Kommune Bochum
Mein Modell einer genossenschaftlichen Wirtschaft

Vorbemerkung:

Eine unbewältigte und unverarbeitete Erblast der Arbeiterbewegung und aller Emanzipationsbewegungen in Deutschland sind die unbefriedigenden Erfahrungen mit dem Staatssozialismus der DDR und der Sowjetunion. Es gab und gibt eine Fülle von negativer Kritik am Sowjetsystem, aber es gab und gibt bis heute kein alternatives Modell, das alle Emanzipationsversprechen der radikalen Arbeiterbewegung wahrmachen würde und Verhältnisse garantierte, in denen kein Mensch „ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ (K. Marx, MEW 1, 385)
Mit der „Kommune Bochum“ wird mein Modell der nachkapitalistischen Wirtschaft vorgestellt – einer Wirtschaft, die ohne Geld wirtschaftet und nicht am Profit orientiert ist, sondern an den wirklichen Bedürfnissen der Menschen.

Es gibt in der Linken eine breite Debatte über kapitalistisch geprägte Bedürfnisse der Menschen in der heutigen Gesellschaft. Es geht in dieser Debatte um die Vermeidung zerstörerischer Technologien. Es geht um Schonung und Erhaltung unserer natürlichen Umwelt. Es geht um die Erhaltung und Förderung der tierischen und menschlichen Gesundheit. Diese „Kritik der Bedürfnisse“ ist wichtig und zukunftweisend, dennoch spielt sie in dem folgenden Modell der selbstverwalteten, genossenschaftlichen Wirtschaft zunächst keine Rolle. Sie kann zunächst keine Rolle spielen, weil ich davon ausgehe, dass geänderte Bedürfnisse der Menschen nicht Voraussetzung, sondern Folge einer emanzipierten Gesellschaft sind. Mit der „Kommune Bochum“ skizziere ich ein sozialistisches Wirtschaftsmodell, das mit den heutigen Menschen und ihren heutigen Bedürfnissen funktionieren kann und funktionieren soll. Ich beschränke mich auch nur auf die Organisation der Wirtschaft. Wer eine ausgearbeitete „konkrete Utopie“ mit „politischer Verfassung“, Bildungs- und Kulturwesen usw. erwartet, den werde ich enttäuschen. Ich behandle im Folgenden allein die Selbstverwaltung der Wirtschaft, weil ich deren Organisation für die wichtigste und vielleicht auch komplizierteste Frage halte. Alles Weitere wird sich daraus ergeben.
Ich nenne dieses Wirtschaftsmodell „Kommune Bochum“, weil es auf den Gedanken und Forderungen des „Bochumer Programms“ basiert und aus der Diskussion mit anderen Initiatoren des Bochumer Programms – vor allem mit Robert, Peter und Angela - erwachsen ist.

In einem Brief an den deutschen Arbeiterführer Bebel schrieb F. Engels im Jahr 1875: „Die deutsche Arbeiterpartei erstrebt die Abschaffung der Lohnarbeit und damit der Klassenunterschiede vermittelst Durchführung der genossenschaftlichen Produktion in Industrie und Ackerbau auf nationalem Maßstab.“ F. Engels an Bebel (1875), MEW 19, 6.
„Genossenschaftliche Produktion auf nationalem Maßstab“ entspricht der Beschreibung der klassenlosen Gesellschaft bei Marx als „eine Gesellschaft von Individuen, die vereint sind auf der Grundlage der gemeinsamen Aneignung und Kontrolle der Produktionsmittel.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 77.
Und Marx fügte seiner Beschreibung der klassenlosen Gesellschaft noch hinzu: „Letztere Vereinigung ist nichts Willkürliches: sie setzt die Entwicklung materieller und geistiger Bedingungen voraus...“

Im Folgenden versuche ich zu klären, wie eine genossenschaftliche Produktion auf nationalem Maßstab, bei der die Gesellschaftsmitglieder die Produktionsmittel gemeinsam anwenden und kontrollieren, mit den heutigen materiellen und geistigen Bedingungen aussehen könnte oder aussehen müsste.


1. Planungsschritt: Erfassung der vorhandenen Bedürfnisse
Die kapitalistische Produktion wird vom „Markt“ gesteuert. Marktteilnehmer sind Menschen mit viel oder mit wenig Geld in der Tasche. Der Markt ist der heilige Gral der Kapitalisten.
Eine selbstverwaltete und selbstbestimmte Wirtschaft kann nicht mit den Zufällen des Marktes beginnen und noch weniger mit der zahlungskräftigen Nachfrage. Geld und Markt sind kapitalistisch und können und dürfen in einer genossenschaftlichen Produktion keine Rolle spielen. Eine selbstverwaltete, genossenschaftliche Wirtschaft muss mit den wirklich vorhandenen Bedürfnissen beginnen. Bevor ein Individuum produziert und produzieren kann, muss es schon konsumieren.
Bevor ein Individuum im Kapitalismus konsumieren kann, muss es über Geld verfügen. Kapitalistische Lohnarbeiter verfügen über eng begrenzte Geldmittel. Bevor sie ihr Geld weggeben, müssen sie sich auch gut überlegen, was sie kaufen und in welcher Menge. Der Lohnarbeiter „ist aber nicht an besondere Gegenstände seines Konsums, noch an eine besondere Weise seines Konsums gebunden. Er ist nicht qualitativ vom ... Kreis der Genüsse... ausgeschlossen, sondern nur quantitativ. Dies unterscheidet ihn vom Sklaven, Leibeigenen etc...“ Karl Marx, Grundrisse, 194.
In der genossenschaftlichen Produktion benötigen die Individuen kein Geld. Sie benötigen aber ein Bewusstsein ihrer Bedürfnisse nach Art und Menge gegliedert. Sie erhalten ihre Konsummittel nicht über Geld, sondern über Bestellung.
Als Privatmensch kennt man das vom Versandhandel und vom Internethandel. Tatsächlich kaufen die Kapitalisten schon seit Jahrhunderten ihre Produktionsmittel und auch einen Teil ihrer hochwertigen Konsumtionsmittel nur über Bestellung und im Auftrag.
Auch die freien Genossenschaftler einer Kommune müssen sich vor ihrem Konsum und vor ihrer produktiven Arbeit überlegen, was sie in welcher Menge benötigen und wünschen. Diese Überlegungen werden leichter, wenn man die Konsumartikel ein bisschen strukturiert und sortiert.
Zum Beispiel, wenn der Bestellbogen der individuellen Bedürfnisse folgendermaßen strukturiert ist:




Die Welt des privaten, individuellen Konsums ist hier in acht Gattungen eingeteilt. Jede Gattung teilt sich in verschiedene Arten. Bei der Gattung „Nahrung“ sind es fünf Nahrungsarten. Die Nahrungsarten unterteilen sich in Lebensmittelsorten. Bei der Nahrungsart „Getränke“ sind es hier sechs Lebensmittelsorten. Und jede Sorte unterteilt sich in einzelne Artikel. Bei der Getränkesorte „Bier“ sind es hier die fünf Artikel Weizenbier, Malzbier, Pils, Kölsch, Dunkles.
Mit Hilfe einer so gegliederten Liste kann jeder einzelne Genossenschaftler und jeder Haushalt seinen privaten Bedarf für den täglichen, wöchentlichen oder längerfristigen Verbrauch anmelden. Das könnte zum Beispiel so aussehen:




Stellvertretend für alle Konsumgattungen sind hier die Artikel aus der Getränkesorte Bier aufgeführt.

Die Individuen und Haushalte der Kommune haben zwar private Bedürfnisse, aber zur Erfüllung dieser Bedürfnisse benötigen sie die Mithilfe und Mitarbeit der anderen Kommune-Mitglieder. Deshalb geben die Individuen und Haushalte der Kommune ihre aktuellen Bedürfnisse bei der Kommune in Auftrag. Diese Bestellungen können über Telefon, über Internet oder durch die Briefpost erfolgen, aber sie müssen in einer kommunalen Rechnungsstelle gesammelt, sortiert und summiert werden.
Resultat des 1. Schrittes ist dann die kommunale Bedarfsliste der gemeldeten privaten Konsumtionsmittel.
Die könnte dann so aussehen:




Eine kommunale Rechnungsstelle sammelt und sortiert die Aufträge für den privaten Bedarf. Nach dem Sammeln und über das Addieren hinaus muss diese Rechnungsstelle die Konsumartikel noch in Produktionsaufgaben umrechnen. Brot und Backwaren oder Milch werden täglich verzehrt und müssen wie Energie und Leitungswasser täglich neu geliefert oder auch produziert werden. Kartoffeln, Bekleidung oder Bier haben eine längere Haltbarkeit und können in größeren Abständen auf Vorrat produziert werden. Fahrzeuge und Wohnraum benötigen lange Produktionszeiten, haben aber auch eine lange Lebensdauer. Im Kapitalismus regelt der Markt den zeitlichen und saisonalen Auf- und Abschwung der Nachfrage nach verschiedenen Warengruppen. In der genossenschaftlichen Wirtschaft muss das gemeinsam durchdacht und geplant werden. Aber es werden sich hier bald Erfahrungswerte einstellen.

Zwischenbemerkung:
Für jemanden, der in der kommunistischen Literatur bewandert ist, dürfte auffallen, dass hier nur individuelle Bedürfnisse, aber nicht die individuelle Arbeitsleistung erfasst werden. Bezugnehmend auf die Ausführungen von Karl Marx in der Kritik des Gothaer Programms ist es linke Gewohnheit oder gar linkes Dogma, dass im Sozialismus die Deckung des Konsums durch die Produktion auf individueller Ebene berechnet wird, so dass jedes Individuum nur soviel an Konsumtionsmittel erhält, als es an individueller Produktionsleistung für die Gemeinschaft beiträgt.
Karl Marx hat diese Verteilung auf der Basis individueller Arbeitsleistung deutlich als „Missstand“ und als „bürgerliches Rechtsprinzip“ gekennzeichnet, das nur „in der ersten Phase der kommunistischen Gesellschaft unvermeidbar“ sei. Ich gehe davon aus, dass die Kommunikations- und Produktionsmittel inzwischen soweit entwickelt sind, dass im 21. Jahrhundert diese „erste Phase der kommunistischen Gesellschaft“ vielleicht nur wenige Wochen oder Monate dauert und deshalb in Modell der „Kommune Bochum“ keine Rolle spielt. Die Deckung der Bedürfnisse durch die Produktion, das heißt die Übereinstimmung von Konsumtion und Produktion wird in der Kommune Bochum nicht auf individueller Ebene hergestellt, sondern auf der gemeinschaftlichen Ebene der Kommune. Sofern die Summe alle Konsumtionsmittel nach Art und Menge auf der Ebene der Kommune durch die gemeinschaftliche Produktion gedeckt wird, spielt es keine Rolle mehr, ob ein einzelnes Kommunemitglied viel oder wenig oder gar nicht gearbeitet hat. Wie bei einer Haushaltsgemeinschaft müssen in der Kommune die gesamten Konsumtionsmittel durch die gesamten „Einkünfte“, also durch die Gesamtproduktion gedeckt sein.

Unter den Voraussetzungen der Deckung „von Nachfrage und Zufuhr, von Produktion und Konsumtion; in letzter Instanz proportionale Produktion, ... so wird die Geldfrage ganz sekundär, und speziell die Frage, ob Scheine, blaue oder grüne, blecherne oder papierene ausgegeben werden oder in welcher anderen Form die gesellschaftliche Buchführung gehandhabt wird.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 71.

In der Kommune Bochum wird die gesellschaftliche Buchführung so gehandhabt, dass zunächst die individuellen und öffentlichen Bedürfnissen erfasst werden, aber der Abgleich und der Ausgleich dieser erfassten Bedürfnisse mit den produktiven Möglichkeiten nicht auf individueller Ebene, sondern auf der Ebene der Kommune erfolgt.

2. Planungsschritt: Erstellung einer kommunalen Bedarfsliste des öffentlichen Konsums
Jeder Mensch lebt zunächst als Individuum und hat als Individuum individuelle Bedürfnisse. Darüber hinaus existiert eine Vielfalt von öffentlichen Bedürfnissen, die ebenso erfasst, geplant erarbeitet und bereitgestellt werden müssen, wie die privaten Bedürfnisse. Dazu gehören Bildungsstätten, Verkehrseinrichtungen, Gesundheitsversorgung, aber auch Vorsorge für Notfälle und Katastrophen. Anders als in der kapitalistischen Wirtschaft zählen auch die Produktionsmittel, da sie gemeinsam genutzt werden, zu den öffentlichen Aufgaben. Erneuerung und Erweiterung der Produktionsmittel ist in der genossenschaftlichen Wirtschaft Teil der öffentlichen Aufgaben.

Aus der Erfahrung der kapitalistischen und der staatssozialistischen Länder gibt es bestimmte Größenordnungen zwischen privatem und öffentlichem Konsum. In den USA macht der private Konsum derzeit rund 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in Deutschland macht der private Konsum rund 60 Prozent der Wirtschaftsleistung. In der Sowjetunion waren es zuletzt 25 Prozent.
In diesen Ländern und Wirtschaftssystemen haben und hatten die Werktätigen keinen Einfluss auf die Teilung des gesellschaftlichen Reichtums in privaten und öffentlichen Konsum. In einer genossenschaftlichen, klassenlosen Gesellschaft entscheiden die Genossenschaftler auch über diese Frage. Darüber muss dann gemeinsam beraten und entschieden werden. Bei der Frage ist zu beachten, dass individueller und öffentlicher Konsum eng miteinander verzahnt sind. Zum Beispiel sind öffentliche Verkehrsmittel oder Restaurants gemeinschaftliche Konsumgüter, aber genutzt werden sie meist individuell und sie befriedigen individuelle Bedürfnisse. Anders ist es allerdings bei der Erneuerung oder Erweiterung von Produktionsmittel. Sie werden gemeinschaftliche genutzt, nicht individuell. Für die meisten öffentlichen Güter gilt, dass ihre Bereitstellung längere Vorbereitungs- und Arbeitszeiten erfordern. Das geht in der Regel auf Kosten des individuellen Konsumtionsfonds.
Der Einfachheit halber nehme ich an, dass die Genossenschaftler der Kommune Bochum nach Diskussion und Klärung der verschiedenen Bedürfnisse sich auf ein Verhältnis des privaten zu öffentlichem Konsum von 50 : 50 einigen.

Die ersten beiden Schritte des Planungsprozesses erfassten die Wünsche der Kommune für den privaten und den öffentlichen Konsum. Nun folgen die Planungsschritte zu ihrer Realisierung.

3. Planungsschritt: Erstellung der kommunale Bedarfsliste der Produktionsmittel
Aus der kommunalen Bedarfsliste der privaten und öffentlichen Konsumtionsmittel muss der aktuelle Bedarf der Kommune an Produktionsmittel berechnet werden. Produktionsmittel sind Energie, Gebäude, Rohstoffe, Werkstoffe, und schließlich der vorhandene und willige Arbeitseinsatz auf den jeweiligen Produktions- und Qualifikationsfeldern.
In jedem kapitalistischen Großbetrieb gibt es heute schon so einen Planungsprozess, in dem festgelegt wird, was und wie viel im folgenden Jahr produziert werden soll, und wie und wofür die vorhandenen Sach- und personellen Mittel eingesetzt werden sollen. Diese innerbetrieblichen Planungsprozesse gilt es auf die verschiedenen Branchen und Wirtschaftszweige der Kommune zu übertragen.
Neu und anders ist allerdings, dass in der Kommune alle Gesellschaftsmitglieder gemeinsam diese Frage entscheiden. Weder im Kapitalismus noch im Staatssozialismus besaßen die Werktätigen diese Entscheidungsfreiheit. Im Kapitalismus entscheidet allein der Kapitalist (in Gestalt der Geschäftsführung), im Staatssozialismus entschieden die Planungsbürokraten.
Ziel und Zweck dieses Planungsprozesses ist die Übereinstimmung von Konsumtion und Produktion. Siehe Karl-Marx-Lexikon: „Verteilung“

„Gesellschaftliche Produktion heißt, ... dass die Gesellschaft, wie nach einem Plan, ihre Produktionsmittel und Produktivkräfte verteilt in dem Grad und Maß wie nötig zur Befriedigung ihrer verschiedenen Bedürfnisse, so dass auf jede Produktionssphäre das zur Befriedigung des Bedürfnisses, dem sie entspricht, nötige Anteil des gesellschaftlichen Kapitals falle.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 529.

Die unterschiedlichen Bedürfnisse müssen nach Art und Umfang aus unterschiedlichen Produktionszweigen bedient werden. Dazu ist es hilfreich, die einzelnen Produktionszweige überschaubar zu gliedern. Siehe dazu die folgende Grafik am Beispiel des Bierbrauens.



Zunächst teilen sich die Produktionsmittel in sachliche und personelle Mittel.
Siehe im Karl-Marx-Lexikon: Produktionsmittel
Die sachlichen Mittel sind hier in fünf Arten unterteilt, die sich jeweils in Unterarten gliedern. Da hier die Bierbrauerei als Beispiel dient, gibt es die vier Rohstoffe Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Aus den sachlichen und personellen Produktionsmitteln muss eine Bedarfsliste der benötigten Produktionsmittel erstellt werden. Vielleicht wie in der folgenden Gliederung:




Bei den personellen Mitteln spielen die vorhandenen Qualifikationen eine Rolle – wo benötigte Qualifikationen fehlen, müssen diese in den öffentlichen Bildungsbedarf aufgenommen werden – und nicht zuletzt die Arbeitsstunden, die zur Herstellung dieser verschiedenen Arten und Artikel des privaten und öffentlichen Konsums nötig sind. Der Einfachheit halber halte ich hier nur eine einzige Zahl fest: Die Arbeitsstunden, die zur Erfüllung der privaten und öffentlichen Bedürfnisse als nötig berechnet wurden. Das seien insgesamt 6 Millionen Wochenstunden.

In diesem 3. Planungsschritt wurden die unterschiedlichen Bedürfnisse als Produktionsaufgabe unterschiedlichen Wirtschaftszweigen zugeteilt.

4. Planungsschritt: Kommunale Produktionsbilanz (Bedarf/Wunsch – Realisierbarkeit)
Im nächsten Schritt muss eine kommunale Bilanz erstellt werden, die die Wünsche und Bedürfnisse auf ihre Realisierbarkeit prüft.

„Nur wo die Produktion unter wirklicher vorherbestimmender Kontrolle der Gesellschaft steht, schafft die Gesellschaft den Zusammenhang zwischen dem Umfang der gesellschaftlichen Arbeitszeit, verwandt auf die Produktion bestimmter Artikel, und dem Umfang des durch diese Artikel zu befriedigenden gesellschaftlichen Bedürfnisses.““ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 197.

Dabei stehen auf der einen Seite alle sachlichen Mittel, die für den gemeldeten Bedarf nötig sind: alle Rohstoffe, alle Hilfsstoffe, alle Energiearten und Energiemengen, alle Maschinen, alle Gebäude. Dem wird gegenübergestellt, was die Kommune an Rohstoffen und Hilfsstoffen selber produzieren kann, bzw. welche sie bevorratet hat. Die erforderlichen Maschinen und Anlagen werden abgeglichen mit den vorhandenen Maschinen und Anlagen. Die erforderlichen personellen Ressourcen mit den vorhandenen personellen Ressourcen.
Nehmen wir einmal der Einfachheit halber nur die personellen Ressourcen. Die kommunale Rechnungsstelle hat errechnet, dass für alle gemeldeten Bedürfnisse 6 Millionen Wochenarbeitsstunden nötig sind.

In der Kommune Bochum seien aber von den rund 375.000 Einwohnern nur 200.000 arbeitsfähig und arbeitswillig. Als durchschnittliche Arbeitszeit haben diese Genossenschaftler 4 Arbeitsstunden an 5 Werktagen gemeldet. Das macht für jeden von ihnen 20 Wochenstunden produktive Arbeit, insgesamt 4 Millionen Wochenstunden. 4 Millionen Wochenstunden ist das (freiwillige) Arbeitsangebot. 6 Millionen Wochenstunden war die als nötig errechnete Arbeitszeit. Ein Drittel der Arbeitszeit ist unterdeckt. Entsprechend unterdeckt wird auch die Bilanz der Roh- und Hilfsstoffe sein.
Dass die Wünsche größer sind als die Möglichkeiten ihrer Verwirklichung, wird niemanden von uns überraschen. Immer schießen unsere Wünsche und Bedürfnisse über das Maß der Realisierbarkeit hinaus. Und der Zuwachs an Wünschen und Bedürfnissen ist einer der vorwärtstreibenden Elemente der Menschheitsgeschichte.

„Je mehr die selbst geschichtlich – durch die Produktion selbst erzeugten Bedürfnisse, die gesellschaftlichen Bedürfnisse – ... als notwendig gesetzt sind, umso höher ist der wirkliche Reichtum entwickelt. Der Reichtum besteht stofflich betrachtet nur in der Mannigfaltigkeit der Bedürfnisse.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 426.
„... was früher als Luxus erschien, (ist) nun notwendig ... und so genannte Luxusbedürfnisse (erscheinen heute)... als Notwendigkeit ....“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 426.

Siehe im Karl-Marx-Lexikon „Luxus“
Wenn sich Produktionsmöglichkeiten und gemeldete Bedürfnisse nicht decken, muss also eine zweite Runde der Diskussion, Klärung und Entscheidung folgen, welche öffentlichen und privaten Bedürfnisse im laufenden Jahr unerfüllt bleiben, und welche Vorrang haben. Hier ist dann auch der Ort und die Gelegenheit der „Kritik der Bedürfnisse“. Hier beginnt die bewusste und freiwillige Orientierung der Kommunemitglieder auf nachhaltigen und ökologischen Konsum.

Ein Appell an alle, mehr und zusätzliche Arbeitsstunden zu leisten, wäre möglich, aber ich gehe mal davon aus, dass ein solcher Appell außer in einer wirklichen Notsituation wenig bringt. ;)Schließlich müssen auch alle Kommunemitglieder alle öffentlichen Verwaltungsaufgaben mitüberlegen und mitentscheiden. Das wäre unmöglich, wenn für jeden die tägliche Arbeitszeit in der Produktion mehr als 4 oder 5 Stunden betragen würde.

So eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung ist keine Utopie. Im Jahr 2008 wurden in Deutschland insgesamt 57 Mrd. Arbeitsstunden geleistet. Würden diese Arbeitsstunden auf alle Erwerbstätigen gleichmäßig verteilt, dann folgte daraus – bei gleicher Wirtschaftsleistung – eine tägliche Arbeitszeit von 6,8 Stunden für alle. Rechnet man noch die rund 10 Millionen Menschen hinzu, die arbeiten können und arbeiten wollen, aber im kapitalistischen Deutschland keinen akzeptablen Arbeitsplatz finden, so ergäbe sich eine tägliche Arbeitszeit von fünfeinhalb Stunden für alle. Eine weitere Arbeitszeitverkürzung ist sicherlich erreichbar durch den Verzicht auf schädliche oder verschwenderische Produktionsleistungen, wie sie im Kapitalismus massenhaft üblich sind.

„Wenn alle arbeiten müssen, der Gegensatz von Überarbeiteten und Müßiggängern wegfällt – und dies wäre jedenfalls die Konsequenz davon, dass das Kapital aufhörte zu existieren, ... – und außerdem die Entwicklung der Produktivkräfte, wie das Kapital sie hervorgebracht hat, in Betracht gezogen wird, so wird die Gesellschaft den nötigen Überfluss in 6 Stunden produzieren, mehr als jetzt in 12, und zugleich werden alle 6 Stunden ‚Freizeit‘, den wahren Reichtum haben; Zeit, die nicht durch unmittelbar produktive Arbeit absorbiert wird, sondern zum Genuss, zur Muße, so dass sie zur freien Tätigkeit und Entwicklung Raum gibt.““ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III,, MEW 26.3, 252.
„Der wirkliche Reichtum der Gesellschaft und die Möglichkeit beständiger Erweiterung ihres Reproduktionsprozesses hängt ... nicht ab von der Länge der Mehrarbeit, sondern von ihrer Produktivität und von den mehr oder minder reichhaltigen Produktionsbedingungen, worin sie sich vollzieht.
Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion.
Wie der Wilde mit der Natur ringen muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muss es der Zivilisierte, und er muss es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen.
Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse sich erweitern; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehen, dass der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur am würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehen. Aber es bleibt dies immer in Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühen kann.
Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 828.


„Gemeinschaftliche Produktion vorausgesetzt, bleibt die Zeitbestimmung natürlich wesentlich. Je weniger Zeit die Gesellschaft bedarf, um Weizen, Vieh etc. zu produzieren, desto mehr Zeit gewinnt sie zu anderer Produktion, materieller oder geistiger. Wie bei einem einzelnen Individuum, hängt die Allseitigkeit ihrer Entwicklung, ihres Genusses und ihrer Tätigkeit von Zeitersparnis ab. Ökonomie der Zeit, darein löst sich schließlich alle Ökonomie auf.
Ebenso muss die Gesellschaft ihre Zeit zweckmäßig einteilen, um eine ihren Gesamtbedürfnissen gemäße Produktion zu erzielen; wie jeder Einzelne seine Zeit richtig einteilen muss, um sich Kenntnisse in angemessenen Proportionen zu erwerben oder um den verschiedenen Anforderungen an seine Tätigkeit Genüge zu leisten. Ökonomie der Zeit, sowohl wie planmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf die verschiedenen Zweige der Produktion, bleibt also erstes ökonomisches Gesetz auf Grundlage der gemeinschaftlichen Produktion. Es wird sogar in viel höherem Grade Gesetz.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 89.


In jedem Fall müssen jedoch die Genossenschaftler ihre Wünsche auf das Maß der vorhandenen Produktionskapazitäten kürzen. In unserem Beispiel müssten die individuellen und öffentlichen Konsumwünsche um rund ein Drittel gesenkt werden, um eine Deckung des Konsums durch die vorhandene Produktionsleistung zu erreichen.

Neben der Kürzung des privaten und öffentlichen Konsums gäbe es allerdings noch eine zweite Möglichkeit, die vorhandenen Bedürfnisse zu realisieren. Diese Möglichkeit besteht in der Zulieferung von sachlichen oder personellem Mitteln aus anderen Kommunen.
Eine Kommune hat vielleicht einen Mangel, wo eine andere Kommune Überfluss hat. Um solche Ungleichgewichte auszugleichen, benötigen die Kommunen eine landesweite und letztlich auch eine internationale Kooperation.

4. Landesweite Bilanzierung und internationaler Warenaustausch
Jede Kommune stellt also ihren Saldo in einen landesweiten Abgleich. Jede Kommune meldet ihren jeweiligen Überschuss bzw. ihr Defizit an Sachmitteln und an Arbeitsressourcen an alle anderen Kommunen.

In einer landesweiten Bilanzierung oder auch in zweiseitigen Abmachungen werden diese Bilanzen dann soweit ausgeglichen, bis nur noch die gemeinsame, internationale Bilanz übrig bleibt. Die internationale Bilanz gibt an, welche Sachmittel landesweit fehlen und deshalb aus dem Ausland bezogen werden müssen, und welche Sachmittel oder Arbeitsressourcen überschüssig sind, so dass sie dem Ausland zur Verfügung gestellt werden können.

Im Jahr 2008 hatte das kapitalistische Deutschland Roh-, Hilfsstoffe und Energieträger im Wert von 350 Mrd. Euro aus dem Ausland bezogen. Das waren rund 12 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung (BIP). Man kann also damit rechnen, dass auch ein genossenschaftlich organisiertes Deutschland in dieser Größenordnung, sagen wir Produkte im Umfang von 15 Prozent seiner Wirtschaftsleistung aus dem Ausland beziehen muss. Der Bezug von Rohstoffen und Energieträgern aus dem Ausland wird aber noch auf lange Sicht als Warenverkehr organisiert sein.
Die landesweite Genossenschaft Deutschland müsste also rund 15 Prozent ihrer Arbeitsleistung als Waren ins kapitalistische Ausland verkaufen, um damit Rohstoffe und Energieträger einzukaufen, die in Deutschland genötigt werden, aber dort nicht herzustellen sind. 85 Prozent seiner Wirtschaft wären schon genossenschaftlich und kommunistisch, 15 Prozent seiner Wirtschaftsleistung wäre für den kapitalistischen Export bestimmt und müsste sich an den Weltmarktpreisen orientieren. Das mag ein gewisser Nachteil sein, aber der Nachteil ist nicht groß und ein grundsätzliches Hindernis für die Errichtung einer genossenschaftlich-kommunistischen Wirtschaft in Deutschland wäre das nicht.
Ein genossenschaftlich organisiertes Deutschland oder Europa wäre dann vergleichbar einer einzelnen Genossenschaft in einer kapitalistischen Umgebung: Nach innen ist es kommunistisch, nach außen ist es noch zu Warenproduktion gezwungen. Allerdings würde in diesem Fall die Warenproduktion nur einen geringen Anteil der Gesamtproduktion ausmachen.

Mit dem Bestellung der notwendigen Rohstoffe und Energieträger im Ausland und der dafür nötigen Bereitstellung einer entsprechenden Produktmenge, die zu Weltmarktpreisen im kapitalistischen Ausland verkauft werden muss, wäre der Planungsprozess der Kommune Bochum abgeschlossen. Jetzt bleibt noch die Arbeit der Umsetzung und Realisierung.
Soweit es die Kommune Bochum geschafft hat, ihre Bedürfnisse mit ihren produktiven Möglichkeiten abzugleichen und die Produktion nach den eigenen Vorgaben zu steuern, dann kann das gemeinsame geplante und erarbeitete Produkt an jeden Einzelnen wie an die gemeinschaftlichen Aufgaben verteilt werden, ohne dass dafür Geld nötig ist. Jeder gibt, was er in der Lage und bereit ist zu geben. Jeder erhält – im Rahmen des gemeinschaftlich erstellen Produktionsplans der Kommune -, was er wünscht.

„... Die ganze, aus lauter Arbeitern bestehende Gesellschaft wird Besitzerin des gesamten Produkts ihrer Arbeit, das sie teilweise zur Konsumtion unter ihre Mitglieder verteilt, teilweise zum Ersatz und zur Vermehrung ihrer Produktionsmittel verwendet und teilweise als Reservefonds der Produktion und Konsumtion aufspeichert.“ F. Engels, Wohnungsfrage, MEW 18, 222.

„Stellen wir uns ... einen Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen Arbeitskräfte selbstbewusst als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben. ... Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Es bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsgliedern verzehrt. Er muss daher unter sie verteilt werden. Die Art dieser Verteilung wird wechseln mit der besonderen Art des gesellschaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechenden geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, S. 92f.

„Innerhalb der genossenschaftlichen, auf Gemeingut an den Produktionsmitteln gegründeten Gesellschaft tauschen die Produzenten ihre Produkte nicht aus; ebenso wenig erscheint hier die auf Produkte verwandte Arbeit als Wert dieser Produkte, als eine von ihnen besessene sachliche Eigenschaft, da jetzt, im Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaft, die individuellen Arbeiten nicht mehr auf einem Umweg, sondern unmittelbar als Bestandteile der Gesamtarbeit existieren.““ K. Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, 19f.


5. Schlussbemerkung
Man sieht, das Leben in einer Kommune hat zunächst wenig mit Politik zu tun, aber viel mit Arbeitsplanung, Arbeit und Arbeitsorganisation. Wer nur ein paar Bände Lenin kennt, und sonst nichts gelernt hat, der wird seinen Genossenschaftlern in einer nachkapitalistischen Gesellschaft wenig nützen. Anders ist es allerdings mit dem Hauptwerk von Karl Marx, dem „Kapital“. Dort findet man vor allem im zweiten und dritten Band äußerst wertvolle Überlegungen, an denen künftige Kommunarden kaum vorbeikommen werden – bei Strafe von Mangel und Unterversorgung und gleichzeitiger Fehlleitung und damit Verschwendung von Arbeitsleistung.

„Wir haben ... gezeigt, dass die Aufhebung der Verselbständigung der Verhältnisse gegenüber den Individuen, der Unterwerfung der Individualität unter die Zufälligkeit, der Unterwerfung ihrer persönlichen Verhältnisse unter die allgemeinen Klassenverhältnisse etc. in letzter Instanz bedingt ist durch die Aufhebung der Teilung der Arbeit.
Wir haben ebenfalls gezeigt, dass die Aufhebung der Teilung der Arbeit bedingt ist durch die Entwicklung des Verkehrs und der Produktivkräfte zu einer solchen Universalität, dass das Privateigentum und die Teilung der Arbeit für sie zu einer Fessel wird.
Wir haben ferner gezeigt, dass das Privateigentum nur aufgehoben werden kann unter der Bedingung einer allseitigen Entwicklung der Individuen, weil eben der vorgefundene Verkehr und die vorgefundenen Produktivkräfte allseitig sind und nur von allseitig sich entwickelnden Individuen angeeignet, d. h. zur freien Betätigung ihres Lebens gemacht werden können.
Wir haben gezeigt, dass die gegenwärtigen Individuen das Privateigentum aufheben müssen, weil die Produktivkräfte und die Verkehrsformen sich so weit entwickelt haben, dass sie unter der Herrschaft des Privateigentums zu Destruktivkräften geworden sind, und weil der Gegensatz der Klassen auf seine höchste Spitze getrieben ist.
Schließlich haben wir gezeigt, dass die Aufhebung des Privateigentums und der Teilung der Arbeit selbst die Vereinigung der Individuen auf der durch die jetzigen Produktivkräfte und den Weltverkehr gegebenen Basis ist.
Innerhalb der kommunistischen Gesellschaft, der einzigen, worin die selbständige und freie Entwicklung der Individuen keine Phrase ist, ist die Vereinigung der Individuen bedingt eben durch den Zusammenhang der Individuen, ein Zusammenhang, der teils in den ökonomischen Voraussetzungen besteht, teils in der notwendigen Solidarität der freien Entwicklung Aller, und endlich in der universellen Betätigungsweise der Individuen auf der Basis der vorhandenen Produktivkräfte.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 424.


Wal Buchenberg (mit besonderem Dank an Peter, Robert und Angela), 04.01.2012

Kurze Anmerkung:
1. Was ist das Ziel der Produktion?
Im Kapitalismus ist das Ziel der Produktion der größtmögliche Profit für den/die Kapitalisten. Darüber sind sich die meisten Linken einig.
Im Sozialismus/Kommunismus ist das Ziel der Produktion die Befriedigung der Bedürfnisse. Auch darüber sind sich die meisten Linken einig.
Was unter „Befriedigung der Bedürfnisse“ zu verstehen sei, darüber gehen die Meinungen weit auseinander.

Die Traditionslinke meint: Eine irgendwie legitimierte Avantgarde analysiert und definiert die Bedürfnisse und organisiert dementsprechend die Produktion. Durch diese Bedürfnisdefinition durch Wenige wird diese Avantgarde zwangsläufig, ob sie will oder nicht, zu Herren über die Gesellschaft. Aus ihrer Definitionsmacht folgt notwendig wirtschaftliche Macht. Aus ihrer wirtschaftlichen Macht folgt soziale und politische Macht.
Davon abgesehen schafft es keine Minderheit, die Bedürfnisse von Allen (der Gesellschaft) zu kennen und zu "managen". Das wusste schon Marx als er schrieb: „Nur wo die Produktion unter wirklicher vorherbestimmender Kontrolle der Gesellschaft steht, schafft die Gesellschaft den Zusammenhang zwischen dem Umfang der gesellschaftlichen Arbeitszeit, verwandt auf die Produktion bestimmter Artikel, und dem Umfang des durch diese Artikel zu befriedigenden gesellschaftlichen Bedürfnisses.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 197.

Anders die ökologische Linke. Die ökologische Linke kritisiert die bestehenden „kapitalistischen Bedürfnisse“. Die Forderung nach einer allgemeinen Änderung der privaten und öffentlichen Bedürfnisse ist zwar gut gemeint, aber unrealistisch, weil dieser Appell die materielle Basis der Bedürfnisse ignoriert.

Die „Kommune Bochum“ nimmt einen anderen Ansatz.

Die „Kommune Bochum“ sieht die Veränderung der Bedürfnisse nicht als Voraussetzung einer nachkapitalistischen Wirtschaft, sondern vielmehr als ihre Folge. Und: Die „Kommune Bochum“ legt die Definition der Bedürfnisse in die Hände aller Genossenschaftler.
Dazu Karl Marx:
„Gesellschaftliche Produktion heißt, ... dass die Gesellschaft, wie nach einem Plan, ihre Produktionsmittel und Produktivkräfte verteilt in dem Grad und Maß wie nötig zur Befriedigung ihrer verschiedenen Bedürfnisse, so dass auf jede Produktionssphäre das zur Befriedigung des Bedürfnisses, dem sie entspricht, nötige Anteil des gesellschaftlichen Kapitals falle.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert II, MEW 26.2, 529.

Ziel der sozialistischen und kommunistischen Produktion ist die Deckung des wirklichen, das heißt gemeinschaftlich bestimmten Bedarfs durch die gemeinschaftliche Produktion. Das ist schon (fast) alles, was man über diese Wirtschaft wissen muss.

Die zweite, weniger wichtige Frage ist:
2. Wie geschieht die gesellschaftliche Buchführung?
Dazu Karl Marx:
Unter den Voraussetzungen der Deckung „von Nachfrage und Zufuhr, von Produktion und Konsumtion; in letzter Instanz proportionale Produktion, ... so wird die Geldfrage ganz sekundär, und speziell die Frage, ob Scheine, blaue oder grüne, blecherne oder papierene ausgegeben werden oder in welcher anderen Form die gesellschaftliche Buchführung gehandhabt wird.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 71.

In seiner Kritik des Gothaer Programms erläuterte Karl Marx ein Verteilungsmodell, das auf der individuellen Ebene ansetzt: Dort bekommt jeder Einzelne in dem Maße einen Anteil des gemeinschaftlichen Produkts wie er in Arbeitszeit (und nach Qualifikation) zur gesellschaftlichen Produktion beiträgt.
Marx sagt dazu, dass diese Buchführung auf individueller Ebene ein Mangel und ein „Missstand“ sei, der baldmöglichst beseitigt werden müsste.
Deshalb plant und bucht die Kommune Bochum auf der Ebene der Kommune.
Auf Kommuneebene werden "die Produktionsmittel und Produktivkräfte verteilt in dem Grad und Maß wie nötig zur Befriedigung ihrer verschiedenen Bedürfnisse".
Auf Kommuneebene wird überprüft, ob „auf jede Produktionssphäre dem zur Befriedigung nötige Anteil der gesellschaftlichen Arbeit falle.“ (sinngemäß bei Karl Marx, MEW 26,2, 529)

Kurz: Die „Kommune Bochum“ geht nicht über das hinaus, was Karl Marx über die sozialistische und kommunistische Wirtschaft gedacht und geschrieben hat. Sie macht die Gedanken und Vorschläge von Marx nur anschaulich.

Wal Buchenberg, 05.01.2012

Diskussion