximalste der 'Gefühle' zu sein.


    Wenn sich dann Kommunen untereinander auf alte oder neue Standards bei bestimmten Produkten, die sie füreinander herstellen, einigen, so ist das aus meiner Sicht etwas völlig anderes, als allg. Standards für Bildung etc. festzulegen.


    Natürlich ist auch heute nur handelbar, was per irgendeiner Normung von dem anderen so gebraucht wird. Ich muß mich als Kommune aber doch nicht auf einen Standard einigen, was ansonsten bei mir stattfindet/ läuft; weder bei Menschen noch Tieren und Produkten.


    Im Thread "Linke Niederlagen - und nun?" war ich zwischenzeitlich schon auf die BVW eingegangen. Mein Urteil ist schon aus dem wenigen, was Du zitierend eingestellt hast, niederschmetternd.
    Ich habe meine Ansicht auch kurz begründet.


    Wenn ich es noch einmal ausführlicher dort tun soll, dann sage das bitte. Dankeschön.

  • Natürlich muss eine Gemeinde gar nichts. Aber das Leben der Menschen findet eben nicht nur in einer Kommune bzw. einem Stadtbezirk statt, sondern sie durchqueren diese und erwarten gewisse allgemeine Mindeststandards. Ich gehe davon aus, dass dahingehend ein Bedürfnis der interkommunalen Angleichung bzw. des Ausgleichs besteht (sonst müsste man z.B. die Bewegungsfreiheit einschränken wenn es Regionen gibt die anhand ihres Lebensstandards stark abweichen).


    Im BVW-Modell wird dies, - wahrscheinlich abermals als "niederschmetternd" wahrgenommen, aber sei's drum - wie folgt dargelegt (man setze hier statt Region den Begriff Kommune):

    "Eine Planungsregion wird bei gewissen Gütern (z.B. Rohstoffen) „Überschüsse“ produzieren, die anderen Regionen zur Verfügung gestellt werden. Betriebe, die diese besonderen Güter herstellen, werden aus der regionalen Planung herausgenommen und in eine interregionale Planung eingebunden. Diese wird von einem interregionalen Planungskomitee durchgeführt, das mit der jeweiligen regionalen zusammenarbeitet und Arbeit und Logistik koordiniert.

    Z.B. kann die Produktion von Orangen nur in gewissen Regionen betrieben werden. Das Obst soll allerdings allen Regionen zur Verfügung gestellt werden. In diesem Fall hat das interregionale Planungskomitee für den Planungsgroßraum Europa dafür zu sorgen, dass die Orangenproduktion in der Region Südeuropa die Versorgung für ganz Europa gewährleistet und sich um die entsprechende Zuteilung zu kümmern.


    Ganz wesentlich ist, dass diese „interregionalen Güter“ nicht getauscht oder verkauft, sondern, ebenso wie innerhalb jeder Region, geplant, produziert und zugeteilt werden. Es findet kein Handel auf Basis einer Verrechnung von Wertäquivalenten (z.B. Gold, Geld) statt. Der Handel hat mit einer im großen Maßstab betriebenen BVW seine Grundlage verloren.

    Die beschriebene interregionale Planung und Zuteilung setzt voraus, dass die BVW überregional durchgesetzt ist, ja im Idealfall im Weltmaßstab betrieben wird. Diese Wirtschaft hätte dann damit kein „Problem“, was z.B. die Region Südeuropa für ihre Orangen als Gegenwert bzw. Austauschprodukt erhält.


    Die Orangen sind Bestandteil des interregionalen Zuteilungsplanes, genauso wie Erdöl, welches u.a. von der Region Nordeuropa den Südregionen zur Verfügung gestellt wird (bis eine Alternative für diesen Rohstoff gefunden ist). Den Orangen und dem Erdöl entsprechen keine wie immer gearteten Austauschrelationen. Für die interregionale Planung und Zuteilung gilt also dasselbe wie für die Planung und Zuteilung innerhalb einer Region. (...)

    Die interregionale Planung hat auf regionale Planungsgebiete Rücksicht zu nehmen, die in der Produktion nachhinken. Die Güter, welche notwendig sind um eine eigene Reichtumserstellung in die Wege zu leiten bzw. zu den produktiveren Regionen aufzuschließen, sind von anderen Regionen bereitzustellen. Dabei wird nicht darauf abzuzielen sein, dass alle Regionen alle Produkte selbst produzieren. Die Grundversorgung sollte allerdings jede Region in großem Maße selbst sichern können.

    Die Verständigung und Beziehungen der Regionen untereinander bestehen hauptsächlich in der Abstimmung der Zuteilungspläne und der gezielten Kontrolle und Nachbesserung der Produktzuteilung. (...)

    Ebenso wie die private Verwertung der Produktion entfällt auch der Eigentumsanspruch von Regionen auf die in diesen hergestellten Produkten. Einzig und allein die geleistete Arbeitszeit eines BVW-Mitglieds ergibt einen Anspruch auf allgemeine bzw. Sonderversorgung. Dies gilt nicht nur regional sondern interregional.

    Eine regionale oder interregionale Wanderung von Leuten ergibt für die Zuteilung kein Problem – die Chipkarte gilt in allen Regionen. Sollten sich die Leute nicht als Touristen bewegen, sondern sich in der neuen Region auch niederlassen, so sind sie als Auszubildende oder Arbeitskräfte bzw. nicht Arbeitende in die Planung miteinzubeziehen.


    Die Chipkarte wird mit einem Regionalcode versehen. Wird sie in anderen Regionen benützt, verliert sie nach einer gewissen Zeit ihre Gültigkeit. Das betreffende Mitglied hat sich bei dem jeweiligen regionalen Arbeitskomitee zu registrieren, bekommt eine neue Karte ausgestellt und wird somit in das Planungssystem integriert."


    Ich finde, das Modell lässt sich gut als Ergänzung zu Wals Skizze einer genossenschaftlich produzierenden Kommune denken und hebt einige der vorgebrachten Kritiken an dem Modell der Kommune Bochum auf.

    Anmerkung: Die Fettmarkierung habe ich vorgenommen.


    Quelle: http://stattkapitalismus.blogs…ssenhandel-aussenpolitik/

  • Ich habe darin keine Heimat gefunden. Ich stelle bloß die Argumentation des Modells vor und bin insoweit gespannt welche Gegenargumente es geben könnte. Konkrete kamen ja bisher keine. Dass die Planungsgremien problematische Auswüchse annehmen können könnte durchaus sein.


    Ich frage mich allerdings inwieweit sich das BVW-Modell groß von deinem der Kommune Bochum unterscheidet, Wal.

  • Ich habe darin keine Heimat gefunden. Ich stelle bloß die Argumentation des Modells vor ...

    Hallo Mario,
    du versteckst dich also hinter fremden Ansichten? Das machen sonst nur Trolle. :thumbdown:


    @Mario: Die Planungsgremien sind nicht "Auswüchse", sie sind die alles entscheidende Weichenstellung in eine Klassengesellschaft, in der die Arbeitenden wieder die Dummen sind/ sein sollen.


    Schaust Du wegen fehlender konkreten Gegenargumente bitte hier.

    Wenn dir diese Argumente nicht ausreichen, mir reichen sie.


    Wenn du noch mehr Argumente brauchst, dann bringe den Alfred Fresin dazu, hier sein Modell vorzustellen und zu begründen. Spätestens dann wird sich herausstellen, wo sich sein Sozialismus-Modell überall von der Kommune Bochum unterscheidet. Wenn wir alle auf seiner Wellenlänge wären, würde Alfred längst schon hier mitdiskutieren.


    Gruß Wal

  • Da Fresin sein Modell hier wahrscheinlich nicht selbst vorstellen wird, war ich halt gespannt was ihr zur Argumentation des Modells sagen würdet. Er geht ja davon aus, dass der Staats-"Sozialismus" weniger an seiner Zentralplanung als solcher, sondern an der damit verknüpften Verwendung von Ware-Geld-Beziehungen in Form einer "sozialistischen Warenproduktion" gescheitert sei.


    Fresins Vorstellung könnte dahingehend aber wirklich durchaus naiv sein, dass sich aus den Planungskomitees kein neuer Herrschaftsapparat entwickeln könne. Schließlich räumt er diesen eine hohe Entscheidungsautonomie ein, die teils erst im Nachhinein kritisiert und verbessert werden könne (ich frage mich trotz allem worin der eklatante Unterschied zum Modell der Kommune Bochum liegt, wo Rechenstellen ja ebenfalls Bestellungen erfassen).


    Er geht aber von aus, dass die Planer eng mit den übrigen Bürgern zusammenarbeiten würden. Dass dies die ML-Theoretiker über die Planungsabläufe in der UdSSR oder der DDR ähnlich dachten, könnte wohl als Gegenargument gelten, vor allem deshalb, da Theorie und Wirklichkeit wegen der strukturellen Stellung der Planer stets auseinanderfielen.


    Fresin macht hierfür aber das Hybris-System der Zentralverwaltung als Ursache aus. Bei bloßer Gebrauchswertplanung wäre dies seiner Meinung nach nicht der Fall. Unter Aufhebung der Warenproduktion wäre ein abstraktes Allgemeininteresse in Form eines Staates überflüssig und die Probleme der realsozialistischen Zentralverwaltungswirtschaft wären verschwunden. Somit könnten die Planungskomitees keine Herrschaft von Menschen über Menschen mehr und nur noch der Verwaltung von Sachen dienlich sein. Ähnlich sehen es ja z.B. die so genannten Wertkritiker.


    Steht die Frage im Raum inwieweit das stichhaltig ist.

  • ... und genau diese Zentralisierung kommt ihm über die Verwaltungs-/ Planungsgremien wieder ins Haus.


    Das Modell der Kommune Bochum zeigt mE einen 'technischen' Ablauf auf. Schwachpunkt ist da aus meiner
    Sicht derzeit 'nur' der Eingriff ins Comuputerprogramm. Falls es jemandem gelingt, die Administration auf eine bestimmte Gruppe zu beschränken.
    Es sammelt nur und stellt nur dar, hier die Bedarfe, da die freiwilligen Leistungen. Personenbezogene Verknüpfungen kann und darf es an keiner Stelle geben!


    Dem ganzen muß ein Emanzipationsprozeß voraus gegangen sein, sonst kann auch die Kommune Bochum nie und nimmer herrschaftsfrei funktionieren.


    Menschen müssen ohne Verwertungsmechanismen leben können und wollen, nicht nur nicht dürfen ;)

  • Ich habe beschlossen, hier noch einmal kurz nachzulegen...


    Wenn die Gebrauchswertproduktion geplant wird, gehören dazu neben den Produktionsmitteln auch Produktivkräfte mit ihren jeweiligen Produktionsinstrumenten. Also neben Maschinen, Geräten und Anbauflächen auch Menschen mit ihrem jeweiligen Wissen und Können.


    Sind die Planer der Gebrauchwertproduktion (Güter) nicht alle Menschen gemeinsam sondern eine besondere Plankommission/ -ungsbürokratie, dann gehören sogar alle (auch die potentiell notwendigen) Menschen selbst dieser Plankommission/ -ungsbürokratie.
    ... da ist dann sogar der Lohnarbeiter freier als ein Mensch in diesem Organisationswesen (Staat, Kommune, whatever)

  • Hallo Wat.,
    um deinen Gedanken zu bekräftigen:


    Es gibt in der deutschen Sprache die einfache Unterscheidung in Aktiv und Passiv. Es gibt ein Tun oder ein Erleiden.


    In Aktiv und Passiv scheiden sich klar das Planen (Aktiv) und das Verplantwerden (Passiv).
    Entweder mensch tut es oder mensch erleidet es.


    Diese einfache Unterscheidung wird per Herrschaftssprache verwischt und vernebelt.
    In der einen Herrschaftssprache wird das "Mitbestimmung" genannt, in der anderen Herrschaftssprache "Beteiligung an der Planung". (Selbst)Betrug ist beides, meint Wal.

  • Manchmal tut es mir beinahe schon leid, daß ich wieder und wieder einen Vorschlag, der sicher auch viel Arbeit, Gehirnschmalz, Zeit und Engagement 'gekostet' hat, so verreißen muß...
    ... nur weiß ich bei Alfred Fresins Vorschlag/ Modell nicht einmal, welches kleine Stück Weg ich mit ihm gemeinsam gehen können kann.


    Hm... vielleicht so weit, daß es dazu kommt, daß die Entscheidungen in der Kommune getroffen werden.


    Aber gleich danach müßte er mich eigentlich bekämpfen und ich ihn, wenn ich weiter leben will.
    Denn für den Fall des Nichtmitmachenwollens hat sein Modell ja auch gleich 'etwas' vorgesehen. *seufz*

  • ... den Fall des Nichtmitmachenwollens hat sein Modell ja auch gleich 'etwas' vorgesehen. *seufz*

    Hallo Wat.
    Was hat Fresin denn Schönes für uns und für alle vorgesehen, die sich nicht von ihm und seinen Helfern verplanen lassen wollen?
    Gruß Wal

  • Hallo Wal,


    ich entnehme allein schon dem Post von Mario (#8 hier), daß ich mich beim Arbeitskommiteé registrieren lassen muß, damit ich zur Arbeit eingeteilt werden kann und dann nur entsprechend meiner Arbeitsleistung (Stunden) allgemein oder sonderversorgt werde.
    Kommt mir doch irgendwie sehr bekannt vor ^^


    Es bräuchte mir aber niemand die Repressionsmöglichkeiten extra aufzuschreiben, da gäbe es noch einiges mehr, die politischen noch nicht einmal genannt, ich weiß in welchen Sachzwängen so eine Planung steckt...


    Liebe Grüße - Wat.

  • Wat, die Grundversorgung steht allen offen, egal ob sie arbeiten. Bei der Allgemein- und Sonderversorgung sieht es anders aus. Möglicherweise ist eine "zwanghafte" Arbeitsteinteilung aber nicht nötig. Im BVW-Modell wird aber davon ausgegangen, dass die Möglichkeit besteht, dass nach dem Zusammenbruch der Marktwirtschaft nicht einfach alle so mitmachen und bestimmte Güter nicht unendlich vorhanden sind bzw. eingeteilt werden müssen.


    Soweit zur Erklärung, die nicht als unkritische Verteidigung des Modells verstanden werden soll.

  • @Mario Ahner, daß ist ja die alte Crux, daß da jemand meint, es könne eine genaue Trennlinie gezogen werden zwischen Grundbedarf und erweiterten Bedarf/ Luxusbedarf etc.pp.


    Sind der Grundbedarf an Essen dann 2.000 kcal, weil das die durchschnittliche Ernährungsmenge eines hiesigen Erwachsenen ist?


    Wie setzen diese sich zusammen?


    Mit Schwarzbrot und Gemüse, weil das gesünder ist oder darf es vielleicht doch Fleisch sein und Weißbrot. Ist Schnaps weiterhin erlaubt, ich meine alleine für die Herstellung des Destillats könntest Du sonst ein ganzes Dorf ernähren. Gesund ist es eh nicht und trotzdem einstweilen aus unserer Kultur nicht weg zu denken.


    Daß Du das Modell nicht verteidigen willst, davon war ich spätestens nach unserer kleinen Diskussion ausgegangen - mir ging es (man sehe es mir bitte nach) auch ein bißchen um evtl. andere Leser hier.


    Fazit:
    Wenn die Mehrheit nichts anderes machen will, als es jetzt ist, dann sollte jeder vernunftbegabte Mensch eigentlich von selbst sehen, daß er nur mit Zwang weiterkommt und das ja wohl nicht im Sinne der 'Erfindung eines Besseren' ist.
    Mitmachen ist s.o. bei Wal uU eh 'unglücklich' ausgedrückt.

  • Hallo
    Die Notwendigkeit, die bestehenden Verhältnisse zu analysieren und zu kritisieren, ist leicht einsehbar. Ohne zu wissen womit man es zu tun hat, steht man hilflos den gesellschaftlichen Gegebenheiten gegenüber und man ist auch nicht in der Lage gesellschaftliche Alternativen aufzuzeigen.
    Das Entwerfen von gesellschaftlichen Modellen für eine künftige Gesellschaft ist für mich dagegen eine fragwürdige Vorgehensweise . Diese Modelle greifen in jedem Fall, den Entwicklungen in künftigen realen Bewegungen vorweg, bestenfalls gibt es ein paar Ähnlichkeiten. Künftige Bewegungen greifen (hoffentlich) die jeweils aktuellen Bedingungen auf und entwerfen dann ihre eignen Pläne, wie sie weiter vorgehen. Die Möglichkeit des Scheiterns und / oder des Abgleitens in eine Minderheitenbewegung läßt sich nicht ausschließen und wird auch kein Grund sein es nicht wieder zu versuchen.
    Gruß Jens

  • @Jens Hier in diesem Thread ging es nicht darum ein Modell zu entwerfen.


    Du hast insoweit meine Zustimmung, wenn Du meinst, daß es alles andere als zielführend ist, bis ins letzte oder vorletzte Detail ausgeklügelte Modelle zu erschaffen, die dann wie eine Schablone benutzt werden sollen.
    Nein, das ist das letzte um was es mir geht.
    Es geht mir darum aufzuzeigen, auf was es ankommt, wenn wir Lohnabhängigen und Besitzlosen nicht in der nächsten Untertanenexistenz landen wollen.


    ... und da sind mir die doch immer wieder auftauchenden Modell-Planungen ganz recht.


    Großer Studieraufwand war da bisher nicht, es war (bisher jedenfalls) in Nullkommanix klar, wo da der Anspruch schon in der Theorie versagt - da müssen wir den Praxisbeweis nicht noch einmal führen.


    Wir dürfen nämlich auch aus der Geschichte lernen :P

  • Hallo
    Das Entwerfen von gesellschaftlichen Modellen für eine künftige Gesellschaft ist für mich dagegen eine fragwürdige Vorgehensweise .

    Hallo Jens,
    solche Modelle wie das von Fresin spielen keine unmittelbare Rolle für die soziale Bewegung, aber sie sind sinnvoll für die Kritik und Selbstkritik unseres linken Selbstverständnisses. Sie ermöglichen uns Linken einen sachlichen Diskurs, was wir anstreben (sollen/können) und was nicht.
    Das ist umso wichtiger, als es historisch große Diskrepanzen zwischen dem gibt, was Kommunisten und Linke im Vorhinein angestrebt und "versprochen" hatten und dem, was am Ende unter ihrem Management herausgekommen ist.
    Ich bin deshalb Alfred Fresin dankbar, dass er sich die Mühe gemacht hat, seine Vorstellungen einer nachkapitalistischen Gesellschaft zu ordnen und aufzuschreiben. Ich bin dem Mario dankbar, dass er dieses Modell hier im Marx-Forum vorgestellt hat und ich bin Wat. dankbar, dass sie dieses Modell kommentiert und kritisiert hat. :thumbsup:


    Gruß Wal

  • Es bleibt für mich die Frage inwieweit eine Überführung der Grundversorgung in kommunales Eigentum strukturell von einer Überführung in Bundesland- oder Bundes-Eigentum verschieden ist. Denn letztlich kann der Bund den Gemeinden gut den Hahn abdrehen, wenn diese sich beispielsweise nicht an den Sparvorgaben halten.


    Weiterhin für eine Kommunalisierung im Gegenzug zu einer Verstaatlichung auf "höherer Eben" spricht wohl die gewährleistete Überschaubarkeit. Der österreichische Nationalökonom Leopold Kohr verwies hierbei auf überschaubare Größenordnungen, da nur diese selbstbestimmte Verhältnisse bewahren könnten ohne in Zentralismus inklusive Hierarchien etc. abzudriften.


    Im Wikipedia-Eintrag zu Leopold Kohr heißt es: „Die Größe – Kohr meint nicht die absolute, sondern die relative, die zu große Größe – [...] scheint das zentrale Problem der Schöpfung zu sein. Wo immer etwas fehlerhaft ist, ist es zu groß. [...] Die Größe – und nur die Größe! – ist das zentrale Problem der menschlichen Existenz, im sozialen und im physischen Sinn“ (Das Ende der Großen, Einleitung). Folglich gibt es für Kohr auch nur eine Rettung: „[...] die Idee und das Ideal der Kleinheit als einziges Serum gegen die krebsartige Wucherung der Übergröße [...]“ (a.a.O.). Rupert Riedl nennt es „Kohrs Gesetz“ und schreibt: "Kohrs Gesetz besagt, dass unsere Lebenswelt nach den kleinen Maßen des Menschen strukturiert werden muss, will sie eine humane Welt werden."


    Kohr sprach darüber hinaus einen Gedanken an, der meiner Meinung nach zu selten beachtet wird: Es macht einen Unterschied ob Menschen in überschaubaren Gruppen zusammenfinden und sich auf Augenhöhe austauschen und frei diskutieren können oder in einer unüberschaubaren Masse zusammenkommen und zahlreichen Effekten der Massenpsychologie ausgeliefert sind. Gerade der Populismus und der oft aus ihm entspringende Avantgardismus von Polit-"Eliten", egal ob von Links oder Rechts, bedient sich derlei "Vermassungs"-Methoden bzw. ist auf diese angewiesen.


    Ein elementarer Bestandteil ist dabei die Geschwindigkeit bzw. Dauermobilisierung der "Massen" durch die Avantgarde. Dazu weiter im genannten Wikipedia-Eintrag:


    "Darüber hinaus prägte Kohr in seiner Geschwindigkeitstheorie den Slogan „slow is beautiful“, weil in der Langsamkeit auch die Massenwirkung abnimmt. Während die Straßen einer Stadt zu normalen Tageszeiten völlig ausreichen, steht in den Stoßzeiten der Verkehr; während die Theater- und Kinoausgänge am Ende der Vorstellung völlig ausreichen, sind sie im Falle einer Panik zu eng. Leopold Kohrs Philosophie betont die Würde und Vernunft des Individuums, befähigt, kreativ zu sein und seinen Willen zu gestalten. Eine Masse aus Individuen aber zerstört die Freiheit und verhält sich nicht wie vernünftige Wesen, sondern wie leblose Teilchen, die statistischen Gesetzen gehorchen.


    Begibt sich der freie Mensch in die Masse, degeneriert er vom Kulturwesen zum Teil einer physikalischen Gesetzen unterliegenden Einheit. Der mit Leopold Kohr befreundete Salzburger Philosoph Günther Witzany vertritt die These, dass sich Kohrs Philosophie idealerweise mit den soziologischen Analysen von Elias Canetti (Masse und Macht) und Lewis Mumfords Technikphilosophie (Mythos der Maschine) ergänzt.


    Elias Canetti verdeutlicht akribisch das Verhältnis von Menschenmassen zu ihren Führern und das oft vernunftwidrige Verhalten von Massen, während Lewis Mumford auf einzigartige Weise die Entmenschlichung in zentralistisch organisierten und technokratisch regulierten Gesellschaften thematisiert."


    Aus diesem Grund, so meine Überlegung, kann sich z.B. auch eine AfD für Volksentscheide aussprechen, dürfte aber wenig für deliberative/partizipatorische Demokratieformen übrig haben.


    PS: Inzwischen ein wenig Off-Topic, aber das kam mir grad als Ergänzung für Überlegungen von sozialer Emanzipation in den Sinn.

  • @Mario Ahner


    Vordergründig geht es mir nicht darum, ein Ganzes überschaubar zu halten. Dh. von den diversen '150-er Horden' halte ich nicht mehr als gar nix...


    Wichtig ist, daß jeder selbst etwas überschauen bzw. wirklich selbst entscheiden kann.
    Und da macht es einen gewaltigen Unterschied, ob etwas am Ort ist oder zusammengefaßt in 'höheren' Strukturen wie zB. Landkreis oder gar Bundesland.


    Du sprichst hier sonst immer wieder die Konförderation an. Die 'schlucke' ich nur dann, wenn sie sich aus dem Willen einzelner Kommun(alverfassung)en bildet.


    Dieses ganze Massenbetrachten gehen mE immer (noch) von einer Vertreterstruktur aus.


    Ich denke, wenn wir so etwas wie eine Aufgabe haben dann, daß jedwede Vertreterei Gift für ein (nenne es ruhig: demokratisches) Miteinander ist.


    Ich kenne die 'Wirkung' von/ in Massen und ich weiß, was Gruppendynamik ist und birgt... - aber was die diversen sich-zu-Gelehrten und-Intellektuellen-berufen-Fühlenden da aus meiner Sicht immer für eine Ansicht über mich und andere Normal-Ottos verlauten lassen, hat was von "Der gute HIrte spricht über die dämlichen Schafe".


    Kommunalisierung und Demokratisierung macht nur zusammen (emanzipatorischen) Sinn.


    Nur die Menge der Individuen gemeinsam macht Kommunismus!



    Liebe Grüße - Wat.

  • Ich habe manchmal das Gefühl wir reden irgendwie aneinander vorbei, Wat bzw. du gehst nur am Rande darauf ein was ich versucht habe anzusprechen, aber gut, sei's so.


    Gerade wenn es dir darum geht etwas selbst überschauen und entscheiden zu können, ist die Größe des Gemeinwesens nicht unerheblich. Vermassungseffekte, d.h. wenn derart viele Menschen zusammenkommen, dass sich nicht jeder äußern kann und dadurch eine Vertretung notwendig wird sind ja gerade das was ich als Problem angesprochen habe.


    Man mag hierbei gewisse Gelehrte kritisieren, aber es gibt schon gewisse Beobachtungen darüber wie groß eine Gruppe sein kann um gleichberechtigtes Entscheiden ohne Hierarchien zu ermöglichen, und das hat eben mit Überschaubarkeit bzw. einem niedrigen Grad von Komplexität zu tun.


    Die von mir in einem anderen Thread erwähnte Initiative "Neustart Schweiz" schlägt bei ihren Kommunalisierungs-Vorschlägen deshalb eine Dreiteilung in Nachbarschaft, Quartier und Stadt vor. Dazu heißt es:


    "Eine typische Neustart-Nachbarschaft hat eine eigene Versorgung mit in der näheren Umgebung erzeugten Lebensmitteln, ein grosses Lebensmitteldepot (Lebensmittel zum Entstehungspreis – oder fast gratis, wenn das Land der Nachbarschaft selbst gehört), eine Grossküche, Restaurants (mit Take-Away), Bars, Bibliothek, Secondhand-Depot, Reparaturservice, Wäscherei, Gästehaus, Bad, Geräteverleih, Kinderparadies usw (...)


    In Zürich hat es Platz für 700, in der Schweiz für 14'000, auf der Welt für 14 Millionen Nachbarschaften. Für weitere Dienstleistungen gruppieren sich diese Nachbarschaften zu lebendigen Quartieren oder Landstädten (20'000 bis 50'000 Menschen), zu Regionen (7 in der Schweiz), zu Territorien (wie dem der Schweiz), zu subkontinentalen industriellen Netzwerken."


    Siehe: http://neustartschweiz.ch/node/244


    Weiter heißt es: "Innerhalb der Nachbarschaften werden Nahrungsdepots angelegt, die Gemeinschaftsküchen, Restaurants und einzelne Haushalte versorgen. Die Verarbeitung und Distribution findet damit in den Nachbarschaften selbst statt. So bleibt die Wertschöpfung in der Hand von Produzent und Endverbraucher. Damit ist Permakultur nicht nur umweltverträglich, sondern für alle Beteiligten lukrativ.


    Manche Lebensmittel wie Öle, Kaffee, Wein, Gewürze und so weiter können nicht regional erzeugt werden. Ihre Gewinnung und Verteilung wird weiterhin auf der Ebene von grösseren Regionen, Kontinenten oder sogar global bleiben. Auf der Ebene von Bezirken und Kleinstädten (ca. 40 Nachbarschaften mit rund 20'000 Menschen) werden somit zusätzliche Verteilzentren benötigt. Dies könnte ein grösserer Supermarkt sein, wo überregionale und globale Erzeugnisse fair gehandelt werden.


    Der ganze Kreislauf der Produktion, Verteilung, Zubereitung und des Verbrauchs von Nahrungsmitteln, ebenso wie die Verwertung von Abfällen kann demokratisch von den direkt betroffenen Menschen organisiert und kontrolliert werden. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil der «Ernährungssouveränität» und damit auch der politischen Macht. Menschen, die sich selbst ernähren können, sind weniger anfällig für Erpressung und Ausbeutung auf anderen Ebenen. (...)


    Unsere Lebensgrundlagen (Nahrung, Technik, etc.) sollen möglichst lokal hergestellt werden, nur so erreichen wir eine gerechtere Verteilung von Ressourcen und Wohlstand – weltweit.


    Organisationen verlieren an Effizienz, wenn sie zu gross werden. Die allgemeinen Dienstleistungen sollten also nicht durch Grossunternehmen abgedeckt werden, sondern durch ein klar gegliedertes Netzwerk aus einander ergänzenden, halb autonomen Einheiten. Ziel dabei ist weder Profit noch Wettbewerb, sondern allgemeiner Wohlstand und Ökologie.


    Es soll weder anonyme Kontrolle durch Behörden, noch eine «unsichtbare Hand» des Marktes, sondern die bewusste Entscheidung der Gemeinschaft «wirtschaften». Hightech-Elemente, die auf einer kontinentalen oder globalen Ebene produziert werden, ermöglichen und ergänzen dabei die regionale Produktion.


    Ein nachhaltiger Haushalt orientiert sich grundsätzlich am Bedarf. Anstatt Waren auf dem Markt zu verschleudern, werden benötigte Güter von den Verbrauchern bestellt. Die Produzenten versuchen auf «Augenhöhe» den Anforderungen zu entsprechen (soweit die verfügbaren Ressourcen dies zulassen) und geben den «Kunden» Feedback, welches die «Kunden» wiederum in ihren Bestellungen berücksichtigen können.


    Eine solch iterative, demokratische und kontinuierliche Planung in Echtzeit unterscheidet sich sehr von der bisherigen Planung: Es gibt keine separate planende Autorität. Planung ist keine Befehlskette mehr, sondern gehört zu den allgemeinen Dienstleistungen, die allen zur Verfügung stehen."


    Vielleicht wird das Modell, das bereits versucht wird in die Praxis umzusetzen, nun klarer. Auch welche Größenordnung denkbar ist damit weiterhin Verantwortlichkeit, deliberative Demokratie und Überschaubarkeit, welche die Notwendigkeit einer Planungsbehörde wie sie z.B. in dem kritisierten Fresin-Modell der "Bedürfnisorientierten Versorgungswirtschaft" auftritt, vermeidet.


    Jedenfalls halte ich es für sinnvoll es hier ebenfalls zur Diskussion zu stellen und es sich mal genauer anzuschauen. Den hier geäußerten Kommunalisierungs-Vorstellungen scheint es jedenfalls ähnlich zu sein.

  • Hallo Mario,
    es gibt da nicht nur Ähnlichkeiten zu meinen/unseren Vorstellungen, sondern auch Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten.
    Ich freue mich, dass andere Leute in eine ähnliche Richtung denken wie ich/wir. Es gehört allerdings nicht übermäßig viel Phantasie und Intelligenz dazu, um (möglichst) lokale/ortsnahe Produktion zu befürworten.
    Die besten Lösungen werden jedoch nicht im Vorhinein und nicht vom Schreibtisch aus entschieden, sondern durch Ausprobieren und Erfahrung.
    Oder was erwartest du von mir noch an Stellungnahmen?
    Gruß Wal

  • @Mario Ahner - ich könnte an einem Punkt ins Detail gehen, ich stelle aber auch diesen nur grob in den Raum:


    Egal wie groß ein zu überblickender Zusammenhang sein wird/ sein könnte, so oder so geht es beim selbst entscheiden auch um selbst machen können.


    Also nur mal so rein rhetorisch in den Raum gestellt, was stellen sich denn die 'Herren und Damen Intellektuellen' so vor, wer das Zeug, das sie haben wollen, macht?
    Wie oder wann möchten sie denn diese Fähigkeiten erlernen bzw. was können sie denn sonst noch so außer große Reden schwingen und tolle Abhandlungen schreiben?
    Leise Ironie Off ;)

  • Ja, sicher geht's ums selbst machen. Was sonst? Gerade um das auf gleicher Augenhöhe ohne Hierarchie-Bildung tun zu können bedarf es allerdings Überschaubarkeit und die hat in gewisser Weise mit der Größe einer autonomen Gruppe zu tun.


    Im Unterschied zu Fresins BVW-Modell legt die Initiative Neustart Schweiz bereits praktische Grundsteine. Siehe hier:


    Weltweit: o500.org
    Basel: lena.coop
    Bern: warmbächli.ch
    La Chaux-de-Fonds:voisinage2300.ch
    Lausanne: ecoquartier.ch
    Luzern: wohnwerk-luzern.ch
    St.Gallen: mgp-ost.ch
    Uster: idaro.ch
    Zürich: nena1.ch


    Für mehr Infos kann ich den Youtube-Kanal von Neustart Schweiz empfehlen. Dort wird einiges mehr im Detail erklärt und welche praktischen Projekte momentan laufen und geplant sind.

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