Genuss (Luxus)

 

1. Notwendiger Konsum und Luxuskonsum

sind relative, historische Größen

Was Luxus und was normaler Konsum ist, wird von der Entwicklung der Produktivkräfte und der gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt.

Luxus ist Gegensatz zum Naturnotwendigen. Notwendige Bedürfnisse sind die des Individuums, reduziert selbst auf ein Natursubjekt. Die Entwicklung der Industrie hebt diese Natur-notwendigkeit, wie jenen Luxus auf – in der bürgerlichen Gesellschaft allerdings nur gegensätzlich, indem sie selbst wieder nur einen bestimmten gesellschaftlichen Maßstab als den notwendigen gegenüber dem Luxus setzt.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 426. Die „notwendigen“ Bedürfnisse werden in der bürgerlichen Gesellschaft über die Lohnhöhe definiert. Luxus ist erlaubt für die Bezieher von Mehrwert.

„... dass, was früher als Luxus erschien, nun notwendig ist und so genannte Luxusbedürfnisse ... als Notwendigkeit ... erscheinen.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 426.

„Unsere Bedürfnisse und Genüsse entspringen aus der Gesellschaft; wir messen sie daher an der Gesellschaft; wir messen sie nicht an den Gegenständen ihrer Befriedigung. Weil sie gesellschaftlicher Natur sind, sind sie relativer Natur.“ K. Marx, Lohnarbeit und Kapital, MEW 6, 412.

„Die verschiedene Gestaltung des materiellen Lebens ist natürlich jedes Mal abhängig von den schon entwickelten Bedürfnissen, und sowohl die Erzeugung wie die Befriedigung dieser Bedürfnisse ist selbst ein historischer Prozess ...“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 71.

„Je mehr die selbst geschichtlich – durch die Produktion selbst erzeugten Bedürfnisse, die gesellschaftlichen Bedürfnisse – ... als notwendig gesetzt sind, umso höher ist der wirkliche Reichtum entwickelt. Der Reichtum besteht stofflich betrachtet nur in der Mannigfaltigkeit der Bedürfnisse.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 426.

„Infolge steigenden Arbeitslohns wird namentlich die Nachfrage der Arbeiter nach notwendigen Lebensmitteln wachsen. In einem geringeren Grad wird ihre Nachfrage nach Luxusartikeln zunehmen oder sich Nachfrage einstellen für Artikel, die früher nicht in den Bereich ihrer Konsumtion fielen.“ K. Marx, Kapital II, MEW 24, 340.

„… unter Luxusprodukt ist hier alle Produktion zu verstehen, die nicht zur Reproduktion der Arbeitskraft nötig ist.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 116.

„Die Kategorie Konsumtionsmittel der jährlichen Warenproduktion besteht aus den mannigfaltig­sten Industriezweigen, die aber – mit Bezug auf ihre Produkte – in zwei große Unterabteilungen zerfällt werden können:

a) Konsumtionsmittel, die in den Konsum der Arbeiterklasse eingehen und, so­weit sie notwendige Lebensmittel, wenn auch oft der Qualität und dem Wert nach verschieden von denen der Arbeiter, auch einen Teil der Konsumtion der Kapita­listenklasse bilden. Diese ganze Unterabteilung können wir für unseren Zweck zusammenfassen un­ter der Rubrik: Notwendige Konsumtionsmittel, wobei es ganz gleichgültig, ob ein solches Produkt, wie z. B. Tabak, vom physiologischen Standpunkt aus ein notwendiges Konsumtionsmittel ist oder nicht; genug, dass es gewohnheitsmäßig ein solches ist.

b) Luxus-Konsumtionsmittel, die nur in den Konsum der Kapitalisten-klasse ein­gehen, also nur gegen verausgabten Mehrwert umgesetzt werden können, der dem Arbeiter nie zufällt.“ K. Marx, Kapital II, MEW 24, 402.

 

2. Gesteigerter Luxus der Privilegierten ist sowohl Ausdruck gesteigerter Ausbeutung (negatives Element) wie allgemein gesteigerter Produktivkraft (positives Element)

„In den historischen Anfängen der kapitalistischen Produktionsweise – und jeder kapitalistische Emporkömmling macht dies historische Stadium individuell durch – herrschen Bereicherungstrieb und Geiz als absolute Leidenschaften vor. ... Auf einer gewissen Entwicklungshöhe wird ein konventioneller Grad von Verschwendung, die zugleich Schaustellung des Reichtums und daher Kreditmittel ist, sogar zu einer Geschäftsnotwendigkeit des ‚unglücklichen‘ Kapitalisten. Der Luxus geht in die Repräsentationskosten des Kapitals ein.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 620.

„Die Philosophie, welche das Genießen predigt, ist in Europa so alt wie die kyrenäische Schule (des Aristipp, ein Kaufmann und Anhänger von Sokrates, um 400 v. Chr.) ...

Die Philosophie des Genusses war nie etwas anderes als die geistreiche Sprache gewisser zum Genuss privilegierter gesellschaftlicher Kreise. Abgesehen davon, dass die Weise und der Inhalt ihres Genießens stets durch die ganze Gestalt der übrigen Gesellschaft bedingt war und an allen ihren Widersprüchen litt, wurde diese Philosophie zur reinen Phrase, sobald sie einen allgemeinen Charakter in Anspruch nehmen und sich als die Lebensanschauung der Gesellschaft im Ganzen proklamierte.

Sie sank hier herab zur erbaulichen Moralpredigt, zur sophistischen Beschönigung der vorhandenen Gesellschaft, oder sie schlug in ihr Gegenteil um, indem sie eine unfreiwillige Askese für Genuss erklärte.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 402.

„Das nächste Resultat der Maschinerie ist, den Mehrwert und zugleich die Produk­tenmasse, worin er sich darstellt, also mit der Substanz, wovon die Kapi­talistenklasse samt Anhang zehrt, diese Gesellschafts-schichten selbst zu vergrö­ßern.

Ihr wachsender Reichtum ... erzeugt mit neuem Luxusbedürfnis zugleich neue Mittel seiner Befriedigung. Ein größerer Teil des gesellschaft-lichen Produkts verwandelt sich in Mehrprodukt und ein größerer Teil des Mehrprodukts wird in verfeinerten und vermannigfachten Formen reproduziert und verzehrt. In anderen Worten: Die Luxusproduktion wächst.

Die Verfeinerung und Vermannigfachung der Produkte entspringt ebenso aus den neuen weltmarktlichen Beziehungen, welche die große Industrie schafft. Es wer­den nicht nur mehr ausländische Genussmittel gegen das heimische Produkt aus­getauscht, sondern es geht auch eine größere Masse fremder Rohstoffe, Ingre­dienzien, Halbfabrikate usw. als Produktionsmittel in die heimische Industrie ein.

Mit diesen weltmarktlichen Beziehungen steigt die Arbeitsnachfrage in der Transportindustrie und spaltet sich letztere in zahlreiche neue Unterarten.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 468f.

„Das erste Resultat der Maschine – Steigerung des Mehrwerts und zugleich der Produktenmasse, worin er sich darstellt, und wovon die Kapitalistenklasse und ihr Anhang zehrt, diese Gesellschaftsschichten zu vergrößern – also Steigerung der Anzahl von Kapitalisten; neues Luxusbedürfnis und zugleich Mittel seiner Befriedigung. Die Luxus-produktion wächst ...“ F. Engels, Konspekt über „Das Kapital“, MEW 16, 285.

 

„Wenn ihr bedenkt, dass 2/3 des nationalen Produkts (1865 in England) von 1/5 der Bevölkerung ... konsumiert werden, so begreift ihr, welch bedeutender Teil des nationalen Produkts in Gestalt von Luxusartikeln produziert oder gegen Luxusartikel ausgetauscht und welche Unmenge selbst von den Lebensmitteln auf Hauspersonal, Pferde, Katzen usw. verschwendet werden muss ...“ K. Marx, Lohn, Preis und Profit, MEW 16, 107.

 

Zum Vergleich: „Consumtion accounts for almost 70 % of GDP in America ... Families earning above 50,000 USD a year account for nearly half of all consumer spending.“ (Economist, 17. Oktober 1998, 55). Allerdings sind hier – im Unterschied zur Berechnung von Marx – die privaten Dienstleistungen, die heute überwiegend gekauft und seltener als Hauspersonal vorrätig gehalten werden, nicht in den Luxuskonsum eingerechnet.

 

3. In einer selbstbestimmten Wirtschaft verschwindet

der Unterschied zwischen Luxus und notwendigem Konsum

Der Alltagskonsum steigt deutlich und Luxus für Privilegierte entfällt.

„Die große geschichtliche Seite des Kapitals ist diese Mehrarbeit, überflüssige Arbeit vom Standpunkt ... der bloßen Subsistenz aus, zu schaffen, und seine historische Bestimmung ist erfüllt, sobald einerseits die Bedürfnisse soweit entwickelt sind, dass die Mehrarbeit über das Notwendige hinaus selbst allgemeines Bedürfnis ist, aus den individuellen Bedürfnissen selbst hervorgeht, – andererseits die allgemeine Aufmerksamkeit durch die strenge Disziplin des Kapitals, wodurch die sich folgenden Geschlechter durchgegangen sind, entwickelt ist als allgemeine Besitz des neuen Geschlechts, – endlich durch die Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit, die das Kapital in seiner unbeschränkten Bereicherungssucht und den Bedingungen, worin es sie allein realisieren kann, beständig voranpeitscht, soweit gediehen ist, dass der Besitz und die Erhaltung des allgemeinen Reichtums einerseits nur eine geringere Arbeitszeit für die ganze Gesellschaft erfordert und die arbeitende Gesellschaft sich wissenschaftlich zu dem Prozess ihrer fortschreitenden Reproduktion, ihrer Reproduktion in stets größerer Fülle verhält. ...

Als das rastlose Streben nach der allgemeinen Form des Reichtums (d. h. nach dem Geld) treibt aber das Kapital die Arbeit über die Grenzen ihrer Naturbedürftigkeit hinaus und schafft so die materiellen Elemente für die Entwicklung der reichen Individualität, die ebenso allseitig in ihrer Produktion als Konsumtion ist ...“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 231.

„Stellen wir uns ... einen Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen Arbeitskräfte selbstbewusst als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben. ... Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Es bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsmitgliedern verzehrt. Er muss daher unter sie verteilt werden. Die Art dieser Verteilung wird wechseln mit der besonderen Art des gesellschaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechenden geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten. Nur zur Parallele mit der Warenproduktion setzen wir voraus, der Anteil jedes Produzenten an den Lebensmitteln sei bestimmt durch seine Arbeitszeit. Die Arbeitszeit würde also eine doppelte Rolle spielen. Ihre gesellschaftlich planmäßige Verteilung regelt die richtige Proportion der verschiedenen Arbeitsfunktionen zu den verschiedenen Bedürfnissen. Andererseits dient die Arbeitszeit zugleich als Maß des individuellen Anteils des Produzenten an der Gemeinarbeit und daher auch an dem individuell verzehrbaren Teil des Gemeinprodukts. Die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu ihren Arbeiten und ihren Arbeitsprodukten bleiben hier durchsichtig einfach in der Produktion sowohl als in der Distribution.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 92f.

Siehe auch den Artikel:

Konsum


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Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.