Im innerparteilichen Streit zwischen Sarah Wagenknecht (Fraktionsführung) und der Parteiführung (Katja Kipping, Bernd Riexinger) in der „Links-Partei“ wiederholt sich der vergangene Kampf zwischen Realos und Fundis innerhalb der Grünen Partei.
Ganz unabhängig von inhaltlichen Streitpunkten lässt sich dieser Kampf verstehen als Auseinandersetzung zwischen den Parteimitgliedern, die langfristig Oppositionspolitik betreiben wollen und deshalb auch „unrealistische“ Maximalforderungen vertreten können und vertreten wollen, und den Parteimitgliedern, die schnellstmöglich eine linke Regierungsbeteiligung anstreben, und daher „realistische“ Forderungen aufstellen, die idealiter zum Regierungsprogramm einer künftigen linken Regierung werden könnten.
Wie man weiß, haben in den 1980iger und 1990iger Jahren Realos die Fundis mit Leichtigkeit aus der Grünen Partei vertrieben. Das wird sich in der Linken Partei notwendigerweise wiederholen.
Warum?
Durch Gesetz und Gewohnheit stehen auch linke wie linksradikale Parteien im politischen Kraftfeld der Staatstätigkeit. Staatstragende Kräfte in anderen Parteien, in Stadtparlamenten, Landtagen und im Bundestag wirken ständig in linke Parteien hinein, und verändern deren innerparteiliche Kräfteverhältnisse, indem sie diese oder jene Realo-Politikerin oder Realo-Forderung unterstützen und Fundi-Forderungen und –Politikerinnen abstrafen und bekämpfen.
Man kann in der deutschen Parteiengeschichte noch weiter zurückgehen, und dieselbe Wirkung bei der SPD zwischen 1901 und 1914 feststellen. Während die SPD-Ideologen in dieser Zeit immer noch an radikalen Worten und Losungen festhielten, richtete sich die Praxis der Partei immer deutlicher auf einen „Burgfrieden“ mit dem deutschen Kaiserreich aus. In der Kriegseuphorie von Herbst 1914 zerstoben endgültig alle radikalen Programme, übrig blieb der deutschnationale Realo-Kern der Sozialdemokratie. Für linke Ideologen kam das überraschend, für die Machthaber in Deutschland nicht.
Wo sich Fundis nur auf ihre innerparteilichen Gegner konzentrieren, stehen sie auf verlorenem Posten.
Durch den ständigen katalytischen Einfluss staatstragender
Kräfte auf eine linke Partei entsteht bei den Parteimitgliedern notwendig der
Eindruck, sie könnten ihren Einfluss und ihre Wählerstimmen dadurch und nur
dadurch ausdehnen, dass sie den Realo-Forderungen und Realo-Politikern folgen.
Ich denke, die „Sammlungsbewegung“ von Lafontaine/Wagenknecht verfolgt keinen anderen Zweck, als diese äußere Einwirkung zur Stärkung und Unterstützung der Realos in der Links-Partei zu beschleunigen und zu vergrößern. Es ist nur eine Frage der Zeit (und kommender Krisenlagen), wann sich die Realos in der Linkspartei auch in programmatischen Fragen durchsetzen.
Wal Buchenberg, 11.Juni 2018