Bauern
1. Bauern sind eine vorkapitalistische Klasse

„Wie verhält es sich aber dann mit selbständigen Handwerkern oder Bauern, die keine Arbeiter anwenden, also nicht als Kapitalisten produzieren? ... Sie gehören ... weder in die Kategorie der produktiven noch der unproduktiven Arbeiter, obgleich sie Produzenten von Waren sind. Aber ihre Produktion fällt nicht unter die kapitalistische Produktionsweise ...

Der selbständige Produzent schafft zwar im angegebenen Fall seinen eigenen Mehrwert (der Fall gesetzt, dass er seine Ware zu ihrem Wert verkauft), oder das ganze Produkt vergegenständlicht nur seine eigene Arbeit.

Dass er aber das ganze Produkt seiner eigenen Arbeit sich selbst aneignen kann und nicht von einem Kapitalisten angeeignet wird, ... verdankt er nicht seiner Arbeit – die ihn nicht von anderen Arbeitern unterscheidet –, sondern dem Besitz der Produktionsmittel. Es ist also nur durch Eigentum an den letzteren, dass er sich seiner eigenen Mehrarbeit bemächtigt, und so verhält er sich als sein eigener Kapitalist zu sich selbst als Lohnarbeiter. ...

Und der Handwerker oder Bauer, der mit seinen eigenen Produktionsmitteln produziert, wird sich entweder nach und nach in einen kleinen Kapitalisten verwandeln, der auch fremde Arbeit ausbeutet, oder er wird seiner Produktionsmittel verlustig gehen (dies mag zunächst geschehen, obgleich er ihr nomineller Eigentümer bleibt, wie beim Hypothekenwesen) und in einen Lohnarbeiter verwandelt werden.

Dies ist die Tendenz in der Gesellschaftsform, worin die kapitalistische Produktionsweise vorherrscht.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 382384.

„Eine der handgreiflichsten Eigentümlichkeiten des Kreislaufsprozesses des industriellen Kapitals, also auch der kapitalistischen Produktion, ist der Umstand, dass einerseits die Bildungselemente des produktiven Kapitals aus dem Warenmarkt herstammen und beständig ... als Waren gekauft werden müssen; andrerseits das Produkt des Arbeitsprozesses als Ware aus ihm hervorgeht, und beständig von neuem als Ware verkauft werden muss.

Man vergleiche z. B. einen modernen kapitalistischen Pächter von Nieder-Schottland mit einem altmodischen kontinentalen Kleinbauer. Der erstere verkauft sein ganzes Produkt und hat daher auch alle Elemente desselben, selbst die Aussaat, auf dem Markt zu ersetzten, der andere verzehrt den größten Teil seines Produkts direkt, kauft und verkauft möglichst wenig, verfertigt Werkzeuge, Kleidung etc., soweit möglich, selbst.“ K. Marx, Kapital II, MEW 24, 118f.

 

2. Enteignung der traditionellen Kleinbauern

als Voraussetzung und Folge kapitalistischer Entwicklung

„Das Kapitel über die ursprüngliche Akkumulation (im ersten Band des Kapitals) will nur den Weg schildern, auf dem im westlichen Europa die kapitalistische Wirtschaftsordnung aus dem Schoß der feudalen Wirtschaftsordnung hervorgegangen ist.

Es stellt also die geschichtliche Bewegung dar, die, indem sie die Produzenten von ihren Produktionsmitteln trennte, die ersteren in Lohnarbeiter (Proletarier im modernen Sinne des Wortes) und die Besitzer der letzteren in Kapitalisten verwandelte. ... Die Grundlage dieser ganzen Entwicklung ist die Enteignung der Ackerbauern. Sie ist bisher radikal erst in England durchgeführt ... Aber alle Länder Westeuropas durchlaufen die gleiche Bewegung.“ K. Marx, Brief an eine russische Zeitschrift (1877), MEW 19, 108.

 

„Es liegt in der Natur der kapitalistischen Produktionsweise, dass sie die ackerbauende Bevölkerung fortwährend vermindert im Verhältnis zur nicht ackerbauenden, weil in der Industrie ... das Wachstum des konstanten Kapitals, im Verhältnis zum variablen, verbunden ist mit dem absoluten Wachstum, obgleich der relativen Abnahme, des variablen Kapitals (damit auch der Zahl der Arbeiter); während in der Agrikultur das variable Kapital (damit auch die Zahl der Arbeiter) absolut abnimmt, das zur Ausbeutung eines bestimmten Bodenstücks erfordert ist, also nur wachsen kann, soweit neuer Boden bebaut wird ...“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 650.

 

3. Kapitalistische und künftige Landwirtschaft

„Die Revolution, welche die große Industrie im Ackerbau und den sozialen Verhältnissen seiner Produktionsagenten hervorruft, kann erst später dargestellt werden. Hier genügt eine kurze Andeutung einiger vorweggenommenen Resultate.

Wenn der Gebrauch der Maschinerie im Ackerbau großenteils frei ist von den physischen Nachteilen, die sie dem Fabrikarbeiter zufügt, wirkt sie hier noch intensiver und ohne Gegenstoß auf die ‚Überzähligmachung‘ der Arbeiter ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 527.

„In der Sphäre der Agrikultur wirkt die große Industrie insofern am revolutionärsten, als sie das Bollwerk der alten Gesellschaft vernichtet, den ‚Bauer‘, und ihm den Lohnarbeiter unterschiebt. (Und damit den Bauern zum Agrarkapitalisten macht.) Die sozialen Umwälzungsbedürfnisse und Gegensätze des Landes werden so mit denen der Stadt ausgeglichen. An die Stelle des gewohnheitsfaulsten und unrationellsten Betriebs tritt bewusste, technologische Anwendung der Wissenschaft.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 528.

„Die Zerreißung des ursprünglichen Familienbandes von Agrikultur und Manufaktur ... wird durch die kapitalistische Produktionsweise vollendet. Sie schafft aber zugleich die materiellen Voraussetzungen einer neuen, höheren Synthese, des Vereins von Agrikultur und Industrie, auf Grundlage ihrer gegensätzlich ausgearbeiteten Gestalten.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 528.

„Mit dem stets wachsenden Übergewicht der städtischen Bevölkerung, die sie in großen Zentren zusammenhäuft, häuft die kapitalistische Produktion einerseits die geschichtliche Bewegungskraft der Gesellschaft, stört sie andererseits den Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde, d. h. die Rückkehr der vom Menschen in der Form von Nahrungs- und Kleidungsmitteln vernutzten Bodenbestandteile zum Boden, also die ewige Naturbedingung dauernder Bodenfruchtbarkeit. Sie zerstört damit zugleich die physische Gesundheit der Stadtarbeiter und das geistige Leben der Landarbeiter. Aber sie zwingt zugleich durch die Zerstörung der bloß naturwüchsig entstandenen Umstände jenes Stoffwechsels, ihn systematisch als regelndes Gesetz der gesellschaftlichen Produktion und in einer der vollen menschlichen Entwicklung adäquaten Form herzustellen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 528.

„Wie in der städtischen Industrie wird in der modernen Agrikultur die gesteigerte Produktivkraft und größere Flüssigmachung der Arbeit erkauft durch Verwüstung und Versiechung der Arbeitskraft selbst.

Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebene Zeitfrist ist zugleich ein Fortschritt im Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit. ...

Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 529f.

„Die Moral von der Geschichte, die man auch durch sonstige Betrachtung der Agrikultur gewinnen kann, ist die, dass das kapitalistische System einer rationellen Agrikultur widerstrebt oder die rationelle Agrikultur unverträglich ist mit dem kapitalistischen System (obgleich dies ihre technische Entwicklung befördert) und entweder der Hand des selbst arbeitenden Kleinbauern oder der Kontrolle der assoziierten Produzenten bedarf.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 131.

 

4. Zur politischen Rolle der Bauernschaft

Soweit die Bauern produktives Eigentum mit wichtigen Produktionskenntnissen kombinierten, war bisher jede Regierung gut beraten, die die bäuerlichen Rechte und Vorlieben respektiert und geduldet hat, um die für die gesunde Ernährung der Gesellschaftsmitglieder unverzichtbaren Produktionskenntnisse der Bauern nicht zu verlieren.

Zu den Produktionsbedingungen der Bauern gehört aber nur das Nutzungsrecht am Boden, nicht das persönliche Eigentum am Boden. Sofern ihr Nutzungsrecht dauerhaft gewährleistet wird, stehen die meisten Bauern einer Nationalisierung des Bodens nicht im Weg.

4.1. Bauern im eigenen Land

„Die Bauern, ... jene große Masse der Produzenten, die nicht unmittelbar in den Kampf zwischen Kapital und Arbeit verwickelt waren.“ K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 337.

„In einem Punkt haben unsere französischen Genossen unbedingt Recht: Gegen den Kleinbauern ist in Frankreich keine dauernde Umwälzung möglich. ...

Was ist denn unsere Stellung zur Kleinbauernschaft? Und wie werden wir mit ihr verfahren müssen am Tag, wo uns die Staatsmacht zufällt?

Erstens ist der Satz des französischen Programms unbedingt richtig: dass wir den unvermeidlichen Untergang des Kleinbauern voraussehen, aber keineswegs berufen sind, ihn durch Eingriffe unsererseits zu beschleunigen.

Und zweitens ist es ebenso handgreiflich, dass, wenn wir im Besitz der Staatsmacht sind, wir nicht daran denken können, die Kleinbauern gewaltsam zu enteignen (einerlei, ob mit oder ohne Entschädigung), wie wir dies mit den Großgrundbesitzern zu tun genötigt sind. Unsere Aufgabe gegenüber dem Kleinbauern besteht zunächst darin, seinen Privatbetrieb und Privatbesitz in einen genossenschaftlichen überzuleiten, nicht mit Gewalt, sondern durch Beispiel und Darbietung von gesellschaftlicher Hilfe zu diesem Zweck. Und da haben wir allerdings Mittel genug, um dem Kleinbauern Vorteile in Aussicht zu stellen, die ihm schon jetzt einleuchten müssen. ...

Wir können nun und nimmermehr den Parzellenbauern die Erhaltung des Einzeleigentums und des Einzelbetriebs gegen die Übermacht der kapitalistischen Produktion versprechen. Wir können ihnen nur versprechen, dass wir nicht wider ihren Willen in ihre Eigentumsverhältnisse eingreifen werden. ... Die materiellen Opfer, die in diesem Sinn im Interesse der Bauern aus öffentlichen Mitteln zu bringen sind, ... sind eine vortreffliche Anlage, denn sie ersparen vielleicht den zehnfachen Betrag bei den Kosten der gesellschaftlichen Reorganisation überhaupt. In diesem Sinn können wir also sehr liberal mit den Bauern verfahren.“ F. Engels, Die Bauernfrage in Frankreich und Deutschland, MEW 22, 498501.

„D. h. wo der Bauer massenweise als Privateigentümer existiert, wo er sogar eine mehr oder minder beträchtliche Majorität bildet, ... treten folgende Fälle ein:

Entweder er verhindert ... jede Arbeiterrevolution, wie er das bisher in Frankreich getan hat; oder das Proletariat (denn der besitzende Bauer gehört nicht zum Proletariat, und da, wo er selbst seiner Lage nach dazu gehört, glaubt er, nicht dazu zu gehören) muss als Regierung Maßregeln ergreifen, wodurch der Bauer seine Lage unmittelbar verbessert findet, die ihn also für die Revolution gewinnen; Maßregeln, die aber im Keim den Übergang aus dem Privateigentum am Boden in Kollektiveigentum erleichtern, so dass der Bauer von selbst ökonomisch dazu kommt; es darf aber nicht den Bauern vor den Kopf stoßen, indem es z. B. die Abschaffung des Erbrechts proklamiert oder die Abschaffung seines Eigentums, letzteres ist nur möglich, wo der kapitalistische Pächter die Bauern verdrängt hat und der wirkliche Landbebauer ebenso gut Proletarier, Lohnarbeiter ist, wie der städtische Arbeiter ...

Noch weniger darf das Parzelleneigentum dadurch gekräftigt werden, dass die Parzelle vergrößert wird ...

Und damit das Proletariat irgendeine Chance zum Siege habe, muss es wenigstens fähig sein, vergleichsweise so viel für die Bauern zu tun, wie die französische Bourgeoisie in ihrer Revolution für die damaligen französischen Bauern tat.“ K. Marx, Konspekt zu Bakunin, MEW 18, 630633.

„Überhaupt kann eine kommunistische Bewegung nie vom Lande, sondern immer nur von den Städten ausgehen.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 338.

 

Siehe auch die Artikel:

Ursprüngliche Akkumulation

 

Kleinbürger

 

Landwirtschaft

 

-> Diskussionsforum

Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.