Menschenrechte

 

1. Kapitalismus ist die bestmögliche Verwirklichung der Menschenrechte

„Die Sphäre der Zirkulation oder des Warentausches, innerhalb deren Schranken Kauf und Verkauf der Arbeitskraft sich bewegt, ist in der Tat ein wahres Paradies der angeborenen Menschenrechte. Was allein hier herrscht, ist Freiheit, Gleichheit, Eigentum und Egoismus.

Freiheit! Denn Käufer und Verkäufer einer Ware, z. B. der Arbeitskraft, sind nur durch ihren freien Willen bestimmt. Sie schließen den Arbeitsvertrag als freie, rechtlich ebenbürtige Personen. Der Kontrakt ist das Endresultat, worin sich ihre Willen einen gemeinsamen Rechts-ausdruck geben.

Gleichheit! Denn sie beziehen sich nur als Warenbesitzer aufeinander und tauschen Gleichwertiges für Gleichwertiges.

Eigentum! Denn jeder verfügt nur über das Seine.

Egoismus! Denn jedem von den beiden ist es nur um sich zu tun. Die einzige Macht, die sie zusammen und in ein Verhältnis bringt, ist die ihres Eigennutzes, ihres Sondervorteils, ihrer Privatinteressen. Und eben will so jeder nur für sich und keiner für den anderen kehrt, vollbringen alle, infolge einer prästablierten Harmonie der Dinge oder unter der weisen Voraussicht einer allpfiffigen Vorsehung, nur das Werk ihres wechselseitigen Vorteils, des Gemeinnutzens, des Gesamtinteresses.

... von dieser Sphäre der einfachen Zirkulation oder des Waren-tausches ... (nimmt) der durchschnittliche Liberale Anschauungen, Begriffe und Maßstab für sein Urteil über die Gesellschaft des Kapitals und der Lohnarbeit, ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 189ff.

 

2. Individuelles Eigentum, Freiheit, Gleichheit

heißt die Erfolgsliste des Kapitalismus gegenüber der Feudalgesellschaft

 

2.1. Eigentum

„Das Privateigentum des Arbeiters an seinen Produktionsmitteln ist die Grundlage des Kleinbetriebs, der Kleinbetrieb eine notwendige Bedingung für die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion und der freien Individualität des Arbeiters selbst. Allerdings existiert diese Produktionsweise auch innerhalb der Sklaverei, Leibeigenschaft und anderer Abhängigkeitsverhältnisse. Aber sie blüht nur ..., wo der Arbeiter freier Privateigentümer seiner von ihm selbst gehandhabten Arbeits-bedingungen ist, der Bauer des Ackers, den er bestellt, der Handwerker des Instruments, worauf er als Virtuose spielt.

Diese Produktionsweise unterstellt Zersplitterung des Bodens und der übrigen Produktionsmittel ..., so schließt sie ... die Kooperation, ... gesellschaftliche Beherrschung und Reglung der Natur, freie Entwick-lung der gesellschaftlichen Produktivkräfte aus. Sie ist nur verträglich mit engen naturwüchsigen Schranken der Produktion und der Gesell-schaft. ...

Auf einem gewissen Höhegrad bringt sie die materiellen Mittel ihrer eigenen Vernichtung zur Welt. ... Sie muss vernichtet werden, sie wird vernichtet.

Ihre Vernichtung, die Verwandlung der individuellen und zersplitterten Produktionsmittel in gesellschaftlich konzentrierte, ... daher die Enteignung der großen Volksmasse von Grund und Boden und Lebens-mitteln und Arbeitsinstrumenten, diese furchtbare und schwierige Enteignung der Volksmasse bildet die Vorgeschichte des Kapitals. ...

Das selbst erarbeitete, sozusagen auf Verwachsung des einzelnen, unabhängigen Arbeitsindividuums mit seinen Arbeitsbedingungen beruhende Privateigentum wird verdrängt durch das kapitalistische Privateigentum, welches auf Ausbeutung fremder, aber formell freier Arbeit beruht. ... Sobald die kapitalistische Produktionsweise auf eigenen Füßen steht, gewinnt die weitere Vergesellschaftung der Arbeit und weitere Verwandlung der Erde und anderer Produktionsmittel in gesellschaftlich ausgebeutete, also gemeinschaftliche Produktions-mittel ... eine neue Form.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 789f.

„In der weiteren Entwicklung ... wird sich ... schließlich zeigen, dass das Privateigentum (im Kapitalismus) ... identisch ist mit der Trennung von Arbeit und Eigentum; so dass Arbeit = wird fremdes Eigentum schaffen und Eigentum = fremde Arbeit kommandieren.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 148.

„Und gleiche Ausbeutung der Arbeitskraft ist das erste Menschenrecht des Kapitals.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 309.

 

2.2. Freiheit ist nur negativ bestimmt

als Fehlen persönlicher Abhängigkeiten

Der stumme Zwang der kapitalistischen Verhältnisse wird weg-geleugnet.

„Im Geldverhältnis, im entwickelten Austauschsystem (und dieser Schein verführt die Demokratieanhänger) sind in der Tat die Bande der persönlichen Abhängigkeit gesprengt, zerrissen, Blutsunterschiede, Bildungsunterschiede etc. ...; und die Individuen scheinen (im Kapitalismus) unabhängig (diese Unabhängigkeit, die überhaupt bloß eine Illusion ist ...) frei aufeinander zu stoßen und in dieser Freiheit auszutauschen; die Individuen scheinen so aber nur für den, der von den Bedingungen, den Existenzbedingungen (und diese sind wieder von Individuen unabhängige und erscheinen, obgleich von der Gesellschaft erzeugt, gleichsam als Naturbedingungen, d. h. von den Individuen unkontrollierbare) abstrahiert, unter denen diese Individuen in Berührung treten.

Die Bestimmtheit, die im ersten Fall (in vorkapitalistischen Zustän-den) als eine persönliche Beschränkung des Individuums durch ein anderes erscheint, erscheint im letzteren (im Kapitalismus) ausgebildet als eine sachliche Beschränkung des Individuums durch von ihm unabhängige und in sich selbst ruhende Verhältnisse.

(Da das einzelne Individuum nicht seine persönliche Bestimmtheit (wie z. B. sein Geschlecht, Zugehörigkeit zu einer Familie, zu einer Kultur, zu einem sozialen Stand etc.) abstreifen, wohl aber äußere Verhältnisse überwinden und sich unterordnen kann, so scheint seine Freiheit im Kapitalismus größer zu sein. Eine nähere Untersuchung jener äußeren Verhältnisse, jener Bedingungen, zeigt aber die Unmöglichkeit für die Indivi-duen einer Klasse ... jene Verhältnisse massenhaft zu über-winden, ohne sie aufzuheben (d. h. sie grundlegend zu ändern). Der Einzelne kann zufällig mit ihnen fertig werden; die Masse der von ihnen Beherrschten nicht, da ihr bloßes Bestehen die Unterordnung, und die notwendige Unterordnung der Individuen unter sie, ausdrückt.

Diese äußeren Verhältnisse sind so wenig eine Beseitigung der ‚Abhängigkeitsverhältnisse‘, dass sie nur die Auflösung derselben in eine allgemeine Form sind; vielmehr das Herausarbeiten des allge-meinen Grundes der persönlichen Abhängigkeitsverhältnisse sind (nämlich des Privateigentums an den Produktionsmitteln). ...

Diese sachlichen Abhängigkeitsverhältnisse im Gegensatz zu den persönlichen erscheinen auch so (das sachliche Abhängigkeits-verhältnis ist nichts als ... ihre ihnen selbst gegenüber verselbständigten wechselseitigen Produktionsbeziehungen), dass die Individuen von Abstraktionen beherrscht werden, während sie früher voneinander abhingen.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 81.

„Es kostet Jahrhunderte, bis der ‚freie‘ Arbeiter infolge entwickelter kapitalistischer Produktionsweise sich freiwillig dazu versteht, d. h. gesellschaftlich gezwungen ist, für den Preis seiner gewohnheits-mäßigen Lebensmittel seine ganze aktive Lebenszeit, ja seine Arbeits-fähigkeit selbst ... zu verkaufen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 287.

„Solange die auf dem Kapital ruhende Produktion die notwendige, daher die angemessenste Form für die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft, erscheint das Bewegen der Individuen innerhalb der reinen Bedingungen des Kapitals als ihre Freiheit.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 544.

„Diese Art individueller Freiheit ist daher zugleich die völligste Aufhebung der individuellen Freiheit und die völlige Unterjochung der Individualität unter gesellschaftliche Bedingungen, die die Form von sachlichen Mächten, ja von übermächtigen Sachen ... annehmen.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 545.

„In der Vorstellung sind ... die Individuen unter der Kapitalisten-herrschaft freier als früher, weil ihnen ihre Lebensbedingungen zufällig sind; in der Wirklichkeit sind sie natürlich unfreier, weil mehr unter sachliche Gewalt unterworfen.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 76.

 

„Andererseits zeigt sich ebenso sehr die Albernheit der Sozialisten (namentlich der französischen, die den Sozialismus als Verwirklichung der von der französischen Revolution ausgesprochenen Ideen der bürgerlichen Gesellschaft nachweisen wollen), die demonstrieren, dass der Austausch, der Tauschwert etc. ursprünglich (in der Zeit) oder ihrem Begriff nach (in ihrer adäquaten Form) ein System der Freiheit und Gleichheit aller sind, aber verfälscht worden sind durch das Geld, Kapital etc. ...

Ihnen ist zu antworten, dass der Tauschwert oder näher das Geldsystem in der Tat das System der Gleichheit und Freiheit ist und dass, was ihnen in der näheren Entwicklung des Systems störend entgegentritt, ihm immanente Störungen sind, eben die Verwirklichung der Gleichheit und Freiheit, die sich ausweisen als Ungleichheit und Unfreiheit.

Es ist ein ebenso frommer wie dummer Wunsch, dass der Tauschwert sich nicht zum Kapital entwickle, oder die den Tauschwert produzie-rende Arbeit zur Lohnarbeit.

Was die Herren von den bürgerlichen Verteidigern des Kapitalismus unterscheidet, ist auf der einen Seite das Gefühl der Widersprüche, die das System einschließt; auf der anderen der Utopismus, den notwen-digen Unterschied zwischen der realen und idealen Gestalt der bürgerlichen Gesellschaft nicht zu begreifen, und daher das überflüssige Geschäft vornehmen zu wollen, den ideellen Ausdruck selbst wieder realisieren zu wollen, da er in der Tat nur das Lichtbild dieser Realität ist.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 160.

 

2.3. Gleichheit meint nur formale Gleichheit vor dem Gesetz

Diese Gleichheit der Rechtssubjekte gab es in der Feudalgesellschaft nicht.

„Gerechtigkeit und Gleichheit der Rechte, das sind die Grundpfeiler, auf die der Bürger des 18. und 19. Jahrhunderts sein Gesellschaftsgebäude errichten möchte über den Trümmern der feudalen Ungerechtigkeiten, Ungleichheiten und Privilegien.“ F. Engels, Vorwort zu „Elend der Philosophie“, MEW 21, 179.

 

3. Brüderlichkeit

Die Menschen handeln auf der Grundlage ihrer Interessen, sie richten sich nicht nach frommen Wünschen.

„Wir haben die fatalistischen Ökonomen, die in ihrer Theorie ebenso gleichgültig gegen das sind, was sie die Übelstände der bürgerlichen Produktionsweise nennen, wie die Bourgeois selbst es in der Praxis sind gegenüber den Leiden der Proletarier, die ihnen die Reichtümer erwerben helfen. ...

Die Ökonomen, wie Adam Smith und Ricardo, ... haben lediglich die Mission, nachzuweisen, wie der Reichtum unter den Verhältnissen der bürgerlichen Produktion erworben wird, diese Verhältnisse in Kategorien, in Gesetze zu formulieren und nachzuweisen, um wie viel diese Gesetze, diese Kategorien für die Produktion der Reichtümer überlegen sind den Gesetzen und Kategorien der feudalen Gesellschaft.

Das Elend ist in ihren Augen nur der Schmerz, der jede Geburt begleitet, in der Natur wie in der Industrie. ...

Es kommt alsdann die humanitäre Schule, welche sich die schlechte Seite der heutigen Produktionsverhältnisse zu Herzen nimmt. Diese sucht, um ihr Gewissen zu beruhigen, die wirklichen Kontraste, so gut es eben geht, zu bemänteln; sie beklagt aufrichtig die Not des Proletariats, die zügellose Konkurrenz der Bourgeois unter sich; sie rät den Arbeitern, mäßig zu sein, fleißig zu arbeiten und wenig Kinder zu zeugen; sie empfiehlt den Bourgeois Überlegung in ihrem Produktions-eifer.“ K. Marx, Elend der Philosophie, MEW 4, 141f.

„... Die Kommunisten (machen) weder den Egoismus gegen die Aufopferung (den Altruismus) noch den Altruismus gegen den Egoismus geltend ... und (fassen) theoretisch diesen Gegensatz weder in jener gemütlichen noch in jener überschwänglichen ideologischen Form ... (Sie weisen) vielmehr seine materielle Geburtsstätte nach ..., mit welcher er von selber verschwindet.

Die Kommunisten predigen überhaupt keine Moral ... Sie stellen nicht die moralische Forderung an die Menschen: Liebet Euch untereinander, seid keine Egoisten usw.; sie wissen im Gegenteil sehr gut, dass der Egoismus ebenso wie der Altruismus eine unter bestimmten Verhältnissen notwendige Form der Durchsetzung der Individuen ist.

Die Kommunisten wollen also keineswegs, ... den ‚Privatmenschen‘ dem ‚allgemeinen‘, dem aufopfernden Menschen zuliebe aufheben ...“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 229.

 

Siehe auch die Artikel:

Eigentum

Freiheit

Gerechtigkeit

Gleichheit

Moral

 

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Zur Zitierweise:

Wo es dem Verständnis dient, wurden veraltete Fremdwörter, alte Maßeinheiten und teilweise auch Zahlenbeispiele zum Beispiel in Arbeitszeitberechnungen modernisiert und der Euro als Währungseinheit verwendet. Dass es Karl Marx in Beispielrechnungen weder auf absolute Größen noch auf Währungseinheiten ankam, darauf hatte er selbst hingewiesen: Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten.“ Kapital II, MEW 24, 396.

Alle modernisierten Begriffe und Zahlen sowie erklärende Textteile, die nicht wörtlich von Karl Marx stammen, stehen in kursiver Schrift. Auslassungen im laufenden Text sind durch drei Auslassungspunkte kenntlich gemacht. Hervorhebungen von Karl Marx sind normal fett gedruckt. Die Rechtschreibung folgt der Dudenausgabe 2000. Quellenangaben verweisen auf die Marx-Engels-Werke, (MEW), Berlin 1956ff.