"Freie Fahrt mit dem öffentlichen Nahverkehr" hat es aus linksradikalen Forderungskatalogen bis in ein EU-Dokument der Bundesregierung geschafft. Das ist schon was.
Die Medienmeute versucht sofort, dieser linken Forderung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das geschieht auf zwei Wegen:
Erstens wird versucht, den kostenlosen Nahverkehr auf ein Mittel zu Reinhaltung der Luft zu beschränken. Dieser Trick funktioniert ähnlich wie bei der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung, sobald diese Forderung nur als Arbeitsmarktinstrument hingestellt wird.
Viele Leute winken ab und fühlen sich nicht angesprochen.
Tatsächlich ist eine radikale Arbeitszeitverkürzung ein wichtiger Schritt bei der Beseitigung der Lohnarbeit, indem nämlich für die Lohnarbeiter zeitlicher Freiraum für eine umfassende Beteiligung an gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entscheidungen geschaffen wird.
Ein kostenloser Nahverkehr ist ein wichtiger
Schritt sowohl bei der Einbeziehung aller Niedriglöhner und Hartz-Empfänger in
das kommunale Leben als auch ein Schritt zur Rückgewinnung politischer Macht durch die Kommunen.
Der zweite Versuch, die Diskussion über den kostenlosen Nahverkehr abzuwürgen, wird mit der Kostenkeule versucht. Der Spon tönt: Der Hamburger Verkehrsbund müsste bei freier Fahrt im HVB jährlich 830 Millionen Euro finanzieren, die er zur Zeit durch Fahrkartenverkäufe einnimmt. „Das ist in etwa eine Elbphilharmonie pro Jahr“, die 800 Millionen gekostet hatte.
Die zunehmende Verarmung der Kommunen ist allerdings von der politischen Klasse in Deutschland gewollt. Die Kommunen erhalten immer weniger aus dem Steuersäckel. Immer mehr Macht und immer mehr Geld wird vom Bund monopolisiert. Der Vertrauensschwund und die Nachwuchssorgen der politischen Klasse in Deutschland wirken immer stärker zentralisierend. Immer weniger Personen im Staat verwalten immer größere Geldmittel und entscheiden über immer mehr (eigentlich) gesellschaftliche Aufgaben.
Hamburg hat aber 1,7 Millionen Einwohner. Würden alle Einwohner Hamburgs zur Finanzierung des Nahverkehrs herangezogen, meinetwegen in der Höhe des monatlichen GEZ-Beitrages von 17,50 Euro, dann kämen im Jahr schon 357 Millionen Euro zusammen (17,50 x 12 x 1,7 Mio).
Dafür können die meisten Autokosten wegfallen, die jeden Monat ein großes Loch in unsere Haushaltskassen reißen. Der kluge Guugl sagt: "Ganz grob können Sie für einen Kleinwagen mit 200 Euro Unterhaltskosten pro Monat rechnen, mit einem Wagen der Mittelklasse oft sogar mit doppelt so viel."
In Hamburg sind derzeit gut 740.000 PKW angemeldet. Wenn nur die Hälfte davon eingespart werden kann, wird dadurch jährlich eine Summe von 1,3 Milliarden Euro gesellschaftlich verfügbar. (300 Euro monatl. Autokosten x 12 x 370.000 PKW).
In über 100 Städten und Regionen wird kostenloser Nahverkehr praktiziert. Trotzdem kann mensch frech behaupten, das sei nicht machbar/nicht bezahlbar.
Krankenkassenbeiträge müssen (fast) alle zahlen,
ob sie krank sind oder nicht. GEZ-Beiträge müssen (fast) alle zahlen, ob sie TV
schauen oder nicht.
Es ist nur recht und billig, wenn alle Einwohner (die es können), auch zu den Gemeinschaftsaufgaben der Kommune beitragen - und natürlich müssen/sollen auch alle Einwohner gemeinsam darüber entscheiden, was mit ihrem Geld dann geschieht.
Das wäre ein Weg, über den die Kommunen sich mehr gesellschaftlichen und politischen Einfluss verschaffen können.
Wal Buchenberg, 14.02. 2018